Nur denkt sie diesen Ansatz nicht konstruktiv weiter und schlägt mal wieder eine reine Umetikettierung sowie eine wei tere zusätzliche Schulart im Dschungel von Bildungswegen in diesem Land vor.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, beides ist völlig unnötig. Denn mit der neuen Realschule und der Gemeinschaftsschule haben wir zwei bewährte Modelle, die Hauptschul- und Werkrealschulstandorten sowie deren Schülerinnen und Schülern tragfähige Perspektiven bieten können. Auch die Lehrkräfte an diesen Schulen, deren Lauf bahn momentan ja in einer Sackgasse endet, hätten damit Op tionen zur Weiterqualifizierung und zu einer entsprechenden Beförderung.
In diese Richtung muss die Reise gehen. Lieber Kollege Ha ser, wenn Sie die Wertschätzung auch einmal in bare Münze umsetzen, dann ist die Diskussion um die Schaffung von Stel len in Besoldungsgruppe A 13 – Lehrkräfte, die weiterquali fiziert sind – nicht mehr weit entfernt.
Meine Damen und Herren, mit der FDP haben wir eine Par tei, die seit Jahren ungeachtet anderslautender Daten und Fak ten nur von einer Privilegierung der Gemeinschaftsschulen schwadroniert und die pädagogischen Erfolge der Gemein schaftsschule ausblendet. Um der Gemeinschaftsschule einen Seitenhieb zu geben, biegt sich die FDP auch einmal die Re alität so zurecht – die Begründung des Gesetzentwurfs zeigt es –: Zusammen mit der Abschaffung der verbindlichen Grund schulempfehlung sei die neue Schulart Ursache allen Übels und auch schuld daran, dass die Hauptschulen und die Werk realschulen an Zulauf verlieren. Die Zahlen dazu sind aber eindeutig und widerlegen das, was die FDP/DVP hier behaup tet. 1975 waren es 77 600 Schülerinnen und Schüler, die auf die Hauptschule wechselten. 2011 waren es noch 23 700, und 2018 waren es gerade noch 5 500.
Wenn ich diese Zahlen betrachte, will ich natürlich nicht in Abrede stellen, dass der Wegfall der Verbindlichkeit der Grund schulempfehlung einen Beitrag zur Reduzierung dieser Über gangszahlen geleistet hat.
Aber, meine Damen und Herren, verursacht wurde diese Ent wicklung dadurch ganz sicher nicht. Vielleicht stellen Sie von der FDP/DVP sich auch einmal die Frage, wo wir heute ohne die Gemeinschaftsschulen stehen würden.
Ein paar praktische Fragen zum Abschluss in dieser ersten Runde: Welche Schulen haben die Liberalen eigentlich im Vi sier? 700 Werkrealschulen und Hauptschulen, 280 berufliche Schulen gibt es, aber die Zahl der gewerblichen davon, die Sie im Visier haben, beträgt 100 oder 120. Das heißt: Was passiert mit den über 60 % der anderen beruflichen Schulen mit kauf männischem, hauswirtschaftlichem und pflegerischem bzw. sozialpädagogischem Fokus?
Zweitens: Was soll der Schülertourismus, der schon angespro chen wurde, mit den ein bzw. zwei Tagen in der Woche, an denen Scharen von Schülern durch die Gegend fahren sollen? Haben Sie sich einmal den ökologischen Fußabdruck Ihres Vorhabens berechnen lassen?
Dritter Punkt: Warum trauen es die Liberalen den Lehrkräf ten an Hauptschulen und Werkrealschulen nicht zu, die Lehr planinhalte zur Berufsorientierung vermitteln zu können? Wa rum sollen das Berufsschullehrkräfte machen?
