Protokoll der Sitzung vom 18.12.2024

(Beifall bei den Grünen – Vereinzelt Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Dr. Uwe Hellstern AfD)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, auch als Landespo litiker sind wir mit den Herausforderungen auf der Welt kon frontiert. Erst vor zwei Wochen ist in Syrien der Diktator As sad von einer Allianz unterschiedlichster Gruppen aus dem Land vertrieben worden. Zu dieser Allianz gehören auch Is lamisten. Deswegen müssen wir natürlich die Situation genau beobachten, ehe wir voreilige Schlüsse über die Sicherheit vor Ort ziehen. Wir haben dazu heute Morgen von den allermeis ten Teilnehmern auch eine sehr differenzierte, empathische Debatte gehört. Es gab ein paar Ausnahmen.

(Abg. Ulli Hockenberger CDU: Eine!)

Nicht Plural, Singular. Es gab eine Ausnahme.

(Abg. Ulli Hockenberger CDU: Sehr richtig!)

Vielleicht erlauben Sie mir an dieser Stelle noch mal eine Be merkung. Das muss man einfach noch mal Revue passieren lassen, dass es kein geringerer als Wladimir Putin war,

(Zuruf von den Grünen: Genau!)

der auch die syrische Zivilbevölkerung bombardiert hat, da für gesorgt hat, dass Flüchtlinge sich überhaupt erst auf den Weg hierher gemacht haben. Das sind genau die Flüchtlinge, die einige heute nicht haben wollen, aber Putin weiterhin die Daumen drücken.

Da kann man einmal fragen, wie viele syrische Flüchtlinge ei gentlich Wladimir Putin aufgenommen hat. Bis vor zwei Wo chen null, seitdem einen, nämlich Assad und seinen Clan. Das zeigt die ganze Perversion, die auch von einigen in diesem Haus getragen wird, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den Grünen sowie Abgeordneten der CDU, der SPD und der FDP/DVP – Abg. Anton Baron AfD: Unsinn!)

Natürlich ist es so, dass seit 2014 Syrerinnen und Syrer die größte Gruppe in der Bundesrepublik darstellen, die Schutz und Asyl suchen.

(Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

Daneben haben die Folgen des russischen Angriffskriegs da für gesorgt, dass 1,2 Millionen Ukrainer vor dem Krieg nach Deutschland geflohen und viele davon auch nach Baden-Würt temberg gekommen sind. Ich erwähne das deswegen, weil das natürlich nicht spurlos an einem Land und einer Gesellschaft vorbeigeht, wenn sich zunächst fremde Menschen auf den Weg zu uns machen, und weil unsere Städte und Gemeinden auch vielerorts ihre Aufnahmekapazitäten erreicht haben.

In unseren Schulen werden viele Kinder unterrichtet, deren Sprachkenntnisse sich auf einem niedrigen Niveau befinden. Das Gleiche gilt für die Betreuung in den Kindergärten. Da mit müssen viele von uns in der Gesellschaft umgehen: Erzie herinnen und Erzieher, Lehrkräfte,

(Abg. Anton Baron AfD: Das ist doch Ihre verfehlte Migrationspolitik!)

Schülerinnen und Schüler. Darunter leidet natürlich auch das Unterrichtsniveau, darunter leidet auch das Betreuungsniveau. Sehr geehrte Damen und Herren, dieser Realität müssen wir uns stellen.

Ebenso müssen wir ehrlich feststellen, dass auch Menschen zu uns gekommen sind – auch das haben wir heute Morgen gehört –, die gegen unsere Regeln und Gesetze verstoßen. Wer bei uns Schutz sucht, der muss unsere Regeln akzeptieren und einhalten. Da darf es auch niemals Rabatte jedweder Form ge ben.

(Abg. Anton Baron AfD: Aus Ihrer Partei kommen doch solche Forderungen!)

Es sind zum Glück nicht immer Taten wie in Mannheim oder Solingen, die unsere Nachrichten bestimmen. Aber natürlich verstärken solche Taten das Gefühl vieler Bürgerinnen und Bürger, dass unser Land unsicherer geworden ist.

(Abg. Anton Baron AfD: Ist es!)

Das macht ihnen Sorgen. Das hat natürlich auch etwas mit dem Haushalt, der heute zum Beschluss vor Ihnen liegt, zu tun. Denn uns, der Landesregierung, war es wichtig, im vor liegenden Haushalt auf diese Sorgen sehr konkret einzugehen und auf die beschriebenen Herausforderungen in den Schu len, in den Kitas, in den Kindergärten sehr konkrete Antwor ten zu geben.

Bildung und Sicherheit sind landespolitische Kernaufgaben. Wenn der Staat an dieser Stelle nicht richtig funktioniert, dann schadet das am Ende auch der Akzeptanz von demokratischen Institutionen. Das sorgt für Verunsicherung. Das wissen wir, und deswegen sind Bildung und Sicherheit die Schwerpunk te in diesem Haushalt. Diese beiden Bereiche werden auch noch mal ganz gezielt gestärkt. Ich finde, so halten wir das Land wirklich auf Kurs und schaffen Vertrauen bei den Bür gerinnen und Bürgern, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Aber die größte Sorge, wenn man die Menschen fragt – das lesen wir ja auch jeden Tag in den Medien –, betrifft vor al lem die wirtschaftliche Situation im Land. Uns allen bereitet sie große Sorgen. Die Bundesrepublik gehört zu den Schluss lichtern beim Wirtschaftswachstum in Europa. Baden-Würt temberg als Exportnation ist davon überproportional betrof fen, was in der Natur der Sache liegt. Das ist erklärbar.

Unsere industrielle Stärke hat uns bis zur Pandemie getragen. Das Geschäftsmodell der Bundesrepublik Deutschland, das Geschäftsmodell des Landes Baden-Württemberg hat uns bis dahin gut getragen. Da war die Globalisierung auf ihrem Hö hepunkt. Besonders exportorientierte Unternehmen, von de nen wir zum Glück viele in diesem Land haben – Start-ups, mittelständische Unternehmen, Konzerne –, haben davon enorm profitiert.

Aber wir müssen leider feststellen, dass dieser Höhepunkt überschritten ist. Nach der Finanzkrise – um Ihnen einmal ei ne Zahl zu nennen – waren nur 1 % der weltweiten Güter von Zollbeschränkungen betroffen. Ende des letzten Jahres waren es fast 10 %. Und, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, Donald Trump ist noch nicht mal im Amt.

Zu diesem Ergebnis kommt die Research-Abteilung unserer Landesbank. Das zeigt, womit wir es zu tun haben. Für Regi onen, Staaten und Bundesländer, deren Volkswirtschaft und deren Unternehmen auf offene Märkte und auf freien Handel ausgelegt sind, wird das eine herausfordernde Zeit.

Sie können das alles in den Zeitungen lesen. ZF, Bosch, SAP – die Nachrichten über Arbeitsplatzabbau machen auch vor unserem Land nicht halt. Trotz Fachkräftemangel geht die Be schäftigung in der Industrie zurück. Da kann man gern Sätze von mir aus Interviews oder Überschriften zitieren, aber es gibt den Satz: „Don’t shoot the messenger.“ Wir müssen uns schon mit der ökonomischen Realität in diesem Land beschäf tigen. Politik beginnt mit dem Betrachten der Wirklichkeit. Es gilt natürlich, Dinge nicht nur zu beschreiben. Ich selbst war gerade bei ZF am Bodensee, habe mit dem Management, ha be mit dem Betriebsrat gesprochen,

(Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

um mich über die Lage zu informieren.

Ich will eines aber auch mal sagen: Wir leben in einer sozia len Marktwirtschaft. Das sind unternehmerische Entscheidun gen, auf die die Landespolitik zumindest unmittelbar keinen Einfluss hat.

