Sabine Wölfle

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Frau Präsidentin, liebe Kollegin nen und Kollegen! Viele soziale Dienstleister und Einrichtun gen – ich nenne mal namentlich die Caritas, die Lebenshilfe, den ASB usw. – können ihre Leistungen aufgrund der Coro napandemie nicht mehr oder nur in geringem Umfang erbrin gen. Dadurch haben sie natürlich auch finanzielle Einbußen.
Auf Bundesebene wurde deshalb im Rahmen des ersten So zialschutz-Pakets das Sozialdienstleister-Einsatzgesetz, das sogenannte SodEG, beschlossen. Die Dienste und Einrichtun
gen können dadurch einen Zuschuss von bis zu 75 % ihrer durchschnittlichen Einnahmen erhalten. Inzwischen wurde auch die Anwendbarkeit bis zum 31. Dezember dieses Jahres verlängert. Das hat vielen sozialen Diensten und Einrichtun gen vor allem auch in der Krise sehr viel Sicherheit gegeben.
Eine Analyse hat gezeigt, dass das Gesetz ganz überwiegend bei der Leistungserbringung bundeszentraler Leistungsträger zur Anwendung kam, also insbesondere bei der Bundesagen tur für Arbeit, der Deutschen Rentenversicherung oder dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.
Daher die Frage: Wann wäre gegebenenfalls ein Landesgesetz sinnvoll? Ein Landesgesetz wäre vor allem dann sinnvoll, wenn wir es für richtig halten, nach § 5 des Sozialdienstleis ter-Einsatzgesetzes nach oben abweichende Höchstgrenzen für die Zuschusshöhe zu bestimmen und diese natürlich auch entsprechend zu finanzieren. Das aber lehnt die grün-schwar ze Landesregierung ab. Wir könnten im Landtag z. B. regeln, dass die Einrichtungen der Behindertenhilfe ihre coronabe dingten Mehrausgaben erstattet bekommen. Aber das wollen Sie nicht.
Sonst fallen mir keine Gründe dafür ein, dass es ein Umset zungsgesetz zum Bundesgesetz geben müsste. Meines Erach tens hätte es dazu noch nicht einmal unbedingt den Erlass aus dem Monat Mai geben müssen. Aber der Erlass ist in jedem Fall eine Regelung, mit der die Zuständigkeiten nun ganz klar sein sollen.
Noch eines zur Darstellung der Anhörungsergebnisse. Die Landesregierung schreibt dort:
Der Gesetzentwurf wurde von den Beteiligten grundsätz lich begrüßt.
Das Wort „grundsätzlich“ zeigt aber, dass dies nicht der Fall war. Denn die Liga der freien Wohlfahrtspflege hat Ihren Ge setzentwurf nicht begrüßt. Das haben sie uns auch vor eini gen Wochen beim Gespräch mit dem Sozialausschuss sehr deutlich gesagt. Es scheint, Sie hören nur das, was Sie hören wollen, und das andere nehmen Sie nicht zur Kenntnis.
Am besten hätten Sie Ihr Gesetz gar nicht eingebracht. Das wäre wahrscheinlich weniger peinlich gewesen. Dieses Ge setz ist jedenfalls mehr Schein als Sein.
Frau Präsidentin, liebe Kollegin nen und Kollegen! Ich darf jetzt für alle sprechen. Das ist auch mal ein Novum.
Ich hoffe, dass ich das auch in Ihrem Sinn mache.
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf will die Landesregie rung eine an sich völlig unstrittige Regelung aus dem Bun desrecht weiter umsetzen. Der Bund unterstützt die Träger der Sozialhilfe u. a. damit, dass er den Barbetrag, das sogenann
te Taschengeld, für sozialhilfeberechtigte Bewohner von Hei men übernimmt. Die betreffende bundesrechtliche Regelung hat sich mit Wirkung zum 1. Januar 2020 verändert. Das muss nun im Landesausführungsgesetz nachvollzogen werden.
Außerdem wird im Rahmen der Umsetzung des Bundesteil habegesetzes die Beteiligung von Menschen mit Behinderun gen beim Abschluss der Rahmenverträge nach § 80 SGB XII geregelt. Auch das ist sinnvoll. Ich hoffe, dass sich die unter schiedlichen Verbände im Landes-Behindertenbeirat gemein sam darauf verständigen können, wer genau das sein soll. Das sollte vielleicht eher nicht vom Gesetzgeber bestimmt wer den.
Ansonsten besteht hier im Hohen Haus Zustimmung zu die sem Gesetzentwurf.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, liebe Kollegin nen und Kollegen! Unser aktuelles Recht zur Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen beruht zu einem großen Teil auf Richtlinien der Europäischen Union. Anlass für den nun hier vorliegenden Gesetzentwurf ist jetzt aber keine neue Richtlinie aus Brüssel, sondern das im letzten Jahr im Bund beschlossene Fachkräfteeinwanderungsgesetz. Mit diesem Ge setz hat vor allem die SPD im Bund einen wichtigen und lan ge überfälligen Schritt zur Fachkräftesicherung erreicht, hin zu einem modernen Selbstverständnis von Deutschland als Einwanderungsland.
Beim gleichzeitig verabschiedeten Duldungsgesetz konnten wir zudem die Ausbildungsduldung dauerhaft verankern und eine Beschäftigungsduldung neu schaffen.
Ein Teil des Gesetzgebungspakets für das Fachkräfteeinwan derungsgesetz war die Änderung des Berufsqualifikationsfest stellungsgesetzes des Bundes. Wir haben nun unsere landes rechtlichen Regelungen an die Regelungen im Bund ange lehnt.
Als Vorsitzende eines Sozialverbands, der stark in der Alten pflege tätig ist, kann ich Ihnen aus eigener Erfahrung sagen: Meine Dienste und Einrichtungen warten schon sehr lange da rauf, dass die Anerkennung der beruflichen Qualifikation der Pflegefachkräfte aus dem Ausland schneller und vor allem ein facher wird. Das war auch das erklärte Ziel im Bund. Denn ohne vermehrte Zuwanderung entsprechend qualifizierter Pfle gekräfte aus dem Ausland werden wir den Pflegenotstand bei uns nicht beheben können.
Dass bei uns in diesem Bereich noch erheblicher Verbesse rungsbedarf besteht, wird auch aus den Anhörungsergebnis sen deutlich. Deshalb begrüßt meine Fraktion ganz besonders die Verkürzung der bisher üblichen Verfahrensfristen. Wenn ein Prüfvorgang im Ausnahmefall tatsächlich einmal länger dauern muss, ist das nach den vorgesehenen Änderungen durchaus möglich. Damit hätten wir tatsächlich eine Verein barung aus der „Konzertierten Aktion Pflege“ in Baden-Würt temberg umgesetzt. Viele andere Vereinbarungen warten hin gegen noch auf ihre Einlösung.
Über die Personalausstattung der Anerkennungsbehörden ha ben wir in den letzten Jahren vor allem im Sozialausschuss immer wieder diskutiert. Bei den Stellen im Regierungsprä sidium haben wir mit unserer Zustimmung deutlich nachge legt. Denn – das muss man klar sagen – es nützt nichts, wenn wir hier im Landtag ein Gesetz zur Beschleunigung der Ver fahren beschließen, und in der Verwaltung sitzen nicht genü gend Mitarbeiter, die das umsetzen. Da ist vielleicht noch ein bisschen Luft nach oben.
Ansonsten stimmen wir dem Gesetzentwurf natürlich gern zu.
Vielen Dank.
Frau Präsidentin, liebe Kollegin nen und Kollegen! Zu Beginn eine Frage an Sie: Was haben
die Berufsbilder von Altenpflegehelfern, Hufschmieden und Freiballonführern gemeinsam?
Ich fürchte, auf diese Frage hat niemand eine Antwort. Falls Sie sie nicht wissen, kommt hier die Antwort: Sie stehen auf einer nicht abgeschlossenen Liste von über 400 Berufen, für die es in Deutschland klare Regeln gibt, welche Kenntnisse und Qualifikationen die Personen, die diese Berufe ausüben, haben müssen.
Die Ausbildungs- und Studienordnungen sind dafür entspre chend ausgerichtet. In etlichen Berufen sind auch bestimmte Weiterbildungen oder berufliche Erfahrungen vorgeschrieben, die erst nach der Ausbildung oder dem Studium absolviert werden können.