Zum Schluss zu Ihrem Finanzierungsvorschlag, liebe Kolle gin und Kollegen von der FDP/DVP: Es ist unprofessionell und unglaubwürdig von den Liberalen, den Klassenteiler an den Gemeinschaftsschulen, den Sie gleichzeitig als Zielgrö ße für alle Schulen formulieren, erhöhen zu wollen. Unser ge meinsames Ziel muss es sein, ohne ideologische Verteilungs kämpfe die Schulen in unserem Land insgesamt besser zu ma chen. Dazu – das muss ich leider sagen – leistet der Gesetz entwurf der FDP/DVP leider keinen Beitrag.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst vielen Dank an die FDP/DVP, weil sie mit ihrem Gesetzentwurf den Blick auf die Haupt- und Werkreal schulen richtet. Das empfinde ich als richtig, und das hat die se Schulart auch vollumfänglich verdient.
Ich teile auch nicht die Einschätzung, das Interesse an den Haupt- und Werkrealschulen sinke immer weiter ab. Natür lich ist es richtig: Wir haben in den letzten zehn Jahren über die Hälfte der Haupt- und Werkrealschulstandorte verloren. Aktuell sind es rund 580. Uns ist es im Herbst 2018 erstmals gelungen, die Anmeldezahlen wieder leicht nach oben zu trei ben. Aber was wir vor allem feststellen: In den Klassen 6, 7 und 8 gibt es einen sehr starken Wechsel von den Realschu len zu den Haupt- und Werkrealschulen. Dort steigen die Zah len immens an, und wir werden uns überlegen müssen, wie wir bei der Ressourcenzuteilung in Klasse 5 darauf reagieren, dass das Schulwahlverhalten der Eltern – natürlich auch ab hängig von der Frage Grundschulempfehlung – zu Wechseln in den Klassen 6, 7 und 8 führt, auf die die Schulstandorte auch vorbereitet sein müssen. Da spielen die Haupt- und Werk realschulen nach wie vor eine gute Rolle, und das haben sie sich auch verdient.
Deshalb werden diese Landesregierung und ich als Kultusmi nisterin um jeden Haupt- und Werkrealschulstandort kämp fen, um den wir auch gemeinsam mit den Eltern kämpfen kön nen. Das ist notwendig, das haben die Schülerinnen und Schü ler verdient – ebenso wie die Lehrerinnen und Lehrer, die in dieser Schulart exzellente Arbeit machen.
Sosehr ich es begrüße, dass die FDP/DVP mit ihrem Gesetz entwurf den Blick auf diese Schulart richtet, so wenig über zeugt mich ihr Ansatz, den sie dem Gesetzentwurf inhaltlich zugrunde legt. Zunächst ist es auch aus meiner Sicht eine Um benennung. Mir geht es aber weniger darum, welcher Name draufsteht, sondern darum, was in der Schule gemacht wird. Ich teile die Einschätzung – Herr Abg. Haser hat es zitiert – der Industrie- und Handelskammer: Eine weitere Umbenen nung, eine weitere Schulstrukturdiskussion ohne inhaltliche Verbesserungen ist nicht das, was wir brauchen. Das ist übri gens auch nicht das, was diese Schulart verdient hat. Da hat man ihr in der Vergangenheit ohnehin schon viel zu viel zu gemutet.
Tatsächlich lässt der Gesetzentwurf auch viele Fragen offen. Ich kann den Sinn, die Wertigkeit, 12-, 13-Jährige nun für Ta ge in berufliche Schulen zu schicken, nicht erkennen. Ich hö re übrigens auch von vielen Betrieben – ich bin mit IHKs, mit Unternehmen, mit Handwerksbetrieben intensiv im Gespräch –, dass dort vor allem der Handlungsbedarf bei der Kompe tenz in Lesen, Schreiben und Rechnen und auch bei der Per sönlichkeitsentwicklung und sozialen Kompetenzen wesent lich stärker definiert wird als der Handlungsbedarf bei der be ruflichen Orientierung.
Ihr Gesetzentwurf geht ausschließlich in Richtung Berufsori entierung, aber nicht in Richtung Kernkompetenzen, die man braucht, um jeden Beruf erfolgreich ausüben zu können. Des halb müssen wir diese Kompetenzen stärken.
