Protokoll der Sitzung vom 20.02.2019

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das von den Ne benabreden dürften Sie doch gar nicht wissen!)

Zwei Jahre Verspätung stehen zu Buche, weil Grün-Schwarz im Haushalt 2017 lieber bei der Bildung sparen wollte: 1 000 Lehrerstellen gestrichen, Ethikunterricht verschoben, Infor matikunterricht verschoben. Sie kommen zu langsam zur Be sinnung, wenn Sie den Start des Ethikunterrichts jetzt erst auf das nächste Schuljahr legen und bei den Grundschulen, wo es besonders wertvoll wäre, vielleicht sogar erst im Schuljahr 2022/2023 anfangen wollen, also noch einen kompletten Grund schulbildungsgang ohne Ethikunterrichtsversorgung durch laufen lassen wollen.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Um Gottes willen!)

Das ist überhaupt kein gutes Zeichen für Baden-Württemberg.

(Beifall bei der SPD – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das überleben wir nie!)

An den Grundschulen wird jede vierte Schülerin, jeder vierte Schüler während des Religionsunterrichts entweder in einer anderen Klasse geparkt oder in Randstunden heimgeschickt. Das sind zwei Stunden in jeder Woche, die nicht sinnvoll ge nutzt werden. Über die Schulzeit hinweg ist das laut GEW ein halbes Jahr. Zusätzliche Ressourcen, um diese Zeit sinnvoll zu füllen, erhalten die Grundschulen von Ihnen nämlich auch nicht.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Es nehmen viele freiwillig am Religionsunterricht teil!)

Sie können hier die freiwillige Arbeit loben, aber Sie stel len keinerlei Ressourcen dafür zur Verfügung.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Karl-Wil helm Röhm CDU: Die Kinder nehmen freiwillig am Religionsunterricht teil!)

Sie loben immer am liebsten das, wofür Sie kein Geld ausge ben. Merken Sie das eigentlich?

(Abg. Dr. Rainer Balzer AfD: Es ist ja nichts mehr da! – Abg. Winfried Mack CDU: Das ist nicht das Schlechteste, Herr Kollege!)

Mit Blick auf sprudelnde Steuereinnahmen und volle Kassen sind Ihre Verweise auf den Haushalt nicht vermittelbar. An gesichts der integrationspolitischen Herausforderungen, die

unser Land bewältigen kann und bewältigen wird, ist diese Politik vor allem verantwortungslos.

Sie predigen, wie wichtig Werteerziehung ist.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Findet in jeder Un terrichtsstunde statt!)

In der Presse wimmelt es von entsprechenden Zitaten des Mi nisterpräsidenten und auch der Kultusministerin. Aber es ist doch frustrierend: Wenn es beim Ethikunterricht konkret wird, zucken Sie zurück. Insbesondere für die Grundschulen tun Sie einmal mehr viel zu wenig.

(Beifall bei der SPD)

Um es ganz konkret zu machen: Sie hätten bei der absolut not wendigen Ausweitung der Studienplätze für das Grundschul lehramt den Ethikunterricht gleich mitdenken müssen und können. Das haben Sie aber nicht. Der Ethikunterricht war be reits ein Gegenstand unserer Anträge zum Haushalt 2017. Denn woher sollen die Lehrkräfte 2022/2023 plötzlich kom men, wenn Sie das jetzt nicht entsprechend bei den Studien plätzen einplanen und vorsehen? Wenn wir an 2022/2023 den ken: Wir wissen seit dem Wochenende, dass es einen Ethik lehrer gibt – Herrn Kretschmann –, der über diesen Zeitpunkt hinaus noch Ministerpräsident sein will. Aber er allein könn te die Lücke auch nicht füllen. Es wäre notwendig, dass Sie rechtzeitig Studienplätze für den Grundschulbereich schaffen, damit wir den Ethikunterricht auch sicherstellen können.