Was ist, wenn jemand seine berufliche Qualifikation nicht in Deutschland, sondern im Ausland absolviert hat? Dann muss eine bestimmte Stelle kontrollieren, ob diese Qualifikation der in Deutschland üblichen entspricht oder, wenn nicht, welche Nachqualifikation gegebenenfalls gefragt ist.
Die entsprechenden Gesetze im Bund und in den Bundeslän dern wurden vor einigen Jahren erlassen. Hier im Landtag ha ben wir uns besonders in der letzten Legislaturperiode auch damit beschäftigt.
Das Gesagte gilt natürlich ebenso in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. Denn wenn wir über Sprengmeister oder Krankenschwestern in den unterschiedlichen Staaten spre chen, haben wir zwar alle ein ähnliches Bild vor Augen, aber die Anforderungen, die an diese Berufe gestellt werden, sind doch im Detail sehr unterschiedlich. Ich vermute, dass man in der Europäischen Kommission schon öfter darüber nachge dacht hat, die Anforderungen an den Zugang zu einem regle mentierten Beruf oder zur Ausübung eines solchen Berufs zu harmonisieren. Aber da liegen die Hürden doch sehr hoch.
Um aber die Freizügigkeit für die Personen in diesen Berufen nicht weiter zu behindern, haben das Europäische Parlament und der Rat bereits im Jahr 2005 beschlossen, dass in den Mit gliedsstaaten die Verhältnismäßigkeit der eigenen Anforde rungen, die den Zugang zu den reglementierten Berufen oder halt deren Ausübung beschränken, zu prüfen ist. Ergebnisse dieser Prüfung sind dann der Kommission vorzulegen. Die ser Prozess ist nun vor einiger Zeit abgeschlossen worden.
Ich will das Evaluationsergebnis einmal so beschreiben: Ei nige Stellen, die in den Mitgliedsstaaten mit der Anerkennung der im jeweiligen Ausland erworbenen Qualifikation beauf tragt sind, hängen die Latte ziemlich hoch, man könnte auch sagen, unverhältnismäßig hoch. Sie verstoßen dabei gegen Grundsätze des Unionsrechts und beachten die Rechtspre chung dazu nicht oder schrammen sozusagen an der Nichtbe achtung vorbei.
Jetzt ist meine Redezeit abgelaufen. Ich kürze es deshalb ab. Wir stimmen dem Gesetzentwurf natürlich zu. Wir halten es auch für wichtig, dass diese Regelung kommt.
Danke schön.
Frau Präsidentin, liebe Kollegin nen und Kollegen! Ja, es ist wichtig, über dieses bedeutende Thema zu sprechen. Denn es geht um die Kinder in unserem Land, um die Jugendlichen und damit natürlich auch um un sere Zukunft.
Für uns Sozialdemokraten ist die Zukunft von Kindern und Jugendlichen immer ein Thema. So hat sich die SPD in den letzten Jahren z. B. sehr deutlich zur Bekämpfung von Kin derarmut geäußert. In unserem SPD-Konzept gibt es dabei zwei wichtige Säulen. Die eine Säule ist die Existenz grund sichernde Geldleistung in Form der Kindergrundsicherung, und die andere wichtige Säule ist die Infrastruktur,
die Bildung und Teilhabe für alle sichert.
Dazu habe ich von den Vertretern der Regierungsfraktionen kein einziges Wort gehört.
Wir haben in den vergangenen Legislaturperioden und in die ser Legislaturperiode ein ganzes Feuerwerk von Maßnahmen zur Infrastruktur im Bildungsbereich abgeschossen und diese in der letzten Legislaturperiode auch umgesetzt. Davon ist die jetzige, grün-schwarze Landesregierung meilenweit entfernt.
In diesem Frühjahr hat die Landesregierung eine Strategie zur Verbesserung von Chancen für armutsgefährdete Kinder in Baden-Württemberg vorgelegt. Schauen wir doch einmal dort hinein. Da handelt es sich im Wesentlichen nur um eine Auf listung bereits bestehender Programme, etwa zur Umsetzung des Europäischen Sozialfonds, zur Förderung des Netzwerks Teilzeitausbildung oder zur – von Sozialminister Lucha ge kürzten – Förderung der Schulsozialarbeit.
Auch die Förderung der Präventionsnetzwerke gegen Kinder armut wurde nicht von Minister Lucha, sondern bereits von Ministerin Altpeter eingeführt. Damit die anderen Ministeri en ebenfalls eingebunden sind, wurden von dort aus bereits bestehende Programme in diese Strategie aufgenommen, z. B. das EU-Programm für Obst, Gemüse und Milch in den Schu len und die RadSTRATEGIE Baden-Württemberg.
Zugegeben, von der Verteilung von Obst aus EU-Agrarüber schüssen und von den Maßnahmen des Einübens sicheren Radfahrens profitieren natürlich auch Kinder aus armen Fa milien. Aber wo ist jetzt bitte der versprochene Aufschlag? Den können wir hier leider nicht erkennen.
Da haben doch die letzten Initiativen von Bundesministerin Franziska Giffey etwa aus dem Starke-Familien-Gesetz, die zum Teil nur gegen Widerstand aus Baden-Württemberg um gesetzt werden konnten, deutlich mehr für ärmere Kinder und ihre Familien gebracht. Die darin enthaltene Reform beim Kinderzuschlag und noch mehr beim Unterhaltsvorschuss hat die Situation der einkommensschwachen Familien auch in Ba den-Württemberg ganz erheblich verbessert.
Ja, die Einführung einer Kindergrundsicherung durch den Bund wäre ein wichtiger Schritt, und wir Sozialdemokraten
haben dazu auch ein Konzept. Im breiten Bündnis auch mit den Sozialverbänden sind wir hier auf der richtigen Linie.
Was die Kindergrundsicherung angeht, hat Minister Lucha z. B. die Kosten für Unterkunft und Heizung nicht in die Kin dergrundsicherung hineinnehmen wollen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das gehört aber dort mit hinein. Deswegen fra gen wir uns wirklich, welchen Sinn das sonst macht.
Zum Schluss würde mich natürlich noch eines interessieren, Herr Minister Lucha: Was sagt eigentlich Ihr Koalitionspart ner zur Kindergrundsicherung? Ist Ihre Forderung nach einer Kindergrundsicherung eine singuläre Forderung des Sozial ministers bzw. der grünen Seite in der Koalition, oder trägt die CDU ein wirkliches Konzept für eine Kindergrundsiche rung mit? Ist die baden-württembergische Landesregierung bereit, auch aufseiten der CDU-regierten Bundesländer für diese Kindergrundsicherung zu werben? Sie wissen, dass es im Bund nicht an der SPD scheitert. Bei der Kindergrundsi cherung brauchen wir keine Schaumschlägerei, sondern kon krete Schritte, um im Bund weiterzukommen.
Kollege Poreski, wenn es um den Schutz vor sexueller Ge walt oder überhaupt von gewaltbedrohten Kindern geht, wis sen Sie uns immer an Ihrer Seite. Ich habe mich aber schon gewundert; denn ich habe im Sozialausschuss und auch im Rahmen der Haushaltsberatungen mehrere Anträge zur Finan zierung dieses Schutzes gestellt. Diese haben Sie damals alle abgelehnt. Da muss ich mich dann schon sehr wundern. Aber gut, wenn Sie in diese Richtung gehen.
Noch einmal: Ein ganz wichtiger Fakt ist überhaupt nicht be sprochen worden. Das ist nämlich das, was im Titel der Ak tuellen Debatte steht: „Starke Kinder – chancenreich.“ Dazu gehört auch die Bildung, und dazu wird in der zweiten Run de mein Kollege Daniel Born ein paar Worte sagen.
Danke schön.
Vielen Dank, dass Sie die Zwi schenfrage zulassen.
Bei dem Stichwort Beschaffung war ich etwas erstaunt, dass Kollegin Krebs gerade behauptet hat, dass von uns in den vie len Ausschusssitzungen – wir haben im März und im April re gelmäßig getagt – keine Vorschläge gekommen wären. Ich weiß, dass wir uns nicht nur per E-Mail ans Ministerium ge wandt haben. Vielmehr habe ich Ihnen auch einige SMS ge schickt. Da gab es also immer wieder Vorschläge.
