Protokoll der Sitzung vom 09.10.2019

(Namensaufruf und Wahlhandlung)

Meine Damen und Herren, ist noch jemand im Saal, der sei nen Wahlumschlag noch nicht abgegeben hat? – Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Wahlhandlung und bitte die Wahlkommission, das Wahlergebnis festzustellen. – Vielen Dank.

Wir setzen die Sitzung fort. Das Stimmergebnis wird nachher bekannt gegeben.

Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:

Zweite Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktion der AfD – Gesetz zur Einführung der doppelten Buchführung in der Landesverwaltung Baden-Württemberg (Gesetz zur Änderung der Landeshaushaltsordnung für Baden-Würt temberg [LHO]) – Drucksache 16/6080

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Fi nanzen – Drucksache 16/6955

Berichterstatter: Abg. Tobias Wald

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Allge meine Aussprache eine Redezeit von fünf Minuten je Frakti on festgelegt.

Für die Fraktion der AfD erteile ich Herrn Abg. Dr. Podeswa das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsiden tin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Die Vortei le der doppelten Buchführung sind allgemein bekannt – na türlich auch dem Landtag von Baden-Württemberg,

(Zuruf des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)

der schon 2009 alle Gemeinden in Baden-Württemberg ge setzlich dazu verpflichtet hat, bis zum Jahr 2020 die doppel te Buchführung, die sogenannte Doppik, einzuführen. BadenWürttemberg ist damit nicht etwa Vorreiter in Deutschland.

Im Gegenteil: In Deutschland müssen nahezu flächendeckend alle Gemeinden die doppelte Buchführung benutzen.

Der Grund dafür liegt darin, dass die doppelte Buchführung deutlich mehr Informationen zur Verfügung stellt als die Ka meralistik. Sie richtet den Blick nicht nur auf die liquiden Mit tel, also auf Einnahmen und Ausgaben, sondern auch auf das Geldvermögen und vor allem auf das Gesamtvermögen. Da mit öffnet sie den Blick auch für längerfristige Betrachtungen, weil sich längerfristige Wirkungen politischer Entscheidun gen in der Doppik niederschlagen.

In unsicherer werdenden Zeiten, bei unsicherer werdender Steuereinnahmesituation und in Zeiten der Schuldenbremse ist die doppelte Buchführung also ein unverzichtbarer Be standteil. Sie bildet, wenn man so will, den Ressourcenver brauch des Landes mit ab.

Den Ressourcenverbrauch wollen wir ja auf null bringen. Ei gentlich müssten die Kollegen von der Fraktion GRÜNE bei der doppelten Buchführung geradezu glänzende Augen be kommen, weil das zu 100 % ihrem Parteiprogramm entspricht.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Auch in der letzten Woche im Finanzausschuss und bei der ersten Lesung des Gesetzentwurfs hier im Plenum waren sich eigentlich alle Fraktionen einig: Das Land Baden-Württem berg braucht die doppelte Buchführung. Das Land BadenWürttemberg muss endlich die Kameralistik aus der Kaiser- und Königszeit überwinden und die Landesverwaltung refor mieren.

Auf ein Datum wollte sich hier jedoch keiner der Kollegen festlegen. Auch jetzt darf mit Recht erwartet werden, dass der Gesetzentwurf abgelehnt wird. Da muss man sich schon die Frage stellen: Warum wird ein Gesetzesvorschlag, den alle Parteien einhellig als notwendig erachten, abgelehnt? Weil er von der falschen Partei eingebracht wurde.

(Zuruf des Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE)

Nun ja, das ist wahrscheinlich auch ein Grund, aber mit Si cherheit nicht der einzige. Die AfD-Fraktion hat eine öffent liche Expertenanhörung zum Gesetzentwurf beantragt, die selbstverständlich abgelehnt wurde. Hier kommen wir einer Antwort auf die aufgeworfene Frage schon etwas näher: Sie alle hier scheuen die Öffentlichkeit, Sie scheuen den Bürger.

(Beifall bei der AfD – Abg. Tobias Wald CDU: Ach!)

Warum, wird ganz schnell klar, wenn man sich die schriftli chen Stellungnahmen anschaut. Ich beziehe mich hier auf die Drucksache 16/6447. Der Bund der Steuerzahler Baden-Würt temberg unterstützt die Zielrichtung des Gesetzentwurfs der AfD, die Doppik in Baden-Württemberg auf Landesebene ein zuführen. Der Hessische Rechnungshof

(Lachen des Abg. Tobias Wald CDU – Abg. Tobias Wald CDU: Der hessische!)

beschreibt die doppelte Rechnungsführung als den richtigen Anknüpfungspunkt und spricht von einer Überlegenheit der Doppik gegenüber der Kameralistik.

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Und der baden- württembergische? – Zuruf des Abg. Dr. Markus Rös ler GRÜNE)

Der Landesrechnungshof Baden-Württemberg

(Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: Genau!)

hat sich auch schriftlich geäußert und steht dem Gesetzent wurf grundsätzlich aufgeschlossen gegenüber. Herr Professor Mühlenkamp von der Universität für Verwaltungswissen schaften in Speyer schreibt, dass sich längerfristige Wirkun gen politischer Entscheidungen in der Doppik niederschlagen.

Wir haben jetzt also genau den Grund, aus welchem Sie sich so vehement gegen die Einführung der doppelten Buchfüh rung wehren: Sie fürchten die Transparenz Ihrer politischen Entscheidungen.

