Das Bundesverfassungsgericht hat im Dezember 2017 hierzu eine Entscheidung getroffen. Es hat entschieden, dass zwar kein Anspruch auf einen Medizinstudienplatz besteht, dass je doch ein Anspruch besteht auf eine chancengerechte, eig nungsorientierte Auswahl. Diesen Anspruch haben Bund und Länder bis Ende 2019 umzusetzen.
Lassen Sie mich noch einmal einen Blick auf das werfen, was das Bundesverfassungsgericht in Bezug auf das Zulassungs verfahren beim Medizinstudium moniert hat. Erstens: Die Wartezeit sei zu lang. Zweitens: Die Abiturnoten seien unter den Ländern nicht vergleichbar; die Unterschiede seien zu
mindest bei der Zulassung chancengerecht auszugleichen. Drittens: Schulnotenunabhängige Kriterien seien mit erhebli chem Gewicht zu berücksichtigen, damit man den Anforde rungen in Studium und Beruf gerecht werden könne.
Schließlich fordert das Bundesverfassungsgericht, der Gesetz geber müsse das Wesentliche zu den Kriterien der Auswahl selbst regeln.
Wie Sie sicher alle wissen, wählen die Universitäten bei uns in Baden-Württemberg in der Medizin bereits seit Jahren an hand eines Kriterienmixes aus, und sie haben damit sehr gu te Erfahrungen gemacht. Wir haben einen Test für medizini sche Studiengänge, der mit praktischen Vorerfahrungen kom biniert wird, die neben der Abiturnote berücksichtigt werden. Damit wird ein Verfahren gewährleistet, das die Chancenge rechtigkeit und die Chancenoffenheit in Baden-Württemberg deutlich besser abbildet, als es in manch anderem Bundesland der Fall ist. Es gab in Baden-Württemberg dadurch Zulassun gen mit einer Abiturnote von bis zu 2,7. Wäre in Baden-Würt temberg im Bereich Medizin nur nach der Abiturnote ausge wählt worden, läge die Auswahlgrenze bei 1,2. Mit anderen Worten: Nicht einmal 3 % aller Abiturientinnen und Abituri enten hätten in der Rangfolge der Abitur-Besten eine Chance gehabt.
Die Rückmeldungen zur Entscheidung des Bundesverfas sungsgerichts werden von unserer Seite daher begrüßt. Diese bringt die Studienplatzvergabe bundesweit noch einmal deut lich voran.
Ich freue mich, dass wir hier heute einen Gesetzentwurf auf der Basis einer Verständigung der Länder diskutieren können. Die Länder haben sich in der kurzen zur Verfügung stehenden Zeit geeinigt und haben, wie ich finde, ein sehr gutes Ergeb nis erreicht.
Es ist ja schon berichtet worden, auch im Ausschuss, dass En de März 2019 ein neuer Staatsvertrag zum zentralen Vergabe verfahren für die Studiengänge Medizin, Zahnmedizin, Phar mazie und Tiermedizin beschlossen wurde. Folgende Punkte sind in diesem Staatsvertrag geregelt:
Zweitens: Er stärkt schulnotenunabhängige Eignungskriteri en neben der mit einem Ausgleichsmechanismus bewerteten Abiturnote.
Viertens – darüber freue ich mich besonders –: Es ist uns ge lungen, eine Quote für sogenannte versteckte Talente zu eta blieren. Damit bestehen schulnotenunabhängige Chancen für alle Bewerberinnen und Bewerber, sich für den Arztberuf zu empfehlen, auch wenn die Abiturnote nicht so gut war – also für diejenigen, bei denen die Motivation, die persönliche Eig nung und die Voraussetzungen stimmen.
Wir im Land wollen die neuen Rahmenbedingungen nutzen, um auch die Verfahren im Land, die schon sehr gut sind, wei ter zu optimieren, und wir werden mit dem Gesetzentwurf,
der heute eingebracht wird, die länderseitigen Spielräume nut zen. Wir bauen auf den Erfahrungen unserer Hochschulen auf, wollen die Verfahren aber hinsichtlich Chancengerechtigkeit und Transparenz weiter verbessern. Folgende Punkte stehen in unserem Gesetzentwurf im Vordergrund:
Drittens: Wir nutzen die Konkretisierungsspielräume für die Hochschulen, denn sie sind die Experten für die richtige Aus wahl.