Aber ich habe im Ausschuss mehrfach darauf hingewiesen – im März – und habe gefragt, warum Sie sich nicht stärker z. B. mit der Liga zusammensetzen. Sie haben die Liga eigentlich erst sehr spät in den Lenkungsausschuss berufen – ich glau be, Mitte April. Aber gerade die Mitglieder der Liga, etwa der Paritätische Wohlfahrtsverband oder ein Spitzenverband wie die AWO, waren schon in der Beschaffung. Sie kennen mei ne ehrenamtliche Tätigkeit als Vorsitzende eines Sozialver bands. Wir hatten die Beschaffung schon.
Sie sind damals von uns auch gefragt worden, warum Sie nicht den Ministerpräsidenten bitten, das Ganze zur Chefsache zu erklären. Ich kann mich erinnern: Herr Kollege Keck von der FDP/DVP hat auch Firmen in der Textilverarbeitung genannt, die Masken herstellen würden.
Das alles ist nicht getan worden. Die Expertise der Leute in der Altenpflege, im Rettungsdienst etc. hätten Sie doch nut zen können. Warum haben Sie das erst so spät getan?
Frau Präsidentin, liebe Kollegin nen und Kollegen! Vereine und Organisationen leiden unter der Coronapandemie, und zwar aus mehreren Gründen. Ver einsarbeit, wie wir sie wahrscheinlich alle kennen, ist kaum möglich: Mitgliederschwund, keine Veranstaltungen, kein Ver einsleben, keine gemeinsamen Aktivitäten. Dabei sinkt die Motivation, und gleichzeitig steigt der Frust.
An dieser Stelle spreche ich den zumeist ehrenamtlichen Ver antwortlichen, die in dieser Zeit die Vereine, Verbände und Organisationen noch zusammenhalten, den größten Respekt auch meiner Fraktion aus.
Als Verbandspräsidentin eines Verbands im Bereich der Ama teurmusik mit ca. 80 Mitgliedsvereinen weiß ich, wovon ich spreche. Auch hinter mir liegen viele Monate, in denen ich immer und immer wieder Mut zusprechen musste. Zu Beginn der Pandemie waren noch Geduld und Hoffnung zu spüren, aber seit einigen Wochen gehen die Gefühle von Frust in Re signation über. Vor allem die finanzielle Situation stellt die eh renamtlichen Vorstände vor sehr große Probleme.
Aber im Sommer kam dann der Lichtblick: Das Land kündig te Sonderförderungen zur Unterstützung der Vereine und Or ganisationen an. Eingebettet in ein Gesamtpaket von 4,1 Mil liarden € sollten Vereine oder Kleinstunternehmer bei der Be wältigung der Pandemie unterstützt werden. Der Landtag – auch wir, die SPD-Fraktion – hat das natürlich mitgetragen. Die Landesregierung verkündete dann diese frohe Botschaft, und es wurde viel Hoffnung und Erwartung draußen bei den Betroffenen geweckt.
Nun aber stellt sich aufgrund eines Antrags meiner Fraktion, Drucksache 16/8846, heraus, dass hier mal wieder mehr Schein als Sein verkündet wurde. Denn tatsächlich sind bislang nur
1,4 Milliarden € dieser angekündigten Mittel geflossen. Da mit sitzt das Land aktuell auf einem guten Polster von 2,7 Mil liarden € – einem Polster, das Sie den Bürgerinnen und Bür gern in unserem Land versprochen haben.
Von den 25 Millionen € für die Vereine wurden gerade einmal 1,8 Millionen € ausgezahlt.
Schaut man sich die einzelnen Programme einmal an, so sieht man, es kommt jeder Antragsteller schnell an seine Grenzen. Wo wird was beantragt? Welches Ministerium ist zuständig? Wo sind die Antragsformulare, wo stehen die Bedingungen? Ich habe mir das einmal bei mir im Wahlkreis angeschaut. Ich habe eine Umfrage unter allen potenziellen Empfängern die ser Mittel gemacht, beispielsweise aus dem Geschäftsbereich des Sozialministeriums. Ein Einziger wusste von dem Pro gramm. Nicht einmal die Tafelläden wussten davon, und auch alle anderen hatten keine Ahnung, dass es diese Programme gibt. Da ist offensichtlich ein großes Defizit in Ihrer Kommu nikation.
Ich möchte an dieser Stelle noch einmal betonen: Wir reden hier nicht von hauptamtlichen Geschäftsführern, sondern von Menschen, die sich in ihrer Freizeit engagieren, die sich da buchstäblich durchkämpfen müssen – wohlgemerkt ehrenamt lich. Viele haben aus Angst, einen Fehler zu machen oder im Zweifel gar persönlich haftbar gemacht zu werden, den An trag gar nicht erst ausgefüllt.
Es kann nicht sein, dass Sie diese Förderprogramme groß an kündigen, dann aber viel zu lange brauchen, um die Kriterien festzulegen. Einfach und schnell, wie Sie es sagen, sollte so etwas doch tatsächlich laufen können, statt dies so kompli ziert zu machen wie nur möglich.
Und wie haben Sie das überhaupt in die Verbände hinein kom muniziert? Ich als Verbandspräsidentin habe um diese Dinge gewusst, weil ich Mitglied des Landtags bin und die Program me kenne. Aber viele andere haben diesen Zugang nicht und konnten dies auch nicht weiter kommunizieren.
Das ist Ihr Handeln – sofern man bei dieser Bilanz überhaupt noch von „Handeln“ reden kann.
Bereits in den Sommermonaten konnte man in gigantischen Sharepics einzelner Mitglieder der Fraktionen von CDU und Grünen die tollen Jubelmeldungen lesen. Jetzt liegt uns der CDU-Antrag vor, der heute als vorgezogene Initiative zu be handeln ist. Wenn wir aber unseren Antrag danebenlegen, dann sehen wir, dass die Vollstreckung dieser Jubelmeldun gen gar nicht möglich war, weil zu diesem Zeitpunkt – oder auch später – die Programme noch gar nicht ausgearbeitet wa ren.
Die Mittel fließen zudem einfach nicht ab. So, wie Rechtsver ordnungen der Landesregierung gern erst wenige Stunden vor Inkrafttreten veröffentlicht werden, so scheinen auch die Um setzungen für die Hilfsprogramme eher in der Kategorie „Schneckenpost“ zu verorten zu sein.
Dass sich in dem Gesamtpaket auch noch jede Menge Bun desmittel verstecken, wird gleich ganz verschwiegen – Haupt sache, man trägt die angeblichen 4,1 Milliarden € oder die
25 Millionen € für die Vereine wie eine Monstranz vor sich her und lässt sich feiern. Die Enttäuschung derjenigen aber, die noch immer auf die Möglichkeit einer Beantragung oder auf die Bewilligung des Geldes warten, scheint Sie nicht son derlich zu interessieren.
Ich könnte Ihnen jetzt aus unserer im Antrag enthaltenen Lis te vorlesen, wo denn die genehmigten Mittel alle aufgeführt sind. Im uns bestätigten Berichtszeitraum findet sich bei meh reren Ausgaben kein einziger Euro, welcher an die Antragstel ler ausgezahlt wurde. Und um es gleich vorweg zu sagen: Es findet sich in der Stellungnahme zu unserem Antrag auch kein Hinweis, dass es im Oktober oder November zu größeren Aus zahlungen gekommen wäre. Vielleicht erfahren wir dazu spä ter noch etwas Erhellendes.
Liebe Landesregierung, der Landtag hat diese Mittel bewil ligt, damit sie schnell und unbürokratisch bei den Betroffenen ankommen. Hier haben Sie nach unserer Auffassung leider versagt.
Vielen Dank.
Vielen Dank für das Zulassen der Frage. Ich wollte sie eigentlich dem Herrn Ministerpräsiden ten stellen. Aber es waren keine Zwischenfragen erlaubt.
Frau Kollegin Reich-Gutjahr hat indirekt gerade noch einmal gefragt, ob es für Sie eventuell auch klar ist, dass es immer
weitere Lockdowns gibt. Sie haben gesagt, das sei nach dem momentanen Stand des Wissens wahrscheinlich alternativlos; so ungefähr haben Sie sich gerade ausgedrückt.
Halten Sie das für eine langfristige Strategie? Wäre es nicht eher einmal eine Überlegung wert – – Natürlich müssen wir jetzt im Moment diese sogenannte Welle brechen, um unsere Gesundheitssysteme nicht zu überlasten. Das ist, glaube ich, alternativlos. Aber wir können doch nicht jedes Mal, wenn die Welle wieder hochkommt, wieder mit dem gleichen Instru mentarium reagieren.
