Protokoll der Sitzung vom 15.05.2019

In Baden-Württemberg und insbesondere in den Ballungsräu men gilt eines: Seit 30 Jahren wird prognostiziert, dass die Be völkerungszahlen und damit der Bedarf an Wohnraum und Verkehrsinfrastruktur abnehmen. Kleines Problem: Die Be völkerung hält sich nicht daran.

(Heiterkeit des Abg. Winfried Mack CDU)

Das gilt natürlich insbesondere für Ballungsräume wie Stutt gart.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Das galt 2011 bei Grün-Rot auch schon! – Zurufe von der AfD)

Das heißt, wir dürfen nicht kurzfristig denken, sondern wir müssen auch Politik für diejenigen machen, die in zehn Jah ren hier stehen, vor allem aber für diejenigen, die in zehn Jah ren in diesem Land leben und arbeiten wollen.

(Beifall bei der CDU sowie der Abg. Hans-Ulrich Sckerl und Thekla Walker GRÜNE)

Man stelle sich einmal vor, wie es heute aussähe, wenn vor zehn bis 20 Jahren der Nordostring gebaut und in einem Tun nel tiefergelegt worden wäre. Das alles sind Projekte, die dis kutiert wurden und bei denen man gesagt hat: Das ist ja erst für die weite Zukunft. Wir könnten heute hier wunderbar fla nieren, und wir hätten 20 % weniger Verkehr und keinerlei Luftprobleme in Stuttgart.

(Beifall bei der CDU – Lachen des Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE – Abg. Anton Baron AfD: So ist es!)

Daher bleibt es für uns, die CDU, zentral, dass man nicht wie in der Wirtschaft von Quartal zu Quartal, sondern langfristig denkt und in die mittelfristige Zukunft investiert.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Das gilt für Investitionen in den ÖPNV – ETCS ist schon an gesprochen worden –, das gilt aber auch für die Verlegung des Durchgangsverkehrs weg von den am stärksten belasteten Na delöhren.

Um den CO2-Ausstoß und die Staus zu reduzieren sowie die Luft- und Lebensqualität in Stuttgart zu verbessern, haben wir seitens der CDU daher alles dafür getan – neben dem ÖPNV und vielen anderen Maßnahmen –, dass der Nordostring im Bundesverkehrswegeplan jetzt Planungsrecht hat, und wir ha ben in Zusammenarbeit mit der Bundesebene auch dafür ge sorgt, dass weitere Anträge, z. B. für den Bau der Filderauf fahrt, in den Bundesverkehrswegeplan außer der Reihe nach gereicht werden können und dann finanziert werden.

(Beifall bei der CDU)

Jetzt ist es bekanntermaßen so: Jede Koalition ist ein Kom promiss. Mir ist schon bewusst, dass der Verkehrsminister jetzt nicht vor Begeisterung sprüht, wenn es darum geht, den Nordostring tatsächlich zu planen oder den Antrag für die Fil derauffahrt auf den Weg zu bringen. Aber vielleicht wird es für ihn dadurch leichter, dass aufgrund der vielen Bundesmit tel für die Infrastruktur auch umweltschonende Maßnahmen wie Einhausungen und Untertunnelungen heute möglich sind. Damit kann etwa die hohe Bedeutung des Schmidener Felds für Landwirtschaft, Naherholung und Naturschutz erhalten werden.

Noch einmal gesagt: Auf der Habenseite stehen bessere Luft, eine deutliche Reduktion des CO2-Ausstoßes und eine Erhö hung der Lebensqualität in Stuttgart, und zwar ohne Verbote.

(Beifall des Abg. Hans Peter Stauch AfD)

So wird das Verkehrsministerium, wie zugesagt, eine Konzep tion vorlegen, wie der Stuttgarter Talkessel durch Infrastruk turmaßnahmen vom Durchgangsverkehr entlastet werden kann. Übrigens ist der erste Vorschlag, dass das Navi bei Stau auf der A 81 den Fahrer nicht durch den Talkessel leitet.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Jawohl! Richtig!)

Für uns gehören der Nordostring und die Filderauffahrt dazu – und deshalb werden wir bei diesem Thema nicht lockerlas sen, zum Wohle der Bevölkerung in Stuttgart.

(Beifall bei der CDU, Abgeordneten der Grünen so wie der Abg. Anton Baron AfD und Gabriele Reich- Gutjahr FDP/DVP)

Ich darf kurz zusammenfassen: In den letzten zwei Jahren, seitdem Sie Ihren Antrag gestellt haben, haben wir die perso nellen und finanziellen Voraussetzungen für die Umsetzung des Bundesverkehrswegeplans geschaffen, den Nordostring mit Planungsrecht in diesen Bundesverkehrswegeplan aufge nommen und alles vorbereitet, damit auch die Filderauffahrt darin aufgenommen wird. Zum Handeln brauchen wir also keinen Alibiantrag, sondern wir handeln einfach und lehnen den Antrag ab.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Nun hat Kollege Rivoir das Wort für die SPD.

Frau Präsidentin, meine Kollegin nen und Kollegen! Die Diktion des AfD-Antrags führt einmal mehr vor Augen, dass diese Partei keine nachhaltigen und zu kunftsfähigen Antworten auf die Probleme der Gegenwart und eben auch der Zukunft hat.

(Beifall bei der SPD – Widerspruch bei der AfD – Abg. Anton Baron AfD: Der war gut!)

