Protokoll der Sitzung vom 09.03.2022

Ministerin Marion Gentges und Staatssekretär Siegfried Lo rek machen hier einen hervorragenden Job. Ihnen sage ich auch im Namen der CDU-Landtagsfraktion dafür herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und den Grünen)

Genau dies steht stellvertretend für so viele Menschen in un serem Land. Es zeigt sich eine ganz breite Welle an Solidari tät in Baden-Württemberg. Die Menschen zeigen Tatkraft, nehmen flüchtende Menschen auf, spenden Kleider, spenden Geld für die Ukrainer.

Aber lassen Sie uns die Welt so sehen, wie sie ist, und nicht, wie wir sie vielleicht gern hätten. Zur Wahrheit gehört auch: Wir werden diese Solidarität nicht nur jetzt, zu Beginn dieses Krieges, nicht nur jetzt, im Moment der großen Emotion, be nötigen, sondern wir werden diese Solidarität sehr lange brau chen. Wir werden diese Unterstützung aus der Zivilgesell schaft nicht wenige Wochen, sondern viele Monate, sehr vie le Jahre brauchen. Auch darum möchte ich alle Baden-Würt tembergerinnen und Baden-Württemberger an dieser Stelle bitten: Lassen Sie uns diese Aufgabe nicht nur Wochen, son dern Monate und Jahre als gemeinsame Verpflichtung emp finden.

(Beifall bei der CDU und den Grünen sowie Abge ordneten der SPD und der FDP/DVP)

Als die UdSSR 1957 im Kalten Krieg den ersten Satelliten ins All geschossen hat, da wurde im Westen vom „Sputnik-Mo ment“ gesprochen. Jetzt müssen wir in Deutschland genau wie damals auch aufwachen und alte Gewissheiten hinterfragen. Zu lange haben wir die Friedensdividende des Kalten Krieges als selbstverständlich genossen, als ginge uns geopolitische Realität nichts an und als gingen uns Konflikte, vielleicht weit entfernt von Baden-Württemberg und Deutschland, in unse rem behüteten Leben nichts an, als ginge uns all das nichts an.

Deutschland war – so mein Eindruck – auch viele Jahre von diesem Wohlstand wie betäubt. Putin zeigt uns mit seiner Bru talität, dass Geopolitik für unsere eigene Zukunft relevanter ist als manche entrückte Debatte, mit der wir in den letzten Jahren vielleicht dachten, auch damit die Welt retten zu kön nen. Auch das gehört zur Wahrheit dieser Stunde.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Wir müssen deshalb aufwachen, um die Herausforderungen und Gefahren der Gegenwart anzunehmen. Wir brauchen ein klares Bekenntnis zur transatlantischen Partnerschaft. Wir brauchen ein klares Bekenntnis zu unserem Partner in den USA, und zwar nicht nur jetzt, sondern jetzt endlich auch dau erhaft.

Kriege haben sich verändert. Sie werden hybrid geführt. Wir brauchen die Fähigkeit, uns zu verteidigen, aber auch die Fä higkeit, uns zu wehren – online und offline. Dazu gehört das klare und dauerhafte Bekenntnis zu unseren Streitkräften. Deshalb muss von dieser Debatte im Landtag von BadenWürttemberg auch das Zeichen ausgehen: Wir stehen an der Seite unserer Bundeswehr, nicht nur jetzt, sondern auch in Zu kunft, auch wenn es mal wieder schwierig wird, liebe Kolle ginnen und Kollegen.

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der Grü nen, der SPD und der FDP/DVP – Zuruf von der AfD)

Wenn wir unseren Wohlstand erhalten wollen, müssen wir be reit sein, Lieferketten zu überprüfen und uns unabhängiger zu machen. Es geht auch um Energie, es geht um Ernährung, und es geht auch um gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Deshalb dürfen wir unsere demokratischen Debatten nicht mehr nur in der Frage von Partikularinteressen führen; die Summe der Eigeninteressen gibt nicht das Allgemeinwohl. Wir sollten wieder mehr Leidenschaft bezüglich der Frage ha ben, wie wir eine krisenfeste Gesellschaft schaffen, indem wir uns neu die Hände reichen und das große Ganze im Blick ha ben.

Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns in diesem Geist genau daran anknüpfen. Schaffen wir auch im Zeichen dieser Stunde einen neuen Aufbruch der Solidarität, aber auch einen neuen Aufbruch für unser Land, für BadenWürttemberg.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU, den Grünen, der FDP/DVP und Abgeordneten der SPD sowie der Minister Manfred Lucha und Peter Hauk)

Für die SPD-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Fraktionsvorsitzenden Stoch.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, lie be Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich weiß nicht, wie es Ihnen ging: Bis zum Mittwoch, also genau vor zwei Wochen, war ich der festen Überzeugung, dass die Vernunft siegen würde, dass ein Militäreinsatz, ein Krieg auf diplomatischem Weg verhindert werden kann – bis zum darauffolgenden Morgen, als wir aufgewacht sind und feststellen mussten, dass sich vie les, vielleicht alles, was für uns in den letzten Jahren und Jahr zehnten Gewissheit war, verändert hatte.

Ich sage es an dieser Stelle ganz deutlich: Dieser Angriffskrieg auf die Ukraine, dieser Überfall auf einen souveränen Staat ist ein Angriff auf das Völkerrecht. Er ist ein Angriff auf die Idee, dass sich souveräne Staaten ihrer Grenzen sicher sein dürfen, auf die Idee, dass man auch Unstimmigkeiten und selbst Streit ohne Gewalt und durch Gespräche aus der Welt

schaffen kann. All diese Gewissheiten hat der russische Prä sident Putin angreifen lassen. Dieser Krieg ist ein Angriff auf uns alle, dieser Krieg ist eine Schande, dieser Krieg ist ein Verbrechen, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen.

(Beifall bei der SPD, den Grünen, der CDU und der FDP/DVP sowie auf der Regierungsbank)

Ich glaube, die meisten von uns haben in den letzten Tagen an Kundgebungen teilgenommen, Kundgebungen, die zeigen, wie viele Menschen sich gegen diesen Krieg stellen, wie vie le zu den Menschen in der Ukraine und aus der Ukraine ste hen. Wir sehen das in unseren Heimatorten, wir sehen das in unserem Land, in ganz Europa und auf der ganzen Welt.

Auch in dieser dunklen Stunde macht dieses Zeichen Mut. Es macht uns Mut, dass wir mit unserem Gefühl der Hilflosig keit nicht allein sind, und es macht den Menschen in der Uk raine Mut, dass sie in dieser schwierigen Zeit nicht vergessen sind. Es wird eines klar: Wenn Wladimir Putin eine Spaltung Europas oder der globalen Gemeinschaft wollte, wenn er ei nen Dissens im Westen oder gar ein Eingehen auf seine For derungen wollte, dann hat er jetzt schon eines erreicht, näm lich genau das Gegenteil, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen.

(Beifall bei der SPD und den Grünen, Abgeordneten der CDU und der FDP/DVP sowie auf der Regie rungsbank)

Auf diesen Kundgebungen spürt man doch geradezu körper lich viel Entsetzen über den Krieg, man spürt Sorge um die Menschen in der Ukraine, aber auch um den Frieden in Euro pa. Man spürt aber gleichzeitig auch den Willen, den Men schen in der Ukraine beizustehen. Man spürt aber natürlich auch – da müssen wir ehrlich sein, auch für uns selbst – Ver zweiflung, und man spürt auch Hilflosigkeit. Deswegen müs sen wir doch hier und heute eine Antwort auf die Frage ge ben: Was können wir hier bei uns tun, außer ohnmächtig zu zusehen?

Ich möchte gerade hier im Landtag sagen: Wir sind nicht ohn mächtig – nicht in Europa, nicht in Deutschland und auch nicht in Baden-Württemberg. Wir können mehr tun, als den Menschen in der Ukraine unsere Solidarität zu versichern. Wir können handeln, wir wollen handeln, und wir müssen han deln, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der Grü nen, der CDU und der FDP/DVP)

Es ist wichtig, eines zu betonen: Unser Land steht nicht im Krieg, und gebe es Gott, dass es so bleibt. Genau deswegen müssen wir denen helfen, die vor dem Krieg, vor der Zerstö rung und vor dem Tod fliehen.

Aus diesem Grund hat meine Fraktion, die SPD-Fraktion, ges tern ein Gespräch mit dem ukrainischen Generalkonsul Yuriy Yarmilko geführt. Es war ein bewegendes Gespräch, bei dem die Verzweiflung, aber auch die Entschlossenheit zum Aus druck kam, sich dem Aggressor entgegenzustellen, aber gleich zeitig auch möglichst viele Menschen vor den schlimmsten Folgen dieses Krieges zu bewahren. Wir haben dem ukraini schen Generalkonsul unsere Solidarität, aber auch die Hilfe und Unterstützung versichert, die jetzt nötig ist.

Sorgen wir dafür, dass die riesige Hilfsbereitschaft der Men schen in unserem Land mit einer staatlichen Hilfe einhergeht, die nicht nur unbürokratisch sein soll, sondern auch wirklich unbürokratisch ist. Wir begrüßen deswegen den Sonderstab der Landesregierung für geflüchtete Menschen aus der Ukra ine, und wir begrüßen es, wenn dort auch die Fallen im Klein gedruckten entschärft werden.

Und wir begrüßen es, wenn wir jetzt den Kommunen in un serem Land ganz konkret Hilfe anbieten; denn in den Kom munen wird die Wirklichkeit am schnellsten sichtbar werden. Wir brauchen in den Kommunen Unterkünfte, wir brauchen Verpflegung, wir brauchen auch Bildungsangebote für die Kinder aus diesem Land. Wir müssen die Kommunen in un serem Land bei dieser schwierigen und wichtigen Aufgabe unterstützen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD, Abgeordneten der Grünen, der CDU und der FDP/DVP sowie auf der Regierungs bank)

Wir stellen fest, dass neben denen, die bis zu uns kommen, viele Menschen aus der Ukraine über die Grenze in die un mittelbaren Nachbarländer geflohen sind und gar nicht wei terwollen, weil sie hoffen, dass sie bald in ihre Heimat zurück kehren können. Diese Menschen sind nicht bei uns. Dennoch können wir auch ihnen helfen und unsere osteuropäischen Partner dabei unterstützen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Hilfe zu spenden ist das Ers te und das Wichtigste, was wir in dieser Situation tun können, aber es ist beileibe nicht das Einzige, was wir tun müssen. Der Krieg in der Ukraine ist unrechtmäßig. Er ist unmenschlich, und er muss sofort aufhören. Genau aus diesem Grund unter stützen wir alle Bemühungen unserer Bundesregierung, von Bundeskanzler Olaf Scholz, und der gesamten Staatengemein schaft, damit dieser Krieg so schnell wie möglich beendet wird.

Ich bin Bundeskanzler Olaf Scholz sehr dankbar, dass er in seiner Rede vor dem Deutschen Bundestag am Sonntag der vergangenen Woche für die Bundesregierung die Konsequen zen dieses Angriffs klar benannt hat. Wir haben auf diese ver änderte Weltlage, auf diese Zeitenwende auch mit einer ver änderten Politik im Bereich der Verteidigungs- und Sicher heitspolitik, aber auch in vielen anderen Bereichen, die Ab hängigkeiten z. B. in der Energiepolitik betreffen, zu reagie ren. Wir brauchen nach dieser Wende eine neue Politik, und dafür müssen wir auch im Land Baden-Württemberg um Über zeugung in der Gesellschaft kämpfen, liebe Kolleginnen, lie be Kollegen.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der Grünen und der CDU)

Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich auch Ihnen, lieber Kollege Hagel, und der CDU/CSU dafür danken, dass die Be reitschaft erklärt wurde, die Bundesregierung auf diesem Weg zu unterstützen. Denn eines muss klar sein: Das Schönste, was Herr Putin bekommen könnte, wäre Streit in den westlichen Ländern, innerhalb unserer Staaten oder auch in der westli chen Staatengemeinschaft. Deswegen geht es jetzt um ein Si gnal der Geschlossenheit, und ich möchte Ihnen an dieser Stel le ganz einfach herzlich Danke sagen.

(Beifall bei der SPD, Abgeordneten der Grünen, der CDU und der FDP/DVP sowie des Ministers Man fred Lucha)

Den größten Druck, den wir aufbauen können, ohne Krieg mit Krieg zu beantworten, das stärkste Mittel, das wir jetzt zur Hand haben, sind alle gewaltfreien Strafen gegen die russische Führung. Neben all den symbolischen, aber gewiss schmerz haften Ächtungen und Ausschlüssen, gerade auch im Sport, sind es nun mal vor allem die wirtschaftlichen Sanktionen, die hart und wirksam treffen. Gerade in diesem Punkt spielt Ba den-Württemberg eine wichtige, eine herausragende Rolle. Wenn wir nicht liefern, tut es weh. Das gilt nicht nur für Au tos, das gilt gerade für den Maschinen- und Anlagenbau; vie les davon ist dediziert für die Öl- und Gasbranche.

Gerade wir im Südwesten können hier Entscheidendes bewir ken und Entscheidendes beitragen. Geschäfte beruhen immer auf Gegenseitigkeit. Wo kein Geschäft zustande kommt, fehlt der Umsatz – auch hier im Land. Das kann geringfügig sein, deutlich schmerzhaft oder sogar existenzbedrohend. Dessen sind wir alle uns bewusst. Wir wissen aber auch: Wenn wir hier nicht ohne Wenn und Aber handeln, geben wir unser wirk samstes Druckmittel aus der Hand, um uns für Frieden und Freiheit einzusetzen.

Ich begrüße es daher, dass Vertreterinnen und Vertreter der Wirtschaft in unserem Land erklärt haben, ohne jede Ein schränkung zur Umsetzung dieser Sanktionen zu stehen. Ich begrüße auch, dass die Bundesregierung Hilfen für jene Be triebe angekündigt hat, die durch die Umsetzung der Sankti onen in Schwierigkeiten geraten. Nicht nur gegenüber der Uk raine, sondern auch in unserem Land müssen wir beim Tra gen der Folgen dieser Sanktionen solidarisch handeln, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der Grü nen, der CDU und der FDP/DVP)

Aber auch hier kommt dem Land und der Landesregierung ei ne entscheidende Rolle zu. Es geht darum, Hilfen für betrof fene Unternehmen zu vermitteln. Es geht darum, dass wir auch schwarze Schafe in die Schranken weisen müssen, die die Sanktionen selbst in dieser Lage noch umgehen wollen. Wir alle wissen: In der Vergangenheit hat sich unser Exportland hier nicht immer nur mit Ruhm bekleckert. Das soll diesmal anders sein. Das muss diesmal anders sein. Wir müssen auch hier zusammenhalten.

Aber nicht nur Unternehmen sind von diesen Sanktionen be troffen. Wir müssen auch dafür sorgen, dass die Menschen in unserem Land, vor allem diejenigen mit einem kleineren Geld beutel, bei den steigenden Energiekosten nicht überlastet wer den. Denn einer Illusion sollten wir uns nicht hingeben:

(Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

Dieser Krieg und insbesondere auch die Folgen dieses Krie ges werden nicht innerhalb weniger Tage oder Wochen wie der verschwunden sein.

(Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

Unsere Solidarität als Staat, als Gesellschaft wird über eine lange Zeit gefordert sein, auch was die vor dem Krieg Ge

flüchteten angeht. Deswegen, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen: Die Hilfsbereit schaft und die Solidarität sind im Moment sehr groß. Das Ge fühl, helfen zu wollen, ist sehr groß. Wir müssen gemeinsam als Gesellschaft alles dafür tun, dass wir in den nächsten Mo naten nicht das erleben, was wir früher schon erlebt haben: dass Hilfsbereitschaft in Überdruss umkippt und man sich ir gendwann selbst sagt: „Ich bin mir doch selbst der Nächste.“ Solidarität muss nicht nur wenige Tage oder Wochen, Solida rität muss in den nächsten Monaten und Jahren zur Selbstver ständlichkeit werden.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der Grü nen, der CDU und der FDP/DVP)

Gerade deswegen müssen wir auch auf den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft achten. Daher freut mich die große So lidarität in unserem Land mit den Menschen in der Ukraine. Mich freut die riesige Hilfsbereitschaft vieler Menschen, die durch Geld- und Sachspenden etwas gegen das Gefühl der Ohnmacht und der Hilflosigkeit tun.