Ich weiß, das ist zu viel für Sie, Herr Dr. Rülke; das Thema Polizei interessiert Sie bekanntermaßen nicht so sehr. Das müssen Sie mit sich selbst ausmachen.
(Abg. Sascha Binder SPD: Sie sollten mal zu Ihrer eigenen Fraktion schauen! Denen ist es nach zehn Minuten schon zu viel gewesen!)
So vielseitig der Polizeiberuf ist, birgt er jedoch auch Gefah ren: Die Zahl der körperlichen Angriffe auf Polizeibeamtin nen und Polizeibeamte hat in den letzten Jahren deutlich zu genommen; die Fallzahlen sind im letzten Jahr um sage und schreibe 10 % gestiegen. Auch Rettungskräfte sehen sich im mer öfter mit mangelndem Respekt, Beleidigungen und sogar körperlichen Attacken konfrontiert.
Als Innenminister des Landes Baden-Württemberg kann und will ich eine derartige Entwicklung und ein solches Verhalten nicht einfach hinnehmen. Und ich sage Ihnen auch: Ich wer de nicht ruhen, bis wir dieser Entwicklung Herr werden. Wer tagtäglich für unsere Sicherheit sorgt und sich dafür nicht sel ten selbst in Gefahr bringt,
der hat Anerkennung und Respekt verdient, aber ganz sicher keine Gewalt. Das ist unsere klare Linie.
Unsere Aufgabe, ja, unsere Pflicht ist es, jene zu schützen, die uns jeden Tag rund um die Uhr schützen. Deshalb wurde auf dem 4. Landesweiten Tag des Opferschutzes, der zum zwei ten Mal in meinem Haus stattfand, das Thema „Wenn Helfer zu Opfern werden – Gewalt gegen Polizeibeamte“ bewusst in den Fokus gerückt.
Von der landesweiten Einführung der Bodycam für unsere Po lizistinnen und Polizisten erhoffe ich mir einen spürbaren po sitiven Effekt. Sie ist sicher kein Allheilmittel, aber ein viel versprechender Baustein und ein wichtiger Schritt in die rich tige Richtung. Die Bodycam wird es in Baden-Württemberg geben wie in keinem anderen Bundesland. In wenigen Wo chen werden Sie in Baden-Württemberg in der Fläche keine Streife mehr ohne diese kleine Kamera sehen, die aus Beweis sicherungsgründen, aber vor allem aus Gründen der Gewalt deeskalation so wichtig ist. Ich bin den Koalitionsfraktionen und dem Landtag von Baden-Württemberg sehr dankbar da für, dass das Polizeigesetz zu einem frühen Zeitpunkt entspre chend geändert worden ist und wir eine solide rechtliche Grundlage haben, auf der wir dies tun können.
So konnten wir die beste Technologie, die es auf der Welt gibt, unseren Polizistinnen und Polizisten verfügbar machen. Wir konnten die Datenschutzfragen abklären, und wir speichern selbstverständlich nicht bei Amazon, sondern auf polizeieige nen Servern, die keine Schnittstelle zum Internet haben.
Das ist der Weg für ein sicheres Baden-Württemberg. Das ist ein guter Weg. Ja, es hat etwas länger gedauert, aber im Un terschied zur SPD haben wir es hinbekommen,
(Beifall bei den Grünen und der CDU – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Jawohl! – Abg. Gabi Rolland SPD: Polizeiposten en masse abgeschafft!)
(Abg. Andreas Stoch SPD: Ist das Ihr Signal, wenn Sie Applaus wollen? – Gegenruf des Abg. Dr. Hans- Ulrich Rülke FDP/DVP: Das ist die einzige Chance!)
Alles in allem können Sie erkennen: Wir schauen den Ent wicklungen nicht teilnahmslos hinterher, sondern wir handeln. Wir handeln tatkräftig, und wir tun alles dafür, den Menschen in Baden-Württemberg ein freies Leben in Sicherheit zu er möglichen. Das ist in Baden-Württemberg besser möglich als anderswo.
