(Abg. Anton Baron AfD: Aha! – Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Das sollte Ihnen zu denken geben!)
Übrigens hat nicht nur die Tabakindustrie, sondern es haben veritable Gesundheitswissenschaftler jahrelang erzählt, be hauptet und mit Studien begründet, Rauchen wäre in keinster Weise gefährlich oder gar ungesund. Es hat Jahrzehnte gedau ert, bis diese interessengeleiteten Forschungen von anderen widerlegt worden sind. Millionen von Menschen haben ge glaubt, Rauchen wäre gesund, und haben geraucht. Sie haben das entweder mit ihrer Gesundheit oder mit ihrem Leben be zahlt.
Heute sind wir weiter, heute wissen wir mehr. Übrigens gibt es auch heute immer noch Wissenschaftler, die behaupten,
Tatsache ist, dass man heute weiß – jetzt kommen wir zum Kern dieser Debatte –, dass sich Politik und Gesundheitsfor schung nicht mit der Frage beschäftigen: Wirst du gleich krank, wenn du das tust? Das ist auch bei Asbest nicht so: Wenn du neben Asbest stehst, wirst du nicht sofort Krebs be kommen. Trotzdem haben wir aufgrund jahrzehntelanger Er kenntnisse irgendwann einmal gesagt: Wir verbieten Asbest, weil das Risiko sehr hoch ist, krank zu werden.
So ist es auch beim Rauchen. Heute steht nicht auf der Pa ckung: „Rauchen verlängert Ihr Leben. Sie können über 90 werden, wenn Sie rauchen“, sondern es steht darauf: „Rau chen kann tödlich sein“ – obwohl man weiß, dass man, wenn man eine Packung raucht, immer noch nicht tot ist. Warum macht man so etwas?
Im liberalen Rechtsstaat ist es so, dass der Einzelne für sich selbst eine Risikoabschätzung macht. Man kann rauchen, wenn man sich das selbst erlaubt. Man darf übrigens auch Drachenfliegen oder andere riskante Dinge machen. Das al les ist im liberalen Rechtsstaat erlaubt.
Aber nicht erlaubt ist, dass man, indem man etwas auspustet, Dreck verursacht, andere in ihrer Gesundheit gefährdet. Dann muss sich der Staat schon Gedanken machen und sich einbrin gen. Genau aus diesem Grund haben wir übrigens mit der Un terstützung fast aller hier im Parlament ein Rauchverbot am Arbeitsplatz, deswegen haben wir ein Rauchverbot in Schu len, deswegen haben wir ein Rauchverbot in Gaststätten, und zwar nicht, weil bekannt geworden ist, dass Raucher geraucht haben, Nichtraucher die Gaststätte betreten haben und tot um gefallen sind. Nein, sondern weil man weiß, dass es ein Ge sundheitsrisiko ist, in Rauchräume zu gehen.
Aus genau diesem Grund hat übrigens der Kollege Lucha mit großem Erfolg eine, wie ich finde, hervorragende Initiative in der Gesundheitsministerkonferenz gestartet. Er hat vorge schlagen, dass in einem Auto nicht mehr geraucht werden darf, wenn darin Schwangere oder Kinder sitzen,
Er hat das gemacht, obwohl bisher noch nicht der Fall bekannt geworden ist, dass eine Schwangere sofort tot umgefallen wä re. Es ist ein Risiko, das wir damit haben und das wir mini mieren müssen. Aufgabe des Staates ist es, das zu regeln; Auf gabe des Staates ist es, dafür zu sorgen, dass vor allem die Menschen geschützt werden, die klein sind oder die beson ders alt sind, die schon krank sind, möglicherweise chronisch krank sind, Menschen, die ein besonderes Risiko haben. Denn offenkundig sind menschliche Organismen ja sehr unter schiedlich. Nicht alle hätten die Zahl von Zigaretten überstan den, die Helmut Schmidt überstanden hat – denn Organismen reagieren unterschiedlich. Das jedoch muss ein Gesetzgeber berücksichtigen, und das ist übrigens der Kern von Grenzwer ten überhaupt.
Aus genau diesem Grund hat die Weltgesundheitsorganisati on viele verschiedene Schadstoffe – in der Luft, aber auch in Produkten, in Lebensmitteln – untersucht, hat die Ergebnisse wissenschaftlich erläutert und daraus beispielsweise Grenz werte abgeleitet und diese vorgeschlagen. Dabei gilt – jetzt müssen Sie genau aufpassen –: Grenzwerte sind nie Werte in dem Sinn, dass man sofort krank wird oder sogar stirbt, so bald diese überschritten werden; Grenzwerte sind vielmehr Vorsorgewerte. Man versucht also, das Risiko möglichst klein zu halten. So wird ein Grenzwert gesetzt
(Beifall bei den Grünen – Abg. Dr. Heinrich Fiecht ner [fraktionslos]: „Vorsorge“! Keine Belege, nur Ge fühle!)
bei Feinstaub, bei Partikeln, bei PM10, bei PM2,5, bei NOx – übrigens ein Reizgas. Warum heißt das Reizgas? Weil es die Atemwege reizt. Man stirbt auch daran nicht gleich, aber die Atemwege werden gereizt, und wer Asthmatiker ist, hat ein Problem. Genau aus diesem Grund sind Hunderte von Unter suchungen gemacht worden, und auf ebendieser Basis sind dann die europäischen Grenzwerte festgelegt worden.
