Protokoll der Sitzung vom 23.01.2019

essen der einzelnen Nationen gesprochen. Ich denke, dass Sie dem Satz von Bismarck zustimmen: „Staaten haben keine Freunde, Staaten haben Interessen.“

Wie bewerten Sie vor diesem Hintergrund z. B. die Angriffe der südlichen Länder, insbesondere von Italien, den Griff auf unsere Einlagensicherungssysteme? Da können wir doch nicht einfach sagen: „Aus europäischem Interesse lassen wir den Griff auf unsere Reserven zu.“ Wie sehen Sie diesen konkre ten Fall?

Kollege Klos, ich glaube, wir sind uns völlig einig, dass wir so ein eu ropäisches Einlagensicherungssystem nicht wollen. Da hat sich diese Landesregierung zu jeder Zeit klar positioniert. Wir wollen gerade nicht die von Ihnen soeben beschriebene Wir kung. Wir wollen die Instrumente schaffen, dass jedes Land die Chance hat, sein eigenes Sicherungssystem aufzubauen. Wir wollen aber eben nicht dauerhaft ein System der gegen seitigen Haftungsübernahme. Deswegen haben wir ein sol ches europäisches Einlagensicherungssystem immer abge lehnt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren, Baden-Württemberg ist bei Aus tauschprogrammen beispielhaft. Bei uns wird Europa an vie len Orten im Alltag gelebt – über Städtepartnerschaften, Schü leraustausche und Hochschulkooperationen. Der Ministerprä sident hat den Bürgerinnen und Bürgern gedankt, die sich an den Bürgerdialogen beteiligt haben. Ich will das in gleicher Weise tun.

Ich will diesen Dank erweitern. Seit vielen Jahren arbeiten Hunderte von Menschen in Städtepartnerschaften, in Hoch schulpartnerschaften und in Schulpartnerschaften für deutschfranzösische, für europäische Freundschaft und Begegnung. Ich will all diesen in der Europaarbeit ehrenamtlich engagier ten Menschen an dieser Stelle ein herzliches Dankeschön sa gen. Sie sind die Gesichter Europas.

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der Grü nen und der SPD)

Meine Damen und Herren, ich will diesen Prozess um ein eu ropäisches Leitbild mit der heutigen Debatte nicht beenden. Heute soll nicht Schlusspunkt der Entwicklung eines europä ischen Bewusstseins sein. Das ist der Ausgangspunkt für die weitere Debatte über die Zukunft Europas im Land und in Brüssel.

Ich möchte die Expertenrunden, die wir im Zuge dieses Dia logs geschaffen haben, gern fortsetzen, auch unter Einbezie hung aller politischen Kräfte dieses Hauses – Herr Kollege Stoch, Herr Kollege Rülke und wer auch immer sich daran beteiligen möchte. Ich halte wenig davon, Europa parteipoli tisch auseinanderzudividieren. Wir sind in Europa in dem Ma ße stärker, in dem es uns gelingt, uns mit einer Stimme zu Eu ropa zu äußern.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Darüber hinaus werde ich im September dieses Jahres eine Justizministerkonferenz im Donauraum einberufen, weil es mir wichtig ist, Fragen der Rechtsstaatlichkeit zu diskutieren,

gerade in den Donaustaaten und natürlich auch in Weiterfüh rung der von der Landesregierung betriebenen Donauraum strategie.

Für uns ist Europa ein Herzensanliegen. Wir wünschen uns ein Europa, wie es die zwölf Sterne der Europafahne verspre chen, ein Europa in Einigkeit, das zusammensteht, ein Euro pa, das für Frieden und Freiheit eintritt, in Warschau und in Budapest ebenso wie gegenüber Moskau und Peking.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der Grü nen und der FDP/DVP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, gibt es weitere Wortmeldungen? – Ich muss die Re dezeit der Fraktionen etwas verlängern,

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Nein! Das geht nicht!)

weil die CDU mehr beansprucht hat und auch die Regierung lange gesprochen hat.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Es gibt heute Grund, es nicht zu tun!)

Genau. Das wollte ich gern anschließen. – Dann bedanke ich mich bei Ihnen, und wir beenden die Debatte zu Tagesord nungspunkt 1.

Herr Abg. Dr. Fiechtner möchte noch sprechen.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, sehr verehrte Damen, sehr geehrte Herren! Herr Ministerpräsident, fast hundert Mal kamen die Worte „Europa“ und „europäisch“ in Ihrer Rede vor. Doch was Sie meinen, sagen Sie nicht. Was ist Europa?

Professor Dr. Carina Sprungk sagte:

Was Europa ist, ist nicht eindeutig zu definieren. Wir kön nen weder mit Bestimmtheit sagen, was der Ursprung des Wortes „Europa“ ist, noch, wo genau die Grenzen Euro pas liegen.

47 Länder zählen viele. Auf die Frage, was Europa ist, gibt es so viele Antworten, wie Menschen in der EU leben. So heißt es bei der Bundeszentrale für politische Bildung. Genau dar an krankt auch das System der Europäischen Union; denn die Zugangsvoraussetzungen sind eben nicht die gleichen. Am of fensichtlichsten macht das die sogenannte gemeinsame Wäh rung, die eben nur in 19 von 28 EU-Staaten zum Einsatz kommt.