Wäre es nicht sinnvoll, dass man tatsächlich mit den Minis terpräsidenten – auch beim nächsten Gespräch mit der Frau Bundeskanzlerin – eine Gesamtstrategie diskutiert, wie wir lernen, mit diesem Virus zu leben, wie wir vulnerable Grup pen schützen können? Vor allem muss dies eingebettet sein in eine gesamteuropäische Strategie. Denn wir können ja hier machen, was wir wollen; wenn alle Länder um uns herum ho he Infektionszahlen haben, werden die Infektionen immer wieder auch über die Grenze kommen.
Also, wir brauchen eine gesamteuropäische Strategie: Wie le ben wir in Zukunft mit diesem Virus, ohne jedes Mal die Wirt schaft herunterzufahren? Das wäre meine Frage an Sie.
Danke.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Minister, Sie haben gerade gesagt, dass der Ministerprä sident uns morgen berichten wird. Ich denke, das Beherber gungsverbot ist eigentlich das Thema, bei dem alle warten, welche Entscheidung dazu aus dem Kanzleramt kommt. Jetzt lief aber vor knapp einer Stunde über den Ticker, dass dieses Reizthema zu einem Randthema heruntergestuft worden ist und es dort sehr wahrscheinlich gar nicht zu einem Ergebnis kommen wird.
Es ist eine Frage, die Baden-Württemberg als Tourismusland betrifft. Es betrifft auch Bayern. Aber Ministerpräsident Söder hat ja gestern die Rolle rückwärts gemacht, wie so oft schon. Wir haben hier Betriebe, die die Gäste in den anstehenden Herbstferien brauchen, um einigermaßen über die Runden zu kommen. Wenn es im Kanzleramt kein Resultat gibt, dann sind diese Betriebe natürlich weitestgehend betroffen und auch gefährdet.
Haben Sie aktuell Kontakt zum Ministerpräsidenten,
damit man z. B. Einfluss nehmen kann, dass dieses Thema heute nicht von der Tagesordnung verschwindet oder in einer Randnotiz erscheint? Denn gerade das wird gerade über die Nachrichtenticker kolportiert.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, lie be Kolleginnen und Kollegen! Ja, für etwa 6 000 Menschen mit Behinderungen ist das heute ein guter Tag – aber, liebe Kollegen Hockenberger und Poreski, bestimmt nicht wegen Ihnen. Denn ohne uns hätten wir heute eine Stunde früher Fei erabend, weil wir hier überhaupt nichts dazu beraten würden.
Das Recht, zu wählen, wird diesen 6 000 Menschen ab heute nicht mehr vorenthalten, und sie werden künftig mehr Unter stützung beim Wahlvorgang erhalten, um trotz ihrer Behinde rung das Wahlrecht ausüben zu können.
Es ist auch ein guter Tag für die Demokratie, denn endlich werden die verfassungswidrigen Regelungen in unserem Wahlrecht in verfassungskonforme Regelungen geändert.
Ich bin aber stolz darauf, dass wir mit diesem Gesetzentwurf bewiesen haben, dass man auch aus der Opposition heraus Ge setze durchbringen kann – wenn auch nur mit Druck.
In der ersten Lesung bin ich bereits auf die entscheidenden Punkte eingegangen. In dieser Ersten Beratung im Plenum und dann auch im Ausschuss wurde deutlich, dass eigentlich alle demokratischen Fraktionen diese Änderung unterstützen. Ich möchte es trotzdem an dieser Stelle wiederholen. Denn gemeinsam mit meiner Fraktion habe ich mich bereits sehr frühzeitig für die Änderungen, die wir heute nun beschließen werden, eingesetzt – und zwar bereits vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungswidrig keit entsprechender Regelungen im Wahlrecht im Bund.
Davon habe ich aber nichts mitbekommen, Herr Poreski. – Wir hätten – ich habe es in meiner Rede in der ersten Lesung schon gesagt – so, wie das auch andere Bundesländer gehand habt haben, die Entscheidung gar nicht erst abwarten müssen, um aus eigener Überlegung
Herr Poreski, ich weiß, es ist schwierig, zuzuhören, wenn man hier vorn die Wahrheit spricht – über ein Wahlrecht zu beschließen, das die Grundsätze der UN-Behindertenrechts konvention berücksichtigt. Das war mit der grün-schwarzen Mehrheit hier im Landtag leider nicht möglich.
Die zweite Chance dazu hatten wir nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Aber auch da wurde unser Ent wurf durch die grün-schwarze Koalition abgelehnt, und es wurde nur eine Übergangsregelung beschlossen. Die verfas sungswidrigen Regelungen blieben in unserem Wahlgesetz; ihre Anwendung wurde lediglich befristet ausgesetzt.
Und jetzt komme ich zu der Ursache, warum wir bei diesem Gesetzgebungsverfahren zwei fast inhaltsgleiche Gesetzent würfe behandeln: Die grün-schwarze Koalition hat ihr Ver sprechen eben nicht eingehalten, einen Gesetzentwurf zur Ab schaffung der verfassungswidrigen Regelungen einzubringen, sobald der Bundestag die entsprechenden Änderungen im Bundestagswahlrecht beschlossen hat.
Weder die Landtagsfraktion der Grünen noch die der CDU ha ben auf ein Erinnerungsschreiben unseres Parlamentarischen Geschäftsführers Reinhold Gall von Dezember 2019 über haupt reagiert – übrigens hat auch die Landes-Behindertenbe auftragte nicht reagiert. Reagiert hat nur die FDP/DVP.
Deswegen haben wir mit ihr einen gemeinsamen Gesetzent wurf eingebracht.
Nun hätten die Fraktionen von Grünen und CDU die Gele genheit ergreifen können, unserem Gesetzentwurf beizutreten und die letzten Verbesserungen auch gemeinsam mit uns zu beschließen. Aber wie heißt es doch so schön bei Ihnen? „Re gieren ist eine Stilfrage.“ Jetzt gibt es eben zwei Gesetzent würfe, weil die Koalition aufgrund unseres Entwurfs aus ih rem Tiefschlaf erwacht ist und jetzt unbedingt einen eigenen Entwurf vorlegen musste.
Natürlich werden wir heute unserem eigenen Gesetzentwurf zustimmen. Sollten wir dabei überraschenderweise nicht die Mehrheit erhalten, so stimmen wir gemäß der Beschlussemp fehlung des Innenausschusses in diesem Punkt dem Gesetz entwurf der Landesregierung zu. Inhaltlich nimmt er ja im We sentlichen unsere Vorschläge auf. Aber die Bürgermeisterre gelung haben Sie doch nur hineingeschrieben, damit Sie ir gendeine Unterscheidung zu unserem Gesetzentwurf haben; machen wir uns da doch bitte nichts vor.
Ansprechen möchte ich auch noch den Umgang mit der Lan des-Behindertenbeauftragten und dem Landes-Behinderten beirat im Gesetzgebungsverfahren. Liebe Ministerinnen und Minister – es sind kaum welche da –, wir haben dazu in der letzten Legislaturperiode einstimmig ein Gesetz beschlossen, wonach Vertreterinnen und Vertreter von Menschen mit Be hinderungen nach dem Grundsatz „Nicht ohne uns über uns“ zu ihren Belangen verpflichtend frühzeitig in die Gesetzesbe ratung einzubeziehen sind. „Frühzeitig“ heißt nicht, wenn der Gesetzentwurf schon im Kabinett beschlossen ist und seine Inhalte in der Zeitung stehen.
Noch ein Letztes: Lieber Herr Kollege Poreski, Sie haben in der Ersten Beratung behauptet, dass vieles aus meiner dama ligen Rede „Sabines Märchenstunde“ gewesen sei. Das unter stellt, dass ich in meinem Redebeitrag Unwahrheiten verbrei tet hätte.
Das weise ich entschieden zurück. Ich habe es gerade noch einmal aufgeführt, dass Sie hier einfach nicht die Wahrheit sa gen. Dass Sie entweder das Thema „Wahlrecht für Menschen mit Behinderungen“ verschlafen und da gepennt haben oder sich einfach in der Koalition nicht durchsetzen konnten, das ist die Wahrheit, lieber Herr Kollege Poreski.
