Protokoll der Sitzung vom 15.05.2019

Aus gegebenem Anlass möchte ich nur eines noch ergänzen: An diesen Aktivitäten sind in erheblichem Umfang auch Men schen mit Migrationshintergrund beteiligt, die im Übrigen auch in wesentlichem Umfang Verdienste dabei erworben ha ben, unser Land aufzubauen. Das ist der einzige Punkt, auf den ich eingehe, weil es eigentlich eine Beleidigung ist, so zu tun, als hätten sie unser Land nicht mit aufgebaut. Sie sind auch bei diesen Aktivitäten dabei. Das ist gut so.

Wir brauchen eine Anerkennungskultur für solche Aktivitä ten. Das weiß man. Die Menschen wollen, dass diese Aktivi täten respektiert werden. Sie wollen ein Zeichen der Anerken nung des Staates, und dafür ist dieses Programm natürlich gut. Da gibt es gar nichts zu sagen. Deswegen möchten wir an die ser Stelle auch ein – nicht allzu ausladendes – Lob an die Ad resse der Landesregierung aussprechen.

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Andreas Ken ner SPD – Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Vielen Dank. – Dann hat die Landesregierung das Wort. – Herr Minister Lucha, bitte.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kolle gen! Vorneweg: Frau Staatsrätin Erler wird jetzt hoffentlich – bestimmt! – im Livestream mitschauen.

(Abg. Gabi Rolland SPD: Sollen wir ihr einmal win ken?)

Als unsere Prima inter Pares bei dem Thema „Partizipation, Teilhabe, Bürgergesellschaft“ wird sie ob Ihrer wirklich lau nigen Debatte sicher einen Genesungsschub erfahren. Herzli chen Dank dafür. Natürlich hat die Höri-Sehnsucht auch bei mir sofort Bilder ausgelöst, liebe Kollegin Erikli – und sicher auch bei Gisela Erler, die mit der Bodenseeregion seit Lan gem verbunden ist.

Meine Damen und Herren, ich möchte einfach zu diesem För derprogramm – Sie haben Teile davon benannt – und auch zu dessen gutem Geist und dazu, was es in Form und Inhalt wirk lich bewirkt hat, etwas sagen. Es stärkt natürlich die Gesell schaft und die Bürgerbeteiligung in diesem Land.

Das Programm selbst ist ganz einfach: Bürgerinnen und Bür ger haben gute Ideen, wie sie ihre Stadt und Gemeinde gestal ten können. Natürlich wissen wir: Es fehlt ihnen oftmals an Unterstützung, um diese Ideen weiterzuentwickeln. Genau an

diesem Punkt setzt das Programm an. Über dieses Programm bekommen sie nämlich ganz praktisch einen Beratungsgut schein im Wert von 4 000 €. Das ermöglicht diesen Gruppen, diesen Initiativen, die auch nicht immer eine feste Verfasst heit benötigen, weil eine Idee manchmal auch temporär ist – Kollegin Erikli, Sie haben das richtig benannt –, ihre Idee un ter fachkundiger Anleitung weiterzuentwickeln. Es gibt ei gentlich nur die eine Vorgabe, dass die Maßnahmen mit Bür gerbeteiligung zu erfolgen haben.

Ja, Sie haben es erwähnt: Im Mittelpunkt dieses Programms stehen die Themen „Ländlicher Raum“, Quartiersentwicklung, Integration. Es geht um die vielfältige Gesellschaft, die Nor malität ist und die – Herr Goll, ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie das gesagt haben – die Grundlage für unseren Wohl stand ist, den wir gemeinsam aufgebaut haben.

Baden-Württemberg ist das Flächenland mit der umfang reichsten Migrationsgeschichte und gleichzeitig dem am bes ten verfestigten wirtschaftlichen Erfolg. Den haben wir die sem Sachverhalt zu verdanken. Herzlichen Dank; ich glaube, da sind wir uns hier auf dieser Seite einig. Aber auch Mobili tätsfragen – gerade Höri und anderes – wollen gelöst sein.

Mit „Gut Beraten!“ entstehen somit Konzepte auch für Dorf läden, für Bürgerbusse, für Beteiligungsrichtlinien, für Integra tionsarbeit, für ganz individuelle Wohnkonzepte – wenn wir jetzt auch die Weiterentwicklung der Wohnungspolitik unse res Landes anschauen –, für Nachbarschaftshilfe, aber auch für Formen der Unterstützung für Menschen im Quartier, im dörflichen Leben.

Das Programm hat derzeit tatsächlich ein Finanzvolumen von 1 Million €. Das ist sehr viel. Wenn Sie das durch 4 000 € tei len, stellen Sie fest, dass wir eine große Streubreite erreichen. Derzeit wird das interministerielle Programm finanziert – da rauf sind wir sehr stolz, auch auf unsere Arbeitsgruppe, Kol lege Hermann – vom Staatsministerium, vom Ministerium für Soziales und Integration, vom Verkehrsministerium und vom Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz. Sie sehen, wir ziehen da wirklich quer durchs Kabinett an einem Strang.