Herzlichen Dank an alle, die Tag für Tag mit uns daran arbei ten. Dieser Dank gilt den Polizistinnen und Polizisten, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in unseren Sicherheitsbe hörden und Blaulichtorganisationen.
Nicht zuletzt gilt mein Dank Ihnen, meine sehr verehrten Da men und Herren im Landtag von Baden-Württemberg, für die Unterstützung in den vergangenen drei Jahren, insbesondere für die Unterstützung in den Haushaltsberatungen. Dieser Dank ist natürlich mit einer Bitte verbunden: Lassen Sie Ihre Unterstützung unseren Polizistinnen und Polizisten auch bei den kommenden Haushaltsberatungen zuteilwerden. Die ba den-württembergischen Polizistinnen und Polizisten haben Ih re Unterstützung auch in Zukunft verdient, und die Menschen in Baden-Württemberg haben einen Anspruch darauf und ha ben es verdient, auch in Zukunft in einem sicheren Land le ben zu dürfen.
(Anhaltender Beifall bei der CDU – Beifall bei Ab geordneten der Grünen – Abg. Andreas Stoch SPD: Schaut in die Gesichter! – Abg. Dr. Heinrich Fiecht ner [fraktionslos]: Viel, viel länger kann der Beifall nicht dauern!)
Meine Damen und Herren, für die Aussprache über die Regierungsinformation haben die Fraktionen eine Redezeit von zehn Minuten je Fraktion ver einbart.
Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Ihr geradezu vor Kraft strotzender Auftritt, verehrter Herr Minister, erinnert mich an eine Anek dote, die Muhammad Ali zugeschrieben wird. Kurz vor dem Start seines Flugzeugs wird der Boxweltmeister gebeten, sei nen Sicherheitsgurt anzulegen. Muhammad Ali erwidert dar aufhin: „Superman braucht keinen Sicherheitsgurt.“
Die Stewardess überlegt kurz und bemerkt dann: „Superman braucht auch kein Flugzeug.“ Auf dieses überzeugende Argu ment hin schloss der Boxchampion den Sicherheitsgurt.
Diese Anekdote zeigt, dass eine gesunde, realitätsnahe und mitunter auch selbstkritische Betrachtung
Unbestritten – die FDP/DVP-Fraktion möchte die positiven Aspekte der Kriminalstatistik keineswegs kleinreden, viel mehr ausdrücklich anerkennen – sind wir stolz und dankbar für die Leistungen unserer Polizeibeamtinnen und Polizeibe amten.
Ihnen, die tagtäglich sprichwörtlich ihren Kopf für unsere Si cherheit hinhalten, sagen wir bewusst zu Beginn dieser De batte ein herzliches Dankeschön.
Andererseits dokumentiert der Sicherheitsbericht 2018, dass entgegen der Suggestion „Alles super, alles bestens“ eben nicht alles Gold ist, was glänzt. Herr Innenminister Strobl wird zwar nicht müde, darauf hinzuweisen, dass die Gesamtzahl der Straftaten um 1,3 % zurückgegangen ist. Allerdings kann der Blick auf den Rückgang der Gesamtzahl der Straftaten im Land nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir in einzelnen Be reichen der Kriminalität einen unerfreulichen, einen gegen läufigen Trend zu verzeichnen haben.
So steigt die für die Sicherheit der Gesellschaft besonders be deutsame Gewaltkriminalität im öffentlichen Raum seit ge raumer Zeit an, und zwar im Vergleich mit dem Vorjahr um weitere 5,2 % – beklemmend und besorgniserregend, umso mehr, als dies mit einer Nichtbeachtung staatlicher Repräsen tanten, allen voran unserer Polizei, einhergeht. An jedem ein zelnen Tag im vergangenen Jahr wurden durchschnittlich sie ben Polizistinnen und Polizisten verletzt und 75 Gewaltdelik te im öffentlichen Raum verübt. Dieser Situation müssen wir uns, dieser Situation muss sich die Politik stellen und ent schlossen handeln.
