Protokoll der Sitzung vom 14.12.2022

Ja, die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten müssen sich darauf verlassen können, dass sie Rückhalt haben, dass sie im Land eine Führung haben, auf die man sich verlassen kann, die ein Vorbild darstellt und weiß, was es heißt, nach Recht und Gesetz zu handeln.

Nehmen wir Einblick, wie das in Baden-Württemberg aus sieht: Anklage gegen den ranghöchsten Polizeibeamten im Land wegen sexueller Belästigung einer Beamtin, die in der Hierarchie weit unter ihm steht, Hausdurchsuchung im Innen ministerium, staatsanwaltschaftliche Ermittlungen gegen den Innenminister, ein Inspekteur der Polizei, der ausdrücklich vom Innenminister gewollt war – so viel zur Personalauswahl des Innenministers –, und eine Landespolizeipräsidentin, die bereits bei ihrer vorherigen Verwendung gezeigt hat, dass sie nicht in der Lage ist, verantwortungsvolle Positionen auszu füllen, mehrere Millionen Euro in den Sand gesetzt hat und dann ins Innenministerium gewechselt ist, um Landespolizei präsidentin zu werden.

Das ist die Lage, die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte sowie Bürgerinnen und Bürger vorfinden, wenn sie auf die Führung im Innenministerium schauen und sich zu Recht fra gen: Ist das Führung, auf die man sich verlassen kann? Wir verneinen das ganz klar, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Julia Goll FDP/ DVP)

Wir wollen das wesentliche Problem, das mit den Vorwürfen gegen den Inspekteur der Polizei erst recht zutage getreten ist, thematisieren. Der Innenminister sagt, es gebe zu verschiede nen Themen eine Nulltoleranzlinie. Aber bei sexueller Beläs tigung in Landesbehörden gibt es seit dem Vorfall und seit den Vorwürfen gegen den Inspekteur der Polizei keine nennens werten Maßnahmen. Es wurden keine Möglichkeiten geschaf fen, keine entsprechenden Dienstvereinbarungen geschlossen. Keine maßgebliche Maßnahme, die dieser Innenminister und die Führung in diesem Land umgesetzt haben, nichts! Sie ma chen weiter, als ob nichts geschehen wäre, meine Damen und Herren. Es gibt klare Maßnahmen.

Wir hatten erst in dieser Woche gehört, dass es auch kaum ei ne Rolle bei Dienstvereinbarungen spielt. Die Polizeibeauf tragte des Landes hat am vergangenen Wochenende klar for muliert, dass es keine Bereitschaft seitens des Innenministe riums zur Kooperation mit der Polizeibeauftragten im Hin blick auf den Umgang mit sexueller Belästigung gibt. Da fra ge ich mich, wie solch ein Vorfall am Innenministerium ein fach so vorbeigehen kann, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FDP/DVP – Abg. Thomas Blenke CDU: Zum Haushalt!)

Es wundert mich, dass sowohl Kollege Hildenbrand als auch Kollege Blenke das in ihren Reden nicht einmal erwähnt ha ben.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Es geht um den Haus halt, Herr Kollege! – Zuruf: Weil es um den Haushalt geht! – Glocke des Präsidenten)

Herr Kollege Bin der, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Dr. Hellstern von der AfD?

Nein. – 70 Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte aus zehn Präsidien haben über vier Jahre hin weg in Chatgruppen Hakenkreuze und Bilder von Hitler aus getauscht – vier Jahre lang, ohne dass es irgendjemand be merkt hat.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Meinen Sie, dass Sie es bemerkt hätten?)

Die Antwort der Landespolizeipräsidentin und des Innenmi nisters war, es gäbe eine Nulltoleranzlinie.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Die gibt es!)

Nur kennt sie wohl kaum jemand. Denn außer großen Worten ist es eine Frage von Führung eines Ministers und einer Lan despolizeipräsidentin, Möglichkeiten und einen Rahmen zu schaffen, um zu verhindern, dass so etwas vier Jahre lang un ter der Decke gehalten wird und sich niemand traut, diese Vor fälle zu melden, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FDP/DVP – Glocke des Präsidenten)

Herr Kollege Bin der, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Blen ke?

Kollege Blenke hatte genügend Zeit, zu diesem Thema etwas zu sagen. Er hat die Zeit nicht genutzt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Nulltoleranzlinie heißt, dass auch die Beamtinnen und Beamten wissen, dass es diese gibt. Anscheinend ist dies nicht der Fall.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Muss Ihrer Ansicht nach der Minister alle Chatgruppen, die es gibt, kontrol lieren, ob er sie kennt oder nicht? Das wäre meine Zwischenfrage gewesen!)

Nein, aber es geht darum, Rahmenbedingungen zu schaffen, dass es klar ist, diese zu melden.

Herr Kollege Blenke, da Ihr Minister keine Durchschlagskraft in seiner eigenen Polizei hat, konnte er nicht einmal den Hauptpersonalrat davon überzeugen, dass es notwendig ist, dass Baden-Württemberg an der bundesweiten Polizeistudie teilnimmt, weil er nicht mehr die notwendige Autorität hat.

(Zuruf der Abg. Petra Krebs GRÜNE)

Er hat ja noch nicht einmal die notwendige Autorität, sich in der CDU zum Thema Waffenrecht durchzusetzen. In Bezug auf die Reichsbürger will er das Waffenrecht verschärfen. Zi tat:

Zwar wurde das Waffenrecht mit Blick auf Extremisten und sogenannte Reichsbürger bereits verschärft. Das Ge setz werde aber häufig unterwandert,...