Herr Minister, vielen Dank, dass Sie die Frage zulassen. – Die Frage richtet sich indirekt an Sie; sie geht eigentlich eher an den Verkehrsminister. Viel leicht ahnen Sie jetzt schon, worauf ich hinauswill. Aber Sie sind der zuständige Fachminister.
Beim Abtransport des Borkenkäferholzes gibt es Riesenpro bleme. In meinem Wahlkreis, in meinem Wohnort und in der Nachbarschaft sind Fuhrunternehmen der Holzwirtschaft, und ich stehe mit ihnen in ständigem Kontakt.
Jetzt wird versucht, einen Teil des Käferholzes über Contai nerverladung nach China zu verschiffen. Und die Fuhrunter nehmer werden permanent von der Polizei kontrolliert, weil es hier keine Regelung gibt. Es wird behauptet, die Ladung könne innerhalb der Container verrutschen, obwohl die Holz stämme wirklich bündig komplett in die Container passen. Da kann überhaupt nichts passieren. Gerade am letzten Samstag ist wieder ein Holzunternehmer kontrolliert worden und hat 5 000 € Strafe gezahlt.
Es soll ein Gutachten geben, auch vom TÜV. Und es gibt, wie gesagt, mehrere Gutachten, die bestätigen, dass das in Ord nung ist.
Setzen Sie sich bitte für eine Regelung ein, denn wir bekom men das Holz nicht aus dem Wald heraus. Das ist einfach nicht möglich. Ich bin selbst Waldbesitzerin. Wir haben nicht genü gend – –
Ja, ja. Da haben Sie wieder etwas Neues erfahren. Ich möch te einfach appellieren, dass hier – –
Ich wollte nicht zur Erheiterung beitragen.
Also ich weiß, wovon ich spreche, und ich möchte hier für die Holzwirtschaft ein Wort bei Ihnen einlegen, dass hier dringend eine Lösung gefunden werden muss. Andernfalls bleibt das Käferholz im Wald liegen, und Sie als zuständiger Fachminister wissen, was dann passiert:
Es wird noch schlimmer. Das Holz muss aus dem Wald, und zwar schnell. Wir müssen da eine Lösung finden.
Frau Präsidentin, liebe Kollegin nen und Kollegen! Zunächst einmal, Herr Dr. Becker: tolle Rede! Hat die Ministerin Sie eigentlich erhört, bevor sie die se Verordnung herausgegeben hat? Das wäre vielleicht ganz gut gewesen. Dann wäre ihr einiges erspart geblieben.
Gestatten Sie mir eine zweite Vorbemerkung: Wir, die SPDFraktion, nehmen erfreut zur Kenntnis, dass sich die Kollegin Boser und der Kollege Kern heute deutlich von der Bildungs politik von Frau Eisenmann sozusagen emanzipiert haben. Denn sie haben hier völlig andere Positionen dargelegt. Herz lichen Glückwunsch!
Wir haben gut zugehört.
Nein, nein, das haben wir schon richtig vernommen.
Es ist gerade schon der richtige Satz gefallen: Bildung ist mehr als Schule. Wir haben ja soeben im Rahmen der ersten Aktu ellen Debatte auch die Aussage von Frau Ministerin Eisen mann gehört, dass sie die Prioritäten natürlich auf die – –
Soll ich noch einen Kaffee brin gen?
Ich bringe noch eine Tasse Kaffee für die Unterhaltung.
Also noch einmal: Die Frau Ministerin hat in ihrem Beitrag im Rahmen der ersten Aktuellen Debatte, die wir heute ge führt haben, noch einmal deutlich gemacht, warum sie das so entschieden hat. Sie hat gesagt, den Arbeitsgemeinschaften komme jetzt nicht die Priorität zu wie beispielsweise den Kernfächern. Dem möchte ich ganz klar widersprechen. Denn gerade die Arbeitsgemeinschaften sind genau der Bereich, in dem sich Kinder aus unterschiedlichen Gruppen, auch aus un terschiedlichen sozialen Schichten miteinander beschäftigen.
Ich möchte hier noch einmal eine Überschrift setzen, die mir wichtig ist. Die Überschrift heißt: „Bildung ist mehr als Schu le“. Manch ein Bildungspolitiker kennt diesen Slogan. Er ent stammt nämlich den sogenannten Leipziger Thesen und ist damals vor dem Hintergrund der Ganztagsschulen und immer weiter entstehender unterschiedlicher Bildungslandschaften entstanden.
Es hat eine große Bedeutung für die Kinder, wenn sie z. B. in den musischen Fächern gefördert werden. Das fördert auch die Persönlichkeitsentwicklung, Charaktereigenschaften und hilft manchen Kindern auch später in den Kernfächern, weil eine Förderung in den musischen Fächern natürlich noch ganz viele andere Wirkungen entfaltet.
Vor diesem Hintergrund und auch angesichts Ihres Redebei trags, Herr Dr. Becker, ist diese Rechtsverordnung völliger Blödsinn. Und man nimmt natürlich auch erstaunt zur Kennt nis, wie sie in der Öffentlichkeit aufgenommen worden ist. In nerhalb kürzester Zeit entstanden zwei Petitionen, die sofort auf mehrere Tausend Unterschriften kamen. Beide hätten in nerhalb des vorgegebenen Zeitraums wahrscheinlich locker das Quorum erreicht.
Wir haben viele Zuschriften bekommen. Die Verbände haben sich mit Protesten lautstark zu Wort gemeldet. Ich hatte viele Anrufe von Lehrern, aber auch von Eltern aus meinem Wahl kreis. Ich zitiere nur einmal Aussagen einer Mutter, die mich angerufen hat. Sie hat gesagt: „Wo ist denn da die Logik?
Mein Kind darf jetzt an der Musikschule wieder das Instru ment erlernen, aber in der Schule darf es nun nicht mehr im Orchester spielen.“ Wo ist denn da die Logik? Denn die Zu sammenhänge erkennt niemand mehr.
Von uns und auch vonseiten der Verbände wurde jetzt mona telang dafür gekämpft, dass überhaupt wieder Musik stattfin den kann, dass Proben stattfinden können. Das ist natürlich auch ein Ergebnis von langen Diskussionsprozessen.
Ich möchte hier noch einmal eines deutlich sagen, weil das auch Grundlage Ihrer Verordnung war: Es gibt keine Evidenz, dass Musizieren oder Singen gefährlich ist, wenn man be stimmte Vorgaben einhält. Es ist soeben auch genannt worden, ich wiederhole es aber gern: Es gibt tatsächlich Untersuchun gen; ich nenne einmal Tests bei den Wiener Philharmonikern, den Bamberger Symphonikern und natürlich der Hochschule für Musik in Freiburg. In Freiburg hat man sehr dezidiert Ein zelunterricht Gesang, Chorsingen, Singen im Gottesdienst so wie Einzelunterricht Bläser und Blasmusikensembles unter sucht, und man hat festgestellt, dass lediglich von Querflöten eine gewisse Gefahr ausgeht – das kann man mit entsprechen dem Abstand auch verhindern – und dass, wenn man von Sitz mitte zu Sitzmitte mit 2 m Abstand probt, bei einem Blasins trument nichts passiert. Bei den Chören ist es ähnlich: Abstand halten, lüften.
Hier kommen wir genau an den Punkt, wo man einfach diese Kritik noch einmal äußern muss. Ich hätte jetzt auch meine Rede in den Papierkorb werfen können, weil wir gestern Abend erfahren haben, dass Sie zurückgerudert sind. Aber die Kritik am Vorgehen bleibt trotzdem bestehen. Sie haben nicht kom muniziert, Sie haben nicht mit dem Musiklehrerverband ge sprochen, Sie haben nicht mit den Schulen geredet. Dann hät ten Sie nämlich erfahren, dass viele Schulen auch bei den Chören längst z. B. draußen im Freien proben, um die Anste ckungsgefahr zu verhindern. Die haben sich selbst Gedanken gemacht, was sie machen können. Hier wird wieder einmal aus dem Ministerium an der Lebenswirklichkeit vor Ort vor bei etwas verordnet, statt einmal zu fragen: Wie stellt ihr euch das denn eigentlich vor? Wie könnte man das machen?
