Protokoll der Sitzung vom 09.03.2022

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der SPD)

Mit Worten allein – Herr Präsident, Sie gestatten mir noch die sen Satz – werden wir diesen Herausforderungen nicht ge recht. Menschen vertrauen uns, wenn wir unseren Worten Ta ten folgen lassen, oder – mit Mahatma Gandhi gesprochen –: Taten zeigen die Prioritäten. Es wird Zeit, die Prioritäten rich tig zu setzen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der SPD)

Abschließend hat für die AfD-Fraktion der Kollege Hans-Jürgen Goßner das Wort.

Herr Präsident, sehr ver ehrte Kolleginnen und Kollegen! Die diesem Tagesordnungs punkt zugrunde liegende Drucksache könnte auch heißen: An trag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das intellek tuelle und moralische Vermögen – oder besser: Unvermögen – der Spezialdemokraten.

(Heiterkeit und Beifall bei der AfD)

Ich frage mich ernsthaft, wo Sie die letzten Jahre im Plenum, in den Ausschüssen und im Parlamentarischen Kontrollgre mium waren und ob Sie Ihre eigenen Drucksachen überhaupt gelesen und verstanden haben. Der letzten wie auch der aktu ellen Landesregierung war schließlich nichts wichtiger, als ih re Maßnahmen gegen Rechtsextremismus, Antisemitismus und sonstige Staatsfeinde aus dem „richtigen“ politischen Spektrum – also nur von rechts – zu zelebrieren.

Ganz im Stil Annalena Baerbocks war es dann möglich, mit Copy-and-paste hier ein 30-seitiges Pamphlet einzubringen, zusammenkopiert aus unzähligen Anträgen Ihrer Fraktion und natürlich der Grünen. Wirklich Neues erfährt man dabei nicht. Aber Interessantes liest man ja immer wieder gern, wie z. B., dass 2020 nur etwa 5 % der Meldungen gegen Hetze im In ternet an die Plattformbetreiber zur Löschung gemeldet wur den

(Lachen des Abg. Dr. Boris Weirauch SPD – Unru he)

und nur knapp 4 % gelöscht wurden. Der große Rest dürfte „Mimimi“ gewesen sein, gemeldet von sogenannten Melde muschis, die ihren Tag mittags um 12 Uhr beginnen, statt ei ner geregelten Arbeit nachzugehen,

(Beifall bei Abgeordneten der AfD – Abg. Oliver Hil denbrand GRÜNE: Was? – Weitere Zurufe)

von Linken, die zwischen guter und böser Gewalt unterschei den können, oder – entschuldigen Sie bitte, dass ich Ihren frü heren Ministerpräsidenten von Niedersachsen, Gerhard Glo gowski, zitiere – von Leuten, die offensichtlich „Scheiße nach Geruch sortieren“ können.

(Abg. Andrea Bogner-Unden GRÜNE: Auf welchem Niveau befinden wir uns hier? Heijeijei! – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Gossensprache!)

Schauen wir uns doch mal die politische Kriminalität an: 2019 – körperliche Gewalt gegen Amts- und Mandatsträger: von rechts null, von links zwei. Sachbeschädigungen: von rechts null, von links acht. 2020 – Gewalt gegen Amts- und Man datsträger: von rechts null, von links eine Körperverletzung. Sachbeschädigungen: von rechts 18, von links 21. Erstes Halbjahr 2021 – Gewalt: von rechts null, von links einmal Raub und Erpressung. Sachbeschädigungen: von rechts eine, von links acht. Was machen wir denn da? Vielleicht ein biss chen an der Statistik drehen, wie schon so erfolgreich bei an tisemitischen Straftaten praktiziert, oder doch lieber bei den

weisungsgebundenen Datenerfassern in den Polizeipräsidien ansetzen?

Natürlich fällt die Gesamtstatistik zulasten der „Politisch mo tivierten Kriminalität – rechts“ aus. Das war ja auch die Ab sicht Ihrer Anfrage. Vor allem ist das so wegen der vielen Pro pagandadelikte, die es auf der linken Seite ja gar nicht gibt. Da darf ja ungestraft geholzt werden. Dass das offensichtlich Ihrem Geist entspricht, konnten wir in den letzten Tagen von Ihrem Bundespräsidenten erleben, der die RAF-Terroristin Gudrun Ensslin als „große Frau der Weltgeschichte“ bezeich nete.