Da würde ich ihm ja zustimmen, aber sein eigener Kollege aus dem Deutschen Bundestag, der innenpolitische Sprecher

der CDU-Bundestagsfraktion, macht Strobl eine Absage, in dem er sagt:

„Unser Waffenrecht ist heute bereits eines der schärfsten der Welt“,... Entscheidend sei, das geltende Waffenrecht konsequent durchzusetzen.

Meine Damen und Herren, dieser Innenminister hat weder die Autorität gegenüber der eigenen Polizei noch die Durchschlags kraft, notwendige Reformen umzusetzen. Das ist das große Problem. Da können Sie in Ihren Haushalt hineinschreiben, was Sie wollen. Wenn Sie keine ordentliche Führung haben, auf die sich die Polizei verlassen kann, dann wird es auch in Zukunft nichts mit der inneren Sicherheit in Baden-Württem berg mit einem Innenminister Thomas Strobl, liebe Kollegin nen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FDP/DVP – Abg. Thomas Blenke CDU: Stimmen Sie dem Haus halt zu? – Glocke des Präsidenten)

Herr Kollege Bin der, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Seimer?

Nein. – Wir haben einen Haushalt vorliegen, den wir im Übrigen ablehnen, Herr Kollege Blen ke, u. a. auch deshalb: Zwar hatten die Sicherheitsbehörden bei diesem Reichsbürgervorhaben, den Staat umzustürzen, das wir sehr ernst nehmen, Erfolge. Ich frage mich aber, warum die Regierungsfraktionen unseren Anträgen zum Ausbau von konex, um dem auch präventiv zu begegnen,

(Abg. Emil Sänze AfD: Weil die konspirativ unter wegs sind!)

und zum Ausbau von Stellen im Verfassungsschutz abgelehnt haben. Denn große Worte sind das eine, aber Handeln ist das andere. Gerade dieser Vorfall zeigt, dass wir repressiv inves tieren müssen, aber auch präventiv Möglichkeiten schaffen müssen, Aussteigern den Weg zu ebnen und sie aus diesen ter roristischen Vereinigungen herauszuholen.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Sie wissen schon, dass es das alles schon gibt und dass das LfV um den Be reich Rechtsextremismus gestärkt wurde!)

Deshalb wollten wir das stärken, doch Sie haben es abgelehnt.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Wir haben vielleicht Ih re Vorschläge abgelehnt, aber wir stärken den Kampf gegen Rechtsextremismus im Landesamt für Verfas sungsschutz!)

Allein mit Sonntagsreden kann man der inneren Sicherheit nicht begegnen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb: Sorgen Sie dafür, dass Personen an der Spitze des Innenministeriums sind, die über jeden Zweifel erhaben sind, in die die Polizei Vertrauen haben kann. Dann können wir auch gemeinsam weiter über die innere Sicherheit sprechen. Solange das nicht der Fall ist, haben wir große Zweifel, ob das größte Sicherheitsrisiko in diesem Land nicht an der Spitze des Innenministeriums steht.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD – Lachen des Ministers Thomas Strobl – Abg. Ansgar Mayr CDU: Thema verfehlt! – Abg. Thomas Blenke CDU: Seine auswendig gelern ten Reden waren auch schon mal besser! – Weitere Zurufe)

Für die Fraktion der FDP/DVP erteile ich das Wort der Kollegin Julia Goll.

Danke schön. – Herr Präsident, geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben hier jetzt schon viele Dankesworte an alle Mitarbeitenden gehört, die im Bereich der inneren Sicherheit und im Bevölkerungsschutz tätig sind. Dem möchten wir uns sehr gern auch anschließen. Herzlichen Dank an sie alle!

(Beifall bei der FDP/DVP, der CDU und der SPD)

Wenn ich hier dann doch kritische Worte zum Innenhaushalt sage, zu den Projekten und wie man sie macht, dann ist das keine Kritik an den Menschen, die in diesem Bereich arbei ten; denn sie können auch nur so gut sein und so viel bewir ken, wie es die Rahmenbedingungen, die ihnen vom Innen ministerium, vom Innenminister und von diesem Haushalts plan vorgegeben werden, ermöglichen.

Wir haben dann schon ein paar Fragen – die Begriffe sind ge fallen; auch die unterstützen wir –, ob der Haushalt für den Innenbereich in Sachen Krisenfestigkeit und Zukunftssicher heit ausreichend aufgestellt ist.

Zum Bereich Digitalisierung wird mein Kollege Daniel Kar rais später noch etwas sagen. Von mir aber auch ein paar Wor te dazu, weil ich diesen Punkt besonders wichtig finde. Man muss kein Fachmann sein, um die jahrelangen Versäumnisse und schleppenden Prozesse zu sehen. Hören Sie sich doch bit te einmal die Berichte von Digitalisierungsbeauftragten in den Kommunen an, die service-bw und Komm.ONE keine guten Zeugnisse ausstellen, die an der Schwerfälligkeit schon schier verzweifelt sind und dann irgendwann selbst die OZGTaskforce gebildet haben, damit die Dinge endlich schneller gehen. Da sitzt jetzt service-bw und macht große Ohren, was diese kommunalen Digitalisierungsbeauftragten auf die Bei ne stellen können.

(Zuruf von den Grünen: Komm.ONE ist eine kom munale Einrichtung! Die ist von den Kommunen!)

Das erste große Projekt von service-bw und Komm.ONE, die digitale Hundesteueranmeldung, wird gern erwähnt. Der Pro zess hat vom ersten Aufschlag an eineinhalb Jahre gedauert. Wenn man das auf jetzt noch über 300 offene Prozesse hoch rechnet, wären das 450 Jahre. Das können wir uns, meine ich, nicht leisten.

(Glocke des Präsidenten)