Protokoll der Sitzung vom 08.11.2018

Eine Handvoll Großkonzerne und internationale Anwaltskanz leien könnten damit zukünftig jede freiheitlich-liberale Wirt schaftsordnung aushebeln.

(Beifall bei der AfD)

Es könnte eine Klageindustrie entstehen, welche die Verant wortung für die Folgen des eigenen wirtschaftlichen Handelns auf andere abwälzt. Unterschiedliche Begriffsdefinitionen, wie z. B. die unterschiedlichen Auffassungen zum Thema „Was ist denn eigentlich eine Investition?“, machen das Chaos dann natürlich vollends komplett. Denn wir in Deutschland verste hen darunter tatsächlich investiertes Geld, das in eine Anlage geflossen ist. Im angelsächsischen Raum zählen dazu auch entgangene Gewinne. Die Kosten hierfür werden dann auf die Steuerzahler abgewälzt, und zwar nicht nur auf Angestellte und Arbeiter, sondern auch auf die mittelständischen Unter nehmen in unserem Land.

Wenn man also überhaupt ein Handelsabkommen, das Schieds gerichte beinhaltet, abschließen möchte, dann muss es so sein, dass gegen die Entscheidung des Schiedsgerichts auf Wunsch eines der Beklagten jederzeit vor den ordentlichen Gerichten in Berufung gegangen werden kann. Internationaler Handel ist nämlich, wie ich bereits angesprochen habe, die Grundlage un seres Wohlstands und unseres friedlichen Miteinanders.

Wir, die AfD, befürworten daher grundsätzlich internationale Handelsabkommen, aber eben nicht um jeden Preis.

(Beifall bei der AfD)

Beim Abschluss eines Handelsabkommens müssen der Grund satz der Gleichbehandlung – Frau Lindlohr hat es bereits an gesprochen – beachtet sowie unsere hohen deutschen Indust rie-, Sozial- und Umweltstandards berücksichtigt werden.

(Zuruf des Abg. Peter Hofelich SPD)

Darüber hinaus steht zu befürchten, dass mit CETA ein „TTIP light“ durch die Hintertür eingeführt werden muss, denn im merhin 42 000 US-Firmen haben eine Niederlassung in Ka nada.

Interessanterweise scheinen wir hier mit den Grünen auf ei ner Linie zu liegen. Denn der Beschluss der Landesdelegier tenkonferenz der Grünen vom Dezember 2017 zu CETA mit dem Titel „Für einen fairen Handel: CETA-Vertrag nicht zu stimmen“ ist durchaus lesenswert. Rätselhaft ist jedoch, wie sich dieser Beschluss mit den Positionen der grün-schwarzen Landesregierung vereinbaren lässt; das kam ja jetzt gerade auch wieder zum Ausdruck. Im Koalitionsvertrag wird dies

daher mit blumigen Worten kaschiert. Sie sind sich also einig, dass Sie im Grunde für CETA sind, wenn CETA nicht wie CETA ist. Da ist der Beschluss der Landesdelegiertenkonfe renz der Grünen erheblich deutlicher:

Es dürfen keine Sonderklagerechte für Investoren ge schaffen werden. Sowohl Kanada als auch die Länder der EU sind Rechtsstaaten und bieten bereits jetzt die Mög lichkeit, sich an nationale und internationale Gerichte zu wenden.

Dem können wir, die AfD, uns vorbehaltlos anschließen. Wir fordern daher die Grünen auf, sich innerhalb der Landesregie rung mit dieser Sicht durchzusetzen. Sie sollten auch entspre chend dafür sorgen, dass im Bundesrat gegen CETA gestimmt wird, solange die aktuell vorgesehene Regelung zu den Schiedsgerichten bestehen bleibt.

Danke schön.

(Beifall bei der AfD)

Für die Regierung darf ich Herrn Minister Wolf ans Redepult bitten.

Frau Prä sidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir heute – nicht zum ersten Mal – in diesem Haus über CETA sprechen, dann sprechen wir über ein Abkommen – da hat sich schon auch etwas verändert –, das heute in vielen Teilen bereits Re alität ist.

Denn vor gut einem Jahr, am 21. September 2017, sind weite Teile des CETA-Abkommens vorläufig in Kraft getreten. Heu te können wir also nicht nur darüber reden, was CETA bedeu ten könnte, sondern auch darüber, was CETA tatsächlich be deutet. Die heutige Debatte ist also nicht nur Ausblick, son dern auch Anlass, ein erstes Fazit zu ziehen.

Dieses erste Fazit fällt – ich habe in der Debatte nichts wirk lich Gegenteiliges gehört – positiv aus. Auch die EU-Kom mission sieht dies so. Rund 99 % der Zölle zwischen Kanada und der Europäischen Union sind mittlerweile abgeschafft.

