Protokoll der Sitzung vom 31.01.2019

Ich habe es schon verstanden.

Der Bundestag hat im Januar mit großer Mehrheit beschlos sen, dass Georgien, Algerien, Marokko und Tunesien als si chere Herkunftsstaaten eingestuft werden sollen. Es ist rich tig, die Anerkennungsquote bei diesen Ländern lag 2018 zwi schen 0,3 und 2,3 %.

Kollege Blenke hat darauf hingewiesen: Das Thema „Siche re Herkunftsstaaten“ ist kein neues Thema. Es ist seit 1993 in Artikel 16 a des Grundgesetzes eingeführt und findet weitere Ausführungen im Asylrecht.

Im Februar soll nun der Bundesrat darüber beraten, ob er zu stimmen wird. Wir haben gehört: Nach aktuellem Stand ist das noch ungewiss. Für eine Mehrheit ist es erforderlich, dass zwei grün mitregierte Bundesländer der vorgeschlagenen Ein stufung von Georgien und den drei Maghreb-Staaten zustim men.

In der Debatte darüber, ob diese vier Herkunftsstaaten als si cher einzustufen sind, treffen verschiedene Positionen und An sätze aufeinander. Deshalb ist es wichtig, diese Diskussion ernsthaft zu führen.

Das war auch der Fall, als 1993 im sogenannten Asylkompro miss die Entscheidung fiel, sichere Herkunftsstaaten festzule gen. Auch 1996 wurde heftig diskutiert, als das Bundesver fassungsgericht das Prinzip der sicheren Herkunftsstaaten für zulässig erklärte.

Aus Sicht der SPD gibt es in diesen vier Ländern keine gene relle, systematische, durchgängige Verfolgung. Somit ist eine Einstufung als sichere Herkunftsstaaten möglich.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Sehr gut!)

Es gibt sicherlich auch gute Gründe, warum man eine Einstu fung als sichere Herkunftsstaaten kritisieren kann. Aber einen Verstoß gegen die Verfassung – das ist die maßgebliche Grö ße – sehen wir in der Entscheidung zur Einstufung als siche re Herkunftsstaaten nicht.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der CDU)

Wir finden, dass eine Einstufung als sichere Herkunftsstaaten nach reiflicher Überlegung und Diskussion besser ist als an dere Überlegungen, beispielsweise jene der baden-württem bergischen FDP/DVP-Fraktion, mit dem Automatismus zu re agieren, dass jeder Staat, der eine Anerkennungsquote unter 10 % hat, auf seine Situation hin geprüft wird und, wenn mög lich, zum sicheren Herkunftsstaat erklärt werden soll. Da ist die Diskussion, die jetzt geführt wird, sicher die bessere.

Es war die SPD-Fraktion, die jetzt in den Gesetzentwurf ein gebracht hat, dass Asylbewerber mit erhöhtem Risiko – das, Herr Kollege Lede Abal, sind eben Journalisten, sind Homo sexuelle, sind Angehörige religiöser Minderheiten – eine spe zielle Rechtsberatung erhalten; dadurch ist der Schutz erhöht.

Ich möchte aber an dieser Stelle auch darauf hinweisen – das ist uns wichtig –, dass die Einstufung der Maghreb-Staaten und von Georgien zu sicheren Herkunftsstaaten allein nicht genügt. Die Einstufung ist weder Allheilmittel noch ein Her zensthema der SPD; denn das beschleunigte Verfahren bringt überhaupt nichts, wenn es keine Möglichkeit gibt, zurückzu führen. Deshalb brauchen wir Rückführungsabkommen. Die entsprechenden Länder müssen bereit sein, Passersatzpapie re auszustellen.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Das bringt schon etwas! Das nimmt die Sogwirkung!)

Die Rückführungsabkommen mit den Maghreb-Staaten gibt es noch nicht. Hier sind insbesondere größere Anstrengungen des Bundesinnenministers erforderlich,

(Abg. Klaus Dürr AfD: Der Außenminister verhan delt!)

um diese endlich zum Abschluss zu bringen. Wir haben hier den Eindruck, Herr Seehofer kümmert sich aktuell mehr dar um, Personen leichter und länger in Abschiebehaft zu nehmen, als Rückführungsabkommen, die er angekündigt hat, auszu handeln. Der Innenminister scheint hier eindeutige Vorlieben zu haben, was dazu führt, dass er an einigen Stellen sehr viel tut, an anderen deutlich zu wenig.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Klaus Dürr AfD: Außenminister!)

Federführend ist der Innenminister. – Und wir brauchen ein Einwanderungsgesetz – das befindet sich nun endlich im par lamentarischen Verfahren und tritt hoffentlich bald in Kraft –, um denjenigen ein Angebot unterbreiten zu können, die hier arbeiten wollen.