Frau Ministerin, Sie fragen sich, an welchen Stellen Sie am besten sparen können, wenn Sie nicht gerade bei „ella“ 28 Mil lionen € verpulvern. Wir fragen uns, wie wir es uns noch leis ten können, die Veränderungen in unserer Gesellschaft nicht in dem, wie wir die Schulen ausstatten, entsprechend zu ver ankern. Wir fragen uns, welchen Preis am Schluss die Schu len zahlen, wenn Sie sich auf Ihren vollen Taschen ausruhen und nicht die entsprechenden Angebote machen,

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: „Vollen Taschen“!)

damit wir Ethikunterricht schaffen können. Wir fragen uns, wie wir Integration als zentrale bildungspolitische Aufgabe in Baden-Württemberg gewinnend gestalten können, wenn wir weiterhin Ihre Politik hier anhören müssen.

Die Zusammensetzung der Schülerschaft an baden-württem bergischen Schulen hat sich gewandelt und befindet sich wei ter in einem Transformationsprozess. Auf diese Entwicklun gen müssen wir nicht reagieren, auf diese Entwicklungen dür fen wir reagieren. Es ist eine Ehre – es ist eine Ehre! –, kluge Politik für ein vielfältiges Land machen zu dürfen. Aber da zu gehört es, dann auch die entsprechenden Punkte umzuset zen. Deshalb gibt es unseren Antrag, der fordert, den Ethik unterricht in Baden-Württemberg und für Baden-Württem berg sicherzustellen.

(Beifall bei der SPD)

Baden-Württemberg ist das Flächenland mit dem größten An teil von Menschen mit Migrationshintergrund, und dies nicht erst seit der verstärkten Zuwanderung in den letzten Jahren. Unser Bildungssystem trägt diesem Umstand aber nicht aus reichend Rechnung. Unsere Gesellschaft hat sich verändert, religiöse Bindungen in Familien haben sich verändert. Unser

Bildungssystem trägt diesem Umstand aber nicht ausreichend Rechnung.

Ethikunterricht ist nicht die Zusatzausstattung, das Extra, das Upgrade, wie Sie ihn mit Ihrer Politik behandeln. Ethikunter richt ist vielmehr essenzieller Bestandteil einer guten Schule für Baden-Württemberg, Ethikunterricht ist essenzieller Be standteil des vielfältigen Landes Baden-Württemberg. Wir von der SPD sind mit diesem Antrag in den Landtag gegangen, weil wir für die gute Schule in Baden-Württemberg kämpfen, weil wir für die Vielfalt in Baden-Württemberg einstehen.

(Beifall bei der SPD)

Für die Fraktion GRÜNE hat Frau Abg. Bogner-Unden das Wort. – Bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Born, Ethik ist auch uns Grünen sehr, sehr wichtig. Ich möchte das kurz erklären. Albert Schweitzer sagte einmal – ich zitiere ihn –:

Wo das Bewusstsein schwindet, dass jeder Mensch uns als Mensch etwas angeht, kommen Kultur und Ethik ins Wanken.

Wenn wir uns die Entwicklung in unserer Gesellschaft an schauen – das Schüren von Hass gegen Geflüchtete, gegen an dere Religionen, gegen Menschen mit einer anderen Hautfar be und gegen andere Nationalitäten hier und auf der ganzen Welt –, dann wissen wir: Wir müssen Ethik stärken. Das ist für uns Grüne unbestritten.

(Beifall bei den Grünen und des Abg. Daniel Born SPD)

Wir brauchen Ethik mehr denn je auch in der Schule; denn wir verzeichnen eine zunehmende Heterogenität der Schüler schaft mit vielfältigen religiösen Hintergründen, und die Zahl der Kirchenaustritte steigt.

