Protokoll der Sitzung vom 03.04.2019

Wir können nicht zufrieden sein, wenn im Zeitraum 1. Juni 2017 bis 31. Mai 2018 landesweit insgesamt 8 030 Abschie bungen geplant waren, davon aber 4 886 scheiterten, wenn in den zwölf Monaten bis Mai 2018 aus den Erstaufnahmeein richtungen im Land 583 Personen abgeschoben wurden, gleichzeitig 1 406 Abschiebungsversuche scheiterten. Hier,

sehr geehrter Herr Minister, vermissen wir schlechterdings das von Ihnen beschriebene konsequente Vorgehen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Abg. Tho mas Blenke CDU: Wir sind gespannt, ob Sie bei der Gesetzesänderung mitmachen! – Gegenruf des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Erst mal müsst ihr euch ja einigen!)

Das Landesamt für Verfassungsschutz spielt bei der Sicher heitsarchitektur unseres Landes eine gewichtige Rolle. Das LfV ist trotz gewachsener Aufgaben – ich sage es diploma tisch – personell unterversorgt. Auch die seit Jahren steigen de Zahl islamischer Extremisten zeigt, dass Staat und Gesell schaft noch kein Mittel gegen diesen Fundamentalismus ge funden haben.

Auch das brandgefährliche Problem der dschihadistischen Kriegsrückkehrer ist weiter nicht geklärt. Die in Regierungs verantwortung stehenden Parteien haben hier jahrelang die Umsetzung möglicher Lösungen vertagt und damit die Ge sellschaft unnötig einer Gefährdung ausgesetzt – eine Situa tion, die wohl auch aufgrund des Rückwirkungsverbots nicht mehr geheilt werden kann.

Trotz der von Ihnen gemachten Ausführungen zur Bekämp fung der Cyberkriminalität bleibt für uns zu attestieren, dass dieses Thema von der Landesregierung nach wie vor unter schätzt wird. Die Dunkelziffern in den Bereichen Skimming und Phishing sind enorm; die Schäden und der Verlust von Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit im Internet sind groß. Viel zu lange hat es beispielsweise auch gedauert, bis die Diskus sion um Spionage mittels Huawei-Produkten unser Land er reicht hat. Auch hier ist von der soeben viel beschworenen konsequenten Sicherheitspolitik nicht viel zu erkennen. Wir dürfen unsere IT-Sicherheit nicht von bloßen Versprechungen chinesischer Unternehmen und der chinesischen Regierung abhängig machen. Dafür sind die Folgen konzertierter Angrif fe viel zu verheerend.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der AfD sowie des Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, zur Verbesserung der Situ ation müssen wir die offensichtlichen Baustellen bei Polizei und Justiz angehen. Die Polizei muss sieben Tage die Woche im öffentlichen Raum präsenter sein. Dazu braucht es vor al lem mehr Personal und eine Abkehr von organisatorischen Fehlern, wie die 250 Polizeibeamte unnötig bindende zentra le Verkehrsunfallaufnahme auf dem Land. Es braucht eine kla re Perspektive, auch und gerade bei der personellen Entlas tung, durch eine zureichende Ausbildung.

(Zuruf des Abg. Thomas Blenke CDU)

Der an manchen Orten festzustellenden Verwahrlosung des öffentlichen Raums sollte mit dem Einsatz des kommunalen Ordnungsdienstes, für den wir endlich einen einheitlichen Standard gesetzlich normieren müssen, begegnet werden.

Schlussendlich sollte mit Präventionsmaßnahmen, u. a. an Schulen, verstärkt für eine Wertschätzung unserer Gesell schaft, für ein friedliches Miteinander, eine gewaltfreie Kon fliktbewältigung, die Achtung staatlicher Einrichtungen und

Institutionen sowie deren Repräsentanten und die Achtung fremden Eigentums geworben werden.

Diese wenigen Beispiele zeigen: Es ist nicht alles Gold, was glänzt.

