Protokoll der Sitzung vom 04.04.2019

Die Beschlussempfehlung macht auch deutlich: Die EU ist längst mehr als eine bloße Wirtschaftsgemeinschaft. Sie ist ei ne Wertegemeinschaft. Sie steht für eine Gesellschaftsord nung, die der Achtung der Menschenwürde, der Wahrung der Menschenrechte, Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlich keit verpflichtet ist. Alle europäischen Mitgliedsstaaten müs sen wir zur Einhaltung dieser Werte unmissverständlich auf fordern und diese auch gegenüber autokratischen Herrschafts formen verteidigen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

In den Bereichen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspo litik brauchen wir ein Mehr an Europa und, wo dies nicht möglich ist, ein Europa der zwei Geschwindigkeiten. Das Gleiche gilt für die Migrationspolitik, die Frage der sozialen Gerechtigkeit sowie die Klima- und Energiepolitik.

Eine starke EU muss Handlungsfähigkeit, Rechtsstaatlichkeit und demokratische Rückbindung zugleich sicherstellen. Eine entscheidende Rolle kommt hierbei dem Europäischen Parla ment zu. Es trägt zur demokratischen Legitimation der EU bei.

Für den Erfolg des europäischen Projekts ist aber auch ent scheidend, dass Europa für die Menschen vor Ort konkret er lebbar wird und sie den Mehrwert von Europa erfahren. In zahlreichen Städte-, Gemeinde- und Kreispartnerschaften be gegnen sich Bürgerinnen und Bürger ganz direkt. Das gilt ebenso für Schulen, Vereine, Verwaltungen und andere Ein richtungen. Viele unserer Hochschulen, Forschungs- und Kul tureinrichtungen arbeiten intensiv mit Partnern in ganz Euro pa zusammen. Diese Begegnungen für alle Bevölkerungsgrup pen gilt es auszubauen und zu fördern. Denn das führt zu ge lebter Integration, stärkt das wechselseitige Vertrauen und die Solidarität und entwickelt so Begeisterung für Europa.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Der EU wird damit Geist und Leben eingehaucht. Wir setzen uns ein für ein Mehr an Europa, für ein Europa, das sich von unten entwickelt, und für ein subsidiäres und transparentes

Europa. Ein solches Europa brauchen wir, wollen wir, gestal ten wir und werden wir fördern.

Danke schön.

(Beifall bei den Grünen und der CDU sowie Abge ordneten der SPD)

Für die CDU-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Abg. Kößler.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Ich könnte mich jetzt gerade Frau Kollegin Bog ner-Unden anschließen: Wir brauchen Europa, wir wollen Eu ropa, und wir werden Europa stärken und erhalten.

(Zuruf des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE)

Das muss unser Ziel sein.

(Beifall bei der CDU und den Grünen sowie Abge ordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich kurz ein paar Sät ze zum Brexit sagen. Der britische Historiker Ian Kershaw hat Folgendes gesagt:

Der Brexit war der größte Akt nationaler Selbstbeschä digung in der Nachkriegsgeschichte.

Das ist treffend. So hat noch niemand seit der Nachkriegszeit seine Nation beschädigt.

Dieser Brexit hat aber auch zu einem Erweckungserlebnis ge führt. Das zeigt sich an den Zahlen. 62 % der Europäer ste hen zur Europäischen Union. In Deutschland sind es sogar 82 %. Das heißt: Die Menschen haben gespürt, dass Europa in Gefahr ist, und es ist ihnen klar geworden, dass wir Euro pa als Wertegemeinschaft, als Friedensunion und als Wohl standsunion brauchen.

In der „Wirtschaftswoche“ war kürzlich von einer „heilsamen Fahnenflucht“ die Rede, soll heißen: Das Chaos, das in Groß britannien stattfindet, hat die Europäer zusammengeschweißt. Diese neue Zusammenarbeit müssen wir nutzen. Aus diesem Grund war es gut, dass Juncker vor zwei Jahren das Weißbuch präsentiert hat. Seitdem diskutieren wir über die Zukunft der Union. Wir wollen deutlich machen, dass die Union eine gu te Zukunft hat, dass sie einen Mehrwert für die Menschen schafft und weiterhin eine Friedensunion ist und bleibt. Es war der richtige Zeitpunkt, um die Diskussion zu beginnen. Wir haben in Baden-Württemberg, hier im Landtag, heftig über dieses Leitbild diskutiert und haben in einem breiten Diskus sionsprozess durch die Landesregierung auch ein Leitbild für Baden-Württemberg in Gang gesetzt.

Es ist wichtig, dass wir Europa im globalen Zusammenhang in den Mittelpunkt unserer Überlegungen stellen. Wir brau chen dringend eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspoli tik. Dazu wird in Deutschland natürlich einiges geändert wer den müssen. Ich sage nur: Die Parlamentsarmee wird sich auf Dauer so nicht in den Gesamtkontext Europa eingliedern kön nen. Dort müssen wir einiges ändern, sonst machen die Fran zosen und die anderen in Europa dabei nicht mit.

Wir brauchen für Europa ein gewaltiges Stück Subsidiarität. Wir müssen dem Bürger deutlich machen, dass die Probleme dort, wo sie entstehen, behandelt und gelöst werden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU, der Grünen und der AfD – Abg. Anton Baron AfD: Sehr gut! Das ist schon mal eine gute Erkenntnis!)