Anlass zur Sorge bieten auch die Straftaten gegen die sexuel le Selbstbestimmung. Das Plus von 24,5 % ist auf den ersten Blick erschütternd. Dieser Blick wird zumindest partiell inso fern relativiert, als dieser enorme Anstieg u. a. einer Gesetzes verschärfung, einer Änderung in der Statistik und einem ver stärkten Anzeigeverhalten geschuldet ist. Andererseits darf dies nicht beruhigen, müssen wir doch neben der auch so schon viel zu hohen Zahl von einem großen Dunkelfeld aus gehen.
Bedenklich und keineswegs mit den Superlativen in Einklang zu bringen ist zudem, wie sich die Rauschgiftkriminalität ent wickelt hat: ein Plus von 8,5 %. Dabei darf es für uns keine Rolle spielen, ob in den Flüchtlingseinrichtungen oder im öf fentlichen Raum gedealt wird. Sie haben gesagt, Herr Minis ter:
Im Blick behalten werden wir die Entwicklung, dass sich nach wie vor insbesondere Körperverletzungen und Rausch giftdelikte von den Flüchtlingsunterkünften in den öffent lichen Raum verlagern.
Polizisten sagen uns hinter vorgehaltener Hand, ihnen fehlten Personal und Mittel, um die festgestellte Drogenkriminalität zu bekämpfen. So ist zwar der Dealer bekannt, aber mangels Personal und ausreichender technischer Mittel kann der Dro genhandel nicht aufgeklärt, kann das Recht nicht durchgesetzt werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, niemand darf sich in der Öffentlichkeit fürchten müssen. Wenn es uns nicht ge lingt, diese Furcht abzustellen, laufen wir, läuft unsere freie Gesellschaft Gefahr, an Legitimität zu verlieren. Seit gerau mer Zeit erleben wir, dass der Rechtsstaat unter Druck steht, dass die Akzeptanz des Rechtsstaats schwindet. Der Rechts staat muss zeigen, dass er auf Straftaten unverzüglich und konsequent reagiert. Dazu ist es zwingend erforderlich, die Justiz so auszustatten, dass ausermittelte Sachverhalte auch schnell zur Anklage und zur Entscheidung kommen.
Ein besonderes Augenmerk müssen wir auf das fehlende Si cherheitsgefühl der Bürgerinnen und Bürger legen. Insbeson dere dürfen wir sie nicht aus parteipolitischem Kalkül in ver meintlicher Sicherheit wiegen; genauso wenig allerdings dür fen wir ein Schreckensszenario aufbauen, Baden-Württem berg wäre insgesamt keine sichere Heimat. Es gilt, reinen Wein einzuschenken.
Gerade aber die Ausführungen zum „Sonderstab gefährliche Ausländer“ verdeutlichen uns, dass in unserem Land die Be lange von Sicherheit und Migration noch immer nicht richtig in Einklang gebracht sind. So ist es zwar zu begrüßen, wenn gefährliche Ausländer aufgrund der Arbeit des Sonderstabs unser Land verlassen. Sicherheitsbehörden, Ausländerbehör den und die Justiz sollten allerdings flächendeckend so gut zu sammenarbeiten, dass es solcher Sonderstäbe erst gar nicht bedarf. Hier haben die Landes- und die Bundesregierung noch viel nachzuholen.
Wir können nicht zufrieden sein, wenn im Zeitraum 1. Juni 2017 bis 31. Mai 2018 landesweit insgesamt 8 030 Abschie bungen geplant waren, davon aber 4 886 scheiterten, wenn in den zwölf Monaten bis Mai 2018 aus den Erstaufnahmeein richtungen im Land 583 Personen abgeschoben wurden, gleichzeitig 1 406 Abschiebungsversuche scheiterten. Hier,