Protokoll der Sitzung vom 08.05.2019

Aus unserer Sicht sind drei Punkte zu kritisieren: heimliche Abhörmöglichkeit, Beauftragung einer privaten Leitstelle und die einjährige Speicherfrist.

(Beifall bei der SPD)

Erinnern Sie sich noch an die Debatte zur Einführung der Bo dycam? Das war eine Debatte, in der wir Sie, liebe grünschwarze Koalition, schon einmal auf den Boden der Tatsa chen holen mussten, indem wir den Schutz von Freiheits- und Bürgerrechten in Erinnerung rufen mussten. Denn wie verhält es sich bei der Bodycam? Verdeckter Einsatz in Wohnungen? Fehlanzeige. Private Unternehmen statt staatlicher Stellen? Fehlanzeige. Speicherfrist von einem Jahr? Fehlanzeige. Es war Ihr Innenminister, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, der hier vor wenigen Wochen nochmals betont hat, dass die Daten der Bodycam in Baden-Württemberg eben nicht auf privaten Servern lagern.

Liebe Grüne, wo bleibt Ihr Aufschrei? Wo bleibt Ihr Einsatz? Wir jedenfalls können einer solchen Entwicklung nicht zu stimmen. Wir wollen Datenschutz und den Schutz der Justiz bediensteten in Einklang bringen. Für uns gibt es nicht die ei ne ohne die andere Seite, und dazu gehört eine verfassungs konforme Regelung.

Überhaupt: Warum legen Sie an den Einsatz der Bodycam an dere Maßstäbe an als an den Einsatz eines Geräts für Justiz bedienstete? Mich würde interessieren, ob Sie sich von der Technik, die Sie da anpreisen, auch selbst überzeugt haben. Dieses Gerät braucht eine stabile Mobilfunkverbindung und eine GPS-Anknüpfung, damit es reibungslos funktioniert. Ich habe mir das angeschaut und habe feststellen können, dass die Geräte in Gebäuden nicht stabil funktionieren. Sie sind also bereit, für eine Technik, die nicht zu 100 % stabil funktioniert, einen schwerwiegenden Grundrechtseingriff vorzunehmen.

Ich möchte Ihnen gern die Hand ausstrecken: Machen Sie die sen Entwurf verfassungskonform. Orientieren Sie sich dabei an den Kriterien der Bodycam – kein klammheimlicher Ein satz, kein privater Dienstleister, eine kurze Speicherfrist. Dann können wir zustimmen – aber nur dann, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Herr Kolle ge Weinmann für die FDP/DVP.

Sehr geehrte Frau Präsi dentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir, gleich direkt auf die wenigen, nach unserer Auffassung aber wesentlichsten Kritikpunkte zu diesem Gesetzentwurf einzu gehen.

Zum mobilen Alarm: Während seitens der Gerichtsvollzieher die Mithörfunktion trotz möglicher Schwierigkeiten bei der praktischen Umsetzung begrüßt wird, da die präventive Si cherheit dadurch erhöht werde, kritisierte beispielsweise das Oberlandesgericht Karlsruhe in der Anhörung, dass die Norm keine Vorgaben zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit enthal te. Auch müsse verdeckten Aufnahmen ein noch stärkerer Ausnahmecharakter zukommen. Weiter weist das OLG dar auf hin, dass im Einzelfall eine Kollision mit dem Kernbe reichsschutz und dem Schutz von Berufsgeheimnisträgern be stehe.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich denke, wir sind uns ei nig, dass der Grundgedanke, die im Einsatz befindlichen Jus

tizbeamten zu schützen – noch besser zu schützen –, richtig ist.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Angesichts der bisherigen Fallzahlen, wonach es innerhalb ei nes Jahres zu lediglich drei Alarmrufen kam, müssen die Not wendigkeit und der praktische Nutzen eines solchen Gesetzes allerdings bezweifelt werden. Insoweit teilen wir die auch vonseiten des Landesbeauftragten für den Datenschutz und des OLG Karlsruhe geäußerten grundrechtlichen Bedenken.

Der Vorschlag erscheint vielmehr als Beispiel dafür, wie Ge setze ohne einen praktischen Mehrwert – quasi auf Vorrat und Verdacht – geschaffen werden, mit ihnen aber zeitgleich es senzielle Grundrechte ausgehöhlt werden.

Bemerkenswert ist zudem, dass die Landesregierung klandes tin im Rahmen der Kostenfrage darauf hinweist, dass die im Besitz des Landes befindlichen 300 mobilen Geräte für Au ßendienstmitarbeiter auf Anregung der Polizei schon vor ei nem Jahr vorsorglich mit einer funktionierenden Abhörfunk tion ausgestattet worden seien, obwohl für diesen Einsatz – wie der Landesregierung durchaus bewusst war – damals ei ne gesetzliche Grundlage fehlte. Auch insoweit sehen wir Klä rungsbedarf.