(Pfui-Rufe von der AfD – Abg. Ruben Rupp AfD: Das ist eine Schande!)

Worauf es aber ankommt, sind Gewaltdelikte oder die Sach beschädigungen wie gelöste Radmuttern oder beschmierte Hausfassaden wie vor wenigen Wochen in Pforzheim beim Kollegen Bamberger oder wie dieser Tage beim AfD-Vorsit zenden Chrupalla – übrigens mit aufgemalten Einschusslö chern an den Kinderzimmerfenstern –

(Abg. Ruben Rupp AfD: Aus Hass werden Taten, ha ben sie gesagt!)

oder die Todeslisten, von der Antifa erstellt, gegen AfD-Poli tiker gerichtet. Deshalb wollen Sie, Herr Hildenbrand, auch keine Waffen in den Händen von Rechtsextremisten. Da stim me ich Ihnen zu. Das möchte ich auch nicht. Von Linksextre misten höre ich von Ihnen aber nichts. Die dürfen offensicht lich Waffen haben, oder wie muss ich das interpretieren? Ich weiß es nicht.

Was den Antisemitismus betrifft: Kein Liederabend mit Hei no, der Ihnen entgeht, auch wenn keinerlei Straftaten began gen werden. Gangsta-Rap hingegen wird vorwiegend von lin ken Jungwählern konsumiert. Er fördert einer Studie der Uni Bielefeld zufolge antisemitische und frauenfeindliche Einstel lungen bei jugendlichen Hörern. Unter den sehr antisemitisch Eingestellten gaben über 81 % an, sehr gern Gangsta-Rap zu hören – die derzeit größte und wichtigste Jugendkultur.

Dieser Antrag einschließlich dessen Begründung ist ein ein ziges Propagandamachwerk einer Partei, die nicht nur auf dem linken Auge blind ist, sondern auch nach ihrer eigenen Legi timation sucht. Sie müssten nämlich sehen, dass Ihre Innen ministerdarstellerin Faeser unlängst im Zentralorgan der links extremen VVN-BdA gern gesehene Autorin war. Die VVN wurde ja bis 2011 im Verfassungsschutzbericht von BadenWürttemberg geführt, bis Ihr damaliger Innenminister Gall dem ein Ende setzte.

Damit ist eigentlich auch schon genug gesagt über die politi sche Instrumentalisierung der Schlapphüte aus der Tauben heimstraße.

Das ist mir zum Schluss Anlass für eine Mahnung in Richtung CDU: Merken Sie eigentlich, dass die vereinte Linke und Linksextreme drauf und dran ist, alles als rechtsextrem zu dif famieren, was noch nicht als links gilt? Spätestens wenn die Schonfrist in der Zweckgemeinschaft mit den Grünen zu En de geht, werden auch Sie Zielscheibe der „Brigate Rosse“ aus SPD und Grünen. Sagen Sie dann aber bitte nicht, wir hätten Sie nicht gewarnt.

(Beifall bei der AfD – Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: „Brigate Rosse“, das ist Terrorismus! Wo hört das denn auf? – Abg. Dr. Timm Kern FDP/ DVP: Lassen Sie das ohne Kommentar, Herr Präsi dent? – Zuruf: „Brigate Rosse“? – Unruhe)

Ich will dem Kol legen Goßner sagen: Wir werden Ihre Rede im Protokoll prü fen. Ich kann hier nur noch einmal deutlich mahnen, dass man insbesondere in der jetzigen Zeit eine diesem Parlament an gemessene Sprache in der Debatte führt. Deshalb werden wir im Nachgang das Protokoll sehr deutlich auswerten.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen, der CDU, der SPD und der FDP/DVP – Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Es geht hier um Vergleiche, die schon in seinem Manuskript stehen!)

Ich darf jetzt für die Landesregierung Herrn Staatssekretär Klenk das Wort erteilen. – Bitte sehr, Herr Staatssekretär.

Herr Präsident, meine Da men und Herren! Rechtsextremismus, Antisemitismus, ver fassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates – das sind große Worte, aber auch abstrakte Worte, die Distanz zu lassen. Die abstrakten Worte bezeichnen konkret furchtbare Dinge.

Konkret heißt z. B. Rechtsextremismus: eine grauenvolle Blutspur, die der Nationalsozialistische Untergrund durch un ser Land gezogen hat – zehn Tote, um die ihre Familien in herzzerreißendem Schmerz trauern.

