Protokoll der Sitzung vom 16.05.2019

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Es spricht jetzt Herr Abg. Professor Dr. Schweickert für die FDP/DVP.

(Unruhe)

Frau Präsidentin, lie be Kolleginnen und Kollegen! Kollege Paal hat gerade dar auf hingewiesen, dass der Antrag der SPD zwei Jahre alt ist. Ja, das stimmt; das ist aber kein Vorwurf an die SPD. Wir schieben natürlich einen großen Berg von Anträgen vor uns her.

Zum anderen: Das Gesetz aus dem Jahr 2015 soll nach zwei Jahren evaluiert werden. Ich weiß, das wäre laut Koalitions

vertrag 2017. Da können wir dann in die Details schauen. – Auf jeden Fall liegt jetzt ein Ergebnis vor, und das Ergebnis kann man diskutieren. Genau das steht ja auch in Ihrem Ko alitionsvertrag – ich zitiere –:

Wir werden überprüfen, ob das Bildungszeitgesetz diesen Anforderungen, gerade im Hinblick auf die Interessen von Handwerk und Mittelstand, gerecht wird. Das Bildungs zeitgesetz wird deshalb nach zwei Jahren evaluiert und novelliert.

Das heißt, es steht schon drin, dass es geändert wird.

Da kann ich die Kollegen von der SPD schon verstehen, ob wohl ich grundsätzlich zum Bildungszeitgesetz eine ganz an dere Einschätzung habe; ich bin nämlich der Meinung, dass es überflüssig ist. Aber bei einem Punkt kann ich Sie verste hen: dass natürlich dann eine Diskussion, wenn in den Neben abreden steht – – Auch da zitiere ich einmal:

Wenn sich bei der Evaluierung keine gegenteiligen An haltspunkte ergeben, werden wir die Novellierung so aus gestalten, dass bei betriebsbezogenen Fortbildungen wei terhin der volle Anspruch an Freistellungen besteht. Bei Fortbildungen ohne betrieblichen Bezug werden bis zu zwei Urlaubstage mit den Freistellungen verrechnet.

Da ist eigentlich schon alles geschwätzt.

(Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Eben!)

Jetzt schaue ich mir die Ergebnisse an. Bei dem Ergebnis, Frau Ministerin, dieser Evaluierung könnte man ja fast sagen: Sie und ihr Ministerium können sich beim Thema Bildungszeit jetzt einmal selbst eine Bildungszeit gönnen. Denn die Eva luation hat ja genau und zielgerichtet diese Ergebnisse ge bracht, die Sie brauchen, um Ihre Nebenabreden umzusetzen.

Ich empfehle, dass Sie diese Bildungszeit dann – so sage ich einmal – so nehmen, dass die Unternehmensrealität abgebil det wird. – Eigentlich habe ich gedacht, da kommt jetzt ein Zwischenruf: „Das braucht sie nicht, weil sie weiß, wie es funktioniert.“

(Abg. Claus Paal CDU: Wunderbar!)

Genau so ist es. Die Unternehmen im Land wissen eigentlich, wie Weiterbildung funktioniert, wie Qualifizierung funktio niert. Da brauchen sie nicht von staatlicher Seite ein Gesetz, das es ihnen vorschreibt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der AfD)

Wenn wir dabei sind, müssen wir feststellen, dass diese Er gebnisse, die jetzt vorliegen, klar zeigen, dass das damals vom Gesetzgeber gesetzte Ziel nicht ansatzweise erfüllt worden ist. Wir haben es auch heute Morgen schon gehört: Nur jeder drit te Berechtigte kennt das Gesetz überhaupt. Das zeigt doch schon eklatant, dass das Gesetz offenbar an den Bedarfen und an den Interessen auch der Betroffenen weitestgehend vorbei geht.

(Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

Die Evaluation hat weiter zutage gefördert – das ist, finde ich, noch viel deutlicher –: Nur jeder hundertste Berechtigte hat Bildungszeit tatsächlich in Anspruch genommen. Viel mehr haben aber natürlich betriebliche Fortbildungen in Anspruch genommen.

