Protokoll der Sitzung vom 12.03.2025

Gruppen wie die „Neue Männer-Solidarität“ protestieren of fen gegen Feministinnen und Gleichberechtigung. Ihre An führer bezeichnen Feminismus als „psychische Krankheit“ und Feministinnen als Männerhasser.

Bei Bewerbungsgesprächen werden Frauen schamlos nach Beziehungsstatus und Kinderwünschen gefragt. Große Unter nehmen werden beschuldigt, Frauen nach einer Heirat oder Schwangerschaft zu degradieren oder zur Kündigung zu drän gen.

Alles Fiktion, alles Dystopie? Weit gefehlt. So sieht es etwa in Südkorea aus, einem der modernsten und wohlhabendsten Länder der Welt. Tief patriarchale Strukturen treffen dort auf einen rasanten sozialen Wandel. Reaktionäre und Konserva tive machen heute starke, selbstbewusste Frauen für alles Übel in ihrem Land verantwortlich. Das ist sicher ein extremer Fall, liebe Kolleginnen und Kollegen, der aber zeigt, wohin uns die neuen Männerrechtsbewegungen treiben können und wollen.

(Oh-Rufe von der AfD)

Aber wir sehen es an so vielen Orten auf der Welt. Wir sehen es in den USA, wo nun Begriffe wie „Frauen“, „Gender“ und „Gleichberechtigung“ von den Regierungs- und Behörden webseiten gestrichen werden sollen,

(Abg. Anton Baron AfD: Zu Recht!)

wo Förderanträge nicht mehr mit diesen Begriffen versehen werden dürfen. Wir sehen es in Russland, und – ja – wir hö ren auch in Deutschland, was manche Herren aus den Reihen der AfD an Parolen verbreiten.

(Beifall bei der SPD und den Grünen sowie Abgeord neten der CDU und der FDP/DVP)

Frau Abg. Dr. Kliche-Behnke, lassen Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Klos zu?

Nein. – Das Stich wort ist immer dasselbe, wir haben es heute schon gehört: to xische Männlichkeit. Es ist kein Wunder, dass hier im Saal an dieser Stelle vonseiten der AfD Gelächter zu hören war. Es han delt sich um ein Verhaltensmuster, das Männern vorschreibt, Emotionen zu unterdrücken, aggressiv aufzutreten, Macht über Frauen auszuüben.

(Abg. Anton Baron AfD: So ein Unsinn!)

Die Folgen sind verheerend, nicht nur für Frauen, sondern na türlich auch für die Männer selbst. Wir wissen, dass toxische Männlichkeit mit psychischen Problemen, Suchtverhalten und einer erhöhten Suizidrate bei Männern in Verbindung steht.

Im Feminismus gibt es gerade die Debatte: Müssen wir jetzt also auch noch die Männer retten? Nein, natürlich nicht. Aber – es wurde heute gesagt – wir werden eine geschlechterge rechte Gesellschaft niemals erreichen ohne die Männer.

(Beifall bei der SPD und den Grünen, Abgeordneten der CDU sowie des Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP)

Ich möchte heute trotz allem mit einer guten Portion Hoffnung enden. Ja, viele befürchten den Backlash, und ohne Zweifel freuen sich manche auch über ihn. Aber es gibt auch Erfolge, zumindest kleine Erfolge. Es gibt Entwicklungen, die Hoff nung machen.

Da sei auch noch einmal genannt, dass der Bundestag in sei ner letzten Sitzung vor der Bundestagswahl das Gewalthilfe gesetz fraktionsübergreifend auf den Weg gebracht hat. Es si chert Frauen erstmals einen Rechtsanspruch auf Schutz und Beratung bei Gewalt. Das hat immense Folgen auch für un ser Bundesland; es ist eine Verpflichtung auch für uns.

Ich möchte aber auch konkrete Punkte von hier nennen. Die Stadt Ludwigsburg hat in dieser Woche – bundesweit erstmals – einen Gedenktag für gewaltbetroffene Frauen begangen. Die Stadt Ludwigsburg nimmt die Istanbul-Konvention ernst und erklärt: Gewalt gegen Mädchen und Frauen wird hier nicht geduldet. Was für ein starkes Zeichen!

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der Grü nen, der CDU und der FDP/DVP)

Das Bewusstsein wächst an dieser Stelle eindeutig: Wir müs sen wegkommen von einer Einengung der Sicherheitsdebat te. Die Sicherheit von Frauen muss verstärkt auch innerpoli tisch in den Blick genommen werden. Ich danke meinen Vor rednerinnen ausdrücklich dafür, dass sie diesen Aspekt aufge griffen haben.

Es gibt weitere kleine Erfolge wie den gestaffelten Mutter schutz, und ich möchte einen Punkt nennen, der uns alle be

trifft: das Wahlrecht von Baden-Württemberg. Dieses neue Wahlrecht wird – das wird in dieser Debatte, die im Moment auch vonseiten der FDP gern geführt wird, völlig übersehen und muss einmal gesagt werden – strukturelle Veränderungen für dieses Haus mit sich bringen, von denen viele Frauen – das wird ehrlicherweise auch ganz massiv meine Fraktion be treffen – in Baden-Württemberg profitieren werden.

