Protokoll der Sitzung vom 12.03.2025

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, Sicherheit und Freiheit sind nicht mehr selbst verständlich. Wir müssen bereit sein, sie zu verteidigen, auch mit militärischen Mitteln. Das erfordert viel Geld und eine starke Volkswirtschaft, innovative Forschungseinrichtungen und leistungsstarke Unternehmen. Es erfordert aber auch ein Umdenken in den Köpfen. Ich habe es schon immer für un vernünftig gehalten, die Sicherheits- und Verteidigungsindus trie durch die Sozialtaxonomie zu ächten. Ich glaube, wir brauchen einen Mentalitätswechsel und müssen dazu bereit sein. Baden-Württemberg kann mit seinen Unternehmen und Forschungseinrichtungen einen wesentlichen Beitrag dazu leisten. Wir müssen bereit sein, die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands und Europas zu stärken.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Damit ist die Aktuelle Debat te beendet.

Ich rufe Punkt 3 unserer Tagesordnung auf:

Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des Mi nisteriums für Soziales, Gesundheit und Integration – Schließung weiterer Notfallpraxen im Land verhindern – Drucksache 17/8344

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung fünf Minuten und für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.

Das Wort zur Begründung erteile ich für die antragstellende SPD-Fraktion Herrn Fraktionsvorsitzenden Andreas Stoch.

Sehr geehrter Herr Präsident, lie be Kolleginnen und Kollegen! Wir bringen heute in den Land tag von Baden-Württemberg unseren Antrag zum Thema „Schließung von Notfallpraxen“ ein, den wir an das Sozial ministerium des Landes gestellt haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir, unsere Fraktion – ich sage das vorweg –, halten es für eine deutliche Ver schlechterung der medizinischen Versorgung der Menschen in Baden-Württemberg, wenn von der Kassenärztlichen Ver einigung entschieden wird, dass in diesem Jahr weitere 18 Notfallpraxen geschlossen werden sollen. Wir und viele, vie le Tausend Menschen in diesem Land halten das aus juristi schen, gesundheitspolitischen und medizinischen Gründen für falsch. Deswegen wollen wir heute im Landtag von BadenWürttemberg ein klares Signal an die Menschen senden, die seit Monaten protestieren.

(Beifall bei der SPD – Vereinzelt Beifall bei der AfD)

Ich fürchte, es wird offensichtlich, dass sowohl von der Kas senärztlichen Vereinigung als auch von Herrn Minister Lucha auf stur geschaltet wird, dass dieser Widerstand nicht wahr genommen wird. Deswegen sagen wir: Auch wir können auf stur schalten. Wir halten den Plan der Kassenärztlichen Ver einigung schon im Grundsatz für falsch. In einer älter werden den Gesellschaft, in einer Gesellschaft, in der wir zunehmend Menschen haben werden, die weniger mobil sind und dabei gleichzeitig mehr ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen müs

sen, halten wir es für falsch, dass die Ärzteschaft die Versor gung der Bevölkerung nicht mehr im bisherigen Netz der Not fallpraxen aufrechterhalten will. Wir sind deswegen dafür, dass die Menschen weiterhin vor Ort eine ordentliche Versor gung in Notfällen erhalten, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FDP/DVP sowie des Abg. Dr. Uwe Hellstern AfD)

Ich erinnere noch einmal daran: Früher war es ganz normal, dass jeder Arzt, jede Ärztin an Wochenenden oder in der Nacht Bereitschaftsdienst hatte, und die Ärzte waren zwischen städ tischen und ländlichen Räumen oft ungleich verteilt. Aus die sem Grund hat man bereits vor einigen Jahren entschieden, dass die Kassenärztliche Vereinigung ein System von Notfall praxen errichtet, um mehr Gerechtigkeit und mehr Versor gungssicherheit zu erreichen. Aus diesem System will sich die Kassenärztliche Vereinigung aber jetzt verabschieden. Ein Drittel – ich sage es noch einmal: ein Drittel – aller Notfall praxen sollen weg. Die KV hat aber keinen adäquaten Ersatz, denn Telemedizin funktioniert noch nicht flächendeckend. Auch alles andere, was laut KV an die Stelle der bestehenden Notfallpraxen treten soll, funktioniert noch nicht. Wer sich so aus der ärztlichen Versorgung der Fläche verabschiedet, han delt gegen die Interessen der Patientinnen und Patienten und der Menschen in unserem Land.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dennis Birnstock FDP/DVP und Dr. Uwe Hellstern AfD)

