Protokoll der Sitzung vom 13.03.2025

(Zuruf von der FDP/DVP: Unverschämtheit!)

Denn Sie können nun die Trommel für ein populäres Volks begehren mitten im baden-württembergischen Wahlkampf rühren, um im Gespräch und damit möglicherweise über 5 % zu bleiben. Das ist ja auch schön.

(Heiterkeit bei der AfD – Zurufe von der AfD)

Ihre Strategen beugen sich sicher schon über den Kalender, um die Kampagne passgenau zu orchestrieren.

Sie wissen ja, bei der Bundestagswahl haben der FDP für die Fünfprozenthürde 100 000 Stimmen gefehlt, und die Wähler wanderung von der FDP zur AfD betrug satte 900 000 Stim men, ungefähr jedenfalls.

(Zuruf von der AfD: Sehr gut!)

Voraussichtlich werden Sie aber jetzt weder das Unterschrif tenquorum erreichen noch eine Änderung für die Wahlen 2026. Verdient hätten Sie es ja auch nicht. Denn Ihre Spitzen leute hätten dann das Dauerabo auf der Wahlliste, und wir al le müssten den Ewigkeits-Rülke erleiden.

(Heiterkeit bei der AfD)

Was der Rechnungshof leider nicht errechnet hat, ist die Ein sparung an Mandaten, wenn die Freien Demokraten, die So zialdemokraten und die Grünen den Scholz machen und aus dem Landtag fliegen oder sich halbieren. Aber das ist nur ein kleiner Rechenfehler von mir. Diese Mandate würden ja dann der AfD zufallen, und damit können wir ganz gut leben.

Danke sehr.

(Beifall bei der AfD)

Für die Landesregierung erteile ich das Wort Herrn Minister Strobl.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Der baden-württembergi sche Verfassungsgerichtshof hat am vorvergangenen Freitag dem Antrag der beiden Erstunterzeichner des Antrags auf Zu lassung des Volksbegehrens „XXL-Landtag verhindern“ statt gegeben. Damit hat das Verfassungsgericht festgestellt, dass das besagte Volksbegehren vom Innenministerium zugelassen wird.

Der Vollständigkeit und der guten Ordnung halber will ich noch ergänzen: Zugleich hat der Verfassungsgerichtshof den Antrag der Herren Michael Theurer und Hans-Ulrich Rülke als unzulässig zurückgewiesen. Das mussten dann andere ma chen, bis zur Begründetheit zu kommen. Die FDP würde wahrscheinlich von einer ersten und zweiten oder einer Dop pelbackpfeife sprechen. Das ist allerdings nicht mein Sprach

gebrauch, insbesondere nicht mein Verständnis vom Rechts staat und von unserer Demokratie.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Auch das inhaltliche Anliegen des zugrunde liegenden Ge setzentwurfs will ich gar nicht politisch bewerten. Das ist ers tens Sache des Parlaments, und zweitens hat dies das Innen ministerium auch nicht getan, als es um die Entscheidung über den Antrag ging. Für die Entscheidung des Innenministeriums standen nur und ausschließlich juristische Fragen zur Beant wortung und Bewertung an; konkret ging es um die Frage, ob der Gesetzentwurf des Volksbegehrens mit der Verfassung ver einbar ist.

Die Landesverfassung schreibt in Artikel 28 Absatz 1 vor, dass das Verfahren zur Wahl der Landtagsabgeordneten die Per sönlichkeitswahl mit den Grundsätzen der Verhältniswahl ver binden muss. Konkrete Vorgaben dazu gibt es nicht. Beide Elemente müssen das Wahlsystem aber substanziell prägen. Eine Rechtsprechung hierzu gab es überdies bislang auch nicht.

Nur hat bei dem Gesetzentwurf, der dem Volksbegehren zu grunde liegt, die Verhältniswahl deutlich mehr Gewicht als die Persönlichkeitswahl. Das hat das Innenministerium nach eingehender Prüfung als unvereinbar mit der Landesverfas sung gesehen. Ich will noch einmal betonen: Das war eine aus schließlich streng juristische Prüfung. Inhaltliche politische Fragen waren überhaupt nicht handlungsleitend.