Ich darf Sie, verehrter Herr Minister, noch in einem weiteren Punkt korrigieren – auch wenn dieser sicherheitspolitisch viel leicht nur eingeschränkt von Relevanz ist –: Baden-Württem berg ist prima – unbestritten. Aber dass Baden-Württemberg bei der Kriminalstatistik bundesweit spitze sei, ist leider un zutreffend. So wurden 2017 in Baden-Württemberg 5 295 Straftaten je 100 000 Einwohner festgestellt, in Bayern 4 868. Für 2018 zeigt sich ein ähnliches Bild: Baden-Württemberg 5 191, Bayern 4 863.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Ein Spitzenplatz, haben wir gesagt! – Gegenruf des Abg. Sascha Binder SPD: Nein, Sie haben gesagt, wir sind die Besten!)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zusammenfassen: Es gibt noch viel zu tun. Die Statistik benennt klar die zent ralen Fehler. Packen Sie es an, liebe Landesregierung! Wir un terstützen Sie als konstruktive Opposition gern bei sinnvollen Vorschlägen. Denn es geht um nicht weniger als die Sicher heit und die Freiheit der Menschen in unserem Land.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos])

Für die Fraktion GRÜNE er teile ich das Wort Herrn Fraktionsvorsitzenden Schwarz.

Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Grüne und CDU haben im Koaliti onsvertrag versprochen, dass Baden-Württemberg weiterhin eines der sichersten Bundesländer bleibt. Diesem Versprechen haben wir hinzugefügt, dass wir jährlich einen Sicherheitsbe richt vorlegen werden – einen Sicherheitsbericht, der die Po lizeiliche Kriminalstatistik und die Sicherheitslage in BadenWürttemberg transparent und für jeden nachvollziehbar dar legt. Wir haben Wort gehalten: Beide Versprechen haben wir eingelöst.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Der Sicherheitsbericht macht es deutlich: Baden-Württemberg ist und bleibt weiterhin eines der sichersten Bundesländer. Un sere Sicherheitsbehörden arbeiten effektiv und effizient. Da her gilt an dieser Stelle mein Dank allen Polizistinnen und Po lizisten in Baden-Württemberg, die sich täglich, trotz erheb licher Gefahren für ihre eigene Gesundheit, für die Freiheit und Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger einsetzen. Herz lichen Dank allen Polizeibeamten!

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU sowie des Abg. Andreas Stoch SPD – Vereinzelt Bei fall bei der AfD und der FDP/DVP)

Für uns ist klar: Wir verurteilen Gewalt gegenüber den Men schen, die für ein friedliches, ein freies Leben einstehen, auf das Schärfste. Wir werden es nicht akzeptieren, wenn Polizis tinnen und Polizisten, Rettungskräfte und Feuerwehrleute sich zunehmend Gewaltdelikten ausgesetzt sehen.

Vor allem der engagierten Arbeit unserer Polizeibeamten ist es zu verdanken, dass wir sagen können: Die Kriminalitäts belastung ist heute so niedrig wie zuletzt zu Beginn der Neun zigerjahre. Das ist ein großer Erfolg, meine Damen und Her ren.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der CDU)

Das ist auch ein Erfolg, der aus der richtigen Schwerpunkt setzung resultiert. Im Bereich der Wohnungseinbrüche haben sich die Fallzahlen seit 2014 fast halbiert. Die politisch moti vierte Kriminalität ist rückläufig, und es sind deutlich weni ger Straftaten im öffentlichen Raum verübt worden. Die Maß nahmen, die die Koalition ergriffen hat, wirken. Sie haben zu einer stetigen Verbesserung der Sicherheitslage für die Men schen in Baden-Württemberg geführt. Für uns Grüne steht die Sicherung der Freiheit der Menschen in unserem Land im Vor dergrund.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Dafür stellen wir mit unserer beispiellosen Einstellungsoffen sive ausreichend Personal für die Polizei zur Verfügung, und wir statten die Polizei gut aus. Wir haben die Absenkung der Eingangsbesoldung zurückgenommen, damit die polizeiliche Laufbahn attraktiv bleibt. Wir sorgen für die notwendigen Ausbildungskapazitäten, und wir haben mit der Novellierung des Polizeigesetzes, insbesondere im Hinblick auf die Terro rismusabwehr und die Bekämpfung schwerster Kriminalität, der Polizei weitere Befugnisse an die Hand gegeben. Wir ma chen das, um die Freiheit in diesem Land weiter zu sichern. Der Bericht zeigt: Das wirkt, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Eigentlich, Herr Minister, könnte man den Sicherheitsbericht auch einen „Freiheitsbericht“ nennen; denn primäres Ziel staatlichen Handelns ist es ja,

(Zuruf des Abg. Klaus Dürr AfD)

den Bürgerinnen und Bürgern ein Leben in Freiheit und Si cherheit zu ermöglichen.