(Abg. Rüdiger Klos AfD: Quote statt Qualität! – Abg. Anton Baron AfD: Die Grünen haben es doch hinbe kommen beim letzten Wahlrecht! – Gegenruf des Abg. Daniel Lede Abal GRÜNE: Ihr nicht! Also, ihr nicht! – Zuruf des Abg. Andreas Schwarz GRÜNE)

Deshalb will ich mich an dieser Stelle ausdrücklich bei mei nen männlichen Kollegen bedanken, die für dieses neue Wahl recht die Hand gehoben haben, wohl wissend, dass es für sie nicht unbedingt eine Vereinfachung bedeuten wird. Das heißt einiges. Vielen Dank, liebe Kollegen der SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD und den Grünen sowie Abgeord neten der CDU)

Wir brauchen echte politische Ansätze. Es braucht keine Po litiksimulation oder reine Symbolpolitik.

(Abg. Anton Baron AfD: Genau!)

Und – da unterscheiden wir uns in der Einschätzung – darun ter verstehe ich auch die ressortübergreifende Gleichstellungs strategie, die sich in Beteiligungsverfahren verliert. Wir brau chen eine Gleichstellungspolitik, die auch in der Regierung mehr Haltung, mehr Durchsetzungskraft und mehr Macht be deutet.

(Beifall bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, alle Bürgerinnen und Bür ger, Unternehmerinnen und Unternehmer und Institutionen in Baden-Württemberg sind dazu aufgerufen, sich aktiv für die Rechte und Chancen von Frauen einzusetzen. Nur gemeinsam können wir eine Gesellschaft gestalten, in der alle Menschen unabhängig von ihrem Geschlecht ihr volles Potenzial entfal ten können. Ich bin überzeugt: Von Gleichberechtigung pro fitieren alle: Frauen und Männer, unsere Söhne und Töchter.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den Grünen sowie Abgeord neten der CDU – Vereinzelt Beifall bei der FDP/ DVP)

Für die FDP/DVP-Fraktion erteile ich das Wort Frau Abg. Fink-Trauschel.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste! Ich muss zu Beginn meiner Rede Folgendes sagen: Als die Kol legin Kliche-Behnke gerade etwas zum Thema Wahlrecht sag te, kam von der Seite der AfD der Ausruf „Quote statt Quali tät!“. Ich bin weiß Gott kein Quotenfan; das weiß jeder in die sem Haus, der im Jahr 2023 meine Reden verfolgt hat. Aber mit diesem Ausruf direkt zu beginnen, finde ich ehrlicherwei se mutig,

(Abg. Anton Baron AfD: Wieso mutig?)

denn die Qualität kann man bei Ihnen auch sehr wohl anzwei feln. Dementsprechend wäre ich vorsichtig mit solchen Aus sagen.

(Beifall bei der FDP/DVP, den Grünen, der CDU und der SPD – Abg. Hans-Jürgen Goßner AfD: Die Wäh ler haben es offensichtlich anders gesehen! – Abg. Daniel Lindenschmid AfD: Wie viele Sitze haben Sie im Bundestag? – Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

Aber, nun gut. – Vor wenigen Tagen war der 8. März, Welt frauentag – ein Tag des Erinnerns, ein Tag des Kämpfens und vor allem ein Tag des Aufbruchs. Aber es reicht nicht, an ei nem Tag im Jahr über Gleichberechtigung zu sprechen. Es braucht nachhaltiges Engagement, mutige Entscheidungen und entschlossene Veränderungen. Denn auch, wenn wir 106 Jahre nach der Einführung des Frauenwahlrechts in Deutsch land viel erreicht haben, bleibt noch einiges zu tun.

Da freut es mich besonders, wenn ich als Oppositionspoliti kerin die Rede einer Regierungsfraktionsvertreterin fast – zwar nur fast, aber immerhin – Wort für Wort unterschreiben kann. Das zeigt, dass bei diesen wichtigen Themen alle De mokraten an einem Strang ziehen. Herzlichen Dank, Isabell Huber.

(Beifall bei der FDP/DVP, Abgeordneten der Grünen und der CDU sowie der Abg. Dr. Dorothea Kliche- Behnke SPD)

Seit 1919 dürfen Frauen in Deutschland wählen und gewählt werden. Doch blicken wir auf die Parlamente, sehen wir: Die Macht ist noch lange nicht gleich verteilt. Wie es hier im ba den-württembergischen Landtag aussieht, wissen wir: 30 % der Abgeordneten sind Frauen. In der 21. Wahlperiode des Deutschen Bundestags sind es nun 32,4 %.

(Abg. Anton Baron AfD: Bei Ihnen sieht es auch nicht viel besser aus!)

Wie kommt das? Es liegt nicht am fehlenden Interesse der Frauen an Politik.

(Abg. Anton Baron AfD: Ah!)

Es liegt an Strukturen, an Barrieren, an veralteten Machtme chanismen.

(Abg. Anton Baron AfD: Ach Gott!)

Studien zeigen, dass Frauen oft höhere Hürden überwinden müssen, um sich politisch durchzusetzen. Sie werden seltener für aussichtsreiche Wahlkreise aufgestellt, haben weniger Zu gang zu Netzwerken und sind häufiger Anfeindungen ausge setzt, und das insbesondere auch im Netz.

(Zuruf des Abg. Rüdiger Klos AfD)

Wir brauchen mehr Frauen in der Politik, und zwar nicht ir gendwann, sondern jetzt.

Baden-Württemberg wählt im nächsten Jahr einen neuen Land tag. Ich rufe daher alle engagierten Frauen auf: Bringt euch ein! Bewerbt euch!

(Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

Macht mit in den Parteien, bei den Programmprozessen. Po litik braucht eure Perspektiven, eure Stimmen, eure Ideen.