Das sehen Sie schon allein daran, dass das Innenministerium einen in dieselbe Richtung gehenden, aber in der konkreten Ausgestaltung doch anders akzentuierten Antrag auf ein Volks begehren namens „Landtag verkleinern“ am 10. Juni 2024 zu gelassen hatte. Wenn anderslautende Vorwürfe gegen mich persönlich oder das Innenministerium erhoben werden, dass doch andere Erwägungen als streng rechtliche maßgeblich ge wesen wären, weise ich dies scharf und mit aller Deutlichkeit zurück. Und es ist bis heute ohne jeden Beleg geblieben.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Das Innenministerium hat nun mit Schreiben vom 6. März den beiden Vertrauensleuten schriftlich mitgeteilt, dass das Volks begehren zugelassen ist. Sie wurden zugleich gebeten, mit dem Innenministerium Kontakt aufzunehmen, um organisa torische Fragen zur Durchführung des Volksbegehrens abzu sprechen. Bislang ist das noch nicht erfolgt.

Nach Ablauf der Sammlungsfrist wird der Landesabstim mungsausschuss entscheiden, ob das Volksbegehren erfolg reich zustande gekommen ist. Um das zu erreichen, braucht es rund 770 000 Unterstützer. Falls die erforderliche Zahl von Unterstützungsunterschriften zusammenkommt, wird sich der Landtag von Baden-Württemberg mit dem Gesetzentwurf be fassen.

Um das Wesentliche noch einmal kurz zusammenzufassen: Die Exekutive hatte auf der Basis einer sorgfältigen juristi schen Abwägung eine Entscheidung getroffen. Diese Ent scheidung wurde einer unabhängigen gerichtlichen Überprü fung zugeführt. Das Gericht hat die ursprüngliche Entschei dung verworfen und anders entschieden. Das ist in guter de mokratischer Tradition Gewaltenteilung.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Wer darin etwas anderes sieht, eine Ohrfeige oder eine Klat sche oder dergleichen, der hat – lassen Sie mich das mit Ver laub sagen – ein unterkomplexes, defizitäres Demokratiever ständnis

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und Abgeordne ten der Grünen)

und unseren Rechtsstaat nicht verstanden.

Das ist der Punkt, um den es beim Thema Wahlrecht im Kern geht: um das Vertrauen der Menschen in unsere Demokratie. Es geht um das Vertrauen der Menschen in ein faires Verfah ren, das den Willen des Volkes in die Sphäre der parlamenta rischen Demokratie übersetzt. Es geht um das Vertrauen in ein Verfahren nach Recht und Gesetz, aus dem das Vertrauen in die Integrität der Institutionen unserer Demokratie erwächst.

Kaum etwas ist so schwer wiederzubekommen wie Vertrau en. Deswegen muss gerade das Wahlrecht als Fundament der Demokratie integer und über jeden Zweifel erhaben sein. Des halb ist es gut und wichtig, dass höchstrichterlich die Klärung einer offenen Frage zum Wahlrecht erfolgt ist.

Lassen Sie mich aber auch sagen: Die Zersetzung des Vertrau ens beginnt schon bei den Begriffen, die verwendet werden. Ich kann nachvollziehen, wenn etwa jemand meint, dass der Begriff „XXL-Landtag“ die erste Gewalt im Staat ins Lächer liche zieht. Diese erste Gewalt im Staat, die Legislative, die ses Hohe Haus, ist kein Möbelhaus und sollte sich auch nicht als solches diskreditieren.

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der Grü nen und der SPD)

Das sollten Demokraten wissen und bedenken, wenn sie über das Wahlrecht sprechen. Deshalb sollte das bei den sonst zu weilen üblichen parteipolitischen Spielchen außen vor blei ben. Wahlrechtsfragen sollten möglichst immer in einem brei ten Konsens der Demokraten entschieden werden. Das ist in dieser Republik auch ein jahrzehntelanger guter Brauch ge wesen.