Ich möchte das einfach nochmals als Kritikpunkt in den Raum stellen: Keine Schule, keine Musikschule, kein Chor und kein Musikensemble gehen sehenden Auges in die Gefahr eines In fektionsgeschehens. Die machen sich alle Gedanken. Fördern Sie doch und unterstützen Sie diese Selbstverantwortung, und fragen Sie einfach nach: Welche Konzepte haben sie, um das noch anbieten zu können? Dann wären Sie erstaunt, mit wel chen Konzepten die aufwarten können. Die machen sich näm lich Gedanken. Deswegen waren sie entsetzt, als jetzt diese Verordnung kam. Wir können von Glück sagen, dass sie zu rückgenommen worden ist.
Ich möchte mit einem Zitat, wenn ich es finde, schließen. Jetzt habe ich es hier irgendwie verbummelt. Moment!
So geht es, wenn man das Redekonzept nicht mehr benutzt. Ich finde es nicht mehr. Ich glaube, ich habe es auf dem Tisch liegen lassen – nein, alles gut. Es ist ein Zitat von Johannes Rau. Ich gebe es jetzt wieder. Er hat gesagt, dass Musizieren
für die Kinder ein wichtiger Teil ihrer Lebenswirklichkeit und ihrer Entwicklung ist.
Das ist nichts Neues. Das ist ein Zitat von 2003.
Wenn wir das, was die Ministerin jetzt gewollt hätte, an den Schulen durchgesetzt hätten, dann wären wir hinter 2003 zu rückgefallen. Wir sind aber weiter. Wir haben eine ausgepräg te Musiklandschaft an den Schulen. Wenn wir das durchgezo gen hätten, wären die Strukturen zerstört worden, und das wä re unverantwortlich gewesen. Gott sei Dank gab es hier Pro test. Danke an die FDP/DVP, dass wir diese Aktuelle Debat te heute noch führen konnten.
Vielen Dank.
Frau Ministerin, ich habe das fak tisch als Beispiel gebracht, habe aber vielleicht vergessen, et was hinzuzufügen. Das Problem ist: Wenn die Musiklehrer z. B. in den Arbeitsgemeinschaften nicht mehr unterrichten können, stehen sie nicht automatisch auch für andere Fächer zur Verfügung. Das ist etwas, was mir alle Schulleiter gesagt haben.
Wenn Sie tatsächlich auch die Präsenz der Lehrkräfte für das, was Sie gerade angesprochen haben, nutzen wollen, dann stehen die Lehrkräfte in diesem Bereich nicht unbedingt zu 100 % zur Verfügung. Die sind dann faktisch arbeitslos. So wurde es auch im „Mannheimer Morgen“ in der Überschrift betitelt: Arbeitslosigkeit oder mehr oder weniger Berufsverbot für Mu siklehrer.
Frau Präsidentin, liebe Kollegin nen und Kollegen! Frau Ministerin, Sie haben nicht erklärt, warum Sie diese 180-Grad-Wende gemacht haben. Sie haben eine Rechtsverordnung erlassen und diese dann – wahrschein lich aufgrund des massiven Drucks und der vielen Briefe – plötzlich wieder zurückgenommen. Beruht die Rücknahme jetzt auf Ihrer Einsicht oder auf dem Druck? Mir ist in Ihrer Rede nicht ganz klar geworden, was eigentlich dazu geführt hat.
Ich möchte noch einmal betonen, was der Kollege Kern ge sagt hat. Ich glaube, niemand hat infrage gestellt, dass die Hy
giene- und Abstandsregelungen auch in den Schulen einzu halten sind, und niemand von uns ignoriert Corona in irgend einer Weise. Aber worum es im Kern ging, ist die Transparenz der Entscheidung und auch die Übertragbarkeit. Warum kann ich das, was ich mit den Abstandsregelungen in den Musik schulen oder in der Amateurmusik mache, nicht auch in der Schule machen?
Ich habe übrigens auch nicht gesagt, Sie hätten das Musizie ren im Freien verboten. Ich habe nur gesagt: Die Schulen ent werfen längst eigene Konzepte. Ich habe Ihnen empfohlen, mit den Schulen zu sprechen und sich anzuhören, was diese für Konzepte entwickelt haben, u. a. für das Musizieren im Freien. Das machen die. Oder sie suchen sich Räumlichkei ten, in denen sie die Abstandsregeln einhalten können. Las sen Sie das doch die Schulen entwickeln, und lassen Sie sie das einfach vor Ort in aller Verantwortung machen. Die Rück nahme der Rechtsverordnung ist daher richtig, aber der Vor gang wäre vermeidbar gewesen, wenn Sie tatsächlich das Ver trauen in die Schulen gehabt hätten, dass sie in eigener Ver antwortung eine gute Lösung treffen können.
Vielen Dank.
Frau Präsidentin, liebe Kollegin nen und Kollegen! Wir beraten heute über zwei ähnliche Ge setzentwürfe, die eigentlich das gleiche Ziel haben, nämlich ein verfassungsgemäßes Wahlrecht. Das bedeutet nichts an deres, als dass ca. 6 000 Menschen mit Behinderungen – ge nau diejenigen, die in allen Bereichen unter Betreuung stehen – in Zukunft ganz regulär und nicht mehr bis in das kommen de Jahr befristet wählen dürfen – wie jede andere Bürgerin und jeder andere Bürger auch. Dass am Ende nicht jeder die ses Recht nutzen wird, spielt hierbei gar keine Rolle. Denn andere Wahlberechtigte nutzen ihr Wahlrecht ja auch nicht im mer.
Für meine Fraktion und mich war dies von Beginn dieser Le gislaturperiode an ein sehr wichtiges Thema, und mir als Spre cherin für die Belange von Menschen mit Behinderungen war es auch persönlich ein großes Anliegen.
Wer die UN-Behindertenrechtskonvention ernst nimmt und eine inklusive Gesellschaft mit Teilhabe und Gleichberechti gung will, darf Menschen nicht von einem der wichtigsten Grundrechte unserer Demokratie, vom Wahlrecht, ausschlie ßen.
Die UN-Behindertenrechtskonvention wurde bereits 2009 von der Bundesrepublik Deutschland ratifiziert. Es ist traurig, dass es so lange gedauert hat, bis auch dieser Punkt endlich gere gelt wurde. Es war ein langer Weg – auch in unserem Bundes land. Denn tatsächlich ist es heute meine dritte parlamentari sche Initiative für dieses inklusive Wahlrecht.
Aller guten Dinge sind drei, könnte man sagen, wenn es nicht so traurig wäre. Denn die Entstehungsgeschichte zum heuti gen Gesetzesvorhaben war wahrlich keine Glanzleistung der grün-schwarzen Landesregierung. Als wir im Mai 2018 das Gesetz zur Änderung kommunalwahlrechtlicher Vorschriften hier im Plenum berieten, war dort zum Thema „Inklusives Wahlrecht“ kein einziges Wort zu finden. Dies veranlasste mich damals, Herrn Minister Strobl zu fragen, ob man das vielleicht vergessen habe. Die Reaktion war damals eindeu tig, und ich beschreibe es einfach mal so: kalt erwischt. Der Minister stand auf dem Schlauch.
Mein Kollege Rainer Stickelberger brachte es im weiteren Verlauf der Beratungen dann auf den Punkt. Er sagte – ich zi tiere –: Sie sind
... vom Thema „Inklusives Wahlrecht“ so weit entfernt... wie die Erde vom Mond oder vielleicht noch weiter.
Meine Fraktion hat damals einen Änderungsantrag einge bracht, damit die Umsetzung noch rechtzeitig vor der Kom munalwahl 2019 möglich wird. Natürlich wurde dieser abge lehnt.
In der Zweiten Beratung behauptete Herr Minister Strobl dann plötzlich, das inklusive Wahlrecht sei ja gar nicht übersehen worden. Er verteidigte die bestehende Regelung und gab be kannt, dass man die Entscheidung des Bundesverfassungsge richts abwarten wolle. Dabei hätte man das Problem schon da mals lösen können. Denn niemand schreibt uns als Landesge setzgeber vor, dass wir auf eine Entscheidung des Bundesver fassungsgerichts oder des Bundestags warten müssen, um aus eigener Überzeugung zu einem guten inklusiven und verfas
sungsgemäßen Wahlrecht zu kommen. Das sah Herr Minister Strobl damals allerdings anders.