Was für uns auch sehr wichtig ist: Die Allianz für Beteiligung, eine außergewöhnlich gute Institution des Landes, führt das durch.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Welche Wirkungen erzeugt dieses Programm? – Ja, ihr habt schon genug gelobt; ihr könnt nicht auch noch applaudieren. Das verstehe ich.

(Vereinzelt Heiterkeit)

Erstens: Wir stärken die zivilgesellschaftlichen Gruppen in ih rem jeweiligen Selbstverständnis vor Ort, in der Selbstverge wisserung, dass ihr Tun auch richtig und anerkannt ist.

Zweitens: „Gut Beraten!“ ermöglicht, Ideen für das eigene Umfeld zu entwickeln, und natürlich – Herr Kenner, das ha ben Sie richtig angesprochen – stärkt es die Auftritte gegen über den kommunalen Stellen, gegenüber denen, die dort of fiziell Verantwortung haben, weil es sozusagen eine formale und auch tatsächliche Schulung und Beratung gibt.

Drittens wissen die Kommunen, dass das Programm vom Land auch durchgeführt wird. Man ist also auf Augenhöhe und in Partnerschaft, und die Kommunen profitieren davon. Sie kommen nämlich nicht mehr als Bittsteller, sondern brin gen in gewisser Weise eigenes Geld und Ideen mit.

Das gilt – Frau Erikli, ich kann es nur wiederholen – einfach auch für Gruppen ohne eingetragene Rechtsform; das war uns sehr wichtig. Denn die Besonderheit liegt darin, dass auch lo se verfasste Organisationsformen der Zivilgesellschaft unter stützt werden. In diesen Formen findet eben heutzutage viel soziales Engagement statt: Bürgerinitiativen, Agendagruppen, Arbeitskreise, die häufig auch temporär und aufgabenbezo gen sind und im Unterschied zum Sportverein oder zum Mu sikverein eben nicht die Dauer haben – aber einen Fokus. Bei des hat im Übrigen dieselbe Berechtigung.

Wir unterstützen vor Ort auch das Zusammenarbeiten von Kommune und aktiven Bürgerinnen und Bürgern. Eine wei tere Bedingung des Programms war, dass die Kommune von Anfang an in die Ideenentwicklung einbezogen ist. Dieses Programm zeigt, dass es tatsächlich gut funktioniert, wenn auf dieser Basis Ideen und Konzepte aufgenommen und später ge meinsam umgesetzt werden.

Wir haben einen weiteren Effekt: Wir fördern die Bereitschaft, Maßnahmen der Bürgerbeteiligung in Baden-Württemberg weiter umzusetzen; denn dieses „Gut Beraten!“ verpflichtet dazu, vor Ort viele Menschen einzubeziehen. So können Bür gerschaft und Kommune gemeinsam Maßnahmen der Bürger beteiligung ausprobieren und dazu auch Erfahrungen sam meln.

Es gibt diese Initiative – Sie haben es erwähnt – seit 2015, und bis heute haben wir 200 Projekte gefördert. Das ist eine gan ze Menge.

Warum ist diese Initiative so erfolgreich? Zum Ersten: „Gut Beraten!“ basiert auf ganz einfachen Verfahren, die auf die Bedürfnisse der Bevölkerung zugeschnitten sind. Das beginnt in der Tat bei den Antragsunterlagen, die jeder versteht, es geht weiter über ganz regelmäßige, verlässliche Ausschrei bungstermine und endet bei den für uns außergewöhnlich ein fachen Abrechnungsmethoden – ich glaube, der Straßenbau er würde sich das in seinem Bereich auch manchmal wün schen.

(Heiterkeit des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Ebenfalls wichtig sind die Ansprechpartner, die jeweils ganz verlässlich für Fragen zur Verfügung stehen, auch aus der Al lianz für Beteiligung.

Zum Zweiten: „Gut Beraten!“ hat ein sehr alltagsorientiertes Verständnis von Beratung. Hierbei steht eben das praktische Wissen im Mittelpunkt. Dadurch organisieren wir den Wis senstransfer, bei dem Menschen ihre Erfahrungen mit der Bür gerbeteiligung weitergeben können. Diese sogenannte – Kol lege Poreski – Peer-to-Peer-Beratung würdigt und verstärkt die Kompetenzen innerhalb der Zivilgesellschaft. Diesem Ef fekt ist es dann auch zu verdanken, dass sich die positiven Er fahrungen und guten Beispiele automatisch weiterverbreiten. Es besteht also im positiven Sinn Ansteckungsgefahr.

