Protokoll der Sitzung vom 30.01.2019

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit diesem Vorschlag ha ben wir dann auch keine abstruse Diskussion über die Höhe der Grenzwerte. Sie glauben doch nicht, wenn wir hier Be schlüsse fassen, dass irgendjemand in Brüssel das im Endef fekt ändert.

(Zurufe: Doch! – Abg. Rüdiger Klos AfD: Aha!)

Nein. Wir haben es u. a. gestern im Verkehrsausschuss be raten. Diese ganzen Vorgaben und Regeln werden gerade eva luiert. Alle Staaten sagen, diese Regeln sind richtig. Die Ten denz ist eher, zukünftig noch eine Verschärfung einzuführen.

(Beifall des Abg. Hermann Katzenstein GRÜNE – Abg. Hermann Katzenstein GRÜNE: Genau! So ist es!)

Wir halten uns mit unserem Vorschlag an Recht und Gesetz. Ich finde, es ist ein sehr charmanter Vorschlag, dem die Kol leginnen und Kollegen der CDU eigentlich beitreten könnten. Ich sage einmal: Am Sonntag beschließen Sie etwas in Schön tal, am Mittwoch können Sie es hier im Landtag umsetzen. Eigentlich gibt es nichts Schöneres.

(Beifall bei der SPD)

Kollege Reinhart hat ja zum ersten Tagesordnungspunkt Goe thes „Faust“ zitiert:

(Staatssekretärin Friedlinde Gurr-Hirsch: Wohl dem, der kann!)

Das erste steht uns frei, beim zweiten sind wir Knechte.

Meine Damen und Herren, wir stellen diesen Antrag nachher zur Abstimmung. Sie, Kolleginnen und Kollegen von der CDU, können jetzt hier zeigen, ob Sie Knecht Ihres Koaliti onspartners oder frei in Ihren Entscheidungen sind.

(Zuruf der Staatssekretärin Friedlinde Gurr-Hirsch)

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Ich darf die Fraktionen fragen, ob sie ihre noch vorhandene Redezeit jetzt noch aus nutzen wollen, bevor ich den fraktionslosen Abg. Dr. Fiecht ner aufrufe.

(Zurufe, u. a.: Der Minister darf auch noch! – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Hat der Minister verzichtet?)

Wollen Sie erst nach dem Minister reden?

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: So ist es normalerweise üblich, Frau Präsidentin, oder nicht?)

Gut. Dann darf ich Herrn Minister Hermann für die Regie rung ans Redepult bitten.

Vielen Dank, Frau Präsidentin, dass Sie mir die Möglichkeit geben, zu spre chen.

(Vereinzelt Heiterkeit)

Immer gern.

Ich bedanke mich auch bei der FDP/DVP-Fraktion, die mich erneut überschätzt hat. Sie tun ja immer so, als wäre ich gnadenlos allmächtig. In aller Bescheidenheit: Das bin ich nicht.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Gott sei Dank! Sonst wären wir schon ausgewandert!)

Warum behaupten Sie das dann immer? Was ich hier mache, was für eine Politik ich vertrete, ist stets auf der Grundlage ei nes Koalitionsvertrags und der Absprachen, die wir in der Ko alition treffen – auch bei der Luftreinhaltung, auch in diesem Fall.

(Zuruf des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)

Ich bin außerordentlich dankbar, dass der Kollege Rivoir nach der polemischen Debatte sehr sachlich geworden ist und auch darauf hingewiesen hat, dass wir alle schon seit Jahren daran arbeiten, wie wir die Schadstoffproblematik in Stuttgart und in anderen Städten in den Griff bekommen. Was müssen wir tun? Was sind die Ursachen, und wo wollen wir ansetzen?

(Zuruf des Abg. Klaus Dürr AfD)

Da will ich schon einmal in aller Klarheit sagen: Dass wir es heute mit Fahrverboten zu tun haben, dass wir nicht wissen, wie wir die Schadstoffkonzentration so schnell wie möglich herunterbekommen – wir haben Vorschläge, aber es geht nicht so schnell, wie man denkt –, hat ja viel damit zu tun, dass wir lange Jahre hier Autos hatten und immer noch haben, die nicht so sauber sind, wie sie sein sollten, wie es eigentlich vorge schrieben ist. Das ist doch das eigentliche Problem.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Klaus Dürr AfD: Das stimmt doch gar nicht!)

Es ist sehr eindeutig so, dass gerade die NOx-Werte maßgeb lich auf den Automobilverkehr zurückzuführen sind, dort maßgeblich auf die Dieselfahrzeuge, und zwar vor allem auf solche, die eben bei der Abgasreinigung nicht so sind, wie sie sein könnten, was technologisch leistbar wäre.

Insofern muss ich schon einmal sagen, liebe Leute von der FDP: Wenn ihr immer so fortschrittsorientiert tut, dann müsst ihr eines einmal sehen: Wir haben noch nie gesagt, der Diesel

ist per se schlecht, sondern der dreckige Diesel kann besser werden mit innovativer Technologie. Das ist unser Ziel.