Konkret heißt Antisemitismus: Jüdinnen und Juden überlegen sich, ob sie sich auf der Straße zu ihrem Glauben bekennen, als Jüdin oder Jude zu erkennen geben können, und entschei den sich dann traurigerweise dagegen.

Konkret heißt Delegitimierung des Staates: Hetzer, die zum Umsturz unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung anstacheln.

Ja, das, worüber wir hier und heute sprechen, ist berührend. Das sind Geschehnisse, die uns als einzelnen Menschen be rühren und die das Sein unserer Gesellschaft in ihrem inners ten Keim und Kern berühren.

Deshalb sage ich in aller Klarheit, in aller Deutlichkeit: Für unsere Landesregierung ist die Bekämpfung von Rechtsext remismus und Antisemitismus eine der großen Herausforde rungen unserer Zeit, die wir mit allem Nachdruck und mit al ler Kraft angehen.

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der Grü nen und der FDP/DVP)

Lieber Kollege Dr. Weirauch, von Anfang an ist gerade die Bekämpfung dieser Phänomene unserem Innenminister wich tig. Das ist sein ganz besonderes Anliegen, für das er sich mit aller Kraft einsetzt. Deshalb trägt er konsequent dafür Sorge, dass unsere Sicherheitsbehörden für diesen Kampf bestmög lich gerüstet sind.

Unser Haus hat im Dezember 2019 das Sonderprogramm Rechtsextremismus initiiert, ein klares Signal gegen Rechts

extremismus, das die Sicherheitsbehörden im Land noch stär ker gemacht hat. Das Landesamt für Verfassungsschutz hat ei ne eigene Abteilung

(Abg. Thomas Blenke CDU: Genau!)

„Rechtsextremismus und -terrorismus, Reichsbürger und Selbst verwalter“ bekommen.

(Abg. Anton Baron AfD: Und Linksextremismus? – Zuruf des Abg. Ruben Rupp AfD)

Im Oktober 2020 wurde im Landesamt für Verfassungsschutz für die Herausforderung des virtuellen Rechtsextremismus das neue Referat „Operative Informationserhebung im Internet“ installiert.

Bei der Polizei in Baden-Württemberg ist die Bekämpfung der politisch motivierten Kriminalität ein besonderer Schwer punkt. Deshalb wird dort sowohl in der Fläche als auch beim Landeskriminalamt in einer klaren Struktur gearbeitet, von Spezialistinnen und Spezialisten des Staatsschutzes. Da geht es um eine konsequente Strafverfolgung, aber auch darum, schon im Vorfeld gewaltbereite Personen zu identifizieren, präventiv zu arbeiten, auch mit Deradikalisierungsmaßnah men durch das Kompetenzzentrum gegen Extremismus in Ba den-Württemberg, konex.

Aber auch das persönliche Verstehen und Erleben ist entschei dend. Deshalb haben wir in Baden-Württemberg als erstem Land überhaupt – Kollege Hildenbrand hat es angesprochen – im vergangenen Jahr Polizeirabbiner in ihr Amt eingeführt. Damit erweitern wir die Perspektive unserer Polizeibeamtin nen und Polizeibeamten, damit diese ihre Arbeit noch besser machen können. Zudem pflegen wir seit Jahren einen inten siven Austausch mit den israelitischen Religionsgemeinschaf ten im Land.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das konsequente Handeln der Sicherheitsbehörden in Baden-Württemberg zeigt sich auch daran, dass unser Landesamt für Verfassungsschutz als bundesweit erste Behörde – auch das wurde schon genannt – die Organisationsebene von „Querdenken-711“ zum Beob achtungsobjekt erklärt hat. Was sich in diesem Zusammen hang beinahe täglich im Corona-Protestgeschehen zeigt, ist mitunter schwer erträglich – lieber Kollege Dr. Weirauch, Sie haben es angesprochen.

(Zurufe)

Damit es keine Missverständnisse gibt: Natürlich darf man die Regierungen in Bund und Land kritisieren, sogar hart kri tisieren, scharf kritisieren.

(Abg. Ruben Rupp AfD: Das weiß ich nicht!)

Meinungsfreiheit ist eines der höchsten Güter in unserer De mokratie, und jeder gute Demokrat wird immer auch das Recht des Andersdenkenden verteidigen – das Recht, öffent lich, frei und ohne Repressionen seine Meinung zu sagen.

(Beifall des Abg. Thomas Blenke CDU)