Wir sagen, CDU und Grüne in Baden-Württemberg sollten sich schnell einig werden, welche Linie sie im Bundesrat ver treten werden. Obwohl sich CDU und Grüne im Koalitions vertrag grundsätzlich auf die Einstufung der Maghreb-Staa ten als sichere Herkunftsstaaten verständigt haben, waren Sie, Herr Innenminister Strobl, vielleicht etwas vorschnell, als Sie sagten – Zitat –, dass die württembergischen „Grünen da ei ne rühmliche Ausnahme“ seien

(Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Und die badischen?)

im Gegensatz zu den anderen Grünen in Deutschland. Herr Innenminister, Sie versprachen, dass der Gesetzentwurf der

Bundesregierung zur Einstufung nicht an Baden-Württemberg scheitern werde. Schauen wir mal. Wir sind gespannt.

(Zuruf des Abg. Klaus Dürr AfD)

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Für die FDP/DVP-Fraktion er teile ich das Wort Herrn Abg. Dr. Goll.

Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Wir reden über das Konzept der si cheren Herkunftsländer, im konkreten Fall die Ausweitung auf die Maghreb-Staaten und das Land Georgien. Eine Ent scheidung steht bevor.

Da möchte ich mich gern einmal direkt an die Grünen wen den. Ich muss Ihnen gestehen: Ich verstehe das nicht. Ich ver stehe schlicht und einfach nicht, dass Sie hier der AfD ein Stück weit die Tür zum Erfolg aufmachen, indem Sie die Po litik an einem Punkt unverständlich machen, der den Leuten wichtig ist. Der mag Ihnen nicht so wichtig sein, aber den Leu ten ist er wichtig, und sie verstehen es nicht. Sie hindern uns, diese Sache vernünftig zu lösen.

(Beifall bei der FDP/DVP – Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Es ist einiges über das Konzept gesagt worden. Da brauche ich nicht alles zu wiederholen. Das Verfahren ist doch im Grunde genommen schlüssig und plausibel: Wenn es Länder gibt, bei denen die Anerkennungsquote äußerst gering ist, weil fast keine Anerkennung gegeben ist, dann kann man natürlich auf ein Verfahren umschalten, das verkürzt wird, wenn jemand nicht ausnahmsweise Gründe vorbringt, die für Verfolgung sprechen. Das ist doch eigentlich völlig klar.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Klassische Beweislast umkehr!)

Herr Kollege Lede Abal, das hat übrigens mit dem, was Sie angesprochen haben, streng genommen gar nicht so viel zu tun. Wir können doch nicht in allen Ländern dieser Erde ga rantieren, dass keine Übergriffe stattfinden. Das ist doch klar. Aber wir können garantieren, dass jemand, wenn welche statt finden, bei uns ein Asylverfahren bekommt. Das garantieren wir nach wie vor auch in solchen Fällen.

(Abg. Anton Baron AfD: So ist es!)

Das ist gerade auch im Fall Georgien sehr plastisch dargestellt worden.

Deswegen verstehen die Leute nicht – dabei bleibe ich –, dass wir das nicht gebacken bekommen.

(Abg. Anton Baron AfD: So ist es!)

Wir wissen mittlerweile, dass über 70 % nicht verstehen, was wir da machen. Nur 17 % verstehen es. Jetzt können Sie na türlich sagen: Das sind unsere 17 %.

(Vereinzelt Heiterkeit)

Es ist aber auf mittlere Sicht auch gewagt, alle anderen, die eine Lösung wollen, immer am langen Arm verhungern zu

lassen, weil Sie sagen: „Jetzt machen wir etwas für unsere Kli entel.“ Das macht Sie am Ende vielleicht auch nicht populä rer, auch Sie nicht. Sie haben im Grunde genommen schon gemerkt, dass man dabei nicht nur populär wird. Deswegen läuft ja auch in Baden-Württemberg – ich drücke mich vor sichtig aus – ein besonderes Spiel. Ich sage mal: Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

(Abg. Anton Baron AfD: Ja, genau!)

Herr Kretschmann darf voraussichtlich wieder zustimmen,

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

weil über die Bundesebene der Erfolg ja sowieso verhindert wird. Am Schluss sind alle zufrieden, zumindest bei den Grü nen und dort vielleicht sogar der Ministerpräsident; denn der mag das Konzept ja bekanntlich nicht. Deswegen hat er vor etwa zwei Jahren angekündigt, er werde es jetzt durch ein an deres Konzept ersetzen. Aber auf dieses andere Konzept – das werden Sie auch festgestellt haben – warten wir immer noch. Das ist natürlich auch nicht einfach; denn das ist ein von vie len Zwängen rechtlicher und tatsächlicher Art geprägtes Ge lände. Da kann man nicht einfach so leicht etwas Neues erfin den und braucht es auch gar nicht, wenn man ein taugliches Instrument hat, das man zu wenig nutzt.

(Abg. Anton Baron AfD: So ist es!)

Meine Damen und Herren, der entscheidende Punkt ist: Wir müssen dafür sorgen, dass die Flüchtlingspolitik für die Leu te in wesentlichen Zügen verständlich bleibt. Dazu müssen wir das Notwendige tun. Wir müssen zugeben, dass die Leu te diese Politik an manchen Stellen nicht verstehen.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Für eine Kostprobe können Sie eigentlich die nächstbeste Zei tung aufschlagen.

(Der Redner hält einen Zeitungsausschnitt hoch.)

Das ist die Zeitung von heute. Es ist ein Auszug aus einem Bericht: