Meine Damen und Herren, ich darf Sie bitten, die Gespräche einzustellen und die Plätze ein zunehmen oder die Gespräche nach draußen zu verlagern. – Vielen Dank.
Aus dienstlichen Gründen entschuldigt haben sich ganztägig Frau Ministerin Edith Sitzmann sowie Minister Manfred Lucha und ab 14:00 Uhr Minister Thomas Strobl.
Aktuelle Debatte – Gleichen Lohn für gleiche Arbeit für Frauen und Männer endlich auch in Baden-Württemberg durchsetzen – beantragt von der Fraktion der SPD
Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Aktuel le Debatte eine Gesamtredezeit von 50 Minuten festgelegt. Darauf wird die Redezeit der Regierung nicht angerechnet. Für die Aussprache steht eine Redezeit von zehn Minuten je Fraktion zur Verfügung. Ich darf die Mitglieder der Landes regierung bitten, sich ebenfalls an den vorgegebenen Rede zeitrahmen zu halten.
Schließlich darf ich – wie gestern – auf § 60 Absatz 4 der Ge schäftsordnung verweisen, wonach im Rahmen der Aktuellen Debatte die Aussprache in freier Rede zu führen ist.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, lie be Kolleginnen und Kollegen! Wie würden wir es hier im Ho hen Haus empfinden, wenn unsere Kolleginnen ca. 10 % we niger Diäten erhalten würden als unsere männlichen Kolle gen? Das ist natürlich im Landtag schwierig. Wir haben ges tern auch gehört: Wir haben ein Abgeordnetengesetz. Das heißt, es kann jeder einsehen und feststellen, dass wir alle gleich viel bekommen. Aber leider ist das draußen in der Wirt schaft nicht die Realität. Wenn eine junge Schlosserin – nen nen wir sie einmal Anna – mit ihrem Kollegen Peter die glei che Ausbildung gemacht und sie mit dem gleichen Ergebnis
abgeschlossen hat und irgendwann nach ein paar Jahren fest stellt, dass sie 11 € und ihr Kollege Peter 15 € Stundenlohn bekommt,
Um es klarzustellen: Wir reden heute nicht darüber, dass Frau en mehr in Teilzeit und auch mehr in den schlechter bezahl ten Sozialberufen tätig sind als z. B. in der Metallindustrie. Das ist heute mitnichten unser Thema. Heute reden wir darü ber, dass in Deutschland – und insbesondere auch in BadenWürttemberg, hier sogar noch mehr als im Durchschnitt der Bundesrepublik – nach wie vor Frauen für gleichwertige Ar beit geringer bezahlt werden als Männer.
Ich muss, wie schon so oft hier im Hohen Haus, Artikel 3 Ab satz 2 unseres Grundgesetzes zitieren. Diese Bestimmung ist zwar sehr eindeutig, aber an der tatsächlichen Umsetzung ha pert es immer noch. Ich zitiere:
Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleich berechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
Die Lohngleichheit ist meiner Meinung nach und sicherlich auch nach der Meinung vieler Bürgerinnen und Bürger – das haben Umfragen bewiesen – ein Gebot der Vernunft. Es ist ein Skandal, dass der Wert von Arbeit tatsächlich vom Ge schlecht abhängt.
Wir haben, wie Sie alle wissen, einen Fachkräftemangel, wir haben einen demografischen Wandel, und wir haben gleich zeitig die bestausgebildete Frauengeneration, die es jemals gab. Es ist einfach nicht zu tolerieren, dass wir dieses Poten zial nicht gleichwertig behandeln und den Frauen nicht die gleichen Chancen geben wie den Männern.
Vor Monaten bereits hat Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig einen Gesetzentwurf eingebracht. Dieser Gesetz entwurf liegt seit Monaten nicht im Bundestag zur Beratung, sondern er liegt im Bundeskanzleramt. Zwischenzeitlich durf
te der Gesetzentwurf auch einmal heraus. Er durfte in den Ko alitionsausschuss. Da kam er aber dann auch nicht weiter. Er musste wieder zurück ins Kanzleramt. Es gibt nach wie vor keine Einigung.
Warum ist das so? Der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD trifft hier nach unserer Auffassung eine klare Aus sage. Allerdings versucht die CDU jetzt, mit einer anderen In terpretation an das Thema heranzugehen. Es geht um den Knackpunkt der Grenze der Berichtspflicht für Betriebe ab 500 Beschäftigten.
Meine Partei und auch die Ministerin wollen mehr. Wir wol len eine Auskunftspflicht für alle Betriebe. Denn die Rege lung, die die CDU will, würde gerade einmal 6 000 Betriebe betreffen, das heißt 20 % der Mitarbeiter. Die kleinen und mittleren Unternehmen wären davon überhaupt nicht betrof fen. Damit wäre die Wirkung des Gesetzes verfehlt, und die Ungerechtigkeit ginge gerade so weiter.
