Protokoll der Sitzung vom 15.05.2019

Es handelt sich hier um schwerste einschränkende Maßnah men, die für die Betroffenen von extrem beklemmender Na tur sind. Das Bundesverfassungsgericht hat eindeutig klarge stellt, dass dies nur unter Richtervorbehalt erfolgen kann.

Man spricht hier von einer hohen Eingriffsintensität, gerade zu von einer Haft in der Haft. Und dafür sieht Artikel 104 Ab satz 2 des Grundgesetzes den weiteren verfahrensrechtlichen Vorbehalt einer richterlichen Entscheidung vor.

Meine Damen und Herren, es verdient festgehalten zu wer den, dass Sie es sind, nämlich die hier schon länger Regieren den, die zum x-ten Mal vom Bundesverfassungsgericht um die Ohren gehauen bekommen,

(Abg. Rainer Hinderer SPD: So ein Quatsch!)

dass Sie gegen unser Grundgesetz verstoßen haben.

(Beifall bei der AfD)

Die Anzahl der Verstöße ist nicht mehr zählbar. Und da muss man schon die Frage stellen, ob politische Gruppierungen, die fahrlässig mit der Verpflichtung, das Grundgesetz einzuhal ten, umgehen – die Fahrlässigkeit ergibt sich aus diesem Aus maß der Verstöße –,

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Ach Gott! Das glau ben Sie ja wohl selbst nicht, was man Ihnen da auf geschrieben hat! – Abg. Rainer Hinderer SPD: So ein Blödsinn!)

überhaupt den Willen haben, es einzuhalten. Das wiederum weckt die berechtigte Frage, ob sie überhaupt noch auf dem selben stehen.

(Beifall bei der AfD)

Bevor Sie es also in Zukunft wagen, die AfD anzugreifen und zu kritisieren, machen Sie erst einmal Gesetze, die einer Prü fung durch das Bundesverfassungsgericht standhalten.

(Beifall bei der AfD – Lachen der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Die Arroganz, mit der Sie der AfD – das war vorhin auch wie der der Fall – begegnen, ist offensichtlich umgekehrt propor tional zu Ihren Fähigkeiten.

(Lachen der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Jetzt befassen wir uns einmal mit dem Vorfeld des Gesetzes, also dem Stadium, bevor Patienten in die Einrichtungen kom men. Hierzu gibt es einige interessante Experimente, die ich Ihnen nicht vorenthalten will. Einmal wurden gesunde Perso nen beauftragt, als Freiwillige in psychiatrische Kliniken zu gehen. Sie haben dort die Wahrheit gesagt, aber ein Satz war gelogen: Sie haben behauptet, sie würden in ihrem Kopf Stim men hören. Daraufhin haben die Ärzte, obwohl diese Perso nen allesamt gesund waren, sie wegen Psychosen oder Schi zophrenie eingewiesen.

(Zuruf der Abg. Petra Krebs GRÜNE)

Nach einer Weile haben diese Scheinpatienten dann gesagt, sie wollten jetzt gehen, und haben die Ärzte darüber aufge klärt, dass dies nur ein Experiment gewesen sei. Jetzt wird es richtig bizarr. Was haben die Ärzte gesagt? Sie sagten: „Nein, Sie haben ein Problem. Da Sie nicht erkennen, dass Sie ein Problem haben, sind Sie krank, und wir können Sie nicht ent lassen.“ Diese Logik erinnert mich schon sehr stark an Bünd nis 90/Die Grünen in ihrer politischen Argumentation.

(Heiterkeit und Beifall bei der AfD – Lachen bei Ab geordneten der Grünen)

Noch etwas anderes war interessant: Die Probanden haben festgehalten, dass andere Patienten, die tatsächlich erkrankt waren, Zweifel geäußert hätten, ob es sich hier um echte Pa tienten handle. Von den Ärzten und vom Pflegepersonal sei dergleichen nie gekommen.

Die Patienten hatten die Situation wenigstens so weit unter Kontrolle, als sie sich zuvor selbst eingewiesen hatten. Was aber wäre gewesen, wenn die Einweisung von anderen insze niert worden wäre, ohne dass die angeblichen Patienten frei willig mitgewirkt hätten? Nehmen wir einmal einen geistig gesunden Menschen – wir haben vorhin Minister Lucha ge hört –, der in die Klinik kommt. Wie soll er unter Beweis stel len, dass er geistig gesund ist? Wir AfDler haben es einfach: Wir zücken unseren Parteiausweis. Aber wollen Sie wirklich Ihren zeigen?