Viertens: Wir entwickeln Verfahren weiter, vor allem in Hoch schulverbünden; denn die Zusammenarbeit über die Hoch schule hinweg dient der Qualitätssicherung sowie den Bewer berinnen und Bewerbern, weil sie Anerkennungsmöglichkei ten und damit breitere Chancen schafft.
Erstens: Die Chancen auf einen Studienplatz werden nicht mehr überwiegend von der Abiturnote abhängen.
Chancen bestehen für alle Studieninteressierten und können an mehr Studienorten als bisher genutzt werden.
Zweitens: Die Verfahren werden eignungsorientierter als bis her, auch im Hinblick auf den Beruf. Im Gegenzug kann ein Studienplatz nicht mehr „erwartet“ werden. In den ersten bei den Jahren gibt es jedoch für diejenigen, die aufgrund des al ten Verfahrens gewartet haben, unter bestimmten Vorausset zungen eine Übergangsregelung mit zusätzlichen Chancen im Rahmen der neuen schulnotenunabhängigen Quote. Es gibt also eine Übergangsregelung für die bisher Altwartenden.
Drittens muss man festhalten: Zu Beginn des Verfahrens ha ben wir einige Umstellungen im Bereich der technischen Ver fahren vorzunehmen. Es gibt auch tatsächliche Gründe, die dazu führen, dass wir in den ersten Jahren noch gewisse Ein schränkungen einpreisen und einplanen müssen. Beispiels weise erwarten wir in den Jahren des Übergangs, dass münd liche Verfahren noch nicht möglich sein werden. Sie werden sukzessive sorgfältig entwickelt. Unsere Universitäten starten daher wie bisher mit Abiturtests und Vorerfahrungen, wie et wa Ausbildungen und Freiwilligendienste.
Wir nutzen die Übergangszeit aber dafür, die Verfahren ge meinsam mit den Hochschulen weiterzuentwickeln, und för dern bereits jetzt die Hochschulen, um die bestehenden Erfah rungen um weitere Elemente zu ergänzen. Dabei werden wir verstärkt auf soziale und kommunikative Fähigkeiten achten, die für den Arztberuf entscheidend und wichtig sind. Geplant sind die Integration sogenannter Interviewverfahren und die Evaluierung der Effekte von Vorerfahrungen sowie die Ent wicklung weiterer Testverfahren, z. B. im Bereich der Phar mazie.
Wir wollen auch die Möglichkeiten nutzen, Studienschwer punkte und -profile, etwa im Bereich der Allgemeinmedizin,
bei der Auswahl stärker zu berücksichtigen und aufeinander abzustimmen. Hierzu können die im Gesetz vorgesehenen Un terquoten genutzt werden.
Es ist natürlich auch ein Gewinn, wenn es uns gelingt – was wir im Grundsatz beschlossen haben –, künftig 150 Medizin interessierten mehr als bisher einen Studienplatz zu ermögli chen. Die Vorbereitung der entsprechenden Entscheidung ist ja gerade im Gang.
Gleichwohl wird es auch künftig mehr Studieninteressierte als Plätze geben. So ehrlich muss man sein, und man muss sich klarmachen: Wir werden kein Verfahren auf den Weg bringen, das all diejenigen, die es spannend finden, Medizin zu studie ren, in vollem Umfang zufriedenstellt oder ihnen allen einen Platz gewähren könnte. Das neue Verfahren wird also auch in Zukunft nicht alle Wünsche erfüllen können.
Auch wenn ein anderes Verfahren eventuell bedeutet, dass jetzt andere Bewerberinnen und Bewerber ausgewählt wer den: Es ist wichtig und wir stehen dafür ein, dass unser Ver fahren sicherstellt, dass alle Bewerberinnen und Bewerber die Chance haben, sich als geeignet zu empfehlen. Es soll ihnen aber auch helfen, eine eventuell ablehnende Entscheidung zu akzeptieren und positiv für andere Wege für sich zu nutzen. Genau dahin wollen wir kommen.
In diesem Sinn entwickeln wir auch die Verfahren der Studi engänge mit örtlichen Zulassungsbeschränkungen weiter. Wir haben ja viele örtlich zulassungsbeschränkte Studiengänge in Baden-Württemberg, und zwar rund 600 an der Zahl. Diese sind natürlich von ihren Voraussetzungen und Gestaltungen her nicht analog zum Studiengang Medizin, sie sind anders in der Aufstellung. Deswegen können wir das nicht 1 : 1 über tragen. Aber wir wollen die bereits jetzt etablierten Verfahren, die auch schulnotenunabhängige Kriterien berücksichtigen, künftig noch weiter stärken.