(Abg. Winfried Mack CDU: So ist es!)

Wir setzen uns für die Sicherheit nicht um ihrer selbst willen ein, sondern deshalb, weil es ohne Sicherheit keine Freiheit gibt. Wenn Menschen Angst haben, kann schon diese Angst sie einschränken.

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Wenn für die Sicherheit die Freiheit aufgegeben wird, ist die Freiheit schon verloren!)

Unsere herausragende Aufgabe als Parlament ist und bleibt daher der Schutz der persönlichen Freiheit und der Grund rechte. Dabei ist das Sicherheitsgefühl der Menschen genau so wichtig wie die objektive Sicherheitslage. Gewalttaten im öffentlichen Raum erschüttern das Sicherheitsempfinden der Bürgerinnen und Bürger in erheblichem Maß.

(Abg. Daniel Rottmann AfD: Es ist schön, dass Sie das so sehen!)

Eine einzige Gewalttat kann ausreichen, Menschen einer ge samten Stadt für Monate zu verunsichern. Unsere Antwort da

rauf ist daher: polizeiliche Präsenz stärken, Polizei gut aus statten, für eine bürgernahe Polizei sorgen. Darauf kommt es an, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Mehr Sicherheit im öffentlichen Raum führt dazu, dass sich Menschen auf Plätzen aufhalten. Es entstehen Orte der Be gegnung und der Teilhabe. Wenn Menschen ihre Stadt, ihre Gemeinde als sicher empfinden, sind Plätze belebt und wer den tatsächlich zu Orten, an denen soziale Kontrolle stattfin den kann. Das Risiko für Kriminalität sinkt, und das subjek tive Sicherheitsempfinden steigt. Sichere öffentliche Räume erhöhen daher die Lebensqualität der Menschen in unserem Land, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Hier sind vor allem städtebauliche Konzepte gefragt. Angst räumen muss entgegengewirkt werden. Klar ist: Hier gibt es keine Standardlösungen. Hier müssen Konzepte vor Ort ent wickelt werden; die haben wir. Herr Minister, Sie sind auf ein paar eingegangen: der Nachtbürgermeister in Mannheim oder Initiativen in Freiburg wie „Ist Luisa da?“. Diese Konzepte unterstützen wir.

Meine Fraktion regt an, eine landesweite Koordinierungsstel le „Sichere öffentliche Räume“ einzurichten, die diese Kon zepte bündelt, aufzeigt und weiterentwickelt, sodass die BestPractice-Projekte für sichere öffentliche Räume ins ganze Land hinausgetragen werden können.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Vereinzelt Beifall bei der CDU – Abg. Daniel Born SPD: Sie re gieren seit acht Jahren!)

Um für sichere öffentliche Räume zu sorgen, brauchen wir keine schärferen Gesetze. Vielmehr werden vor allem mehr polizeiliche Präsenz und Gewaltprävention eine besondere Rolle einnehmen.

Eine permanente terroristische Bedrohungslage, liebe Kolle ginnen und Kollegen, kann unser Sicherheits- und Freiheits erleben besonders beeinträchtigen. Gleichzeitig wissen wir – der Minister hat es ausgeführt –: Die Risiken im Straßenver kehr auf dem Weg zur Arbeit und gewöhnliche Kriminalität wie Wohnungseinbrüche oder Diebstähle betreffen die Bür gerinnen und Bürger in unserem Land häufiger und unmittel barer. Wir dürfen uns die Tagespolitik und die Debatten daher nicht von Gefährdern und Terroristen diktieren lassen. Wir müssen uns gezielt um den gesellschaftlichen Zusammenhalt kümmern; denn eine zusammengewachsene Gesellschaft, so ziale Kontrolle, gute nachbarschaftliche Strukturen bieten den besten Schutz vor Gewalt und Kriminalität im öffentlichen Raum.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Wir alle sind dazu aufgerufen, zur Sicherheit und zu einem freien Leben in diesem Land beizutragen. Denn es muss un ser gemeinsames Ziel sein, dass wir im nächsten Jahr, Herr Minister, wenn Sie den nächsten Sicherheitsbericht vorlegen, wieder sagen können: Baden-Württemberg ist und bleibt ei nes der sichersten Bundesländer.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen und der CDU)