Protokoll der Sitzung vom 09.03.2022

(Beifall des Abg. Thomas Blenke CDU)

Dort ist aber auch Antisemitismus immer wieder zu sehen und mit Händen greifbar: plakative Vergleiche mit der Diktatur

des Nationalsozialismus oder das Tragen von „Ungeimpft“Zeichen – Dinge, die das unendliche Leid des jüdischen Vol kes, die die unfassbaren Verbrechen der Nazis relativieren und instrumentalisieren.

Wir, meine sehr geehrten Damen und Herren, sind nicht be reit, das hinzunehmen oder gar wegzuschauen. Ich danke dem Kollegen Hildenbrand und dem Kollegen Blenke. Sie haben es angesprochen: die Polizeirabbiner, „Querdenken“-Beob achtungen, aber auch unseren Kabinettsausschuss „Entschlos sen gegen Hass und Hetze“.

(Glocke des Präsidenten)

Gestatten Sie ei ne Zwischenfrage des Abgeordneten – –

Nein. – Im deutschen Rechts extremismus ist seit einiger Zeit eine grundlegende Wandlung zu beobachten, meine Damen und Herren. Etablierte rechts extremistische Organisationen und Gruppierungen oder Par teien haben immer weniger Bedeutung; immer stärker verla gert sich das Ganze in die virtuelle Welt. Das Internet wird zu nehmend für rassistische Hetze, Hasskommentare und Ge waltaufrufe missbraucht. Die größte Gefahr dabei ist – des halb gilt für unsere Landesregierung auch da eine absolute Nulltoleranzstrategie –, dass die verbale Gewalt des virtuel len Raums zu realer Gewalt in der realen Welt wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, diese Landesregie rung wird deshalb im Kampf gegen Rechtsextremismus, gegen Antisemitismus nicht nachlassen. Wir führen diesen Kampf mit allen Mitteln, die uns der demokratische Rechtsstaat an die Hand gibt – hart und konsequent. Ein Scheitern, ein Zu rückweichen ist keine Option.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen und der CDU)

Verehrte Kolle ginnen und Kollegen, meine Damen und Herren, mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Große An frage besprochen und Punkt 7 der Tagesordnung erledigt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 8 auf:

Beschlussempfehlung und Bericht des Ständigen Aus schusses zu der Mitteilung der Bürgerbeauftragten des Landes Baden-Württemberg vom 13. Dezember 2021 – Tätigkeitsbericht der Bürgerbeauftragten des Landes Ba den-Württemberg für die Jahre 2020 und 2021 – Druck sachen 17/1458, 17/1706

Berichterstattung: Abg. Nico Weinmann

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Ausspra che eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion festgelegt. Für die sich daran anschließenden Ausführungen der Bürgerbe auftragten des Landes, Frau Beate Böhlen, hat das Präsidium ebenfalls eine Redezeit von fünf Minuten vereinbart.

Das Wort erteile ich jetzt für die Fraktion GRÜNE der Kolle gin Cataltepe. Ich weise noch darauf hin, dass es die erste Re de der Kollegin ist. – Bitte sehr.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! 1 509 Fälle – das ist eine sehr große Zahl. Sie finden diese Zahl in dem aktuellen Tätigkeitsbericht der Bürgerbeauftragten des Landes BadenWürttemberg für die Jahre 2020 und 2021. 1 509 Akten wur den in den vergangenen zwei Jahren bearbeitet. In diesen Ak ten stecken die Berichte von vielen verzweifelten Menschen, Menschen, die sich diskriminiert, missverstanden, ungerecht und ungleich behandelt fühlten, Menschen, die ihr Vertrauen in die Behörden des Landes fast verloren hatten.

Für all diese Menschen gibt es seit fünf Jahren eine besonde re Anlaufstelle: die Bürgerbeauftragte des Landes. Ob per E-Mail, Telefon oder mit ihrem persönlichen Erscheinen, all diese Bürgerinnen und Bürger haben Gehör gefunden – kos tenfrei, niedrigschwellig und meist sehr schnell.