Meine Damen und Herren, bereits vor der Einführung des Ge setzes haben wir unsere Bedenken hinsichtlich der Ausdeh nung des Gesetzes auf die nicht betriebsbezogenen Weiterbil dungsmaßnahmen aus dem politischen und dem ehrenamtli chen Bereich zum Ausdruck gebracht. Ich zitiere einmal:

Qualifizierungen zur Wahrnehmung ehrenamtlicher Tä tigkeiten, die von befragten Teilnehmenden aktuell oder zuletzt besucht wurden, fanden am häufigsten in den Be reichen Sport und Amateurmusik statt.

So heißt es in der Evaluation. Ich freue mich für den Sport, und ich freue mich für die Amateurmusik. Aber wenn das Ziel war, gerade die ältere Bevölkerung im Bereich der politischen Bildung fortzubilden – wie es gerade eben Thema der Ausei nandersetzung war –, muss man wohl sagen: weit gefehlt.

Die Ergebnisse der Evaluierung zeigen deutlich, dass wir auch hier – natürlich – eine hohe Zahl von Rechtsstreitigkeiten ha ben. Etwa ein Viertel der befragten Teilnehmer geben an, dass es bei der Beantragung von Bildungszeit zu Streitigkeiten mit dem Arbeitgeber kam. Ein Teil dieser Befragten hat auch ju ristische Schritte eingeleitet. Insgesamt sind zwölf Urteile in der Datenbank „Landesrechtsprechung Baden-Württemberg“ veröffentlicht.

Was sind denn das für Rechtsstreitigkeiten? Das sind Streitig keiten, wie sie aufgrund der unscharfen Terminologie von vornherein vorhersehbar waren. Diese Unschärfen haben wir damals schon bei der Einbringung dieses Gesetzentwurfs kri tisiert. Die Rechtsstreitigkeiten sind auch deshalb vorherseh bar, weil der Arbeitgeber ja Fortbildungen hinnehmen soll, die keinerlei Bezug zu seinem Betrieb oder der betrieblichen Auf stellung des Mitarbeiters haben. Das kostet Geld, das kostet Zeit, das beschädigt auch den Betriebsfrieden und untermi niert ein weiteres vertrauensvolles Zusammenarbeiten – und bindet natürlich auch Kapazitäten vor Gericht.

Aber werfen wir jetzt einmal einen Blick in den vermeintlich sinnvollen Teil dieses Gesetzes: Zur betriebsnahen Fortbil dung stellt die Studie fest:

Gleichzeitig sind positive Effekte hinsichtlich der wirt schaftlichen Herausforderungen wie die Digitalisierung, der Fachkräftemangel, die Erhöhung der Beschäftigungs fähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit nur in geringem Um fang gegeben.

Meine Damen und Herren, das Bildungszeitgesetz kann halt nicht den hierfür gesetzten Zielen zur Digitalisierung oder zum Fachkräftemangel nachkommen. Deshalb bleiben wir bei dem, was wir schon bei der Einbringung dieses Gesetzent wurfs gesagt haben: Wenn man das Ziel nicht erreicht, dann braucht man das Gesetz nicht. Wenn ein Gesetz nur so wenig beibringt, dann ist es gescheitert. Deswegen, meine Damen und Herren, gehört das Bildungszeitgesetz nicht novelliert, sondern abgeschafft.

(Zuruf des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktions los])

Das ist ein wirtschaftlicher Totalschaden. Man fängt bei ei nem Totalschaden auch nicht an, am Auto hier herumzurepa rieren,

(Abg. Jochen Haußmann FDP/DVP: Frei nach Mon tesquieu!)

sondern zeigt klare Kante.

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Klaus Dürr AfD)

Jetzt spricht Frau Minis terin Dr. Hoffmeister-Kraut für die Regierung. – Bitte.