(Beifall bei der AfD)

Wie bequem ist es doch, die Konsequenzen der Entscheidun gen vor dem Bürger zu verstecken? So war es, so ist es, so soll es bleiben. Da passt der AfD-Gesetzesvorstoß so gar nicht in die schöne bequeme Welt und wird natürlich vom politischen Kartell abgelehnt.

Sie stimmen nicht nur gegen die doppelte Buchführung, Sie stimmen gegen alle angehörten Fachleute, Verbände und ge gen Ihr eigenes Programm.

(Beifall bei der AfD)

Für die Fraktion GRÜNE er teile ich das Wort Herrn Abg. Dr. Rösler.

Sehr geehrte Frau Präsi dentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Wir sprechen heute zum zweiten Mal über den Gesetzentwurf der Fraktion der AfD zur Einführung der Doppik auf Landesebene.

Zur generellen Einführung – das hatten wir das letzte Mal schon festgestellt – gibt es eine große Offenheit bei allen Frak tionen im Haus. Auch die grüne Landtagsfraktion ist offen für einen Weg in diese Richtung. Das ist ja ganz unstrittig.

Viele Zielsetzungen, die die AfD-Fraktion in ihrem Gesetz entwurf formuliert hat, sind jedoch bereits heute Realität – beispielsweise die von Ihnen gerade angemahnte Transparenz. Durch die Erweiterung um doppische Elemente wie die Ver mögensrechnung, die unser grün geführtes Finanzministeri um mit Frau Finanzministerin Sitzmann und Frau Staatsse kretärin Splett 2018 eingeführt hat – erstmals in der Geschich te des Landes –, haben wir uns in diese Richtung bewegt. In sofern ist der Vorwurf, wir wären gegen Transparenz, völlig hanebüchen. Wir haben größtes Interesse daran. Selbstver ständlich gibt es auch hier eine öffentliche Debatte mit Pub likum und Liveübertragung, in der über Ihren Antrag debat tiert wird und in der wir die Argumente abwägen.

Vermögen und Schulden des Landes werden in dieser Vermö gensrechnung ermittelt und umfassend und transparent darge stellt: vom Wald über Straßen und Gebäude bis hin zum Land tag, in dem wir hier sitzen. Der Verwaltung und uns Parlamen tariern ist es damit noch besser als früher möglich, uns stär

ker am Ressourcenverbrauch zu orientieren, das mit zu inte grieren und mit dem Geld der Steuerzahler möglichst optimal umzugehen.

Auch bei einem weiteren Punkt sind wir den Forderungen der AfD voraus. Die Vermögensrechnung ist selbstverständlich auf der Grundlage des Handelsgesetzbuchs aufgestellt. Das ist schon umgesetzt.

Außerdem: Wir bereiten ja die Doppik auf Landesebene vor. So sind neue Projekte wie die – ich zitiere einmal diesen kom plizierten Begriff – „Restrukturierung des Haushaltsmanage ments und Einführung eines Kassensystems auf SAP-Basis“ unter Federführung des Finanzministeriums von Anfang an doppikfähig. Auch da geht es in die richtige Richtung. Weite re doppische Elemente wie z. B. eine Ergebnisrechnung kön nen wir daher nach und nach, peu à peu anführen. Wir sind al so auf dem Weg zur Doppik, Schritt für Schritt.

Aktuell wäre es jedoch ein verfrühter Zeitpunkt, was auch der Blick auf andere Länder zeigt. Hessen ist das einzige Bundes land der Flächenländer, das umgestiegen ist, wobei auch dort die Haushaltsplanung noch kameral stattfindet. Auch die sind also noch im Prozess drin. Nordrhein-Westfalen befindet sich im Umstellungsprozess. Alle anderen Flächenländer haben nach wie vor die Kameralistik.

Wir reden hier nicht von den Kommunen; wir wollen nicht Äpfel mit Birnen oder Kokosnüsse mit Mangos verwechseln.

(Vereinzelt Heiterkeit)

Es geht schließlich darum, dass wir vom Land sprechen und nicht von den Kommunen.

Wir sind daher in der komfortablen Lage, dass wir von Hes sen oder von Nordrhein-Westfalen auch einmal lernen kön nen. Wenn etwas geändert wird, gibt es ja immer auch Rei bungsverluste. Wir können nach Hessen und nach NordrheinWestfalen schauen und – hoffentlich – auch das eine oder an dere von denen lernen.

Auch die Verankerung der grundgesetzlichen Schuldenbrem se in der Landesverfassung ab 2020, die wir hier im Haus par teiübergreifend begrüßen, ist ein Instrument der Kameralis tik. Auch da wird es bei der Angleichung noch Herausforde rungen geben. Wir müssen darauf achten, dass wir einen Schritt nach dem anderen gehen.

Ich sage jetzt einmal als generelle Botschaft hier zu diesem Thema: Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit.

Die grüne Landtagsfraktion ist der Ansicht, dass ein kamera les Rechnungswesen, erweitert um doppische Elemente, zum jetzigen Zeitpunkt der richtige Weg ist, der auch weitergegan gen werden sollte. Diese Haltung wird übrigens durch die An hörungsergebnisse bestätigt, Herr Podeswa. Sie können jetzt das eine oder andere herausziehen, aber wenn Sie alle Äuße rungen der angehörten Verbände und Institutionen lesen und sich anschauen, werden Sie sehen, dass der Gesetzentwurf der Fraktion der AfD kritisch gesehen wurde und dass die Skep sis überwiegt, ob jetzt der richtige Zeitpunkt sei.

Auch der Landesrechnungshof Baden-Württemberg, dessen Stellungnahme Sie zwar zitiert haben, aber leider unvollstän dig, bezeichnet die Einführung der Doppik zum jetzigen Zeit