Wer eine Wirtschafts- oder Wertegemeinschaft will, muss auch die gleichen Grundvoraussetzungen mitbringen, sonst ist Ärger vorprogrammiert. Doch stattdessen verfolgt man ein Wachs tum der EU um jeden Preis.

Es gibt gute Gründe, der EU kritisch gegenüberzustehen: der aufgeblähte Verwaltungsapparat mit zwei Sitzen sowie unzäh lige fragliche Verordnungen. Aber auch die Vorliebe von Lan des- und Bundespolitikern, unbeliebte politische Entscheidun gen der EU in die Schuhe zu schieben, trägt zu einem schlech ten Bild der EU bei.

Kurz hatte ich Hoffnung, dass Sie das Thema EU zur Chefsa che machen. Das hätte Signalwirkung. Stattdessen fokussie ren Sie sich auf Expertenkommissionen und überlassen Ihrer Staatsrätin die Bürgerdialoge. Wie diese abgelaufen sind, will ich besser gar nicht wissen. Denn die drei herausgearbeiteten Forderungen entsprechen „zufälligerweise“ genau den gegen wärtigen Zielen der EU.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich der durchschnittliche Bürger für Europa spontan eine europäische Armee wünscht. Falls doch, sollten wir am besten wieder direkt die Wehrpflicht einführen.

Dass das emissionsfreie Auto in Zukunft aus dem Ländle kommt, bezweifle ich, wenn die einfachen Arbeiter dank Ih rer Politik nicht mehr in die Stadt fahren dürfen.

(Lachen des Abg. Jürgen Walter GRÜNE)

Auch zeigt Ihre Rede, dass Sie die Digitalisierung nicht ver standen haben. Der digitale Markt kennt keine Grenzen.

(Abg. Josef Frey GRÜNE: Es reicht doch jetzt!)

In einem sind wir uns jedoch hoffentlich alle einig: Die Län der dieser Welt sollten vereint sein im Hinblick auf wirtschaft liche Zusammenarbeit, Frieden und humanitäre Interessen. Dass hier die EU mit ihren Werten Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit eine wichtige Rolle spielt, steht außer Fra ge.

Dennoch, Herr Ministerpräsident, bin ich mehr für das Prin zip der Kehrwoche, auf die Sie persönlich ja ebenfalls setzen.

(Beifall des Abg. Daniel Rottmann AfD)

Herr Abg. Dr. Fiechtner, bitte beachten Sie Ihre Redezeit.

Wenn Sie aber einen Tipp wollen, wie Sie Europa erfolgreich machen kön nen, dann beschäftigen Sie sich am besten mit der phönizi schen Königstochter.

Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Wir können Tagesordnungspunkt 1 abschlie ßen.

Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:

Aktuelle Debatte – Kurze Beine, lange Wege – Grüne pla nen Schließung kleiner Grundschulen durch die Hinter tür – beantragt von der Fraktion der SPD

Auch hierzu wurde eine Redezeit von zehn Minuten je Frak tion festgelegt. Das ergibt dann eine Gesamtredezeit von 50 Minuten. Hinzu kommt die Redezeit der Regierung. Ich bitte Sie, das zu beachten.

Als Ersten darf ich Herrn Abg. Dr. Fulst-Blei für die SPDFraktion aufrufen.

Frau Präsidentin, Kollegin nen und Kollegen! Wo ist sie eigentlich geblieben, die Bil dungskompetenz der Grünen? Eine Partei, die einmal aufge

brochen war, für mehr Bildungsgerechtigkeit zu streiten, zeich net sich heute nur noch entweder durch ein bildungspolitisches Wachkoma oder durch den Raubbau am Bildungsetat aus.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der AfD)

Es war die grüne Finanzministerin Edith Sitzmann, die unmit telbar nach der Wahl verkündete, auch der Bildungsetat müs se Kürzungen akzeptieren – nach der Wahl, nicht vorher. Es waren die Grünen, die gegen den Widerstand von Oppositi on, Verbänden, Gewerkschaften die Streichung von über 1 000 Lehrerstellen durchgesetzt haben. Es sind die Grünen, die bei CDU-Nadelstichen gegenüber den Gemeinschaftsschulen ein fach zusehen.

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Ach, Quatsch!)

Und jetzt sind die Grünen scheinbar bereit, ohne System oder Vorbereitung die Axt an die Standorte von kleinen Grundschu len zu legen. Das ist unglaublich.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FDP/DVP – Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Meine Güte! – Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Musst du da nicht selbst lachen?)

Was ist passiert? Es gibt mal wieder Zoff bei Grün-Schwarz – so weit nichts Neues. Diesmal weigern sich die Grünen laut „Südwest Presse“ vom 19. Januar 2019, Schulleitungen klei ner Grundschulen besser zu bezahlen. Die bildungspolitische Sprecherin und stellvertretende Vorsitzende der Landtagsfrak tion der Grünen, Kollegin Sandra Boser, spricht sich in die sem Artikel für eine Mindestgröße der Schulen bei einer mög lichen Besoldungsanhebung aus. 40 Schüler in einer Schule sind ihr nicht genug.