Ich habe mich als Parlamentarier im Deutschen Bundestag viel mit Wahlrechtsfragen beschäftigt. Bei allen Wahlrechts änderungen – und es waren nicht wenige – haben wir immer und nach meiner Erinnerung erfolgreich die Opposition, je denfalls die größte Oppositionsfraktion, mit einbezogen.

Auch beim Landtagswahlrecht hat man bei der letzten Rechts änderung den demokratischen Fraktionen in der Opposition das Angebot gemacht, mitzuwirken. Die SPD hat das verant wortungsvoll getan, so, wie es der großen demokratischen Tra dition dieser alten, ehrwürdigen Partei entspricht.

(Zuruf des Abg. Rudi Fischer FDP/DVP)

Die FDP hat das nicht getan. Mit ihr war das nicht zu machen, wie auch nicht mit der AfD.

Jetzt will die FDP das Wahlrecht im Alleingang ändern.

(Zuruf der Abg. Julia Goll FDP/DVP)

Das ist ihr gutes Recht. Wohin das allerdings führen kann, sieht man beim Bundestagswahlrecht, wo es einen Unter schied gibt zwischen dem, was Recht ist, und dem Aspekt, dass viele Menschen, die einen Abgeordneten direkt in das Parlament gewählt haben, jetzt das Gegenteil davon bekom men.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

Durch die Wahlrechtsänderung der damaligen Ampelkoaliti on sind übrigens seit der Bundestagswahl drei Wahlkreise in Baden-Württemberg ganz ohne eine Abgeordnete oder einen Abgeordneten im Deutschen Bundestag. Das finde ich nicht gut und nicht richtig, und das ist im Übrigen entgegen dem, was vorher immer behauptet wurde, nun leider eingetreten.

Weil das Vertrauen der Menschen in die Integrität der demo kratischen Institutionen von so unermesslicher Bedeutung ist, muss man auch sagen: Es ging vor dem Verfassungsgericht nicht um Gewinnen oder Verlieren, sondern um Rechtssicher heit und um Rechtsklarheit.

Vielleicht kann das auch die FDP nachvollziehen. Vielleicht stimmt mir hier mit Blick auf den 15. November 2023 sogar die FDP/DVP-Fraktion zu – mit Blick auf den Tag, als das Bundesverfassungsgericht geurteilt hat, dass das vom FDPFinanzminister vorgelegte Gesetz über den zweiten Nach tragshaushalt verfassungswidrig war. Auch beim Wahlrecht hat das Verfassungsgericht das Ampelgesetz ja korrigiert.

Zurück zu unserem Wahlrecht. Das ist ein wichtiger Punkt, verehrte Abgeordnete, meine Damen und Herren: In der Pres semitteilung zum Urteil hat das Verfassungsgericht ausge führt: Mit seinen Regelungen – ich zitiere –

nähert sich das vorgeschlagene Wahlsystem zwar der Grenze des Gestaltungsspielraums aus Artikel 28 Absatz 1 LV,

es hat sie aber gerade nicht überschritten.

Das heißt doch im Klartext, dass sich die Gewichtung von Verhältnis- und Persönlichkeitswahl im vorliegenden Gesetz entwurf an der Grenze des verfassungsrechtlich Zulässigen bewegt.

Stellen wir uns nur einmal eine Sekunde den schlimmsten denkbaren Fall vor, den man ja mitdenken muss: Das Innen ministerium hätte das Volksbegehren großzügig zugelassen, es wäre erfolgreich gewesen, am Ende hätten wir ein neues Wahlrecht gehabt, und dieses Wahlrecht wäre nach der Land tagswahl beklagt worden. Und dann stellen wir uns vor, die Waagschale beim Verfassungsgericht hätte sich leicht in die andere Richtung bewegt, der Pendelausschlag wäre leicht in die andere Richtung gegangen. Dann wäre möglicherweise ei ne komplette Landtagswahl ungültig gewesen. So etwas darf nicht passieren.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der CDU)

Deswegen bin ich froh, dass wir jetzt Rechtssicherheit haben, dass wir jetzt Rechtsklarheit haben. Das ist gut und richtig so. Das zeichnet unseren Rechtsstaat aus, das zeichnet unsere De mokratie aus. Ich bin froh, dass wir einen starken Rechtsstaat