Auch der rasante Wandel in unserer Zeit, die starken Indivi dualisierungsprozesse, die neue Informationsvielfalt sowie der permanente technologische Fortschritt erfordern eine solide Basis an Werten und Grundorientierungen für die Kinder in unserem Land. Wenn sie dieses Rüstzeug nicht im Religions unterricht erwerben können, brauchen wir zur Vermittlung das Fach Ethik. In diesem Fach wird Orientierungswissen erar beitet, das den Schülerinnen und Schülern die Auseinander setzung mit der Vielfalt in einer pluralistischen Gesellschaft ermöglicht. Dabei spielen reflektierte Vorstellungen von Selbst bestimmung, Gerechtigkeit und Wissen um die eigene Verant wortung eine grundlegende Rolle.

Diese Inhalte sollen sowohl die persönliche Entwicklung der Schülerinnen und Schüler stützen als auch den gesellschaftli chen Zusammenhalt stärken.

(Beifall bei den Grünen)

Die Kinder in unserem Land benötigen also nicht nur eine fun dierte Allgemeinbildung, sondern eine ebenso starke, werte orientierte Persönlichkeitsbildung und die Vermittlung eines verlässlichen Wertegerüsts. Dafür stehen wir.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Deshalb wollen wir Grünen einen Ethikunterricht, der nicht nur das Problem der Aufsichtspflicht gegenüber denjenigen Jugendlichen abdeckt, die nicht am Religionsunterricht teil nehmen, sondern der auch eine gleichrangige Alternative zum Religionsunterricht sein kann. Aus diesem Grund wollen wir Ethik in allen Klassen einführen und haben diese Forderung auch im Koalitionsvertrag mit der CDU verankert.

(Abg. Daniel Born SPD: Also stimmen Sie unserem Antrag zu? – Gegenruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Wir haben unseren Fahrplan!)

Aber wir haben uns darauf verständigt – jetzt kommt das Aber, genau –, den Ethikunterricht an unseren Schulen schrittweise einzuführen und auszubauen.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Richtig!)

Ethik wird gegenwärtig, wie Sie schon sagten, an allen allge meinbildenden Gymnasien ab Klasse 7, an den übrigen wei terführenden Schularten ab Klasse 8 unterrichtet, und die Aus weitung des Ethikunterrichts soll in einem ersten Ausbau schritt mit dem Schuljahr 2019/2020 in Klasse 7 der Sekun darstufe I beginnen. Im folgenden Schuljahr soll dann die Ein führung in Klasse 6 und im Schuljahr 2021/2022 in Klasse 5 erfolgen. Für diesen stufenweisen Ausbau haben wir im Lan deshaushalt 2018/2019 zusätzlich 71 Deputate zur Verfügung gestellt.

Auch mir geht die Entwicklung im Schulbereich manchmal nicht schnell genug. Aber mittlerweile weiß ich, dass eine gut gemachte und gut durchdachte Weiterentwicklung auch Zeit braucht. Denn Bildungsstandards für das Fach Ethik müssen für alle Klassen erst erarbeitet werden. Damit wurde das Lan desinstitut für Schulentwicklung im August 2016 betraut. Auch Lehrkräfte müssen ausgebildet und fortgebildet werden, denn es nützt nichts, Ethikunterricht einzuführen, wenn wir dafür keine Lehrkräfte haben.

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Sie wissen ja: Auf die Lehrerinnen und Lehrer kommt es an.

(Beifall bei den Grünen und des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Deshalb können wir uns Ihrem Antrag nicht anschließen.

Aber die Vermittlung von Werten sollte nicht nur auf den Ethik unterricht begrenzt sein. Im Zusammenleben einer Schulge meinschaft müssen diese Werte gelebt werden: Verlässlich keit, Wertschätzung, Toleranz, Humanität und Nächstenliebe, Disziplin und Selbstkontrolle sowie Empathie und Verantwor tungsgefühl für sich selbst und für die Gemeinschaft.

(Zuruf des Abg. Stefan Räpple AfD)

Ich danke daher allen Lehrerinnen und Lehrern in den Schu len, dass sie sich engagiert für eine werteorientierte Erziehung einsetzen, den Sinn für den Sinn wachhalten und an unserem Wertefundament weiterbauen. Ich denke, auch einigen Abge ordneten hier könnte Nachhilfeunterricht in Ethik nicht scha den.