(Beifall bei den Grünen – Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Ob es um zugeparkte Garageneinfahrten ging oder um über raschende Feuerwehrrechnungen – ihnen wurde geholfen. De facto war die Zahl der bearbeiteten Fälle noch deutlich höher. Viele Beschwerden tauchten nämlich nicht in der Statistik auf, weil sie schnell bearbeitet werden konnten. Die Bürgerbeauf tragte hat mit ihrem Team in den vergangenen zwei Jahren nicht nur all diese Konflikte bearbeitet und gemanagt, sondern die Akzeptanz und das Verständnis für Behörden, deren Ab läufe und die gesetzlichen Grundlagen potenziert.

Dies hat nicht nur das Vertrauen in unsere Landesverwaltun gen und in unseren Staat gestärkt, sondern auch das Vertrau en der Bürgerinnen und Bürger in ihre Beteiligungsmöglich keiten, weil sie ernst genommen wurden, weil ihnen auf Au genhöhe begegnet und zugehört wurde. So konnten viele Kon flikte gelöst, Vereinbarungen getroffen und Kompromisse ge funden werden.

(Beifall bei den Grünen – Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, kann versöhnen und Vertrauen schaffen. Genau dieses Vertrauen brauchen wir ge rade jetzt so dringend – Vertrauen, das unsere Demokratie be nötigt, weil wir in einer Zeit leben, die den Menschen viel ab verlangt, weil wir in einer Zeit leben, die Sorgen und Ängste, Verunsicherungen und auch Unmut auslöst.

Die Bürgerbeauftragte hat sich als neutrale und unabhängige Anlaufstelle etabliert. Sie hat eine wichtige Scharnierfunkti on in der Kommunikation zwischen den Bürgerinnen und Bür gern und den Landesverwaltungen, den Ministerien und den Regierungspräsidien. Sie ist ein wichtiger Baustein, der unse re Arbeit als Abgeordnete und die des Parlaments ergänzt und häufig den Rechtsweg überflüssig macht.

1 509 ist eine große Zahl. Es ist auch eine große Zahl ange sichts der wenigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Bisher hatte die Anlaufstelle nur drei volle Stellen. Deshalb freue ich mich sehr, dass die Bürgerbeauftragte dank des Landeshaus halts und dank Ihrer Zustimmung, liebe Kolleginnen und Kol legen, 2022 verstärkt werden kann.

Diese Zahl zeigt uns aber auch, dass im gesellschaftlichen Le ben nicht immer alles rundläuft.

(Beifall bei den Grünen – Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Denn sie liefert uns Hinweise, wo Verwaltungshandeln über prüft und nachjustiert werden kann und sollte.

Im Innenausschuss berichtete die Bürgerbeauftragte auch über besondere Vorkommnisse in der Polizei, denn sie ist auch Po lizeibeauftragte. Das heißt, Polizistinnen und Polizisten kön nen sich außerhalb des Dienstwegs an sie wenden. Entspre chend hatten sich auch Betroffene und Zeugen vertrauensvoll an die Polizeibeauftragte gewandt. Es ist wichtig, dass Ver dachtsfälle aufgeklärt werden können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sehen also, dass die Bür gerbeauftragte in beide Richtungen eine sehr wertvolle Ein richtung ist. Denn sie stellt einerseits das Vertrauen der Bür gerinnen und Bürger in die rechtsstaatlichen Abläufe auch dank ihrer klaren und verständlicheren Sprache wieder her und nimmt andererseits das Verwaltungshandeln in den Blick, das dann nachjustiert werden kann.

(Beifall bei den Grünen – Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Die Bürgerbeauftragte des Landes ist also eine Einrichtung, die unserem Land wahrhaftig Gutes tut. Und weil sie unsere Demokratie stützt und den Zusammenhalt in unserer Gesell schaft stärkt, wollen wir sie auch in Zukunft weiter ausbauen, genauso, wie wir es im Koalitionsvertrag vereinbart haben. Wir prüfen deshalb, ob sie z. B. mit mehr Rechten ausgestat tet werden kann, wie etwa dem Recht auf Akteneinsicht und dem Zutrittsrecht zu öffentlichen Einrichtungen.