Zum Dritten – ich habe es schon erwähnt –: „Gut Beraten!“ wird von unserer Allianz für Beteiligung durchgeführt. Diese Allianz für Beteiligung ist sozusagen unser Intermediär zwi schen Politik und Zivilgesellschaft und wird als solcherart kompetente Institution auch wahrgenommen und akzeptiert – intermediäre, ausgleichende Verständigung, Kommunikation. Kommunikationshelfer, die das Verstehen fördern, erhöhen die Bereitschaft für Bürgerbeteiligung, wenn sie nämlich selbst Fairness, Transparenz und klare Regeln einhalten und wenn erlebbar wird, dass diese Regeln von allen Beteiligten einge halten werden – auch das ist ein gutes Beispiel dafür, wie es gelingen kann, dies im Sinne von „Täglich lernen wir Demo kratie“ fair, respektvoll und mit guten Regeln zu praktizieren. Dadurch wird ihnen selbst in diesem Bereich eine hohe Sach- und Methodenkompetenz zugeschrieben.

Ich glaube, dass dieses Vertrauen, das sich die Allianz für Be teiligung durch ihre hohe menschliche und fachliche Kompe tenz erarbeitet hat, ein gutes Pfund ist für die Weiterentwick lung vieler Bausteine. Sie haben es angesprochen, dass wir das Programm gern weiterführen möchten, und zwar auch in sofern: Das eine sind die formalen Haushaltsberatungen. Aber bisher sind wir drei Ressorts, die dieses schöne Projekt tra gen. Ich lade alle anderen zahlreich im Saal vertretenen Res sorts ein, sich zukünftig ebenfalls hieran zu beteiligen. Wir haben ja eine tolle interministerielle Arbeitsgruppe in vielen Punkten, bei der Digitalisierung, bei der Gestaltung des länd lichen Raums; wir werden, weil sich ja viele Bereiche für Bür gerbeteiligung eignen – Sicherheitsfragen und, und, und – – Wie setzen wir Digitalisierung um? Wie gestalten wir Apps für Bürgerbeteiligung? Es gibt viele Ideen. Ich glaube, da sind wir sehr, sehr pfiffig.

Ich bedanke mich in erster Linie natürlich bei der grünen Frak tion, die seinerzeit die Initiative hierfür ergriffen hat, und ich bedanke mich auch bei allen anderen, die dies mitgetragen ha ben.

Sie sehen, wie man mit vergleichsweise wenig Geld einen ganz hohen Identitätsfaktor mit unserer selbst gestalteten Form eines guten, fairen, zivilen und respektvollen Zusammenle bens schaffen kann – was noch dazu zu tollen Ideen führt, bei denen die Leute Spaß haben und auch Ergebnisse sehen.

In diesem Sinn: „Gut Beraten!“ – gut gemacht! Wir machen hier gut weiter.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe noch eine Wortmeldung von Herrn Abg. Dr. Gedeon. Gibt es weitere Wünsche, die darauf abzielen, die verbleibende Redezeit zu nutzen? – Wenn das nicht der Fall ist, dann hat jetzt Herr Abg. Dr. Gedeon das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die sogenannte Zivilgesellschaft ist im Wesentlichen eine rot-grüne Inzestveranstaltung; das heißt, Sie sind im Wesentlichen unter sich. Gerade diese Ver bindung zum Volk, die Sie postulieren, ist in der Regel nicht da. Vor allem haben Sie hier kein einziges Beispiel gebracht, wie das funktioniert. Ich würde doch gern einmal ein Beispiel

hören: „Es war vorher so, dann haben wir das und das ge macht, und dann ist das und das herausgekommen.“ Nichts Konkretes, keine konkreten Zahlen, allgemeines Geschwur bel. Das sind Geschichten.

Das gilt auch für die Höri, für das, was Frau Erikli hier gesagt hat. Ich wohne ja direkt an der Höri. Mich würde interessie ren, welche konkreten Aktionen da vorgekommen sind. Dar über hätte ich gern Informationen.

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Das kriegen Sie halt nicht mit! Wenn jemand abgedrehte Bücher schreibt, kriegt er das nicht mit!)

Solange das so ist, sind das Märchen aus Tausendundeiner Nacht, meine Damen und Herren.

(Vereinzelt Beifall bei der AfD – Zuruf des Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE)

Herr Sckerl, hören Sie zu. Lesen Sie lieber einmal meine Bücher. Dann verstehen Sie auch besser, was ich hier sage.

(Vereinzelt Lachen)

Ich bitte doch, hier konkreter zu werden und nicht ständig nur Hymnen anzustimmen, wie toll man ist, wie schön man das mit der Zivilgesellschaft macht. Bringen Sie Beispiele, brin gen Sie Statistiken oder sonst etwas. Sonst sind das nämlich nichts anderes als Märchen aus Tausendundeiner Nacht. Frau Erikli, die können Sie zu Hause vorm Kamin erzählen, aber am besten nicht im Landtag.

Danke schön.

(Beifall des Abg. Emil Sänze AfD – Abg. Reinhold Gall SPD: Bla, bla, bla!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, jetzt haben wir keine weiteren Wortmeldungen vor liegen.

Der Antrag Drucksache 16/2001 ist ein reiner Berichtsantrag. Diesen können wir somit für erledigt erklären. – Damit sind Sie einverstanden.

Ich rufe Punkt 8 der Tagesordnung auf: