Gerade deswegen müssen wir auch auf den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft achten. Daher freut mich die große So lidarität in unserem Land mit den Menschen in der Ukraine. Mich freut die riesige Hilfsbereitschaft vieler Menschen, die durch Geld- und Sachspenden etwas gegen das Gefühl der Ohnmacht und der Hilflosigkeit tun.
Aber lassen Sie uns auch auf den Zusammenhalt hier bei uns achten. Lassen Sie uns alle dafür sorgen, dass wir auf unbe rechtigte Feindseligkeiten und auf diesen Krieg nicht mit ebensolchen Feindseligkeiten in unserem Land antworten. Wir wollen keinen Krieg auf unserer Welt, und wir wollen keinen Hass in unserer Gesellschaft. Eines ist klar: Wer hier in unse rem Land die Lügen und die Kriegspropaganda des Kreml verbreitet, dem treten wir entschieden entgegen.
umso mehr, da viele Russinnen und Russen dem Verhalten ih rer Regierung kritisch gegenüberstehen. Es ist bewunderns wert, wie die Menschen in Russland gegen diesen Diktator protestieren. Diesen Menschen müssen wir den Rücken stär ken, auch denen, die in unserem Land leben.
Es geht nicht, dass wir Mitbürgerinnen und Mitbürger, die teil weise seit Jahren und Jahrzehnten hier leben, unter General verdacht stellen, nur weil sie oder ihre Eltern aus Russland zu uns gekommen sind. Wir können nur dann glaubhaft für Frie den und Freiheit in der Ukraine einstehen, wenn wir auch hier bei uns für Frieden und Freiheit einstehen, wenn wir Hass und Hetze nicht mit Hass und Hetze beantworten. Lassen wir nicht zu, dass Putins Gift auch unsere Gesellschaft vergiftet, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen.
Abschließend möchte ich den Kollegen aus den anderen Frak tionen, den Kollegen Andreas Schwarz, Manuel Hagel und Hans-Ulrich Rülke, meinen Dank dafür sagen, dass wir so
schnell auf diese Situation reagiert und diesen gemeinsamen Entschließungsantrag entwickelt haben. Auch wir, die SPD, stehen voll und ganz zu dem Entschließungsantrag der demo kratischen Fraktionen. Diese Geschlossenheit ist schon an sich ein starkes Signal. Die demokratische Selbstbestimmung ei nes Volkes, die Unverletzlichkeit seiner Landesgrenzen, das Recht, in Frieden und Freiheit zu leben, sind bei uns nicht nur Konsens, sie sind unverhandelbar.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Besondere, im Grunde his torische Ereignisse erfordern auch ganz besondere Reaktio nen. Es ist mit Sicherheit ein historisch zu nennender Ein schnitt in der europäischen Nachkriegsgeschichte – so dach ten wir zumindest bis vor zwei Wochen –, dass jetzt offen sichtlich in Europa aggressive Angriffskriege wieder möglich sind. Ich hoffe sehr – ich glaube, diese Hoffnung eint uns hier am heutigen Tag –, dass dieser Angriffskrieg eine Ausnahme bleiben mag und dass die Reaktionen des weit überwiegen den Teils Europas dazu führen, dass es so sein wird.
Es ist gut, dass wir, die vier Fraktionen, am heutigen Tag hier gemeinsam mit einem Antrag und einer Debatte den Beitrag leisten, den wir leisten können. Namens meiner Fraktion be danke ich mich bei den schon mehrfach genannten Kollegen und ihren Fraktionen.
Es ist, glaube ich, wichtig, deutlich zu machen: Wir stehen an der Seite der Ukraine als souveränem Staat, aber auch an der Seite aller anderen Staaten, die möglicherweise ins Visier sol cher Potentaten wie Putin kommen könnten. Das ist ein wich tiges, ein wesentliches Signal. Solche diktatorischen Regimes müssen wissen: Wenn sie solche Aggressionen vom Zaun bre chen, dann haben sie es mit dem gesamten Rest von Europa zu tun. Das ist ein wichtiges Signal.
Es reicht aber nicht, dieses Signal am heutigen Tag im Land tag von Baden-Württemberg sozusagen abstrakt zu formulie ren. Vielmehr ist es schon auch notwendig, etwas globaler – wir, das Land Baden-Württemberg, wirken ja sowohl über die Parteien als auch über den Bundesrat an der Regierungspoli tik in Berlin und in Brüssel mit – – Wir müssen aber auch die Frage stellen: Was können wir, was müssen wir im Land Ba den-Württemberg mit den originären Aufgaben der Landes politik tun, beispielsweise – es wurde schon angesprochen – im Bereich der Flüchtlingsaufnahme?
Auch die FDP/DVP-Fraktion steht ausdrücklich zu der Aus sage: Wir müssen unseren Beitrag leisten. Wir können aber nicht abstrakt sagen: Wir sind bereit, sozusagen unbegrenzt, grenzenlos Flüchtlinge aufzunehmen. Diesen Fehler haben
wir schon einmal gemacht. Vielmehr brauchen wir eine ge samteuropäische, eine nationale Flüchtlingsstrategie,
Wir müssen natürlich auch – Kollege Stoch hat es angespro chen – den Kommunen letztlich die Möglichkeiten an die Hand geben, die Menschen zu verteilen und zu integrieren – zumindest für die Zeit, in der sie bei uns sind. Das ist notwen dig, denn am Schluss werden die Kommunen wieder diejeni gen sein, die die Last tragen und dann möglicherweise über Überlastung stöhnen. Wir sollten das nicht vergessen – zum jetzigen Zeitpunkt, zu dem wir sehr zu Recht die Solidarität mit den Menschen, die vertrieben werden, die fliehen, hier in Baden-Württemberg üben. Aber wir müssen wissen, dass die se Probleme auf uns zukommen, und wir müssen die Kom munen darauf vorbereiten, meine Damen und Herren.
Es ist, glaube ich, auch zu einfach, zu sagen: „Dieser Krieg ist einzig und allein der Krieg eines einzigen Mannes. Nur Pu tin ist derjenige, der die Ukraine überfallen hat.“ Ein Einzel ner kann niemals völlig auf sich allein gestellt einen Krieg führen. 1933 bis 1945 war es auch nicht nur ein Einzelner – so gern man sich das vielleicht sagen mag.
Es sind vielmehr auch die Oligarchen, es ist ein militärischindustrieller Komplex in Russland, der hinter Putin steht und diesen Krieg stützt. Auch den muss man ins Visier nehmen. Deshalb ist es richtig, auch ganz konkret solche Oligarchen und deren Vermögen, das sie zum Teil in den Westen geschafft haben, in den Blick zu nehmen und nicht nur zu sagen: „Es ist nur Putin und niemand anderes als Putin.“ Wenn wir wol len, dass diese Bewegung, die genannt wurde – mutige Men schen in Russland, die gegen Putin und gegen diesen Krieg demonstrieren –, die Überhand gewinnen soll, dann ist es auch notwendig, diese Leute zu unterstützen.
Und es ist auch notwendig, anzusprechen: Welche Helfershel fer gibt es im Westen? Es ist gut – und ich bin dankbar –, dass jetzt manch ein Honorarkonsul seine Aufgabe niedergelegt hat, aber es wäre auch – Herr Kollege Stoch, das ist kein An griff auf Ihre Fraktion; Ihre Haltung ist ja klar – zu wünschen, dass ein ehemaliger Bundeskanzler nicht mehr Solidarität ge genüber einem Kumpan empfindet als gegenüber dem Staat, dem er einmal vorgestanden hat.
Wir sollten uns auch gegen manches propagandistische Mit tel wenden. Wir haben es ja beispielsweise bei der Landtags wahl 2016 erlebt: „Russia Today“ und solche Propagandain strumente, die sich darum bemühen, Einfluss auf die Politik in der Bundesrepublik zu nehmen. Es ist notwendig, dem auch
hier einen Riegel vorzuschieben. Wenn Putin in Russland so zusagen die Zensur verhängt, dann soll er nicht die Möglich keit haben, hier in Deutschland seine Lügen zu verbreiten, meine Damen und Herren.
Die Sanktionen sind ohne Zweifel eine schwierige Herausfor derung. Wir können nicht einfach von heute auf morgen sa gen: Wir machen alle Kanäle dicht und verzichten auf jegli che Energielieferungen.
Deshalb, glaube ich, hat die Bundesregierung auch in ihrer differenzierten Vorgehensweise mit SWIFT eine ausgewoge ne Reaktion auf das gefunden, was von Putin kam. Aber das Ganze ist natürlich im Fluss. Herr Kollege Hagel, aus Ihrer Partei gibt es ja Forderungen, wir müssten jetzt gänzlich auf Energielieferungen aus Russland verzichten. Auch aus mei ner eigenen Partei habe ich eine solche Stimme gehört. Wir können auch nicht ausschließen, dass wir letztlich dahin kom men. Wer weiß, was Putin noch alles einfällt. Er droht ja schon mit der atomaren Keule.
Es wird möglicherweise der Punkt kommen, an dem es tat sächlich nicht mehr gerechtfertigt sein kann, Energielieferun gen aus Russland zuzulassen, aber im jetzigen Moment muss man natürlich – – Da ist der Dialog mit der Wirtschaft wich tig, und auch ich sage: Wir danken der Wirtschaft für ihr Ver ständnis, aber auch die Wirtschaft muss natürlich bis zu ei nem gewissen Punkt am Laufen gehalten werden. Deshalb brauchen wir eine flexible und ausgewogene Strategie, die al lerdings auch nichts für alle Zeiten ausschließt.
Das ist sicher richtig; denn wenn Putin, wenn Russland die sen Krieg weiter eskaliert, dann müssen wir auch reagieren, allerdings – das ist klar – unterhalb der Schwelle einer direk ten Konfrontation.
Ich habe Verständnis dafür, dass die Ukraine gern die Durch setzung einer Flugverbotszone hätte. Aber eine Flugverbots zone hätte eben eine direkte Konfrontation zur Folge, mögli cherweise direkte Kampfhandlungen zwischen NATO und russischer Armee im ukrainischen Luftraum mit der entspre chenden Gefahr einer Eskalation bis hin zu einem atomaren Konflikt. Genau das ist, glaube ich, unsere Verantwortung: Das können wir nicht anstreben. Deshalb sind das, so bitter das für die Ukraine ist, die roten Linien, die wir an dieser Stel le nicht überschreiten können.
Eine rote Linie war für uns lange Zeit auch die Frage von Waf fenlieferungen in ein Krisengebiet. Ich weiß, es war für mei ne Partei nicht einfach – für Grüne und Sozialdemokraten viel leicht noch schwieriger –, hier sozusagen zu einem neuen Pa radigma zu kommen und zu sagen: Es gibt die Ausnahmesi tuation eines aggressiven Angriffskriegs, und wir können jetzt zwar nicht direkt eingreifen, aber wir können immerhin unse ren Beitrag dazu leisten, dass sich die Ukraine ein Stück weit verteidigen kann.
Deshalb bin ich dankbar, dass die Bundesregierung und auch zwei Parteien, die ja sehr stark von einem pazifistischen Ur
sprung her kommen, nun sagen: In dieser Ausnahmesituation ist es notwendig, ja es war richtig, der Ukraine an dieser Stel le ein Stück weit zu helfen.
Was wir natürlich auch mittragen, ist ein Programm zur Mo dernisierung der Bundeswehr. Ich glaube, es geht jetzt nicht um Aufrüstung, um 100 Milliarden €, um uns bis an die Zäh ne zu bewaffnen. Vielmehr geht es darum, möglicherweise Versäumtes nachzuholen und unseren Beitrag für eine Vertei digungsfähigkeit Europas zu leisten.
Denn stellen wir uns einmal vor, die letzte amerikanische Prä sidentschaftswahl wäre anders ausgegangen: Nicht Joe Biden hätte diese Wahl gewonnen, sondern Donald Trump. Der wür de sich jetzt hinstellen und sagen: „Teufelskerl, dieser Putin, finde ich ganz klasse, und wir Amerikaner machen alles, aber unterstützen nicht die Europäer gegenüber der putinschen Ag gression.“ Man muss sich nur einmal einen Moment lang vor Augen führen, dass das hätte passieren können.
Wir müssen darauf vorbereitet sein, dass eine solche Situati on in der Zukunft eintritt. Deshalb ist es notwendig, dass die Bundesrepublik Deutschland, dass die Bundeswehr ihren Bei trag dazu leistet, dass Europa auch aus sich heraus verteidi gungsfähig ist. Deshalb unterstützen wir das, was die Ampel – freundlicherweise auch mit der Unterstützung der CDU – nun auf den Weg bringen möchte.
Das Ganze hat natürlich auch wesentliche Konsequenzen für und wesentliche Auswirkungen auf unsere künftige Energie politik. Ich bin sehr dankbar für den Satz von Robert Habeck: „Versorgungssicherheit geht vor Klimaschutz“ – zumindest an dieser Stelle und zumindest vorübergehend.