(Abg. Anton Baron AfD: Das ist eine unliebsame Aufgabe, dazu zu sprechen!)

Sehr geehrte Landtagspräsiden tin, meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Ich glau be, es ist unbestritten, dass die Unternehmen im Land drin gend gut aus- und weitergebildete Fachkräfte brauchen, vor allem vor dem Hintergrund des technologischen Wandels, Stichwort Digitalisierung und Stichwort „Zukunft der Mobi lität“. Hier bestehen große Chancen, aber eben auch große He rausforderungen – auch und speziell für die Arbeitswelt.

Deshalb ist uns, der Landesregierung, die Weiterbildung der Beschäftigten ein ganz wichtiges, ein zentrales Thema dieser Zeit. Lebenslanges Lernen ist für die Beschäftigten, wie auch für uns alle, nicht nur notwendig, sondern vielmehr ein ech tes Asset. Es ist für jeden Einzelnen von uns wichtig, damit wir auch gemeinsam diesen Wandlungsprozess, diesen Trans formationsprozess gestalten können. Eine gute Qualifikation und die Bereitschaft zu einer stetigen Weiterqualifizierung si chern langfristig Chancen auf dem Arbeitsmarkt und ermög lichen die Teilhabe an der digitalen Welt.

Erfreulicherweise – das ist in dieser Diskussion bisher zu kurz gekommen – liegt die Weiterbildungsquote in Baden-Würt temberg schon jetzt deutlich über dem Bundesdurchschnitt und ist auch höher als in Ländern, in denen ein Bildungszeit gesetz schon seit vielen Jahren gilt.

Wir fördern in Baden-Württemberg die berufliche Bildung al so schon heute in den verschiedensten Bereichen. Insgesamt haben wir im Jahr 2018 rund 24 Millionen € für die berufli che Weiterbildung investiert. Ich möchte beispielhaft Projek te nennen: zum einen das Weiterbildungsportal, die Förderung überbetrieblicher Berufsbildungsstätten, die Netzwerke für berufliche Fortbildung, die Regionalbüros, die „Qualifizie rungsoffensive Digitale Kompetenzen“ oder auch das Meis ter-BAföG.

Wir werden bei der Qualifizierung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch nicht nachlassen. Genannt seien hier die neuen Qualifizierungsverbünde, die Mitte des Jahres ihre Ar beit aufnehmen werden. All diese ganz konkreten Maßnah men kommen nachweislich bei den Menschen an und tragen maßgeblich zu unserem Ziel bei, den Menschen in unserem Land lebenslanges Lernen zu ermöglichen.

Natürlich gibt es auch noch das Bildungszeitgesetz – für die SPD ein Erbe ihrer Regierungszeit

(Abg. Jonas Weber SPD: Ein Erfolg unserer Regie rungszeit!)

und deshalb offensichtlich eine unantastbare heilige Kuh.

(Abg. Daniel Born SPD: Nein! Ein Erfolg für die Menschen im Land!)

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, Bewahrung des Be stands ist das eine, aber von Zeit zu Zeit muss eben auch die Frage erlaubt sein, ob bestehende Regelungen noch den aktu ellen Herausforderungen gerecht werden.

Herr Born, ich glaube, Sie waren es – es kam ein Ruf aus Ih rer Fraktion –, der die Frage gestellt hat: Warum überhaupt ei ne Evaluation? Wenn Sie das Bildungszeitgesetz so gut ken nen: Ins Bildungszeitgesetz ist ein Paragraf aufgenommen worden, der eine automatische Evaluation nach vier Jahren vorgibt.

(Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Eben! Das hätte auch Sinn gemacht!)

Eine Evaluation war von vornherein vorgesehen.

(Abg. Daniel Born SPD: Zu einer guten Evaluation gehört auch der richtige Zeitpunkt! – Gegenruf des Abg. Claus Paal CDU: Den haben wir jetzt!)

Jetzt haben wir das Jahr 2019.