Auch wenn es für eine vollständige Beurteilung der Auswir kungen von CETA noch zu früh ist: Erste Anzeichen sprechen dafür, dass die exportorientierten Unternehmen in der Euro päischen Union von CETA profitieren. Statistiken der EU deu ten auf einen Anstieg der Ausfuhren nach Kanada um 7 % im Zeitraum von Oktober 2017 bis Juni 2018 hin. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag meldet einen Anstieg des deutsch-kanadischen Handelsvolumens im ersten Halbjahr 2018 um knapp 200 Millionen €. Das sind fast 3 %.

Das sind, wie gesagt, erste Tendenzen. Es sind aber Tenden zen, die uns, wie ich meine, ermutigen, Tendenzen, die zei gen, dass mehr Freihandel auch mehr Exporte bringt.

Das erste Jahr CETA sieht nach einem guten Jahr für die eu ropäische Wirtschaft aus. Das gilt umso mehr, als sich viele Verfahren im Bereich der Zölle und Ursprungsregelungen erst noch einspielen müssen. Andere Teile von CETA sind noch gar nicht in Kraft, etwa die Regelungen zur Beilegung von In vestor-Staat-Streitigkeiten durch ein öffentlich legitimiertes Investitionsgericht.

Meine Damen und Herren, wie ist nun die aktuelle Situation mit Blick auf das Ratifizierungsverfahren? Alle Bereiche des Abkommens, die nicht unstreitig in der Zuständigkeit der Eu ropäischen Union liegen, können erst nach der Ratifizierung durch die EU-Mitgliedsstaaten in Kraft treten. Mit dieser Ra tifizierung sind wir in Deutschland sicher nicht die schnells ten. Die Bundesregierung hat noch kein Ratifikationsgesetz vorgelegt. Allerdings gibt es – auch das ist heute mehrfach an geklungen – auch noch eine ganze Reihe offener Fragen.

Bei solchen internationalen Abkommen geht Gründlichkeit vor Schnelligkeit. Jetzt können wir natürlich nach den Debat ten trefflich darüber streiten: Gehört man eher zur Koalition der Gründlicheren oder zur Koalition der Schnelleren?

Entscheidend finde ich – da habe ich nichts Gegenteiliges ge hört –, dass wir hier eine riesengroße Koalition pro CETA ha ben. Das ist, glaube ich, am Ende des Prozesses wichtig. Kol lege Kößler hat, wenn ich ihn richtig verstanden habe, das kla re Ja zu CETA aus diesem Haus signalisiert. Kollegin Lind lohr hat die einzelnen Aspekte einer vertieften Prüfung ge nannt. Das Bundesverfassungsgericht ist noch am Zug. Der EuGH wird auf Antrag Belgiens ein Gutachten zur Vereinbar keit des geplanten Investitionsschutzkapitels und des Schieds gerichtssystems mit dem EU-Primärrecht erstatten. Auch die Frage der Beteiligungsrechte der Länder über den Bundesrat ist noch abschließend zu entscheiden.

Jetzt kann man in der Tat auch wiederum trefflich darüber dis kutieren: Muss man wirklich dies alles abwarten, bis man zur Ratifizierung kommt, oder könnte diese Ratifizierung bereits heute erfolgen? Ich finde, meine Damen und Herren, entschei dend ist, dass wir bereits nach diesem ersten Jahr der in Tei len erfolgten Umsetzung sehr positive Wirkungen belegen können und dass dieses Haus nach allem, was ich aus der De batte entnehmen kann, auch willens ist, am Ende des Tages über die Beteiligung im Bundesrat der Ratifizierung auch zu zustimmen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit dem Beschluss zur vor läufigen Anwendung der unstreitigen Teile von CETA wurde für die Übergangszeit ein guter Kompromiss gefunden, ein Kompromiss, der es uns erlaubt, von den Vorzügen des Ab kommens wie dem Wegfall von Zöllen und Tarifen bereits jetzt profitieren zu können. Gleichzeitig steht die Landesre gierung fest in ihrer Haltung zu CETA. Der Ministerpräsident hat das ja anlässlich seines Besuchs in Kanada auch noch ein mal klar und deutlich bestätigt. Es ist ein Kompromiss, der es uns erlaubt, schon jetzt zu profitieren.

Als Bewertungsgrundlagen der Landesregierung gelten der Koalitionsvertrag und das Eckpunktepapier vom 17. März 2015. Die große Neuerung von CETA gegenüber anderen Ab kommen, ein ausführliches Investitionsschutzkapitel mit ei ner öffentlich legitimierten Gerichtsbarkeit, muss über recht liche Bedenken aus Luxemburg und Karlsruhe erhaben sein, damit dies in Kraft treten kann. Darauf wird die Landesregie rung selbstverständlich achten.

Meine Damen und Herren, ganz unabhängig vom aktuellen Sachstand in Sachen CETA zeigt uns die Debatte: Dieses Ab kommen ist schon jetzt ein Meilenstein für die wirtschaftli chen Beziehungen zwischen Kanada und der Europäischen Union, aber auch für die Handelspolitik der EU insgesamt. Es

ist ein starkes Signal, dass Europa an der Pflege und Vertie fung internationaler Handelsbeziehungen festhält.