(Beifall bei den Grünen – Zuruf des Abg. Emil Sän ze AfD)

Dass wir das Problem haben, hat aber auch etwas damit zu tun, dass die Bundesregierung nicht gehandelt hat, obwohl wir seit fünf Jahren – und zwar die grün-rote Regierung wie die grün-schwarze Regierung – immer wieder auf Bundesebene vorstellig geworden sind, dass wir Maßnahmen brauchen, dass wir endlich saubere Nachrüstungsregelungen brauchen, damit wir von den hohen Schadstoffwerten herunterkommen, dass Nachrüstungen überhaupt in Gang kommen, damit wir end lich die Grenzwerte einhalten können. In vielen Reden habe ich immer wieder darauf hingewiesen, dass uns sonst Gerich te zu Fahrverboten zwingen werden. Genau so ist es gekom men, weil der Bund nicht gehandelt hat. Das ist doch die ei gentliche Problematik.

(Beifall bei den Grünen)

Überrascht hat mich, dass die FDP ausgerechnet die soziale Frage in der Mobilitätspolitik entdeckt. Aber ich nehme den Ball gern auf, den Sie selbst gar nicht gespielt haben. Sie ha ben es nur in die Überschrift geschrieben, aber dann nicht aus gesprochen. Wer über soziale Probleme im Bereich Mobilität spricht, der muss vor allem erst einmal an die Menschen den ken, die es sich nicht leisten können, im Grünen, in der sau beren Luft zu wohnen, sondern die an Straßen, an Schienen wegen, am Flughafen wohnen, weil sie sich keine bessere Wohnung leisten können. Das sind doch die sozial am stärks ten Betroffenen, das ist die soziale Ungerechtigkeit infolge von nicht sauberer Verkehrspolitik.

(Beifall bei den Grünen)

Wir haben eine Umfrage gemacht: Die Hälfte aller Menschen, die sich in den unteren Einkommensgruppen befinden, haben gar kein Auto. Wenn Sie also immer so tun, dass der kleine Mann der Dieselfahrer wäre, dann ignorieren Sie immer ganz großzügig, dass es darunter eine Gruppe gibt, die hauptsäch lich von schlechter Luft betroffen ist. Dagegen muss man et was machen.

Übrigens – das muss ich einmal sagen –: Wenn wir darüber reden, sind sich ja alle einig, dass man etwas für saubere Luft tun muss. Aber dann muss man eben auch, wenn man in der Debatte über die Lösungen spricht, zuallererst an die Gesund heit denken und an diese Menschen, die betroffen sind.

(Beifall bei den Grünen)

Herr Minister, Herr Abg. Dr. Schweickert möchte eine Zwischenfrage stellen.

Nein. – Wir, die Koalition, orientieren unsere Politik am Koalitionsvertrag, in dem wir ganz klar betont haben – ich kann mich sogar noch erinnern, wie wir das ausgefochten haben –, dass wir alles tun wollen und so schnell wie möglich tun wollen, damit die Luft sauber wird. Genau das haben wir in den letzten Jahren ge macht.

(Abg. Jochen Haußmann FDP/DVP: Feinstaubfilter verhindert!)

Aber ich muss auch sagen: Auch die Koalition ist nicht allein unterwegs. Natürlich gibt es auch noch Kommunalparlamen te, natürlich gibt es auch andere Akteure wie z. B. die Indus trie, natürlich gibt es auch kommunale Unternehmen usw.

(Abg. Jochen Haußmann FDP/DVP: Wer hat denn die Feinstaubfilter verhindert? Das waren doch Sie! Jahrelang verzögert!)

Aber wir arbeiten mit allen zusammen. Unsere rechtliche Grundlage – nicht nur im Sinne von Umweltrecht, sondern auch grundsätzlich – ist das Grundgesetz. Artikel 2, die Un versehrtheit des Menschen, ist für mich eine Orientierungsli nie für Politik überhaupt, aber insbesondere natürlich auch für Umwelt- und Verkehrspolitik.

Auf dieser Grundlage haben übrigens zahlreiche Regierungen vor der jetzigen Regierung gehandelt. Ich will schon einmal kurz in die Geschichte gehen. Die Grenzwerte auf europäi scher Ebene sind 1999 im Grundsatz vereinbart worden, das heißt, sie sind schon in der Ära Kohl

(Abg. Winfried Mack CDU: 1999?)

ja –,

(Abg. Winfried Mack CDU: Er ist 1998 abgewählt worden! – Gegenruf des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rül ke FDP/DVP: So genau wollen wir das nicht neh men!)

von der damaligen Bundesregierung auf europäischer Ebene vorbereitet worden, sind dann 2004 im Rahmen einer Richt linie verabschiedet worden,