Deshalb ist klar: Rohstoffbeschaffung, also Lebensmittelbe schaffung, ist ein ganz zentrales Thema, sowohl was Bio als auch was den regionalen Anteil angeht. Ich bin froh, dass wir unsere Beschaffungsrichtlinie im Frühjahr letzten Jahres auch dahin gehend geändert haben, dass es in Zukunft möglich ist, für die Beschaffung Vorgaben zu machen, dass beispielswei se in Kantinen eben ein bestimmter Anteil regional und bio logisch erzeugter Lebensmittel angeboten werden muss.
Meine Damen und Herren, das alles setzt voraus, dass diese erhältlich sind. Ich glaube, dass deshalb die Bio-Musterregi onen – wir haben jetzt neun an der Zahl, die im Land einge richtet sind – notwendig sind, um dieses Netzwerk zu aktivie ren, damit am Ende auch Vertrieb und Angebot – nämlich „end of the pipe“, im Lebensmittel selbst – stimmen und auch zur Verfügung stehen.
Deshalb glaube ich, dass wir in der Zielrichtung auch so weit gehen müssen, dass wir nicht bei neun Bio-Musterregionen stehen bleiben, sondern eines Tages – in naher Zukunft, z. B. in der nächsten Legislaturperiode – so weit sind, die Lehren aus den Bio-Musterregionen zu ziehen, um zu sagen: Wir brauchen ein flächendeckendes Netz von Bio-Musterregio nen.
Das heißt, das Netzwerk derjenigen, die biologisch verarbei ten, produzieren etc., muss in Baden-Württemberg flächende ckend vorhanden sein. Das muss die Zielsetzung sein, wenn wir das Ganze engagiert und erfolgreich umsetzen wollen.
Ich bin froh und dankbar, dass Sie, Herr Kollege Grath, dar auf hingewiesen haben, dass sich in den Kantinen Qualität und bezahlbarer Preis nicht gegenseitig ausschließen. Dass die DGE, die Deutsche Gesellschaft für Ernährung, dabei betei ligt war, finde ich gut.
Es hat nichts mit Ideologie zu tun, wenn man sagt: Der Fleischanteil in unserer Ernährung – das, was angeboten wird – ist zunächst einmal grundsätzlich zu hoch. Das ist einfach eine Tatsache.
Man muss kein Vegetarier oder auch kein Veganer sein, um zu fordern, dass die Fleischanteile insgesamt sinken müssen. Das heißt nicht, dass nicht jeder individuell selbst entschei den kann, was er isst und wie er isst.
Das ist die zweite Frage. Aber darüber, dass man die Fleischan gebote insgesamt reduzieren kann, sind wir, glaube ich, völ lig einer Meinung.
Ich bin noch zu einer Zeit aufgewachsen – in ein katholisches Umfeld hineingeboren –, in der man automatisch Flexitarier war. Zum Zweiten bin ich in eine Zeit hineingeboren – Sech zigerjahre, auf dem Land –, in der der Wohlstand und der Reichtum noch nicht so weit ausgeprägt und vorhanden wa ren, dass man sich jeden Tag alles leisten konnte. Meine Mut ter hatte noch einen eigenen Hausgarten etc. Da ist man mit dem Thema „Abwechslung auf dem Speiseplan“ aufgewach sen; daran war man gewöhnt.
Ich glaube, es ist wichtig und notwendig – – Das Bewusstsein wächst ja Gott sei Dank wieder, dass ein abwechslungsreicher
und nicht notwendigerweise ein Fleischanteil von 50 % jeden Tag das Gericht bestimmen muss. Ich glaube, das ist völlig klar. Deshalb ist es wichtig, dass die DGE bei der Erstellung der Speisepläne mit im Boot war.
Wenn man die Fleischanteile, das Angebot an Fleisch auf ein vernünftiges Maß, das auch ernährungsphysiologisch richtig und wichtig ist, reduziert, kann man in der Summe auch Geld sparen, das man letztlich wieder für den Einkauf hochwerti gerer und teurer Lebensmittel einsetzen kann. Wenn man das noch in der Bevorratung just in time macht und auch einmal den Mut hat, um 12:45 Uhr zu sagen: „Heute ist ein Gericht nicht mehr verfügbar, weil die Nachfrage so groß war“, dann, muss man sagen, wäre das Ziel schon erreicht, dass man ein Budget zur Verfügung stellen kann, das die Arbeitnehmerin nen und Arbeitnehmer oder die Studierenden in der AußerHaus-Verpflegung nicht über Gebühr belastet.
Meine Damen und Herren, damit ist klar: Wir werden das Pro jekt nach 2019 evaluieren und schauen, wie es dann aussieht. Wir müssen aber an dieser Baustelle weiter etwas tun, um die regionale Wertschöpfung, die Wertschöpfung der Landwirte im Land, aber genauso der Metzger und Bäcker, also des Ver arbeitungsgewerbes, das meist mittelständisches Gewerbe ist, und auch der Gastronomen in Baden-Württemberg entspre chend zu erhöhen.
Lieber Herr Kollege Palka, ein Ministerium bzw. die nachge ordneten Behörden sind verpflichtet, Menschen auch zu bera ten. Entschuldigung, was tun wir anderes in den Schulen?