Jetzt sind heute wieder von verschiedenen Rednern die Grenz werte eloquent beschimpft und hinterfragt worden.
Jetzt will ich Ihnen einmal eines sagen: Wenn Hunderte von Wissenschaftlern daran arbeiten und wenn anschließend in vielen Beratungsprozessen die Politik zu bestimmten Ent scheidungen kommt, dann kann man nicht einfach einem ein zelnen Professor – der noch nicht mal dabei war, sondern ein fach eine Geschichte erzählt – glauben und meinen, dies sei die Weisheit und die Wahrheit zur Geschichte der Grenzwer te. Das finde ich absolut unverantwortlich und lächerlich.
Noch einmal: Es sind keine Werte in dem Sinn, dass man ober halb dieser Werte sofort krank würde, sondern es sind Vorsor gewerte.
Diese sind in den verschiedenen Ländern unterschiedlich hoch, aber es gibt überall diese Vorsorgewerte.
Jetzt müssen wir eines sagen: Die Vorsorgewerte des deutschen Rechts – es geht um die Umsetzung europäischer Grenzwerte in deutsches Recht – sind im Jahr 2008 von der damaligen Bun desregierung festgelegt worden. Im Jahr 2008 waren, wenn ich mich nicht völlig irre, CDU und SPD an der Regierung.
Danach gab es eine Regierungskoalition aus FDP und CDU. Sie hätten also genügend Zeit gehabt. Sie haben jetzt gerade alle gesagt: „Man kann ja Grenzwerte ändern.“ Ja, warum ha ben Sie es dann nicht getan?
Weil Sie keine Basis hatten, weil Sie keine Grundlagen dafür hatten und auch keine Mehrheit dafür gehabt hätten. Dies aber jetzt zu beschimpfen ist doch schäbig.
Weil Sie nun auch regelmäßig die Position der Messstationen beschimpfen – nicht die dreckige Luft, sondern die Messsta tionen –: Lieber Herr Haußmann, in einer Nacht-und-NebelAktion hat in der schwarz-gelben Regierung – es war vor un gefähr 13 Jahren – offenbar jemand diese Messstationen dort aufgestellt.
Das ist nicht die Wahrheit. Tatsächlich ist während der schwarz-gelben Regierungskoalition die Messstation am Ne ckartor aufgestellt worden. Diese hat übrigens nun eine Rei he von Regierungskoalitionen überlebt, und zwar deshalb, weil sie rechtskonform aufgestellt wurde. Das haben wir auch überprüft. Kommen Sie nicht immer mit dieser alten, blöden Geschichte, die überhaupt nicht wahr ist!
Nun kann man in der Tat Grenzwerte infrage stellen. Gerade Parlamentarier können ja über alles diskutieren, können alles infrage stellen. Was sie aber nicht können: Sie können nicht infrage stellen, dass diese gelten. Denn im Rechtsstaat ist es nun mal so, dass das, was Regel und Gesetz ist, für alle gilt – übrigens auch für die AfD, egal, was Sie denken. Das gilt auch für Sie.
(Abg. Anton Baron AfD: Ja, selbstverständlich! Man kann aber untersuchen, wo die Messstationen ste hen!)
Herr Baron, wenn Sie der Meinung sind, dass beispielsweise der Steuersatz, den Sie zahlen, nicht korrekt ist, und wenn Sie einen einzelnen Wissenschaftler finden, der sogar beweist, dass dieser nicht korrekt ist, müssten Sie trotzdem die Steuer zahlen, weil nämlich auch für Sie die Regel gilt.
Es ist doch merkwürdig, dass sich hier immer wieder welche als Rechtsstaatspartei, als Partei für Recht und Ordnung auf spielen – aber immer, wenn es um Gesundheit geht, um Grenz werte im Gesundheitsbereich, kann man das alles zur Dispo sition stellen. Recht und Ordnung, Gesetz und Grenzwerte gelten auch im Umweltbereich, verdammt noch mal!
(Abg. Anton Baron AfD: Deutscher Wetterdienst! Lassen Sie es vom Deutschen Wetterdienst überprü fen, Herr Hermann!)
Ich komme zum Schluss. Vorsorgewerte machen Sinn. Sie schützen Schwache, Kranke und jeden Menschen in jeder Si tuation. Übrigens, ob er Deutscher ist oder Nichtdeutscher, spielt auch keine Rolle. Es geht um den Menschen und die menschliche Gesundheit.
(Beifall bei den Grünen – Abg. Anton Baron AfD: So billig! Unglaublich! – Gegenruf des Abg. Hans-Ul rich Sckerl GRÜNE: Das muss man bei Ihnen dazu sagen!)