Für die örtlich zulassungsbeschränkten Verfahren werden wir aber die Wartezeit nicht abschaffen, sondern wir werden sie künftig auf sieben Semester begrenzen. Wir werden auch ei ne Quote für versteckte Talente ermöglichen und außerdem ähnliche Verfahrensregelungen wie beim zentralen Vergabe verfahren schaffen.
Und schließlich werden auch hier die wesentlichen Regelun gen zu den Auswahlkriterien künftig durch den Gesetzgeber getroffen. Auch hier fördern wir die Hochschulen bei der Ent wicklung neuer Zugangsverfahren.
Meine Damen und Herren, das Bundesverfassungsgericht hat die hohe Verantwortung des Gesetzgebers für das Zulassungs recht betont. Der Gesetzentwurf sieht für alle Verfahren vor, die Auswirkungen nach zwei Jahren noch einmal zu überprü fen. Dabei wird festgestellt werden, ob weitere Vorgaben für ein chancengerechtes und transparentes Verfahren erforder lich sind. Dabei sollen auch die kommenden Erfahrungen und Entwicklungen der Hochschulen mit einfließen.
Sie mögen ja vielleicht sagen, dass dies eine ganz komplizier te Thematik ist. Es muss sich ja auch nicht jeder in alle De tails eindenken. Man kann aber auch versuchen, eine solch komplizierte Thematik auf eine einfache Formel zu bringen. In meinem Haus habe ich Mitarbeiter, die sowohl die Tiefen und Details dieser Materie durchdringen, auf Bundesebene an
vorderster Front mit Lösungen erarbeiten und gleichzeitig in der Lage sind, die Dinge am Ende auf eine ganz einfache For mal zu bringen.
Falls Sie das Komplizierte nicht mögen, biete ich Ihnen eine einfache Formel an, entwickelt in meinem Haus. Sie lautet: „Nicht nur Noten, nicht mehr warten, in den Quoten gleich durchstarten.“
(Oh-Rufe – Abg. Raimund Haser CDU: Da geht ei nem aber das Herz auf! – Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Mehr Poesie!)
Ich bitte um zustimmende Behandlung dieses Gesetzentwurfs im Landtag. Wir wollen, wie vom Bundesverfassungsgericht vorgesehen, rechtzeitig zum Sommersemester 2020 mit der Zulassung für Medizin und die anderen Studiengänge des zen tralen Vergabeverfahrens starten können. Ich freue mich auf eine konstruktive Beratung dieser komplizierten, aber doch sehr wichtigen Thematik.
Meine Damen und Her ren, für die Aussprache hat das Präsidium eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion festgelegt.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie die Ministerin bereits ausgeführt hat, beraten wir heute in erster Lesung den Ent wurf eines Gesetzes zu dem Staatsvertrag über die Hochschul zulassung und zur Änderung des Hochschulzulassungsgeset zes. Der Gesetzentwurf setzt die Vorgaben aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Studienplatzvergabe im Stu diengang Medizin um.
Einen Staatsvertrag über die Hochschulzulassung haben die Länder bereits im April beschlossen. Nunmehr erfolgen die entsprechende landesrechtliche Ausgestaltung und Umsetzung und die Zustimmung zum Staatsvertrag. Ziel ist es – das wur de ebenfalls schon erwähnt –, die Studienplatzvergabe in zu lassungsbeschränkten Studiengängen durch unterschiedliche Auswahlkriterien gerechter zu gestalten als bisher.
Für uns ist die Qualität der Ausbildung in den medizinischen Bereichen besonders wichtig. Wir begrüßen es sehr, dass nun in allen Ländern mehr Augenmerk auf den Bereich der Sozi alkompetenz gelegt werden soll, die in diesen Berufen beson ders wichtig ist.
Durch die Einführung einer zusätzlichen Eignungsquote, die schulnotenunabhängig ist, können weitere Auswahlkriterien verankert werden. Diese Quote wurde auf Vorschlag von Ba den-Württemberg etabliert. Hierdurch trägt der Staatsvertrag den Zielen des „Masterplans Medizinstudium 2020“ Rech nung. Da Baden-Württemberg insgesamt schon nahe an den Vorgaben des Urteils des Bundesverfassungsgerichts ist und
weiter als viele andere Bundesländer in dieser Angelegenheit war, sind die Änderungen für uns nicht umfangreich.