Wir beraten Schüler, wir lehren Schüler etwas und beraten sie, wie sie auf ihrem Lebensweg am besten zurechtkommen. Na türlich ist es wichtig und notwendig, bei einem so zentralen Thema wie der Ernährung – Fehlernährung verursacht hohe Kosten im Gesundheitssystem –
immer wieder Fortbildung, Ausbildung und Erziehung zu be treiben. Das halte ich für essenziell, ebenso, wie es notwen dig ist, die Menschen zu überzeugen. Entscheiden müssen sie am Ende selbst. Ich glaube, das ist ganz essenziell.
Wir müssen dabei mit den Kleinsten beginnen. Deshalb steht das Thema „Bewusste Kinderernährung“ auf der Tagesord nung. Wir haben uns das Ziel gesetzt, in diesem Jahr 500 zer tifizierte Kindertagesstätten, Kindergärten etc. zu finden, die sich mit dem Thema „Bewusste Kinderernährung“ auseinan dersetzen – 500 im Jahr 2019 –, im nächsten Jahr 2020 noch einmal eine Steigerung auf 750 zu erzielen, um im Jahr 2021
auf 1 000 zu kommen, damit wir ein flächendeckendes Netz haben, durch das Kinder praktisch schon mit dem Thema auf wachsen und spielerisch statt mit erhobenem Zeigefinger aus gewogene, vielfältige und vernünftige Ernährung erlernen.
Dazu müssen wir auch die regionalen Erzeuger stärken und dürfen deren Produktion nicht ständig deckeln. Wir dürfen sie auch nicht ständig bevormunden. Deshalb wende ich mich auch sehr dagegen, dass es zu überbordender Bürokratie kommt, sowohl für Ökolandwirte als auch für konventionel le. Wir müssen alles tun, damit wir diese Minderheit, nämlich die Minderheit der Landwirte und derer, die noch wie in Ba den-Württemberg in vernünftigen Strukturen wirtschaften – die sind auch bundesweit in der Minderheit –, auch halten, weil sie für unsere Lebensgrundlagen zwingend notwendig sind, weil sie für unsere Landschaft, aber auch für unsere Er nährung und das, was wir täglich zu uns nehmen, zwingend notwendig sind.
Es würde eine Schere aufgehen, wenn wir lediglich 30 % Bio anteil fordern würden; da kann ich dem Kollegen Grath nur beipflichten. Ich sage aber nicht nur allein Bio, wir müssen auch den regionalen Anteil deutlich erhöhen,
der derzeit auch unter 50 % liegt, und ihn auf deutlich über 50 % lupfen – Stichwort: regionale Wertschöpfung. Wenn wir einerseits eine Erhöhung der regionalen und Bioanteile for dern, aber andererseits die Arbeitsbedingungen dort ständig erschweren, muss man überlegen, wie man aus dem Dilem ma herauskommt. Das trifft auch für die Verarbeiter und letzt endlich auch das Handwerk zu. Deshalb ist ganz entscheidend, dass wir dort alles tun, um die Produktion in Baden-Württem berg aufrechtzuerhalten und tatsächlich nach vorn zu bringen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, deshalb sage ich ganz klar: 30 % Bioanteil kann eine Zielsetzung sein, 60 bis 70 % Regionalanteil kann eine Zielsetzung sein. Wir müssen nach der Auswertung im Jahr 2019 – das rege ich an – im nächsten Jahr um diese Zeit erneut eine Diskussion darüber führen, welche Konsequenzen wir aus den bisherigen Modell projekten ziehen, um die regionale Wertschöpfung zu erhö hen, um das Leben der Menschen in unserem Land und auch deren Ernährungsgrundlage zumindest dort zu verbessern, wo wir mit gutem Beispiel vorangehen können, nämlich in den landeseigenen Kantinen. Auf diese Diskussion bin ich ge spannt. Ich glaube, dass wir ohnehin dazu kommen werden, wenn ich sehe, was sich im Volk alles bewegt, auch an Moti vation zum Thema Biolandbau, Ökolandbau und dergleichen. Wir werden diese Diskussion auch im Landtag führen.
Denn mit einem Gesetzentwurf – käme er durch oder nicht; ich will ihn gar nicht bewerben – ist es allein zunächst nicht getan. Es muss allen klar sein, dass Gesetzentwürfe zu Bio produktion und dergleichen wunderbar und schön sind, dass
zum Erfolg aber auch gehört, dass die Nachfrageseite mitge zogen wird. Wer die Nachfrager, also die Konsumenten, die Bürger, nicht mitnimmt,
Deshalb werden wir alles daransetzen müssen, auch die Nach frageseite zu stimulieren. Wenn wir höhere Bioanteile und hö here regionale Anteile wollen, dann muss auch die Nachfra geseite stimuliert werden, und dann müssen wir auch bereit sein, mehr Input in Kampagnen und dergleichen mehr zu ge ben, wie es große Lebensmittelfirmen für ihre Produkte ja auch tun.
Dann müssen wir bereit sein, für Produkte, die wir für gut be finden, mehr zu investieren. Das wird eine der großen Kern aufgaben der nächsten Monate sein, uns darüber gemeinsam zu verständigen.