Wir setzen mit diesem Vertrag ein weiteres Mal ein wichtiges Zeichen: Der Platz der Sinti und Roma ist in der Mitte unse rer Gesellschaft.
Meine Fraktion teilt die Inhalte dieses Vertrags. Herr Minis terpräsident, wir teilen die Inhalte die Laufzeit und den jähr lichen Aufwuchs betreffend. Das haben Sie gut verhandelt, das haben Sie gut besprochen. Denn die lange Laufzeit hat ja einen Hintergrund, Herr Gögel: Sie soll dem Landesverband Planungssicherheit und Verlässlichkeit geben.
Der Landesverband stellt Überlegungen zur Ausdehnung des Beratungsangebots an. Eine solche Ausdehnung ist aber nur möglich, wenn der Landesverband eine finanzielle Sicherheit hat. Wir Grünen wollen dem Landesverband diese Planungs sicherheit geben; diese Intention habe ich auch bei den ande ren Fraktionen so wahrgenommen.
Ich glaube, Sie, Herr Gögel, haben hier Argumente vorgescho ben. In Ihrer freien Rede ist es Ihnen ja rausgerutscht. Ich ha be den Eindruck, Sie von der AfD wollen diesen Vertrag im Grunde nicht.
Mit dem neuen Vertrag anerkennen wir das, was der Vertrag in den letzten fünf Jahren ermöglicht und bewirkt hat. Wir bauen die Zusammenarbeit in wesentlichen Bereichen aus. Denn die Erfahrung zeigt: Eines der wirksamsten Mittel ge gen Rassismus und Diskriminierung ist Bildung. Toleranz ent steht durch Wissen und Aufklärung. Denn wenn vier von zehn Schülern mit dem Namen Auschwitz nichts anfangen können, dann ist für mich, dann ist für meine Fraktion, die Grünen, klar: Das dürfen wir so nicht stehen lassen.
Wir sprechen uns daher für Fortbildungsveranstaltungen, für Unterstützungsmaterialien für Lehrerinnen und Lehrer aus. Diese sind von großer Bedeutung. So wollen wir Antiziganis mus in jeglicher Form bekämpfen. Für mich, für meine Frak tion, die Grünen, ist klar: Unsere Gesellschaft steht für Tole ranz, wir stehen für das weltoffene Baden-Württemberg. Der Vertrag ist ein Weg zu mehr Toleranz in unserem Land. Wir verlängern ihn gern, und ich freue mich auf eine große Zu stimmung hier im Haus.
In dieser Debatte geht es deshalb um zwei wichtige Aspekte, die ich noch einmal unterstreichen will. Es geht zum einen um die historische Verantwortung und zum Zweiten um eine wahrhaftige Erinnerungsarbeit. Insoweit wurde von meinen Vorrednern zu Recht die Bedeutung auch der Erinnerungskul tur angesprochen und betont.
Der Völkermord an den europäischen Sinti und Roma in der Zeit des Nationalsozialismus ist eine historische Tatsache. Hier kann und darf es keine Relativierung und auch keinen Revisionismus geben.
Das ist für uns eine wesentliche Grundlage. Denn die Erinne rung an das hunderttausendfache bittere Unrecht und an die Verantwortung daraus sind für uns alle eine historische und, ich füge hinzu, eine moralische Pflicht. Deshalb werden sie immer auch eine bleibende Aufgabe sein müssen. Wir stellen uns dieser Aufgabe, wir nehmen sie an, und wir handeln auch danach. Mein Eindruck ist: Mehr als 70 Jahre nach der Be freiung vom Nationalsozialismus und angesichts mancher Re den, die heute in Deutschland gehalten werden, ist das heute fast wichtiger denn je.
Es wurde von meinen Vorrednern zu Recht auf Toleranz, auf Bildung – gerade gegenüber dem Vergessen – hingewiesen. Das ist wichtig. Das will ich gerade auch gegenüber den ba den-württembergischen Sinti und Roma ganz klar bekräfti gen. Insoweit stehen wir hinter diesem Vertrag, den die Re gierung ausgehandelt hat. Ich habe öfter auch im Bundesrat erlebt, wie wir diese Herausforderungen mit dem Bundesver band besprochen haben. Der Ministerpräsident hat es zitiert.
Wir haben diesen Dialog, diese gemeinsamen Gespräche, die se gemeinsamen Notwendigkeiten damals – schon in der Re gierung Günther Oettinger – begonnen. Ich will schon sagen: Dieser Aspekt – das ist der zweite Aspekt unserer heutigen Debatte – weist in die Zukunft. Denn er berührt die Frage, wie wir in unserer Gesellschaft Identität und Pluralität leben und organisieren wollen.
Ich will grundsätzlich sagen: Die Bundesrepublik Deutsch land schöpft ihre demokratische Reife gerade auch aus dem Respekt vor dem Recht der Minderheit. Das ist auch in der Rede des Herrn Ministerpräsidenten zum Ausdruck gebracht worden.
Auch das ist Teil unserer antitotalitären Werte, auf die sich diese Republik und auch dieses Land Baden-Württemberg maßgeblich gründen. Die Sinti und Roma sind eine anerkann te nationale Minderheit mit eigenen Rechten. Das verpflich tet uns als Gesellschaft zum besonderen Schutz ihrer Kultur und zur Förderung ihrer gesellschaftlichen Teilhabe.
Insoweit will ich den Kollegen von der AfD schon ganz offen Folgendes sagen: Ich finde, Sie haben heute eine Chance ver tan,
Herr Kollege Gögel, weil keiner von uns bestreitet, dass auch die Vertreibung der Ostpreußen Unrecht war. Nur dürfen wir das eine nicht gegen das andere ausspielen – ganz im Gegen teil.
Ja. – Für uns war auch die Etatisierung in diesem Haus für die Unterstützung der Vertriebenen genauso Auftrag und An lass
und ein Stück weit Erinnerung an das, was uns die Geschich te lehrt. Wir dürfen nie zulassen, dass wir diese Erfahrungen der Geschichte vergessen.
Die Grundlagen für die Gründung der Volkspartei der Union sind aus dem Gedanken des Widerstands entstanden. Das war unser Auftrag nach dem schlimmsten Leid der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts. Es muss immer unser Auftrag sein, dafür zu sorgen, dass so etwas nie wieder vorkommt –
Vielen Dank, Herr Dr. Rein hart, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Die CDU sagt immer: „Wir dürfen nicht auf Kosten unserer Nachfahren, al so auf Kosten unserer Enkel, unserer Kinder, leben.“ Aber wenn wir einen Vertrag machen, der über eine so lange Zeit läuft, haben wir es nicht mehr in der Hand, einzugreifen. Was
passiert, wenn jetzt eine tief greifende Rezession kommt, so dass die Regierung einfach nicht mehr genug Geld hat, um den Vertrag zu erfüllen? Was macht man dann?
Prinzipiell habe ich nichts gegen diesen Vertrag – ich finde es absolut richtig, die Sinti und Roma zu unterstützen –,
Verehrter Herr Kollege, ich habe Ihrer Einlassung sowie auch den Reden Ihrer Kolle gen entnommen, dass Sie die Problematik darstellen, es sei die Laufzeit, die Sie hindere, diesem Vertrag zuzustimmen. – Sie nicken.