Auch die Frage, welche berufliche Schule denn diese 12-, 13-Jährigen besuchen sollen – sozialwissenschaftlich, agrar wissenschaftlich, technisch, gewerblich –, stellt sich.
Ferner würde eine Umsetzung Ihres Gesetzentwurfs aus mei ner Sicht eine klare Benachteiligung des ländlichen Raums bewirken, weil es dort natürlich zum Teil lange Fahrtstrecken gibt. Mir ist es ein Rätsel, wie die Schülerinnen und Schüler dieses Alters dort hinkommen sollen. Im Übrigen stellt sich auch die Frage, wer Selbiges bezahlt. Auch darauf gibt es kei ne Antwort.
Deshalb kann ich mir eine Realisierung dieses Konzepts über haupt nicht vorstellen. Es zielt aus meiner Sicht in die völlig falsche Richtung.
Die Frage ist, wie wir die Haupt- und Werkrealschulstandor te in unserem Land stärken können. Wir haben dies in der Fra ge der Kernkompetenzen Lesen, Schreiben und Rechnen tat sächlich im Blick. Auch Ausbildungsfähigkeit haben die Schü lerinnen und Schüler verdient. Wir haben in den letzten Jah ren – und wir werden dies auch weiterhin tun – die berufliche Orientierung, Bildungspartnerschaften, Praktika, die ganzen Möglichkeiten, in der Berufswelt schnuppern zu können, deut lich intensiviert und werden dies zusammen mit Verbänden, zusammen mit denen, die Haupt- und Werkrealschule leben, auch künftig weiter intensivieren. Wir werden darum kämp fen.
Deshalb sage ich: Es lohnt sich jede Diskussion über diese Schulart. Die werden wir auch führen. Wir haben sie fest im Blick. Wir werden auch für die Lehrerinnen und Lehrer Per spektiven entwickeln. Dazu gehört natürlich eine berufliche Orientierung – in dieser Schulart wie übrigens auch in allen anderen Schularten –, aber der Gesetzentwurf ist lediglich ei ne andere Verpackung. Um den Inhalt geht es dabei nicht. Deshalb wäre es das falsche Signal an diese Schulart, und des halb können wir den Gesetzentwurf in dieser Form auch nicht mittragen.
Dann schlage ich vor, dass wir den Gesetzentwurf Drucksa che 16/5290 zur weiteren Beratung an den Ausschuss für Kul tus, Jugend und Sport überweisen. – Sie sind damit einver standen. Dann ist es so beschlossen.
NE und der Fraktion der CDU – Gesetz über das Wahl- und Stimmrecht von Personen, für die zur Besorgung aller ihrer Angelegenheiten ein Betreuer bestellt ist – Drucksache 16/5914
Im Präsidium wurden folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung zu den Buchstaben a und b jeweils fünf Minuten und für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, lie be Kolleginnen und Kollegen, liebe Frau Aeffner! Heute dis kutieren wir in erster Lesung zwei Gesetzentwürfe zu einem Thema, welches wir bereits vor einem Jahr hätten parlamen tarisch erledigen können. Es geht um die in Baden-Württem berg geltenden Wahlrechtsausschlüsse für bestimmte Men schen mit Behinderungen. Um genau diesen Menschen für die kommende Kommunalwahl das Wahlrecht zu ermöglichen, liegt uns neben dem Gesetzentwurf meiner Fraktion nun auch einer aus dem Hause Strobl vor.
Zehn Jahre nach der Übernahme der UN-Behindertenrechts konvention in deutsches Recht ist es ein längst überfälliges Vorhaben, auch diesen Menschen mit Behinderungen ihr Recht, zu wählen, gesetzlich zuzugestehen.
Die SPD hat dies in den aktuellen Koalitionsvertrag auf Bun desebene auch hineinverhandelt, und die SPD-Bundestags fraktion wäre auch bereit gewesen, die gesetzliche Regelung vor dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu treffen.