Das gilt, liebe Kolleginnen und Kollegen, gerade in der Be wältigung der humanitären, der politischen und der wirtschaft lichen Folgen. Seien wir ehrlich: Das werden keine einfachen Zeiten. Wir gehen schwierigen Zeiten entgegen, und wir wer den einen langen Atem brauchen. Es geht nicht um Tage, ver mutlich auch nicht um Wochen, eher um Monate, vielleicht um Jahre.
Ja, das müssen wir uns klarmachen: Wir stehen ziemlich ex akt nach zwei Jahren noch immer in der Coronapandemie; sie ist noch nicht vorbei. Und schon sind wir in der nächsten ganz großen Krise, in der wiederum die Solidarität der Menschen in unserem Land gefragt ist – nicht nur gestern und heute, son dern auch morgen und möglicherweise für einen langen Zeit raum. Darauf zielt der vorliegende Antrag der vier Fraktio nen. Deswegen bin ich den Fraktionsvorsitzenden, die diesen Antrag unterzeichnet haben, dankbar, weil er diesen langen Atem zum Ausdruck bringt.
Schätzungen besagen, dass bislang mehr als 1,5 Millionen Menschen aus der Ukraine geflohen sind, meist Kinder, Frau en, ältere Menschen. Diese Zahlen – meine Damen und Her ren, machen wir uns mal nichts vor – werden ansteigen, je län ger dieser Krieg dauert und je brutaler er geführt wird.
Der Großteil der Geflüchteten findet im Augenblick – das war auch so zu erwarten – in den Nachbarländern der Ukraine Zu flucht, mehr als die Hälfte in Polen. Es ist gigantisch, was in Polen geleistet wird.
Ich kann uns nur raten, unseren polnischen Nachbarn jegliche Unterstützung zuteilwerden zu lassen. Das gilt auch für Un garn, die Slowakei, Moldawien. Die Hilfsbereitschaft in die sen Ländern ist beeindruckend.
Ich kann uns nur raten: Helfen wir diesen Ländern, unterstüt zen wir sie, wo wir nur können. Jeder Euro und jeder Cent ist ein gut investierter Euro und Cent.
Aber nicht nur dort – in vielen Ländern der Welt ergreifen die Menschen Partei und drücken ihre Unterstützung aus. Auch in unserem Land erleben wir eine unglaublich große Solida rität und eine breite Hilfsbereitschaft. Das zeigt: Wir stehen zusammen und helfen unseren Nächsten, wenn es darauf an kommt. Das ist ein Lichtblick in diesen dunklen Zeiten, und es ist auch eine klare Depesche nach Moskau. Deswegen herz lichen Dank dafür.
Ich will es aber noch einmal sagen: Diesen Zusammenhalt, dieses gemeinsame Handeln werden wir nicht nur in den kom menden Tagen und Wochen, sondern vermutlich in den kom menden Monaten und vielleicht über Jahre hinweg brauchen. Wir wissen zwar noch nicht so genau, wie viele Menschen aus der Ukraine bei uns in Baden-Württemberg Schutz suchen werden; eines weiß ich aber sicher: Wir brauchen eine große gemeinsame Kraftanstrengung von Europa, Bund, Land und unseren Kommunen, um den Kriegsflüchtlingen zu helfen.
Und am Ende braucht es vor allem auch konkret die Menschen in unserem Land, die helfen und unterstützen und bereit sind, das mitzutragen, das heißt, den Kriegsflüchtlingen ein Dach über dem Kopf zu geben, sie gut zu versorgen, ihnen Arbeit anzubieten – sie dürfen ja ab dem ersten Tag arbeiten –, die Kinder in unseren Kitas und Schulen aufzunehmen und vie les andere mehr.
Die Vorbereitungen der Landesregierung dafür laufen auf Hochtouren. Das Justizministerium hat sofort nach Kriegsbe ginn unter Leitung von Staatssekretär Lorek einen Koordinie rungsstab eingerichtet, der die Maßnahmen zur Aufnahme der Flüchtlinge steuert. Dort sind neben den betroffenen Ministe rien natürlich auch die kommunalen Landesverbände vertre ten.
So schafft es das Ministerium in Zusammenarbeit mit den Standortkommunen im Rekordtempo, die Plätze in unseren Erstaufnahmeeinrichtungen auszubauen: Heidelberg plus 800 Plätze, Ellwangen plus 800 Plätze, Sigmaringen plus 800 Plät ze, Freiburg plus 100 Plätze. In der Gemeinde Meßstetten im Zollernalbkreis werden wir in der ehemaligen Kaserne kurz fristig 800 Menschen unterbringen können.
Damit, liebe Kolleginnen und Kollegen, haben wir die Zahl der Plätze in der Erstaufnahme in nicht einmal zwei Wochen von gut 6 000 auf 10 000 erhöht. Dafür sage ich herzlichen Dank an Ministerin Marion Gentges und ihr Team. Mit die sen Kapazitäten sind wir für die Herausforderungen der kom menden Wochen gut aufgestellt, aber wir werden selbstver ständlich am Ball bleiben.
Die Erstaufnahmeeinrichtungen werden, da keine aufwendi ge Einzelfallprüfung notwendig ist, vor allem als erste An laufstelle und Drehkreuz dienen. Dort kommen die Menschen
an, werden erfasst, medizinisch untersucht, von unseren mo bilen Impfteams geimpft. Danach werden sie auf die Kommu nen verteilt und dort untergebracht.