An dieser Stelle, liebe Frau Böhlen, vielen herzlichen Dank für Ihre wertvolle Arbeit, und Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU sowie des Ministers Manfred Lucha)

Vielen Dank. – Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Kollegen Mat thias Miller für die CDU-Fraktion.

(Zuruf von der CDU: Guter Mann!)

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Böhlen, heute stellen Sie Ihren Jahresbericht vor,

(Der Redner hält den Jahresbericht der Bürgerbeauf tragten hoch.)

den Jahresbericht 2020/2021, der ein sehr besonderer ist; denn er deckt zwei Jahre ab, und er ist ganz im Lichte der Corona pandemie gehalten. Wir seitens der CDU-Landtagsfraktion danken Ihnen und Ihrem Team ausdrücklich für Ihr Engage ment, Ihre Leidenschaft, Ihre Sorgfalt und die akribische Ar beit, die Sie einbringen, um die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger zu beantworten. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und den Grünen)

An dieser Stelle bietet es sich auch an, den einen oder ande ren Punkt zum Verhältnis der Bürgerbeauftragten zu uns hier

im Landtag einmal klarzustellen. Wir wählen die Bürgerbe auftragte oder den Bürgerbeauftragten für acht Jahre hier im Landtag. Der Dienstsitz von Ihnen ist auch beim Landtag an gesiedelt. Dann können wir im Plenum und ebenso auch in den Ausschüssen Ihre Teilnahme an Sitzungen anfragen, und Sie stehen uns im Plenum und in den Ausschüssen beratend zur Seite.

Ganz wichtig – § 22 des Bürgerbeauftragtengesetzes –: Sie haben jährlich einen schriftlichen Bericht abzuliefern; um die sen geht es hier nun. In diesem Bericht – man kann ihn durch blättern – fällt auf: Es sind sehr viele Beispiele, viele Statis tiken, viele schöne Bilder enthalten. Und Sie haben auch ein Versprechen eingehalten: Am Ende dieses Berichts ist auch das Protokoll der Plenardebatte über den letzten Bericht ab gedruckt. Dann hatten Sie das Versprechen abgegeben, dass in diesem Bericht nicht so viele Fotos von Ihnen drin sind, sondern auch andere Personen vorkommen.

(Lachen des Abg. Anton Baron AfD)

Auch dieses Versprechen wurde eingehalten. Ich habe auch Bilder Ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gesehen.

(Beifall der Abg. Dr. Natalie Pfau-Weller CDU)

Aber welche Aufgabe haben Sie nach unserem Bürgerbeauf tragtengesetz? § 1 des Bürgerbeauftragtengesetzes stellt es klar:

Die oder der Bürgerbeauftragte hat die Aufgabe, die Stel lung der Bürgerinnen und Bürger im Verkehr mit den Be hörden des Landes zu stärken.

Viele von hier können sich da die Frage stellen: Wie steht jetzt die Bürgerbeauftragte im Verhältnis zum Petitionsausschuss? Beim Petitionsrecht geht es ja um das Recht, sich mit Bitten und mit Wünschen an den Landtag zu wenden. Im Petitions ausschuss – das wissen Sie als langjährige Vorsitzende des Pe titionsausschusses – arbeiten wir sorgfältig und mit großer Ge wissenhaftigkeit, aber die Verfahren können auch eine Weile dauern. Auf Seite 14 des Berichts schreiben Sie, was Sie als Bürgerbeauftragte ausmacht: „Schnell handeln, genau hin schauen, Kontakte nutzen“. Genau das ist der Unterschied und der Grund, weshalb Sie so wichtig auch für uns sind: Sie kön nen schnell und unkompliziert handeln, können auf die Be dürfnisse eingehen und sind so das perfekte Glied zwischen Landtag, Petitionsausschuss und den Bürgern. Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der Grünen sowie des Ministers Manfred Lucha)

An dieser Stelle kann ich als Obmann der CDU-Landtagsfrak tion im Petitionsausschuss sagen, dass die Zusammenarbeit mit Ihnen sehr, sehr gut funktioniert, dass Sie in sehr engem Kontakt mit uns sind und sich auch sehr kollegial verhalten.