Die Möglichkeit zur anlassbezogenen Videoüberwachung in Vorführräumen entspricht indes den praktischen Bedürfnissen und wird von uns ausdrücklich begrüßt. Gleichwohl bemän geln wir, dass im Rahmen der finanziellen Auswirkungen die Angaben zu den Mehrkosten fehlen. Es darf nämlich bezwei felt werden, dass an den Amtsgerichten die benötigte Technik bereits jetzt vorhanden ist.

Erhebliche Bedenken begegnen uns allerdings im Rahmen der Strafvorschriften – ein Punkt, der heute noch gar keine Er wähnung gefunden hat. Nach unserer Auffassung sind hier Änderungen rechtsstaatlich geboten, auch um Unsicherheiten in der Praxis zu vermeiden. Denn grundsätzlich verlangt die Richtlinie in allgemeiner Form wirksame, aber auch verhält nismäßige Sanktionen bei Verstößen gegen den Datenschutz. Die Verhältnismäßigkeit ist durch die vorliegende Umsetzung nach unserer Überzeugung nicht gewahrt.

Durch die sehr weit angelegte Fassung von § 10 Absatz 1 Nummer 1 wird schon bei einer rechtswidrigen Speicherung oder Nutzung etwa auch zu dienstlichen Zwecken der objek tive Tatbestand eröffnet. Eine hinreichende Einschränkung er folgt durch den sehr weiten Begriff der Schädigungsabsicht nicht. Es ließe sich beispielsweise vertreten, dass eine Nut zung der unrichtig verarbeiteten Daten zum Zwecke einer Strafverfolgung bereits eine Schädigungsabsicht begründet, da durch die Strafverfolgung den Betroffenen ein Schaden ent steht.

Durch eine derartige Kriminalisierung des Handelns von Jus tizbehörden schießt man nach unserer Überzeugung weit über das Ziel hinaus und fördert Unsicherheit in der praktischen Anwendung. Gerade für notorische Querulanten, etwa aus der Reichsbürgerszene, entsteht damit eine Möglichkeit, Verwal tungshandeln durch das Stellen von Strafanzeigen erheblich zu beeinträchtigen.

Bei alledem sollte schließlich nicht verkannt werden, dass die Adressaten des Gesetzes insbesondere Gerichte und Staatsan

waltschaften sind, während sich beispielsweise das Bundes datenschutzgesetz auch an andere, nicht öffentliche Stellen richtet. Ein derartiges Misstrauen gegenüber den Justizbehör den des Landes, wie es hier zum Ausdruck kommt, ist nach unserer Ansicht fehl am Platz.

Zudem leuchtet uns nicht ein, dass – wie bereits bei der Um setzung der Datenschutz-Grundverordnung deutlich wurde – viel Widerstand in Bezug auf Bußgelder für Behörden besteht, der einzelne Mitarbeiter bei Verstößen aber kriminalisiert wird. Hier, liebe Kolleginnen und Kollegen, besteht Korrek turbedarf.

Insoweit behalten wir uns ausdrücklich vor, entsprechende Änderungsanträge einzubringen, falls seitens der Landesre gierung nicht eine gebotene Korrektur erfolgt.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der SPD)

Ich sehe jetzt keine wei teren Wortmeldungen, meine Damen und Herren. Damit ist die Aussprache beendet.

Ich schlage Ihnen vor, den Gesetzentwurf Drucksache 16/5984 zur weiteren Beratung an den Ständigen Ausschuss zu über weisen. – Ich sehe keinen Widerspruch. Dann ist es so be schlossen.

Punkt 3 der Tagesordnung ist erledigt.

Ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf:

Antrag der Fraktion GRÜNE und Stellungnahme des Mi nisteriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz – Versicherungen und andere Möglichkeiten der Risiko- und Schadensminimierung bei wetterbedingten Schader eignissen in Landwirtschaft, Obst-, Wein- und Gartenbau – Drucksache 16/2053

Hierzu hat das Präsidium folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung fünf Minuten und für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.

Zuerst hat Herr Kollege Hahn für die Grünen das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolle ginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Der Klima wandel zeigt in den letzten Jahren ein sehr deutliches und scharfes Gesicht, vor allem für Landwirtinnen und Landwir te in Baden-Württemberg. Starke Wetterextreme, Starkregen, Hagel, Spätfrostereignisse, Frühblüten werden in der Land wirtschaft zu Risikofaktoren und prägen das Bild.

Solche Ereignisse hatten bereits erhebliche Auswirkungen. Dadurch sind große Schäden in unserem Land entstanden. Ich erinnere daran: 2011 betrugen die Schäden in Baden-Würt temberg schwerpunktmäßig im Bereich Weinbau rund 30 Mil lionen €, 2017 lagen sie durch eine Kombination aus Spätfrost und Frühblüte – eine extreme Situation – bei über 120 Milli onen €, und die Dürre im letzten Jahr verursachte in BadenWürttemberg Schäden in Höhe von über 50 Millionen €. Gleichzeitig sinken die Wasserpegel.