Damit das gelingt, arbeiten die Landkreise, Städte und Ge meinden unter Hochdruck und auch mit großer Besonnenheit. Unsere kommunalen Partner holen ihre Krisenpläne aus der Schublade. Sie suchen nach Unterkünften, und sie bereiten sich intensiv auf die Aufnahme vor.
Das Engagement und die Hilfsbereitschaft vor Ort sind jeden falls groß. Das macht Mut, und wir haben auch allen Grund zur Zuversicht. Wir haben in unserem Land starke Kommu nen, ein wohlgeordnetes Gemeinwesen und eine engagierte Bürgerschaft. Und wir haben schon manche Herausforderung gemeinsam gemeistert. Baden-Württemberg ist ein starkes Land, und wenn es darauf ankommt, halten wir zusammen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die wirtschaftlichen Sank tionen, die etwa von der Europäischen Union und den Verei nigten Staaten von Amerika wegen des Angriffs Putins auf die Ukraine verhängt wurden, zeigen Wirkung. Sie werden hof fentlich ihren Teil dazu beitragen, dass Präsident Putin sein kriegerisches Handeln überdenkt, vielleicht überdenken muss, vielleicht von seinem Umfeld gezwungen wird, sein Kalkül zu überprüfen.
Die große Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger in unserem Land unterstützt diese Maßnahmen, die sowohl die russische Wirtschaft als auch den russischen Staat empfindlich treffen. Deswegen sind diese Sanktionen richtig und wichtig.
Wir müssen freilich ehrlich sein. Diese Sanktionen haben auch Auswirkungen auf unser Land. Das betrifft etwa Unterneh men, die Handel mit Russland betreiben. Zwar ist das Han delsvolumen Baden-Württembergs mit Russland vergleichs weise gering: 1,7 % unserer Exporte im Wert von 3,8 Milliar den € gehen nach Russland, 1 % unserer Importe im Wert von 2 Milliarden € kommen von dort.
Für einzelne Branchen werden die Sanktionen allerdings deut lich spürbar sein, etwa für die Automobilindustrie. Sie bezieht aus Russland Neongas, Palladium und Nickel. Hier können Engpässe zu Problemen bei der Produktion führen. Deswegen ist es wichtig und richtig, dass der Bund den betroffenen Un ternehmen ein Kreditprogramm der KfW angekündigt hat.
Aber das ist freilich nur die eine Seite, verehrte Kolleginnen und Kollegen. Spürbar sind die Auswirkungen auch für alle Bürgerinnen und Bürger in Form weiter steigender Preise für Energie. Über die Hälfte des Erdgases, ein Drittel des Erdöls und etwa die Hälfte der Kohle für die Verstromung in Kraft werken kommen aus Russland. Es wird nicht von jetzt auf gleich gelingen, diese Importe kurzfristig durch andere Quel len zu ersetzen. Die Versorgungssicherheit muss gewährleis tet bleiben. Niemandem wäre gedient, wenn es zu massiven Versorgungsengpässen käme. Die Preise für fossile Energien steigen. Wir sehen es an der Abrechnung der Heizkosten, und vor allem sieht man es jeden Tag an der Zapfsäule.
Erstens: Wir müssen kurzfristig den Menschen, die sich die teure Energie kaum mehr leisten können, finanziell helfen. Mit
dem Heizkostenzuschuss für Geringverdienende, der zeitna hen Abschaffung der EEG-Umlage und der Erhöhung der Pendlerpauschale sind erste wichtige und richtige Schritte ge tan. Freilich reicht das nicht. Wir brauchen weitere Energie preisbremsen. Der Bundesfinanzminister darf nicht aus stei genden Energiekosten Kasse machen.
Zweitens: Wir müssen unabhängiger werden von Kohle, Erd gas und Erdöl. Wer es jetzt noch nicht kapiert hat, dass die Energien der Zukunft die erneuerbaren Energien sind,
(Beifall bei den Grünen, der CDU und des Abg. Ger not Gruber SPD sowie auf der Regierungsbank – Abg. Anton Baron AfD: Strobl hat keine Ahnung! – Weitere Zurufe)
Denn angesichts der Auswirkungen aufgrund der Wirtschafts sanktionen und unserer Abhängigkeit von Rohstoffen aus Russland muss man sagen: Die Abhängigkeit von Kohle, Erd öl und Erdgas ist auch ein Sicherheitsproblem.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die lange Phase des Frie dens in Europa – mit Ausnahme der Konflikte auf dem Boden des früheren Jugoslawiens – hat uns allen ein Gefühl der trü gerischen Sicherheit gegeben. Krieg in Europa schien für vie le undenkbar – und nun sind wir damit konfrontiert.
Es ist richtig, dass die Bundesregierung mit einem Sonderver mögen in Höhe von 100 Milliarden € die Bundeswehr stärken will,
um die Verteidigung des Landes und der NATO-Partner sicher zustellen. Und ich will für die Landesregierung und jedenfalls für die große Mehrheit des Parlaments sagen: Diese finanzi elle Stärkung ist richtig. Es war und ist aber auch richtig, dass wir zu unserer Bundeswehr stehen, zu den Standorten in Ba den-Württemberg,
zur Arbeit unserer Soldatinnen und Soldaten bei gemeinsa men Übungen und auch bei gemeinsamen Empfängen, zu de nen Gott sei Dank viele Kolleginnen und Kollegen
In diesem Zusammenhang ist es mir als Innenminister wich tig, zu sagen, dass freilich eine umfassende Analyse der ge samten Verteidigungskonzeption erforderlich ist. Um es noch einmal klar zu sagen: Wir stehen zur Bundeswehr, wir stehen zu unseren Soldatinnen und Soldaten, und wir stehen zu den 100 Milliarden €.