Wir wollen, dass die Kommunen und die ganzen Gliederun gen unseres Staatsaufbaus richtig in diesen Prozess eingeglie dert werden. Wir wollen deutlich machen – und zwar mehr als bisher –, dass die Menschen in Europa der wichtigste Punkt sind und sie einen Mehrwert von der europäischen Politik ha ben.

Ich fasse zusammen: Europa ist eine Friedensunion und ein Friedensprojekt. Europa ist ein Freiheits- und ein Wohlstandspro jekt. Der Binnenmarkt schafft Wohlstand für uns alle. Die Rei sefreiheit, die wir in Europa haben, wollen wir nicht missen. Sie muss verteidigt werden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der Grünen – Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Wir haben in Europa eine stabile Währung.

(Abg. Anton Baron AfD: Stabil? Oje, oje!)

Das ist ein Aspekt der zwei Geschwindigkeiten, die Frau Bog ner-Unden bereits ansprach: Wir brauchen teilweise zwei Ge schwindigkeiten auf dem Weg des gemeinsamen Europas, und wir sehen an der Währungsunion, dass es gut funktioniert.

Man muss im Hinblick auf Europa auch klarstellen: Wir zah len nicht nur an Europa, sondern wir bekommen auch viel zu rück. Für Baden-Württemberg sind es insgesamt 5 Milliar den €, die wir in der vergangenen und der laufenden Förder periode zurückbekommen bzw. bekommen haben.

Es ist wichtig, dass die Menschen draußen spüren: Europa ist nicht nur ein bürokratischer Moloch,

(Abg. Anton Baron AfD: Doch, da ist schon was dran!)

sondern Europa tut vieles für uns.

Zum Schluss rate ich uns insgesamt zu Geduld – dahin ge hend, dass wir Geduld mit Großbritannien haben. Jede Lö sung, die jetzt noch zustande kommt, ist besser als ein unge ordneter Brexit.

(Abg. Klaus Dürr AfD: Ganz neue Töne!)

Ich rufe auch zur Geduld mit Osteuropa auf. Wir dürfen den Ländern nicht einfach unsere Erkenntnis aus der Geschichte aufbürden. Sie haben eine andere Geschichte, und das müs sen wir respektieren. Der ehemalige Außenminister Joschka Fischer

(Zuruf: Guter Mann!)

hat sinngemäß Folgendes gesagt: Wir müssen auch bei Orban Geduld walten lassen. Das mag vielleicht manchem schwer fallen, aber wir müssen bei den Ländern in Osteuropa Geduld walten lassen, damit sie den richtigen Weg finden, und wir müssen sie weiterhin unterstützen.

(Abg. Beate Böhlen GRÜNE: Jawohl!)

Auf diesem Weg müssen wir weitergehen. Wir müssen die Menschen vom Mehrwert Europas überzeugen, dann hat Eu ropa eine gute Zukunft.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Für die AfD spricht Herr Abg. Dr. Grimmer.

Sehr geehrte Frau Präsiden tin, sehr geehrte Damen und Herren! Das zur Beratung ste hende Thema heißt Weißbuchprozess und nicht „Emotionaler Enthusiasmus“. Deswegen werde ich ein bisschen etwas an deres sagen müssen als meine Vorredner.

(Beifall bei der AfD)

Welche EU wollen wir? Wie soll die europäische Zusammen arbeit in der Zukunft aussehen? Das sind die Fragen, die durch den Weißbuchprozess hätten geklärt werden sollen. Gestellt oder gar beantwortet wurden diese nicht. Der aufgeblasene Weißbuchprozess hat zu absolut nichts Neuem geführt. Die Bürger sollen noch mehr den Weisungen einer pervertierten Technokratie unterliegen, die noch machtvoller werden soll. Der Schutz, den der Staat seinen Bürgern eigentlich geben müsste, soll noch mehr abgebaut werden. Die Plünderung der Bürger auf dem Altar der EU soll weitergehen. Eine erste EUSteuer erscheint bereits am Horizont.

Die real existierende EU in ihrer fundamentalen Fehlentwick lung wurde zu einem Instrument der Unterdrückung und „Ent reicherung“ der Menschen – um es einmal freundlich auszu drücken. Das rückwirkende Fahrverbot für Dieselautos ohne Bestandsschutz ist eine Enteignung, eine Verletzung der Ei gentumsrechte der Menschen. Der geplante Zugriff auf die deutsche Einlagensicherung der Sparkassen, der Volks- und der Privatbanken wird zur weiteren Enteignung der deutschen Sparer beitragen.

(Beifall bei der AfD)

Der Null- und Negativzins der EZB zum Erhalt einer geschei terten Währung ist bereits eine Enteignung der Sparer wie der Alterssicherung und führt zugleich zur Explosion der Mieten und der Immobilienpreise, sodass inzwischen in den Ballungs räumen oft unzumutbare Wohnverhältnisse bestehen, insbe sondere für Familien mit Kindern.

Uploadfilter sind ein Zensurmechanismus, der die freie Mei nungsäußerung massiv einschränkt. Die Externalisierung von richterlicher Gewalt auf Privatunternehmen wie Facebook führt zur Unterdrückung der freien Meinungsäußerung.

(Beifall bei der AfD)