Egal, wo Sie in diesen Tagen und Wochen hingehen: Sie mer ken, dass nicht nur die Patientinnen und Patienten verunsi chert sind, dass nicht nur viele Ärztinnen und Ärzte selbst die se Streichung für falsch halten. Auch die Krankenhäuser, die ohnehin schon überfüllte Notaufnahmen haben, sagen: Es wird zu einer weiteren Belastung und Überlastung unserer Notaufnahmen führen. Die Rettungsdienste sagen Ihnen eben falls ganz klar: Zukünftig werden die Menschen dann nicht mehr zur Notfallpraxis gehen, sondern sie werden anrufen und einen Rettungsdienst verlangen. Diese Überlastung der ande ren Träger ist nicht zumutbar. Deswegen ist die Schließung der Notfallpraxen falsch, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FDP/DVP sowie des Abg. Dr. Uwe Hellstern AfD)

Nochmals: Das ist kein „Nice to have“. Das Sozialgesetzbuch beinhaltet eine Rechtspflicht, den sogenannten Sicherstel lungsauftrag, der die Behandlung von Menschen gerade auch außerhalb der üblichen Sprechstunden umfasst.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Sozialgesetz buch beinhaltet auch eine Rechtspflicht, dass die entsprechen den Player kooperieren, z. B. Kassenärzte mit den Kranken häusern. Deswegen ist es nicht legal, dass ein Verpflichteter, in diesem Fall die KV, dem anderen die Verantwortung vor die Füße wirft, schon gar nicht, ohne solche Schritte mit den Krankenhäusern oder den Trägern abzustimmen, schon gar nicht, ohne die Gebietskörperschaften einzubinden, und schon gar nicht, ohne einen Bedarf zu ermitteln.

All das ist Gesetz. Nichts davon hat die Kassenärztliche Ver einigung erfüllt. Es ist Ihre Aufgabe, Herr Sozialminister, die Kassenärztliche Vereinigung dazu zu bringen, sich an Recht und Gesetz zu halten.

(Lebhafter Beifall bei der SPD – Beifall bei Abgeord neten der FDP/DVP)

Deswegen verwundert es nicht, dass sowohl Gemeinden und Landkreise als auch Krankenhäuser und Rettungsdienste al lesamt protestieren; denn alle wurden vor vollendete Tatsa chen gestellt. Noch einmal: So ist es im Gesetz nicht vorge sehen. Das ist ein Verstoß gegen geltendes Recht.

Inhaltlich falsch ist es sowieso. Durch die Pläne der KV ver schlechtert sich – ich habe es gesagt – die gesundheitliche Ver sorgung insbesondere im ländlichen Raum deutlich. Das wi derspricht übrigens, was die Gleichwertigkeit der Lebensver hältnisse angeht, auch unserer Landesverfassung. Den Kas senärzten – jedenfalls jenen, die das entschieden haben – scheint das egal zu sein, aber leider auch unserem Gesund heitsminister.

Sein eigenes Haus hat auf unsere Anfrage hin bewiesen, dass die Schließung einer Notfallpraxis eben doch zu deutlich mehr Fällen in der Notaufnahme des Krankenhauses führt. Bewie sen ist auch: Wo man Notfallpraxen schließt, steigt die Zahl der Einsätze des Rettungsdienstes. All das erklären auch Bür germeisterinnen und Bürgermeister sowie Landräte immer wieder. Davor hat übrigens auch Minister Hauk hier im Ka binett gewarnt, völlig zu Recht und in Verantwortung für den ländlichen Raum.

Aber unser Gesundheits- und Sozialminister Manfred Lucha hört nicht zu. Er muss ja pausenlos die Argumente der Kas senärzte aufsagen, und seien sie auch noch so haarsträubend.

Die KV hat uns bei der Übergabe der Unterschriften vor we nigen Wochen erklärt, dass es ja demokratisch von den Ärz ten beschlossen worden sei, diesen Kahlschlag durchzufüh ren. Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Kassenärzt liche Vereinigung hat nicht die Hoheit, sich über Recht und Gesetz zu stellen. Die Kassenärztliche Vereinigung hat in die sem Land Recht und Gesetz zu erfüllen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FDP/DVP sowie des Abg. Winfried Mack CDU – Vereinzelt Beifall bei der AfD)

Was hören wir von unserem Sozialminister? Er erklärt jetzt, dass Notfallpraxen oder Notdienstpraxen gar nicht für Notfäl le da seien – Notfälle kämen ja ohnehin in die Klinik. Der Marketing-Sprech der KV ist ihm offenbar wichtiger als die Zahlen aus seinem eigenen Haus.

Es wird von „Auslastung“ der Notfallpraxen geredet, als sei en Notfallpraxen Autofabriken. Wer bei unseren Feuerwehren von Auslastung spricht, der irrt sich ja ebenfalls. Es geht um Vorsorge, meine sehr geehrten Damen und Herren. Diese Vor sorge wollen Hundertausende Menschen auch in Zukunft ha ben. Aber sie wollen nicht – nach einer Schließung durch die KV – weniger Sicherheit für ihre gesundheitliche Versorgung, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Uwe Hell stern und Hans-Peter Hörner AfD – Vereinzelt Bei fall bei der FDP/DVP)

Ein weiteres Mantra des Ministers: die Telemedizin – als sei das ein Zauberspruch. Dass eine Neunzigjährige mit Herzra sen sich mal eben in eine Videokonferenz einwählt,

(Lachen bei Abgeordneten der CDU und der AfD)

glaubt ernsthaft niemand – außer dem Gesundheitsminister.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD – Zuruf des Abg. Dr. Uwe Hellstern AfD)

Auch die übrigen Argumente der KV werden nicht dadurch besser, dass sie von unserem Gesundheitsminister ständig wie derholt werden.

(Zuruf des Abg. Hans-Peter Hörner AfD)

Es gab in unserem Land noch nie so viele kassenärztlich täti ge Medizinerinnen und Mediziner wie heute. Die Massenstrei chungen bedeuten für einen bisher in einer Notfallpraxis täti gen Arzt zehn Stunden weniger Notfalldienst im Jahr, das sind zwölf Minuten pro Woche. Die KV behauptet, so werde die Regelversorgung stabilisiert. Wer, bitte, denkt sich so etwas aus?

Deswegen macht es mich fassungslos, macht es uns fassungs los, wie fest Minister Lucha die Augen davor verschließt, dass die Vorgänge in Baden-Württemberg bundesweit einzigartig sind. In 15 anderen Ländern hat man offensichtlich nämlich Lösungen gefunden, übrigens unter der Regie von Gesund heitsministerien, die nicht nur abnickten, sondern auch han delten. Als etwa die KV in Rheinland-Pfalz Schließungen wollte, wurde sie vom dortigen Gesundheitsminister einbe stellt, der sie an ihren gesetzlichen Auftrag erinnerte – mit Er folg.

Genau dafür kämpfen wir auch in Baden-Württemberg: wir im Landtag und andere vor Gericht. Wir fordern, dass der Ge sundheitsminister seine Pflicht erfüllt, Bedarf und Folgen die ser Maßnahmen zu ermitteln, Betroffene einzubinden und Lö sungen zu suchen.

Jawohl, Ihre Rechtsaufsicht reicht nicht beliebig weit. Aber bei all Ihren Kolleginnen und Kollegen in den anderen Bun desländern reichte sie weit genug, um vernünftige Lösungen für die Menschen in diesen Ländern zu finden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, darum geht es bei dieser Abstimmung. Es kann uns doch hier nur darum gehen: Wie können wir für die Menschen in diesem Land eine gute Versorgung in einer älter werdenden Gesellschaft gewährleis ten? Das geht nicht mit einem Kahlschlag bei den Notfallpra xen. Deswegen bitte ich Sie um Zustimmung zu unserem An trag.

Herzlichen Dank.

(Anhaltender Beifall bei der SPD – Beifall bei Abge ordneten der FDP/DVP – Vereinzelt Beifall bei der AfD)

Es folgt für die Fraktion GRÜNE Frau Abg. Petra Krebs.

Herr Präsident, sehr geehrte Kol leginnen und Kollegen! Die Befürchtungen und die Ängste, dass im Bedarfsfall kein Arzt vorhanden ist, nehmen wir sehr ernst. Unser Ziel ist natürlich, dass alle Bürgerinnen und Bür ger, egal, ob sie auf dem Land oder in der Stadt wohnen, schnell und gut versorgt werden. Was wir aber tun müssen, ist, den Realitäten im Gesundheitswesen ins Auge zu blicken. Herausforderungen und Probleme löst man nicht, indem man immer nur stur Dinge fordert, ohne wirkliche Lösungswege aufzuzeigen.

Die Schließungen der Bereitschaftspraxen kann man einfach nicht isoliert betrachten, und die SPD klammert hier ganz be wusst Fakten aus; manche Informationen kommen in ihren Erzählungen nicht vor.

(Abg. Jonas Weber SPD: Aha!)

Die Neustrukturierung des örtlichen Bereitschaftsdienstes fällt in die Zuständigkeit der Kassenärztlichen Vereinigung – das haben Sie natürlich gesagt –,

(Abg. Sascha Binder SPD: Vielleicht ist das das Pro blem! – Gegenruf des Abg. Daniel Lede Abal GRÜ NE)