(Abg. Anton Baron AfD: Planwirtschaft!)

Wir sollten auch nicht den Eindruck erwecken, die Umbrüche z. B. in der Automobilindustrie würden jetzt maßgeblich mit den Entscheidungen der Landesregierung zu tun haben.

(Zuruf des Abg. Rüdiger Klos AfD)

Wir haben es mit globalen Märkten zu tun. China wächst ge rade zu einer gigantischen Automobilnation. Es werden in nor malen Jahren etwa 90 Millionen Pkws verkauft. Allein in Chi na haben wir mittlerweile Produktionskapazitäten von 50 Mil lionen Fahrzeugen. Der chinesische Anteil am E-Auto-Markt wird immer größer. Dieser Markt wächst. Auch wenn wir beim Verbrenner nach wie vor eine sehr starke Position haben, ist das der Markt, der perspektivisch kleiner wird.

Das sind schlicht ökonomische Tatsachen, meine Damen und Herren. Mit denen müssen wir uns auseinandersetzen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU – Widerspruch des Abg. Emil Sänze AfD)

Ich gehöre nicht zu denen, die glauben, dass Politik den Ein druck erwecken sollte, wir könnten für jeden Arbeitsplatz po litisch etwas tun. Das liegt in der Natur des Strukturwandels. Herr Bonath, vielen Dank für die Blumen. Ich würde mich auch als Liberalen bezeichnen. Das Gute ist ja, es gibt hier kein Copyright für e i n e Partei, sondern liberal ist, wer sich diesem Gedanken, den zu skizzieren ich gerade versucht habe, öffnet.

Aber was wir, die Landesregierung, tun können, ist, den Wirt schaftsstandort zu stärken. Wir können die Rahmenbedingun gen für die Unternehmen in unserem Land verbessern, wir können helfen, dass neue Unternehmen, neue Ideen, neue Technologien zur Marktreife kommen. Genau da setzen wir auch mit diesem Haushalt an.

Natürlich nehmen wir die Sorgen aufgrund des Strukturwan dels ernst. Natürlich – da will ich klar sein – ist es kein Trost für Menschen, deren Arbeitsplätze bedroht sind. Auch wenn sie das Gefühl haben, dass sie zur Not an anderer Stelle ge braucht werden, ist es nicht leicht. Aber es ist eine Perspekti ve. Wir versuchen, auch mit diesem Haushalt zumindest die se Perspektive zu schaffen. Wichtige Bausteine sind die ge nannten Investitionen in die Bildung, aber vor allem auch in die Forschung.

Wir sehen gerade, dass der globale Wohlstand neu vermessen wird. Es gibt kein Naturgesetz, dass man, wenn man mit ei ner Technologie von gestern 130, 140 Jahre lang erfolgreich war, automatisch auch die Technologien von morgen domi niert. Deswegen ist es doch richtig, die Quellen des künftigen Wohlstands bei der künstlichen Intelligenz, bei der Quanten technologie, im Biotech-Bereich, im Green-Tech-Bereich zu besetzen. Da ist die Ausbildung der Menschen die wichtigste Grundlage. Baden-Württemberg ist ein ressourcenarmes Land. Die einzige Ressource ist das, was unsere Käpsele im Kopf haben. Genau da setzen wir an. Ein Drittel dieses Haushalts geht in Bildung und Forschung. Das ist die Antwort auch auf diese Krise, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU – Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

