ganz Deutschland betrachtet, geht es um 100 000 Arbeitsplät ze. Insbesondere die Autoindustrie ist dabei sehr belastet. Mehrbelastungen an Zöllen von 2 Milliarden € würden bei ei nem ungeordneten Brexit entstehen. In Baden-Württemberg wären davon insbesondere die Automobilindustrie und die Elektroindustrie betroffen.
Aus diesem Grund ist es wichtig, dass es einen geordneten Übergang gibt. Es ist noch Zeit, manches klarzustellen. Aber ich verstehe manche Parteien in Deutschland – besser gesagt: eine Partei – nicht,
und bei ihrem Parteitag eine Vorlage einbringt, die zum Inhalt hat, dass spätestens 2024, wenn sich nichts entscheidend ver ändert, aus der EU ausgetreten werden soll.
Dadurch würde in Deutschland das gleiche Chaos wie in Großbritannien beim Brexit entstehen. Ich empfehle, sich ein deutig zu Europa zu bekennen und keine Austrittsgedanken mehr zu äußern.
(Beifall bei der CDU, Abgeordneten der Grünen und der SPD sowie des Abg. Andreas Glück FDP/DVP – Abg. Beate Böhlen GRÜNE: Jawohl! – Zurufe von der AfD)
Meine Damen und Herren, ein letztes Wort zum Brexit: Es muss klar sein, dass wir immer noch Hoffnung haben, dass der Brexit geordnet erfolgt. Ich schlage deshalb vor – der Mi nister hat auch schon gesagt, Flexibilität von unserer Seite sei notwendig –: Ein Moratorium wäre jetzt richtig. Ein Morato rium würde auch die Hoffnung bringen, dass es einen geord neten Brexit gibt und wir weiterhin gute Beziehungen zu Großbritannien pflegen.
Genau diesen Satz muss man jetzt auch anwenden. Es besteht immer noch Hoffnung, dass wir in Europa gemeinsam aus die ser Sache herauskommen.
Ich will noch auf einen Punkt eingehen, den der Herr Minis ter auch schon angesprochen hat. In dieser Sache ist der Zu sammenhalt Europas so groß wie nie zuvor. Aber die Ironie besteht darin, dass Europa in einer Gefährdungssituation be sonders gut zusammenhält. Ich wünsche mir, dass Europa zu jeder Zeit gut zusammenhält.
Zum Schluss noch ein Zitat von Aristoteles. Er hat gesagt, das Ganze sei mehr als die Summe seiner Teile.
Ich wiederhole: Er sagte, das Ganze sei mehr als die Summe seiner Teile. Das soll heißen: Das gemeinsame Europa kann nur bestehen und eine gute Zukunft haben, wenn wir die Po pulisten bekämpfen und ihnen sagen: Wir wollen Europa!
Treten wir kraftvoll auf, um ein gemeinsames Europa zu si chern. Guido Wolf hat vorhin gesagt: „Auf das Beste hoffen, auf das Schlimmste gefasst sein.“ Das ist die richtige Haltung. Aber die Hoffnung steht im Mittelpunkt.
(Beifall bei der CDU und den Grünen – Abg. Willi Stächele CDU: Bravo! In einer Rede Trump, Guido Wolf und Aristoteles erwähnt! – Weitere Zurufe – Un ruhe)
In unserem geordneten Verfahren hat die AfD jetzt hier vorn am Redepult das Wort. – Herr Abg. Sänze, bitte.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! In meinem Leben war ich immer gewarnt, wenn mein Gegenüber in Absolutismen gesprochen hat: „Es gibt keine Möglichkeit“, „das letzte und beste Angebot“, „der beste und einzige Weg“. Besonders gewarnt war ich, wenn es hieß, man müsse ein Datum erreichen. Das kennen Sie wahrscheinlich alle auch aus Ihrem Leben.
Was soll dadurch erreicht werden? Das Kaufinteresse soll ge weckt werden, eine Entscheidung soll nach dem Motto her beigeführt werden: „Ja, ich mache“, „ja, ich kaufe“, „ja, ich unterschreibe“. Mit welchen Mitteln soll dies erreicht wer den? Häufig durch Angst, Panik und Unsicherheit. Ich denke, das kennen Sie alle.
Im Unterhaus des britischen Parlaments herrscht ein subtiler Fraktionszwang. Es ist nicht so wie hier im Haus. Vielmehr stimmen die Abgeordneten so ab, wie es die Wähler in ihren Wahlkreisen wünschen. Deshalb hat Theresa May keine Mehr heit im Unterhaus bekommen. Die Wähler wollen dieses Ab kommen mit der Europäischen Union nicht. Sie kommen sich bevormundet vor, wollen aber keine Bevormundung durch die EU.