Es ist übrigens, Kollege Hofelich, auch ein Bereich, in dem wir uns in der Zukunft durchaus noch mehr Europa vorstel len könnten.

Die Vereinigten Staaten von Amerika sind unter Präsident Trump von einem Vorreiter des Freihandels zu einem unkal kulierbaren Risiko für den Welthandel geworden. Ich teile die Einschätzung, dass auch die Wahlen vom vergangenen Diens tag daran nichts Gravierendes verändern werden. Die TwitterAttacken aus dem Weißen Haus, die sich heute gegen dieses Land und morgen gegen jenes Unternehmen richten, sorgen überall für Verunsicherung. Dabei braucht internationaler Handel verlässliche Partner und klare Rahmenbedingungen. Nur so entsteht das nötige Vertrauen für Investitionen, Be schäftigung und Wohlstand.

Nachdem die USA vorübergehend ausfallen und Staaten wie China nur Lippenbekenntnisse liefern, ist es deswegen nun an der Europäischen Union, die weltweite Führungsrolle für re gelbasierten multilateralen Freihandel zu übernehmen. Darin liegt für uns Europäer eine echte Chance. Wir können uns für einen werteorientierten Freihandel einsetzen, eine Form des Freihandels, die unnötige Hürden beseitigt, die gleichzeitig aber gewisse Standards festschreibt.

Dazu gehört, dass trotz allem Freihandel die Entscheidungen über kommunale Daseinsvorsorge, Kultur und Bildung auch weiterhin von den Staaten getroffen werden müssen. Einen Automatismus zur Privilegierung darf es nicht geben.

Die EU konnte in jüngster Zeit einige Fortschritte erzielen. Die Abkommen mit Singapur und Japan, die Verhandlungen mit dem Mercosur gehen bereits in die richtige Richtung. Sie zeigen, dass die EU weltweit Partner für ihre Form des regel basierten Handels gewinnen kann. CETA ist dabei aber das umfassendste und fortschrittlichste Handelsabkommen der Europäischen Union. Das liegt daran, dass Kanada und die EU ziemlich gleichlautende Vorstellungen davon haben, wie man den Welthandel regelgebunden und fair gestaltet.

In diesem Sinn, liebe Kolleginnen und Kollegen, war es si cherlich wichtig, dass wir heute das Thema noch einmal auf die Tagesordnung gebracht haben, dass es nicht allzu sehr in der Warteschleife schlummert und dass diejenigen, die sich noch in der Koalition der Gründlicheren befinden, sich zuneh mend entschließen, sich der Koalition der Schnelleren anzu schließen. Wenn die genannten offenen Fragen final geklärt sein werden, ist CETA mit Sicherheit der richtige Schritt, ein Schritt in Richtung mehr Rechtsstaatlichkeit, in Richtung fai ren Welthandels und ein Schritt in Richtung eines starken Eu ropas.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen und der CDU – Vereinzelt Beifall bei der SPD und der FDP/DVP)

Herr Abg. Dr. Schwei ckert, Sie nutzen noch die Redezeit für die FDP/DVP.

Ja, klar, die habe ich mir extra aufgehoben.

Das war eine Ansage, ja.

Ich habe es nicht als Drohung aufgefasst. – Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist ja schon interessant, was wir hier erfahren. Von Herrn Minister Wolf wird von einer großen Koalition ge sprochen. Gleichzeitig sagt Frau Lindlohr: „Da gibt es noch einige Dinge, die man klären muss.“ Dann kommt mal bitte in die Pötte, ihr habt ja lange genug Zeit gehabt!

(Abg. Andrea Lindlohr GRÜNE: Wir sind nicht der EuGH!)

Eine Nebelkerze lasse ich nicht zu: Hier wird so getan, Frau Kollegin Lindlohr, als ob wir im Beschlussteil die Zustim mung zu einer Ratifizierung wollten. Im Beschlussteil steht:

... sich im Bundesrat für die Zustimmung zu CETA einzu setzen.

Dann machen Sie das doch! Das Ratifizierungsgesetz wird so wieso die Bundesregierung einbringen müssen.

Wenn wir schon dabei sind: Herr Kollege Kößler, es ist schon interessant: Erst bewerten Sie CETA als gut. Dann sagt man: „Aber man muss die Entscheidung des Bundesverfassungs gerichts abwarten.“

(Abg. Joachim Kößler CDU: Ja!)

Und dann sagt man: „Es müsste aber schneller gehen.“ Ent weder bin ich dafür und bin der Meinung, es ist richtig,

(Zuruf des Abg. Joachim Kößler CDU)

oder ich tue es nicht – dann sind Sie in guter Gesellschaft; Ih re Kanzlerin hat es genauso gemacht. „Merkel kündigt Rati fizierung von CETA an“, steht auf der Homepage der Bundes regierung. Kümmert sie sich auch nicht um das Bundesver fassungsgericht? Nein, sie macht es im Prinzip genau wie wir.