Mit der Feststellung der Verfassungswidrigkeit gleichlauten der Regeln im Bundeswahlrecht durch das Bundesverfas sungsgericht brachten wir erneut einen Gesetzentwurf zur Herstellung eines inklusiven und verfassungsgemäßen Wahl rechts ein. Jetzt war die Ablehnungsbegründung aber eine an dere: Man habe ja keine Insellösung haben wollen. Allein die se Aussage ist schon komplett absurd. In Wahrheit war Ba den-Württemberg damals schon eine Insel, umgeben von al len möglichen Bundesländern, die bereits für ihre Kommu nal- und Landtagswahlen ein inklusives Wahlrecht geschaf fen hatten.
Der dann eiligst erstellte Gesetzentwurf der grün-schwarzen Koalition ließ die verfassungswidrigen Regelungen in unse ren Wahlgesetzen stehen und setzte deren Anwendung nur zeitlich befristet aus.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer eindeutig verfassungs widrige Regelungen in unseren Wahlgesetzen stehen lässt, dis kriminiert die betroffenen Menschen mit Behinderungen – selbst wenn man die Anwendung der Wahlrechtsausschlüsse befristet aussetzt.
Sie wollten – jetzt zitiere ich aus Ihrem Gesetzentwurf – eine Übergangsregelung schaffen,
... bis die vom Bundesverfassungsgericht verlangte Neu regelung im Bundestagswahlrecht erfolgt ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen und der CDU, der Bundestag hat dies vor einem Jahr geregelt, und Sie haben Ihr Versprechen bis zum heutigen Tag nicht eingelöst. Weder der für Menschen mit Behinderungen und für die Um setzung der UN-Behindertenrechtskonvention zuständige Mi nister Lucha noch der zuständige Fachpolitiker der Grünen, Thomas Poreski, hat Sie an die Einhaltung dieses Verspre chens erinnert. Man kann fast von einem Untertauchen bei diesem Thema sprechen.
Deshalb haben wir gemeinsam mit der FDP/DVP einen Ge setzentwurf eingebracht. Erst daraufhin wurde in allergrößter Eile
ein eigener Gesetzentwurf der grün-schwarzen Landesregie rung in Auftrag gegeben und im Eilverfahren eingebracht, da mit die heutige Erste Beratung unseres Entwurfs noch erreicht wird – übrigens ohne dabei die Landesbehindertenbeauftrag te und den Landesbehindertenbeirat frühzeitig einzubeziehen, wie es bei uns gesetzlich vorgeschrieben ist.
Herr Minister Strobl – anscheinend ist er gar nicht da – weiß offenbar nicht, was der Grundsatz „Nicht ohne uns über uns“ zum Ausdruck bringen soll. Ich empfehle Ihnen sehr, darüber einmal mit Menschen mit Behinderungen zu sprechen.
Heute also liegen uns diese zwei Gesetzentwürfe vor. Jetzt mag sich manch einer hier im Hohen Haus fragen: Warum ei gentlich zwei? In der Sache sind wir uns am Ende jetzt doch einig. Ja, diese Frage kann man als berechtigt ansehen. Denn wenn sich demokratische Fraktionen beim Wahlrecht in der
Sache einig sind, dann sprechen sich die parlamentarischen Geschäftsführer in der Regel untereinander ab, und dann soll te es eigentlich einen gemeinsamen Gesetzentwurf geben. Das war auch unser Plan.
Deswegen hat Ende letzten Jahres unser parlamentarischer Geschäftsführer Reinhold Gall alle demokratischen Fraktio nen angeschrieben und sie noch einmal auf den Änderungs bedarf hingewiesen. Er hat damals ein klares Gesprächsange bot gemacht, um hier endlich tätig zu werden. Die Reaktion: Außer der FDP/DVP hat sich niemand bei uns gemeldet. Die ser Umgang der Regierungsfraktionen mit der Opposition ist bei Grün-Schwarz mittlerweile ja schon Standard. Wieder ein mal bekommt der Wahlslogan der Grünen von 2016, „Politik ist eine Stilfrage“, eine ganz andere Bedeutung. Dies ist aller dings schlechter Stil.
Und die sogenannte Politik des Gehörtwerdens? Hohle Phra sen. Denn auch Sie haben die Briefe der Behindertenverbän de, insbesondere der Lebenshilfe, erhalten. Haben Sie die auch gelesen? Ich glaube kaum.
Ja, aber viele offensichtlich nicht.
Ich fasse zusammen: Es ist offensichtlich, dass es Ihnen kein Anliegen ist, hier ein verfassungsgemäßes und inklusives Wahlrecht durchzuführen, und dass Sie sich anscheinend in nerhalb der Fraktionen nicht einigen konnten. Es ist schlicht weg kein Thema für Sie. Wäre nicht meine Fraktion gemein sam mit der FDP/DVP aktiv geworden – vielen Dank hier an Herrn Professor Goll und an die ganze Fraktion –, hätten wir heute wahrscheinlich nichts zu beschließen.
So weit meine Kritik. Jetzt haben wir heute Vormittag erfah ren, dass sich etwas bewegt. Die beiden Regierungsfraktio nen sind offensichtlich bereit, jetzt mit uns über einen gemein samen Gesetzentwurf zu verhandeln. Dem werden wir uns na türlich nicht verweigern.
Wir haben größtenteils Übereinstimmung. Wir haben zwei Punkte, die wir noch zu diskutieren haben. Da sind wir ge sprächsbereit. Es wäre gut, wenn wir hier ein Zeichen geben würden und am Ende mit den vier Fraktionen ein gemeinsa mes Gesetz verabschieden können. Ich hoffe, das wird klap pen. Das wird dann im Innenausschuss besprochen.
In diesem Sinn: Danke für die Bereitschaft und nochmals dan ke an Professor Goll für die gute Zusammenarbeit.
Danke für die Zulassung. – Die Kollegen Weirauch und Schweickert haben sehr differenziert zu dem Thema gesprochen. Es ist ja nicht alles schlecht. Wir haben auch viel Lob, aber es gibt eben auch Schattenseiten.
Es gibt aber auch Aspekte, die ich sehr bedenklich finde. Man che Programme sind bereits seit Langem angekündigt. Ich nenne mal zwei Beispiele. Vor vier, fünf Wochen konnte man über die geplante Bereitstellung von 40 Millionen € für die Busunternehmer in der Zeitung lesen, und ebenfalls vor vier Wochen wurde die Bereitstellung von 328 Millionen € für die Hotellerie und die Gastronomie angekündigt. Das heißt, es gab zuerst eine Ankündigung und erst danach den Kabinetts beschluss.
Tatsache ist: Bei uns Wahlkreisabgeordneten stapeln sich die Anfragen aus der Branche, wann denn da das Geld kommt. Das Programm für Hotellerie und Gastronomie wurde am ver gangenen Montag beschlossen, aber schon vor vier Wochen verkündet. Ich finde, es ist sehr schwierig für uns, den Leuten klarzumachen, wann denn das Geld kommt. Viele stehen kurz vor der Insolvenz. Hier werden Erwartungen geweckt, die wahrscheinlich erst nach Wochen erfüllt werden.
Ich finde, diese Kritik muss man einfach zulassen. Es ist mir einfach wichtig, anzumerken, dass da nicht alles toll war. In den genannten zwei Bereichen wurden besonders viele Erwar tungen geweckt. Ich finde, da muss man jetzt dringend liefern. Alle Betroffenen warten auf die Förderrichtlinien, damit sie endlich Geld bekommen können. In meinem Wahlkreis sind mehrere Unternehmen, die ohne eine entsprechende Hilfe wahrscheinlich in der nächsten Woche Insolvenz anmelden müssten. Es ist also wirklich wichtig und dringend.
Danke.
Vielen Dank, Frau Staatssekretä rin. – Sie haben gerade erwähnt, Sie haben viele Gespräche geführt. Ich habe Ihnen letzte Woche einen Brief genau zu die sem Thema geschrieben. Wenn ich mir jetzt das Konzept an schaue, das ja auch auf der Homepage des Ministeriums nach zulesen ist, heißt es hier: Konzepte für „Künstlerinnen und Künstler aller Sparten, darunter Profis und Amateure“. Wenn ich aber weiter nach unten scrolle, heißt es: „Probearbeit für professionelle Theater, Orchester und Chöre...“
Ich spreche hier für einen Verband mit Amateuren, einen Blas musikverband. Ich möchte einfach noch einmal darauf hin weisen – Sie haben das gerade auch noch zu Recht angespro chen –: Kultur ist etwas, was sehr breit in der Bevölkerung verankert ist.