Die Situation spitzt sich zu. Ich glaube, es ist dringend gebo ten, dass die Politik handelt und Bäuerinnen und Bauern in dieser Situation unterstützt.

(Beifall bei den Grünen und des Abg. Dr. Patrick Rapp CDU)

Erfahrungswerte zeigen: Die Landesregierung hat gehandelt. Wir haben 2011, 2017 und 2018 Ad-hoc-Hilfen geleistet, die für die Betriebe wieder eine Liquiditätsvorsorge ermöglicht haben. Wir haben dort unterstützt, wo es zwingend war, wo Existenzen gefährdet waren. Das war wichtig und notwendig, ist aber langfristig natürlich kein Ziel und hilft uns nicht aus dieser Situation heraus. Aber die Landesregierung hat das ge tan, was notwendig war. Ich glaube, im Namen der Bäuerin nen und Bauern kann man sich dafür herzlich bedanken.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der CDU)

Klimarisiken und Wetterrisiken gab es innerhalb der Land wirtschaft natürlich immer, aber früher war eines entschei dend anders: Dann, wenn Erntegut knapp wurde, weil Tro ckenheit im Land herrschte, weil verschiedene Ereignisse zu sammenkamen, haben sich die Preise erhöht. Das ist in einer globalisierten Welt Gott sei Dank nicht mehr so. Die Verbrau cherinnen und Verbraucher in unserem Land haben es mit re lativ stabilen Lebensmittelpreisen zu tun.

Wir reden schon von Erhöhungen und Schwierigkeiten, wenn es, sage ich mal, um eher kleine Probleme geht. Aber früher haben solche Situationen wie 2018 zu regionalen Hungersnö ten geführt. Das haben wir Gott sei Dank dadurch im Griff, dass globalisierter Handel möglich ist. Aber die Situation für die Unternehmer vor Ort ist deswegen besonders schwierig, weil sich hierdurch die Preise regional nicht erhöhen, die Ern ten aber gleichzeitig sehr, sehr gering ausfallen und kaum noch ein auskömmliches Wirtschaften ermöglichen.

Zeitgleich erleben wir eine Spezialisierung in der Landwirt schaft. Das Fremdkapital nimmt zu, Betriebe müssen sich im Bereich Obst, im Bereich Wein noch spezialisierter aufstel len. Die Betriebe verfügen nicht mehr über eine vielschichti ge und vielseitige Aufstellung, die sie unterstützt hat, die auch eine gewisse Sicherheit mit sich gebracht hat.

Ich glaube, das verschärft die ganze Situation. Deswegen ist es wichtig, dass wir für die Zukunft neue Handlungsagenden auf den Weg bringen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Die erste Pflicht ist die Hilfe zur Selbsthilfe. Das machen wir. Das Land hat sofort gehandelt. Wir fördern Präventionsmaß nahmen im Bereich Hagelschutz, im Bereich Frostbewässe rung, wir fördern Vorsorgemaßnahmen für Wasser und Was serhaltesysteme. All dies wird von der Landesregierung schon seit Längerem unterstützt.

Auch die Landkreise sind unterwegs, erarbeiten Pläne für den Umgang mit Wasser. Denn – das ist, glaube ich, die entschei dende Frage – Wasser braucht es auf der einen Seite zur Be regnung, zum Gießen von Kulturen, aber im Frostfall braucht es auch erhebliche Wassermengen zur Frostberegnung. Dafür ist es zwingend erforderlich, dass Landkreise und Regional körperschaften daran arbeiten – ich nenne es mal so –, Mas

terpläne für Wasser bereitzustellen, um zukünftiges Wirtschaf ten von Landwirtinnen und Landwirten zu ermöglichen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Auch der Bund ist natürlich gefordert. Die Frage der steuer lichen Risikorücklage ist eine wesentliche Frage. Auch das ist eine Hilfe zur Selbsthilfe, die es Betrieben ermöglicht, mit Li quidität Vorsorge für extreme Ernteausfälle und fehlende Er träge zu treffen. Da fehlt uns noch die Sicherheit, die wir vom Bund gern hätten. Da brauchen wir noch mehr für die Land wirtinnen und Landwirte in unserem Land. Dort muss etwas passieren.

Gleichzeitig stellt sich die Frage – und das ist die entschei dende Frage, die es heute für mich auch zu bearbeiten gilt – nach der Mehrgefahrenabsicherung. Das ist ja auch das zent rale Anliegen in diesem Antrag. Es geht darum: Wie gehen wir hier vor?

Herr Minister, ich glaube, bis zum Sommer des vergangenen Jahres waren wir in Sachen Wasser eher einsam in der Bun desrepublik unterwegs; denn uns im Land der Sonderkulturen hat es mehrfach getroffen. Auch andere von Sonderkulturen geprägte Länder wie Rheinland-Pfalz hat es mehrfach getrof fen. In der breiten Landwirtschaft in ganz Deutschland war das jedoch kein so wirkliches Thema.