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der AfD – Oh-Rufe)

Herr Abg. Hinderer, bit te. Sie sprechen für die SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, vielen Dank. – Meine lieben Kolleginnen und Kollegen!

(Abg. Petra Krebs GRÜNE: Sag etwas zur Sache!)

Was hat Herr Klos für krude Fantasien!

(Lachen bei Abgeordneten der AfD)

Was bauen Sie hier für einen Popanz auf, skandalisieren ei nen Vorgang, der im Gesetzgebungsverfahren eigentlich ganz normal verankert ist. Das ist ein unwürdiges Schauspiel, Herr Klos. Ihre Verschwörungstheorien nehmen Sie doch bitte wie der mit nach Hause.

(Beifall bei der SPD und den Grünen sowie Abgeord neten der CDU – Abg. Dr. Christina Baum AfD: Das ist ja schon vorgekommen, oder?)

Psychische Erkrankungen unterscheiden sich einfach von an deren Erkrankungen dadurch, dass etlichen Betroffenen die Erkrankung gar nicht bewusst ist und dass sie mitunter – das kommt vor – eine Behandlung, die ihren Gesundheitszustand verbessern würde, sogar ablehnen. Selbstverständlich gilt: Je der Erkrankte hat prinzipiell das Recht, eine Behandlung ab zulehnen. Wenn der Erkrankte aber nicht einschätzen kann, ob eine Behandlung überhaupt angesagt ist, kann er diese Ent scheidung vielleicht auch nicht hinreichend treffen.

Außerdem kann eine psychische Krankheit den Erkrankten selbst – wir haben es gehört – oder auch Dritte gefährden oder bedrohen. Deshalb muss manchmal einfach gegen den Willen der Erkrankten gehandelt werden, mit Zwangsunterbringung oder auch Zwangsbehandlung.

Dies greift in der Tat in die persönlichen Freiheitsrechte der Betroffenen ein. Deshalb haben wir bei der Erstellung des Psy chisch-Kranken-Hilfe-Gesetzes in der letzten Legislaturperi ode wirklich sehr, sehr ausführlich, Herr Klos, darüber disku tiert, welche Rechte Ärztinnen und Ärzte in der Akutbehand lung haben sollen und an welcher Stelle ein Dritter, nämlich eine Richterin oder ein Richter, eine weitere Unterbringung bzw. Behandlung gegen den Willen der Betroffenen zuerst einmal genehmigen muss.

Wir haben versucht – ich glaube, dies ist uns weitestgehend gelungen –, Verhältnismäßigkeit, praktische Anwendung und Patientenrechte in eine gute Balance zu bringen. Ich glaube, wir haben damals, jedenfalls was Unterbringung und Behand lung betrifft, eine ausgewogene Entscheidung getroffen. Ich erinnere daran, dass das Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz oh ne jegliche Gegenstimme hier im Landtag verabschiedet wor den ist, obwohl sehr viele Abgeordnete – jene, die in der letz ten Legislaturperiode dabei waren, werden sich erinnern – auch protestierende Stellungnahmen erhalten haben.

Jetzt geht es aber um die Situation, in der ein Erkrankter in der akuten Notfallbehandlung zusätzlich fixiert werden muss, weil er entweder andere oder sich selbst gefährdet. Diese Fi xierung will jeder Beteiligte vermeiden, aber leider ist sie manchmal nicht zu vermeiden. Nun hat das Bundesverfas sungsgericht uns als Gesetzgeber genau an diesem einen Punkt angewiesen, nachzubessern.

Das wird getan. Wir haben die Konsequenzen dieser Entschei dung bereits aufgrund eines Antrags von mir im Sozialaus schuss diskutiert. Minister Lucha hat uns nun – ich muss sa gen: für eine geordnete Beratung zum letztmöglichen Zeit punkt, Herr Minister – einen Gesetzentwurf dazu vorgelegt.

Um es kurz zu machen: Meine Fraktion kann mit den grund sätzlichen inhaltlichen Linien des Gesetzentwurfs gut leben.

Wir sehen die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts um gesetzt.