Nein, sie haben es satt, bevormundet zu werden. Den briti schen Wählern ist völlig egal, ob ihnen die EU-Kommissare irgendwelche Szenarien aufzeigen, was passieren könnte, wenn es keinen Ausstiegsvertrag gibt: Zusammenbruch der Börse, galoppierende Inflation, ausufernde Arbeitslosigkeit. – Merken Sie etwas? Wieder sollen Angst, Panik und Unsicher heit verbreitet werden.
Ja, natürlich kann das alles eintreten. Es könnte auch ein Me teorit auf der Erde einschlagen, und dann wäre alles vorbei.
Selbstverständlich könnten Kernkraftwerke hochgehen, und dann wäre auch alles vorbei. Angst, Panik und Unsicherheit sollen mit diesen Szenarien verbreitet werden.
Die Briten sind ein stolzes Volk, eine stolze Nation und eine sehr starke Nation. Ihre Abgeordneten im EU-Parlament sorg ten immer wieder für die Wahrung britischer Interessen – ich betone: britischer Interessen. Im Ministerrat handelten sie im mer Sonderkonditionen für ihre Nation aus, weil sie nicht an das schnelle, exorbitante Zusammenwachsen des Superkon tinents glaubten. Insbesondere Freizügigkeit, freie Arbeits wahl, Schengen sind Knackpunkte für sie gewesen. Das Fass ist mit den Migrationsströmen übergelaufen und mit dem Asyltourismus durch die Grenzöffnung, mit den Millionen, die europaweit eingeladen wurden und auch gekommen sind.
Deswegen haben die Briten Nein gesagt. „Jetzt reicht es, Eu ropa“, sagten sie. Die Briten waren nie für diese Geschwin digkeit der Vereinheitlichung. Sie wollen nicht den europäi schen Superstaat, sie glauben nicht daran.
Genau das bereitet nicht nur den Briten Sorgen, sondern auch unserer Fraktion. Denn immer dann, wenn sich Herrscher und Eliten über das Volk hinwegsetzten, beriefen sie sich auf die Magna Charta und das Common Law. Dem Volk wurde es zu viel, und es hat gezeigt, was es von seinen Herrschern hält: Die Briten wollen Common Understanding, vor allem aber wollen sie keine Fremdbestimmung durch eine europäische Herrscherelite, die einfach ernannt wurde.
Das verstehen sie unter Demokratie, das wollen sie nicht. Wa rum nicht? Die Briten glauben an „Rule Britannia“.
Sie glauben an den Geist des stolzen Briten, der in diesem Lied besungen wird. Den Briten ist es egal, ob es einen Soft Brexit, einen Hard Brexit, einen Backstop oder gar nichts gibt.
Durch Kurseinbruchszenarien lassen sie sich genauso wenig beeindrucken wie durch angeblich drohende Jobeinbrüche. Sie wissen genau, dass die Geschichte ihnen recht geben wird. Die Europäische Union ist zum Scheitern verurteilt, weil sie gegen jeden wirtschaftlichen Verstand verstößt, weil sie auf uneinlösbaren Forderungen, auf fiktiven Bilanzen und Luft kalkulationen aufgebaut ist.
Diese Europäische Union ist zum Scheitern verurteilt, weil sie auf einem allgemeinen Kapitalfluss aus den nationalen Öko nomien fußt. Die Briten glauben nicht an das europäische Pro jekt, schon gar nicht um jeden Preis. Die Geschichte hat ih nen gezeigt, dass sie mit ihrer Nation sehr gut gefahren sind. Auch wenn es stürmisch war, für Großbritannien geht es wei ter, nach einigen Turbulenzen geht es besser weiter, ohne die Kommissare, die massiv in ihr Staatsverständnis eingreifen.
Ein Hinweis sei aber noch erlaubt – wenn denn schon der Hin weis kommt, dass es Arbeitsplatzverluste gibt –: Wo waren dann die Intentionen der CDU, als es um die Sanktionen ge genüber Russland ging? Wo waren sie?
(Beifall bei der AfD – Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Europa zerschlagen ist Putins Politik! – Zuruf des Abg. Andreas Stoch SPD)
Noch einmal für die vielen Skeptiker hier im Raum: Ich darf auf einen der renommiertesten Volkswirtschaftler Großbritan niens hinweisen, auf Patrick Minford, der ein ganz anderes Szenario darstellt, als Sie sich erhoffen, hier verbreiten zu wollen.