Schauen Sie sich doch einmal an, wie sich in Ihrer Regie rungszeit das Niveau baden-württembergischer Schulen und Schüler in allen Bildungsrankings entwickelt hat. Schauen Sie sich das doch einmal an, Herr Ministerpräsident! Und da stel len Sie sich ernsthaft hier hin und sagen: „Wir müssen nach Möglichkeit alle Einflüsse von außen abwehren.“ Herr Minis terpräsident Kretschmann, bei Ihrer bildungspolitischen Bi lanz der letzten acht Jahre müssen Sie nicht fürchten, dass Ih nen irgendwer hineinredet, sondern Sie sollten froh sein, wenn von irgendwoher Hilfe kommt.
Sie rufen die Oppositionsfraktionen von SPD und FDP/DVP scheinheilig dazu auf, Sie zu unterstützen. Ja, wobei sollen wir Sie unterstützen? Vielleicht bei dem Weg in den Bildungs provinzialismus oder bei der Zielsetzung, dieses Geld nach Möglichkeit ohne irgendwelche Zweckbindung zu bekom men? Sie, Herr Ministerpräsident, haben doch zugegeben, dass Sie bei diesem Thema in der Minderheit sind. Sie stellen sich hier sozusagen als der Troubadix hin, der vom Baum wie der heruntergestiegen ist,
und als der Troubadix, den alle gern hören. Aber es ist nicht so, dass alle diesen Troubadix gern hören, und es ist auch nicht so, dass Sie in der Frage des Kooperationsverbots alle 16 Mi nisterpräsidenten hinter sich hätten. Vielmehr haben Sie es in Ihrer Regierungsinformation doch selbst zugegeben: Es geht um das Thema Kofinanzierung.
Wenn Sie eine Mehrheit oder vielleicht sogar Einstimmigkeit im Bundesrat haben, dann hängt das nicht damit zusammen, dass Sie jetzt plötzlich alle anderen Ministerpräsidenten da von überzeugt hätten, eine Änderung des Kooperationsver bots sei Teufelszeug. Vielmehr haben Sie nur die Ministerprä sidenten der finanzschwachen Länder hinter sich, die Angst haben, dass sie sich die Kofinanzierung nicht leisten können. Das ist doch die Realität, Herr Ministerpräsident.
An dieser Stelle reden Sie mit gespaltener Zunge. Den ande ren Ministerpräsidenten geht es gar nicht um das Kooperati onsverbot – ihnen geht es um die Kofinanzierung.
Sie, Herr Ministerpräsident, sind eine Erklärung schuldig ge blieben, welchen Weg Sie einschlagen wollen.
Sie haben nur erklärt, was Sie nicht wollen. Sie haben erklärt, Sie würden eine Änderung des Kooperationsverbots ableh nen. Ferner haben Sie erklärt, Sie könnten sich vorstellen, das Ganze über Artikel 106 des Grundgesetzes – –
Ja, natürlich kann man über Artikel 106 des Grundgesetzes beschließen, dass die Länder einfach mehr Geld bekommen. Das wäre Ihnen das Liebste. Das ist ja genau mein Vorwurf.
Aber damit ist dann eben nicht sichergestellt, dass dieses Geld in die Digitalisierung der Schulen fließt.
Das ist der Weg, den das Grundgesetz vorsieht, aber nicht, wenn der Bund zweckgebundene Gelder auskehren möchte. Wenn der Bund nämlich über Artikel 106 des Grundgesetzes Geld an die Länder gibt,
dann können die Länder mit diesem Geld machen, was sie wollen. Genau das ist die Zielsetzung des Ministerpräsiden ten und seiner Finanzministerin.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: Das kann man alles in ei nem Staatsvertrag regeln!)
Herr Kollege Reinhart, wenn ich Ihren Zwischenruf richtig verstanden habe, haben Sie von einem Staatsvertrag geredet. Also, der Weg könnte ein Staatsvertrag sein. Dann hätten wir aber gern gewusst, was in diesem Staatsvertrag stehen soll.
Darüber hat sich der Ministerpräsident völlig ausgeschwie gen. Herr Ministerpräsident, was soll in diesem Staatsvertrag stehen? Ihre ganze Regierungsinformation, diese ganze De batte am heutigen Tag hätten Sie sich schenken können, weil Sie kein einziges Sterbenswort zum Thema Staatsvertrag ge sagt haben. Ein Staatsvertrag könnte ein Weg sein. Aber ent scheidend ist doch, was in diesem Staatsvertrag stehen soll.
Glauben Sie im Ernst, Sie könnten mit dem Bund einen Staats vertrag schließen, in dem steht: „Wir geben Herrn Kretsch mann Geld, und was er damit macht, ist uns egal“?
Wenn Sie jetzt erklären, eine Veränderung des Kooperations verbots wäre ein Hineinreden des Bundes in die Bildung, dann gilt das doch analog auch für einen Staatsvertrag,
es sei denn, Sie hätten das Ziel, einen Staatsvertrag oder eine Regelung ohne Zweckbindung zu bekommen. Das ist doch das Problem.
Also ist doch die entscheidende Frage: Was steht in diesem Staatsvertrag drin? Wenn Sie der Auffassung sind, jede Rege lung, jede Zweckbindung durch den Bund würde dazu führen, dass in die Länderkompetenzen eingegriffen wird, würde das auch für einen Staatsvertrag gelten. Sie gewinnen mit einem Staatsvertrag überhaupt nichts. Denn ein Staatsvertrag macht nur dann Sinn, wenn er auch eine Zweckbindung – und zwar hieb- und stichfest – vorsieht. Da gilt dann analog wieder der Vorwurf.
Also, Herr Ministerpräsident, die Frage bleibt völlig offen, was Sie überhaupt wollen, es sei denn, Ihr Ziel ist es ledig lich, mehr Geld zu bekommen, um mit diesem Geld dann zu machen, was Sie wollen – so, wie bei Ihrer sonstigen Haus haltspolitik. Das ist eben nicht im Interesse der Schulen und der Kinder in diesem Land, meine Damen und Herren.
Frau Präsiden tin, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Eine Verfas sungsordnung ist eine gute Ordnung der Dinge.
In anderen Sprachen wird das „constitution“ genannt. Das ist eine Konstitution des Gemeinwesens. Das sind die Grundla gen der Rechtsordnung. Diese Verfassungsordnung – so nen nen wir heute eine gute Ordnung der Dinge – soll es jedem Menschen ermöglichen, nach einem guten Leben zu streben.
Es geht um Freiheit, es geht um Grundrechte, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Sozialstaatlichkeit, und es geht um den Föderalismus. Der Föderalismus ist durch Artikel 79 des Grundgesetzes ein Ewigkeitsartikel. Das heißt, diese födera le Ordnung kann im Grundsatz nicht geändert werden.
Ich habe Artikel 30 des Grundgesetzes zitiert, wonach vom Geist der Verfassung her die Länder die staatlichen Angele genheiten umsetzen und der Bund dies nur insoweit tut, als er diese ausdrücklich an sich zieht oder die Verfassung es aus drücklich vorsieht. Im Lauf der Geschichte hat der Bund im mer mehr Kompetenzen an sich gezogen.
Was die gute Ordnung der Dinge leisten soll, ist grundsätzli cher Natur; diese Ordnung soll gerade nicht mal so im Vor beigehen geändert werden.
Natürlich kann man auch eine föderale Ordnung ändern. Das ist geschehen; dazu gab es zwei Föderalismuskommissionen, die das gemacht haben. Seither kam das nicht mehr vor, aber die fortgesetzte Änderung der Verfassung hat keineswegs auf gehört; vielmehr ändern wir die Verfassung in einem Ausmaß, das ich für höchst problematisch halte.
Zu häufig wird Tagespolitik im Wege von Grundgesetzände rungen gemacht. Das kann auf Dauer nicht gut gehen. Denn hier geht es um die Stabilität einer Ordnung, die ja ermögli chen soll, dass wir die Probleme in guter Weise lösen. Es geht darum, wie wir das sozusagen sortieren. Diese Debatte füh ren wir zuweilen in Bezug auf Europa, und zwar ausgehend vom Gedanken der Subsidiarität. So steht es in unserer Lan desverfassung. Der subsidiäre Aufbau ist natürlich grundge setzlich verankert.
Zum Föderalismus gehören in Deutschland auch die Kommu nen. Die Gemeindefreiheit, die wir heute kommunale Selbst verwaltung nennen, ist ein Begriff, den der deutsche Sprach raum in die europäische Freiheits- und Ideengeschichte ein gebracht hat. Auch das ist ein hohes Gut.