Was wir aber schwierig finden, Herr Minister – Sie haben vor hin versucht, es zu erklären –, ist die Art und Weise, wie Sie uns im Vorblatt des Gesetzentwurfs und in der Begründung über die finanziellen Auswirkungen dieses Gesetzes informie ren bzw. eben nicht informieren. Sie führen lediglich die Kos ten für die Umsetzung in den psychiatrischen Einrichtungen in Höhe von knapp 800 000 € an, verschweigen jedoch etwas anderes. Jetzt haben Sie es gerade gesagt, und Kollege Poreski hat darauf hingewiesen: Der etwas größere Aufwand ist es uns wert. Dann müssen wir diesen Wert aber auch beziffern. Auch Frau Kollegin Neumann-Martin hat die 20 zusätzlichen Stel len angesprochen, die vom Justizminister, bevor der Entwurf im Kabinett war, beziffert wurden.

Dazu gibt es auch schon Untersuchungen: 301 Fälle in einem Monat, das ist nicht banal. Deshalb sage ich – auch wenn Sie versucht haben, es zu erklären –: Sie müssen in das Gesetz auch hineinschreiben, was es insgesamt kostet. Sie dürfen in Bezug auf die finanziellen Auswirkungen nicht einfach über Fragen hinweggehen. So geht man mit dem Haushaltsgesetz geber nicht um, zumal, wenn wir in einem halben Jahr über den kommenden Doppelhaushalt entscheiden sollen.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der CDU und der FDP/DVP)

Wir haben ein Recht darauf, umfassend über notwendige Mehrkosten unterrichtet zu werden. Herr Minister, das haben Sie missachtet. Deshalb ist das wirklich ein Manko an diesem Gesetzentwurf. Wir stimmen ihm nach den Beratungen im Ausschuss aber voraussichtlich trotzdem zu.

(Heiterkeit des Abg. Thomas Poreski GRÜNE)

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Nun hat Herr Abg. Hauß mann für die FDP/DVP-Fraktion das Wort.

Sehr geehrte Frau Prä sidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Von meiner Vor rednerin und meinen Vorrednern wurde es ja mehrfach ange sprochen: Es geht um eine notwendige Anpassung von Maß nahmen. Aufgrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts und auch der EU-Richtlinie ist es notwendig, die Fixierungs maßnahmen unter Richtervorbehalt zu stellen sowie die ver pflichtende Belehrung aufzunehmen, dass es möglich ist, die Zulässigkeit dieser Fixierung nachträglich überprüfen zu las sen.

Wir diskutieren hier über ein äußerst sensibles und komple xes Thema. Ich habe schon das Gefühl, dass man diese The matik in Land und Bund mit der größtmöglichen Sensibilität und auch dem größtmöglichen Pflichtbewusstsein diskutiert. Ich glaube, es gibt nicht viele Länder, die sich bei diesem The ma so intensive Gedanken gemacht haben wie beispielswei se das Land Baden-Württemberg in der letzten Legislatur.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP, der Grünen und der SPD)

Es war ganz interessant: Gerade in der vergangenen Woche gab es im Deutschen Bundestag eine Expertenanhörung zu dieser Thematik. Diese Expertenanhörung ermöglichte Ein blicke in die Arbeit der psychiatrischen Kliniken. Es wurde auch noch einmal ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Fixierungen die Ultima Ratio darstellen. Denn zunächst kom men andere Methoden der Ruhigstellung zur Anwendung.

Ganz wichtig ist auch, dass für die Umsetzung der Betreuung ausreichend Personal vorhanden ist. Je mehr Personal zur Ver fügung steht, umso weniger Fixierungen sind notwendig. Auch hier wurde noch einmal klargemacht, dass eine 1:1-Be treuung bei der Fixierung dringend notwendig ist.

Interessant war aber auch der Hinweis aus der praktischen Ar beit von Ärztinnen und Ärzten, dass man sich durchaus wün schen würde, für die Zeit der Fixierung bis zur richterlichen Genehmigung maximal 60 Minuten statt 30 Minuten vorzu sehen. Das ist, denke ich, ein Punkt, den man im weiteren Ver fahren sicherlich im Auge behalten muss.

Ich will an dieser Stelle aber ausdrücklich noch einmal einen Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der psychiatri schen Einrichtungen der Kliniken und des Maßregelvollzugs richten und ebenso an die Richterinnen und Richter, die je weils im Einzelfall immer ganz schwierige Entscheidungen zu treffen haben. Ich glaube, da können wir auch von dieser Stelle aus einmal einen herzlichen Dank an diese Verantwort lichen in Baden-Württemberg sagen.