Wer am Dienstagabend beim Unternehmertag der Arbeitge berverbände in Stuttgart dabei war, hat das Thema Frauen – zumindest ich habe es so vernommen – nur in Verbindung mit Teilzeit gehört. Etwas anderes kam in der Rede nicht vor. Es wurde kurz die Lohnungleichheit, das Gesetz, erwähnt – ge nau mit den Worten „nicht zielführend und zu bürokratisch“. Wieder einmal muss die Bürokratie als Entschuldigung her halten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, kein Betrieb muss Bürokra tie fürchten, wenn er seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gleich bezahlt. Wenn es einen gleichen Lohn gibt, dann hat kein Betrieb irgendeine Bürokratie. Das heißt, es liegt in den Händen der Betriebe selbst, ob sie bürokratisch arbeiten müs sen oder nicht.
Es ist nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit, sondern es ist auch eine Aufgabe, die uns die gesellschaftliche Veränderung aufgibt. Mehr Frauen als Männer machen Abitur, und genau so viele Frauen wie Männer studieren. Natürlich gibt es im mer noch die schlecht bezahlten „Frauenberufe“. Aber immer mehr Frauen kommen auch in die typischen stark männerlas tigen Berufe – so nenne ich es einmal –, z. B. im Justizbereich oder auch in der Medizin. Sie beginnen faktisch alle gleich, mit dem gleichen Einkommen, aber dann gibt es irgendwann einen Schwellenwert, nach dessen Erreichen die Einkommen der Frauen stagnieren und die der Männer steigen. So wird am Ende aus einem Beruf für Frauen und Männer dann doch wie der ein Frauenberuf mit schlechterer Entlohnung.
Es geht hier nicht um die Entwertung von Berufen. Es geht hier meiner Meinung nach um die Entwertung von berufstä tigen Frauen.
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf ist es eben nicht mehr dem Zufall überlassen, ob eine Frau merkt, dass sie schlech ter bezahlt wird als ihr Kollege. Vielmehr wird sie zukünftig ein Auskunftsrecht erhalten, genau dies zu hinterfragen, und das ist richtig so.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, der Gesetz entwurf von Manuela Schwesig muss endlich in das Anhö rungsverfahren und in das parlamentarische Verfahren kom men, damit das Gesetz noch vor dem Bundestagswahlkampf tatsächlich in Kraft treten kann. Setzen Sie sich dafür ein, dass Frauen, ganz besonders in Baden-Württemberg, beim Lohn nicht mehr diskriminiert werden.
Heute Abend findet der Empfang des Landesfrauenrats statt. Es wäre doch toll, wenn wir gemeinsam verkünden könnten, dass der Landtag von Baden-Württemberg dieses Anliegen unterstützt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen der Grünen-Fraktion, gern erinnere ich Sie daran, dass wir bereits zu Beginn der Arbeit der grün-roten Koalition Einigkeit darüber hergestellt hatten, dass wir die Entgeltungleichheit auch in Baden-Württemberg zu bekämpfen haben. Unsere ehemalige Sozialministerin Ka trin Altpeter hat dazu eine Bundesratsinitiative eingebracht. Ich zitiere aus dem Antrag Drucksache 129/12:
Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, schnellst möglich einen Gesetzentwurf einzubringen, der sicher stellt, dass die nach wie vor bestehenden, auf Diskrimi nierung von Frauen beruhenden Entgeltungleichheiten im Arbeitsleben beseitigt und künftig verhindert werden.
Zum Erreichen dieser Zielsetzung unserer damaligen Bundes ratsinitiative kann man sagen, dass der heutige Gesetzentwurf fast identisch ist mit dem, was wir damals im Bundesrat ein gebracht haben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion GRÜNE, in Ihrem Wahlprogramm zur Landtagswahl gibt es ein ganzes Kapitel „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“. Jetzt haben Sie aber einen Koalitionsvertrag mit folgender Aussage unter zeichnet:
Gleiche Aufstiegschancen und gleiche Bezahlung für glei che und gleichwertige Arbeit müssten selbstverständlich sein.... Um eine gerechte Entlohnung zu erreichen, wer den wir den Dialog mit der Wirtschaft intensivieren...
Den Rest können wir uns vorstellen: Es sind die üblichen Ge sprächsankündigungen – ohne irgendwelche Ergebnisse.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, die Sätze zum Dialog mit der Wirtschaft im grün-schwarzen Koalitions vertrag sind wortwörtlich die Formulierungen aus dem Wahl programm der CDU. Kann es sein, dass Sie da bei den Ver handlungen nicht aufgepasst haben?
(Abg. Wolfgang Drexler SPD: So ist es! – Abg. An dreas Schwarz GRÜNE: Haben Sie ein Problem da mit? – Abg. Andreas Deuschle CDU: Was haben Sie denn die ganze Zeit gemacht? Teilzeitkräfte in den Landesbetrieben, ungerechter als in der Wirtschaft!)
Wenn das die gesamte Maxime dieser Koalition zu gleichstel lungspolitischem Handeln und zur Lohnungerechtigkeit ist, dann haben Sie die Frauenpolitik der baden-württembergi schen Grünen und die Frauenpolitik in Baden-Württemberg um Jahre zurückgeworfen.
Die Instrumente, die erforderlich sind, um diese Ungerechtig keit zu beseitigen, hat die sozialdemokratische Bundesminis terin in ihrem Gesetzentwurf klar aufgelistet. Ich würde mir wünschen, dass auch Sie diesen Gesetzentwurf unterstützen.