Unsere vielen Feste, Hocks, Wein feste können ohne diese Amateurmusikvereine nicht stattfin den. Wir haben ca. 2 000 Vereine mit 100 000 Blasmusikern, die nicht spielen dürfen – vor allem nicht die Kinder, auch nicht im Unterricht in der Schule –, keine Trompete, kein Sa xofon, keine Klarinette, nichts.
Ich glaube, dass die Musikvereine auch im Moment verstan den haben, dass diese Feste nicht stattfinden dürfen. Aber ich habe Sie in meinem Brief gebeten, dass man ihnen die Proben arbeit ermöglicht, und ich bin sehr erstaunt, dass es jetzt bei Profiorchestern ermöglicht wird, aber nicht bei den vielen Mu sikvereinen, und dort ist es mir sehr wichtig.
Vielen Dank, Herr Minister. – Sie haben gerade die Testungen angesprochen. Wir haben ja die Situation, dass in allen Stadt- und Landkreisen die Gesund heitsämter nach den Richtlinien, Vorgaben und Empfehlun gen des Robert Koch-Instituts arbeiten. Das bedeutet, in eini gen Landkreisen hat man schon vorher getestet und in ande ren nicht, weil die Gesundheitsämter das selbst entschieden haben. Sie haben jetzt angewiesen, dass überall getestet wird.
Wir haben Gott sei Dank die Situation, dass es in sehr weni gen Pflegeheimen Fälle gibt. Wir wissen aber nicht, ob es tat sächlich in anderen Pflegeheimen unentdeckte Fälle gibt.
Wäre es nicht besser gewesen, schon vorzeitig den Gesund heitsämtern politisch das Signal zu geben, in eine Reihentes tung – zumindest am Anfang – zu gehen, um eine gewisse Si cherheit zu haben? Ich weiß, dass viele Träger das selbst ge macht haben, aber auch einige Landkreise. So haben dies die Stadt Mannheim, der Kreis Böblingen und viele andere ge macht; die haben das schon vorher über ihre Landratsämter verordnet.
Frau Präsidentin, liebe Kollegin nen und Kollegen! Die Berichte über aktuelle europapoliti sche Themen sind eigentlich auch immer ein Rückblick und sollen diesem Parlament vor allem als Informationsgrundla ge dienen. Interessant ist dieses Mal aber weniger der Rück blick als die aktuelle Lage innerhalb der EU vor dem Hinter grund der Coronapandemie.
Wir stehen in der Tat vor der Entscheidung, ob diese Europä ische Union sich ihrer Verantwortung als Solidargemeinschaft der Mitgliedsländer sieht und wie wir gemeinsam die Folgen dieser Pandemie wirtschaftlich, gesellschaftspolitisch, aber vor allem auch sozial meistern.
Denn der vorliegende Bericht zeigt sehr deutlich auf, wo die Grenzen und wo auch die Chancen liegen. Die Grenze ziehen wir als Sozialdemokraten und überzeugte Europäer vor allem da, wo ein Rückzug in die Nationalstaatlichkeit beginnt. Vie le Mitgliedsstaaten haben ohne Absprachen zu Beginn der Pandemie einfach ihre Grenzen geschlossen, und auch die Bundesrepublik zog am Ende irgendwann mit. Dies hatte stel lenweise Folgen, die vorhersehbar gewesen wären: Warenver kehr und Lieferketten kamen ins Stocken, Arbeitskräfte aus dem EU-Raum kamen nicht mehr über die Grenzen zu ihren Arbeitsstellen, ja, sogar Familien und Paare wurden zeitwei lig getrennt oder sind es immer noch.
Gleichzeitig aber gab es grenzüberschreitende Hilfeleistun gen. Wir haben gerade vom Kollegen Frey davon gehört. Das war natürlich eine ganz tolle Geschichte, auf die wir auch zu Recht stolz sein können.
Mit jedem Tag seit Ausbruch von Covid-19 wuchs aber auch die innereuropäische Solidarität. Genau hier ist auch die Chan ce für unseren Kontinent zu sehen. Corona hat gezeigt, dass wir Krisen einfach besser gemeinsam meistern können – vor allem, wenn wir auf die Zeit nach Corona schauen; und wir werden auch hier umdenken müssen. Denn die Produktion systemrelevanter Güter, vor allem die Rückholung von Pharma unternehmen oder Herstellern von Medizinprodukten, zurück in die Europäische Union muss eine der wichtigen Konse quenzen dieser Erfahrungen der vergangenen Wochen sein.
Wenn wir die Auswirkungen auf die gesamte Weltwirtschaft betrachten, wird zudem mehr als deutlich, dass wir uns nur mit der Wirtschaftskraft der gesamten Europäischen Union in ternational und global behaupten können. Nur gemeinsam ha ben wir dem aggressiven Vorgehen Chinas oder der USA et was entgegenzusetzen. Vor allem wird uns auch der Europäi sche Binnenmarkt helfen, wirtschaftlich wieder nach vorn zu kommen.
Was aber vor dem gleichen Hintergrund Grund zur Sorge gibt, ist die Auffassung mancher Mitgliedsstaaten zum Thema Rechts staatlichkeit. Hier müssen wir auf die Einhaltung unserer mit einander geschlossenen Vereinbarungen in ihren Grundlagen bestehen. Die Europäische Union ist keine Einbahnstraße, wo manche nur nehmen und meinen, sie könnten einseitig profi tieren, und alles andere interessiere sie nicht. Das, was Polen, Tschechien und Ungarn sich hier herausnehmen, wurde zu
Recht erst kürzlich vor dem Europäischen Gerichtshof als Ver stoß gegen EU-Recht verurteilt.
Die Corona-Notstandsgesetze Ungarns sind nicht nur unde mokratisch, sie sind ein Beweis dafür, dass Ungarn längst Maß und Mitte verloren hat und es hier dringend mehr Sanktionie rungen geben muss.
Insofern ist der Ansatz der EU-Kommission, Fördermittel künftig an die Einhaltung von Rechtsstaatlichkeit zu koppeln, der richtige Ansatz. Manches funktioniert eben nur über den Geldbeutel.
Ein weiterer wichtiger Teil des Berichts ist die Flüchtlingspo litik. Hier herrscht nur Einigkeit in Bezug auf Grenzsicherung und Abschottung. Die humanitäre Katastrophe in den Flücht lingslagern in Griechenland hat bisher leider nicht zur Ein sicht geführt, dass wir europaweit endlich ein funktionieren des und verlässliches Verteilsystem mit verbindlichen Quoten brauchen.
Auch das Thema Brexit spielt natürlich im Bericht eine Rol le. Noch immer liegen die Positionen der Europäischen Uni on und des Vereinigten Königreichs weit auseinander. Die Fra ge, wie eine zukünftige Partnerschaft aussehen könnte, liegt auf Eis. Ich erlaube mir die Bemerkung, dass auch Großbri tannien die Folgen des Brexits noch zu spüren bekommen wird und sich hier manch einer am Ende wünschen wird, doch noch Mitglied in dieser Solidargemeinschaft der Europäischen Union zu sein.
Tatsächlich müsste ein Freihandelsabkommen bis Oktober oder November dieses Jahres vorliegen, um den Ratifizie rungsprozess bis Ende 2020 auch abschließen zu können. Das ist aktuell sehr unwahrscheinlich, es sei denn, Premier John son gibt seine harte Haltung zur Verlängerung des Übergangs zeitraums doch noch auf.
Meine Redezeit ist schon beendet. Ich wollte noch etwas zum Finanzrahmen sagen, aber das haben die Vorredner eigentlich schon getan. Das wunderbare Schuman-Zitat hat Herr Kolle ge Fink heute schon gebracht.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich hatte eigentlich eine Zwischen frage an Herrn Minister Wolf. Ich habe jetzt bis zum Schluss gewartet, ob Sie etwas zu den „Vier Motoren“ sagen. Denn gerade die „Vier Motoren“, speziell die Wirtschaftsräume um Mailand, Lyon und Barcelona – diese drei Länder – sind stark gebeutelt von der Pandemie.
Wie sehen Sie denn die Möglichkeit, diese „Vier Motoren“ wieder gemeinsam nach vorn zu bringen, um da auch Vorbild zu sein? Sie haben jetzt leider zu dem Thema nichts gesagt.
Das war eigentlich Inhalt meiner Zwischenfrage.