Ich hoffe, Sie machen als Abgeordnete auch vor Ort – in Ih ren Wahlkreisen oder bei Ihren Besuchen im Land – diese Er fahrungen. Wir haben ja manchmal die Unart, dass bei uns die Mundwinkel ziemlich weit nach unten hängen. Aber wenn Sie diese Ökosysteme besuchen, wo Menschen – nicht nur junge Menschen, aber vor allem auch junge Menschen – die Ärmel hochkrempeln, die nicht erst fragen, was der Staat für sie ma chen kann, sondern die wirklich was reißen wollen, dann se hen Sie, dass hier jede Menge in diesem Land entsteht. Es gibt unheimlich viel Dynamik, unheimlich viel Aufbruch. Man muss nur genau hinsehen. Das sind nicht die, die jeden Tag groß in der Zeitung stehen. Aber das reicht vom Cyber Valley in Tübingen und dem Innovationspark in Heilbronn über die Gesundheitswirtschaft, die „Health & Life Science Alliance“ in der – Herr Kollege Schütte – Rhein-Neckar-Region bis zum Hightech-Cluster um Karlsruhe. Das sind nicht alle Beispie le. Aber wenn die genannten eines gemeinsam haben, dann ist es, dass sich in der Nähe eine Universität, eine Hochschule, eine Institution für Spitzenforschung befindet. Das ist die Ent wicklung für unseren Standort.

Deswegen will ich noch einmal in Erinnerung rufen – weil das auch Teil der Auseinandersetzung bei den Haushaltsbera tungen war –: Diese wirtschaftlich schwierige Lage geht na türlich nicht am Haushalt vorbei. Die Steuereinnahmen fallen niedriger aus als erwartet. Trotzdem garantieren wir mit dem Haushalt unseren Universitäten, unseren Hochschulen die Übernahme der Personalkosten aus dem Gesamthaushalt. Das ist der wichtigste Ausgabeposten dieser Institutionen. Zusätz lich erhöhen wir den Sockelbetrag. Auch in anderen Berei chen sind dreistellige Millionensummen drin.

Ich will in Erinnerung rufen: Innovationscampusprojekte, Hochschulgebäude, die Exzellenzstrategie, unsere Uniklini ka, der Wissenstransfer von der Wissenschaft in die Wirtschaft – jeder Bereich ist für den Wissenschaftsstandort wichtig. Überall erhöhen wir unser Engagement.

Wir sehen auch schon die ersten Erfolge, die ersten positiven Nebenwirkungen. Gerade hat unser Land den Zuschlag für ei nen der sieben Standorte der AI Factory der Europäischen Union bekommen. Das ist der einzige Standort in der Bundes republik Deutschland. Bei uns in Stuttgart wird eine flexible KI-Plattform für die Forschung und die Industrie entstehen. Ohne unser verlässliches Engagement für diesen Wissen schaftsstandort und ohne den Einsatz des Wissenschaftsmi nisteriums und des Staatsministeriums in Brüssel hätte das nicht funktioniert. Darauf können wir doch einfach einmal ge meinsam stolz sein, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Natürlich machen Bildung und Forschung allein noch keinen guten Wirtschaftsstandort aus. Sie sind aber die Basis für den Erfolg in der Zukunft. Dazu kommen Investitionen in die In frastruktur, die Förderung von jungen Unternehmen, die wir vor allem über unsere L-Bank vornehmen, und die Verschlan kung von bürokratischen Regeln, an der wir mit wichtigen Ak teuren aus den Kommunen und der Wirtschaft arbeiten.

Trotzdem schaffen wir es, die Investitionsquote konstant über 10 % zu halten. Das hilft der Konjunktur, und am Ende hilft es auch dem Klima, wenn wir unsere Gebäude sanieren. Es hilft dem Klima, wenn wir unsere Heizungen modernisieren. Es hilft dem Klima, wenn wir die umweltfreundliche Strom versorgung in unseren Landesgebäuden mit einer großen In vestitionsoffensive vorantreiben.

Trotz der Priorisierung zugunsten des Wirtschaftsstandorts, der Bildung und der Sicherheit im Land bleibt der Klima schutz eine Daueraufgabe für diese Landesregierung. Das kann man übrigens sehr schön daran ablesen, dass wir gera de die vierte Emission unseres Green Bonds BW erfolgreich platziert haben.

(Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: Sehr gut!)