Meine Damen und Herren, der Ruf nach mehr Straßen als All heilmittel für Mobilitätsprobleme passt wie der ganze Rest Ih res Parteiprogramms in die Sechziger- oder Siebzigerjahre, jedenfalls nicht in die Gegenwart. Der Antrag ist zwar zwei Jahre alt, aber wenn man ihn liest, könnte man auch meinen, er sei nicht von 2017, sondern von 1970 – wie auch immer.

Meine Damen und Herren, dieser Ruf nach dem massiven Straßenbau, in der gewählten Diktion, passt gewiss nicht in die heutige Zeit, in der die Jugend aus Sorge um das Weltkli ma auf die Straße geht und demonstriert und in der wir alle eigentlich um die Rettung des Weltklimas kämpfen sollten.

(Abg. Klaus Dürr AfD: Was ist an einer Straße bitte schlecht?)

Es wird an der einen oder anderen Stelle im Straßennetz Er gänzungen geben, und wir werden Ortsumgehungen benöti gen. Man darf die ganzen Dinge sicher nicht ideologisch se hen.

(Abg. Anton Baron AfD: Mit Individualverkehr ha ben Sie es nicht!)

Aber es ist ein Irrglaube, dass mehr Straßenbau die Verkehrs probleme und insbesondere die Verkehrsprobleme in der Re gion Stuttgart lösen wird.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Hermann Katzen stein GRÜNE)

Es sind jetzt auch ein paar Projekte genannt worden. Diese Projekte sind sehr schwer durchzusetzen. Ich glaube nicht, dass diese Projekte überhaupt ohne massive Gegenwehr der Bevölkerung umzusetzen sind. Sie werden uns auch langfris tig nichts bringen.

Ich habe da immer ein Beispiel. Ich habe jetzt schon ein paar Jahre auf dem Buckel und kann mich zumindest erinnern – vielleicht können auch Sie sich erinnern –: Ende der Sechzi gerjahre war zwischen dem Leonberger Dreieck und dem Kreuz Stuttgart eine in beide Richtungen zweispurige Auto bahn – also vierspurig –: Stau. In den Achtzigerjahren wurde sie ausgebaut zur sechsspurigen Autobahn: Stau. Jetzt haben wir achtspurige, zum Teil zehnspurige Autobahnen: Stau.

Herr Goeudevert – die einen oder anderen werden sich an ihn erinnern; er war mal Vorstandschef von VW – hat in den Neunzigerjahren gesagt: Wer Straßen sät, wird Verkehr ern ten. Da ist etwas dran, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen – Zurufe von der SPD und den Grünen: So ist es! – Abg. Nicole Razavi CDU: Das ist ja Quatsch! Das ist Unsinn!)

Deswegen ist es eine Lösung der Verkehrsprobleme in der Re gion Stuttgart – das ist der Schwerpunkt dieses Antrags –,

(Zuruf der Abg. Nicole Razavi CDU)

auf nachhaltige und für die Menschen in der Region tatsäch lich gesunde Art und Weise die Verkehrsprobleme zu lösen, indem wir den ÖPNV massiv ausbauen, sodass dieser gestärkt wird und es im Vergleich zum Auto günstiger, bequemer und schneller ist, die öffentlichen Verkehrsmittel – auch aus Grün den der Umweltfreundlichkeit und der Schnelligkeit – zu nut zen.

Auch wenn es manchen im Raum nicht passen wird: Auch das Projekt Stuttgart 21 ist ein Teil des Ausbaus des ÖPNV hier in der Region, weil es den Regionalverkehr schneller und ef fektiver macht und völlig neue, schnelle Verbindungen auf der

Schiene schafft. Es geht eben um den Ausbau des Nahverkehrs und des Regionalverkehrs, auch des Radverkehrs. Das macht die Mobilität nachhaltig.

Wer im Jahr 2019 unter unseren Randbedingungen maßlos den Bau von mehr Straßen fordert, wie es die AfD hier tut,

(Zuruf des Abg. Klaus Dürr AfD)

der tut dies auf Kosten kommender Generationen. Mit uns wird es nicht gehen.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD – Vereinzelt Beifall bei den Grü nen)

Nun hat das Wort für die FDP/DVP Herr Abg. Haußmann.

Sehr geehrte Frau Prä sidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, Mobilität ist die Pulsader der Wirtschaft, die Pulsader für die Bewegungen der Bürgerinnen und Bürger in unserem Land. Ja, Mobilität braucht eine gute Infrastruktur.

Schon vier Jahre vor dem Antrag hat die FDP/DVP-Landtags fraktion im Jahr 2013 eine umfangreiche Mobilitätsoffensive für Baden-Württemberg vorgelegt. Themen wie Zukunftstech nologien, Verkehrsmanagement, Mobilitätsdienste, „Ausbau der Netze“, Straßen und Schienen waren für uns im Fokus mit zahlreichen Vorschlägen, bei denen wir in den letzten Jahren dann zumindest einige Dinge in der Umsetzung gesehen ha ben.

Aber es gibt noch zahlreiche Herausforderungen, die wir bei dieser Thematik sehen, übrigens nicht nur in der Region Stutt gart. Wenn wir an die Straßenprojekte denken: Das ist nicht nur die Region, sondern das sind auch die A 8, die A 6, die A 5, die A 98. Es gibt zahlreiche Projekte, die wir initiieren müssen. Die Problematik der Mobilität am Bodensee, sowohl Straße als auch Schiene, zeigt schon, dass wir das ganze Land im Blick behalten müssen und eben nicht nur die Region hier. Unser Ansatz ist es, dass wir uns sowohl im ländlichen Raum als auch in den städtischen Bereichen um die Mobilität küm mern. Das ist der Unterschied. So macht man Verkehrspoli tik.