Protokoll der Sitzung vom 14.12.2022

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Das heißt, einen Modellversuch machen!)

Im Doppelhaushalt haben wir wichtige Maßnahmen auf den Weg gebracht: 500 zusätzliche Lehrerstellen, 270 zusätzliche Stellen für pädagogische Assistentinnen und Assistenten – da mit stärken wir die individuelle Förderung –, die nächste Stu fe zur Stärkung der Schulleiter, das Innovationsprogramm di gitale Schule.

Zwei weitere Programme liegen mir besonders am Herzen, und zwar zum einen die sozialindexbasierte Ressourcensteu erung – ein echtes Wortungetüm, hinter dem aber eine einfa che Idee steckt: Die Schulen, in denen besonders viele Kin der aus sozial benachteiligten Familien unterrichtet werden, erhalten zukünftig mehr Mittel und Personal zugewiesen. Zum anderen ist das die Erprobung von multiprofessionellen Teams an Grundschulen. Dass wir Dinge erproben, bevor wir sie gleich in der Breite implementieren, ist nur richtig und ver nünftig.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU – Zuruf des Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD)

Konkret heißt das, die Schulen bekommen Geld, mit dem sie Sozialpädagogen, Logopäden oder Ergotherapeuten finanzie ren können. Dadurch werden wir der steigenden Vielfalt un serer Gesellschaft nach dem Grundsatz „Bestmögliche För derung, zielgenaue Steuerung, weniger Gießkanne“ entspre chen. Nur so kann man für Bildungsgerechtigkeit sorgen.

(Zuruf des Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD)

Ich komme zum nächsten Punkt, liebe Kolleginnen und Kol legen: starker Rechtsstaat und eine wehrhafte Demokratie. Ba

den-Württemberg ist ein Land mit sehr hoher Lebensqualität. Die Menschen leben gern hier. Das hat viele Gründe. Ein wichtiger Grund lautet: Bei uns lebt man so sicher wie in kaum einer anderen Region der Welt – was allerdings schreck liche Fälle wie gerade den in Illerkirchberg nicht ausschließt; darüber haben wir ja vorhin gesprochen. Das ist natürlich et was, was niemand gewährleisten kann: dass überhaupt keine Verbrechen mehr passieren. Aber dort, wo sie passieren, wird der Staat mit den Mitteln, die er hat, alles versuchen, um in Zukunft solche Verbrechen unwahrscheinlicher zu machen und einzudämmen. Wir haben die niedrigste Kriminalitätsra te seit über 40 Jahren und die höchste Aufklärungsquote seit 60 Jahren.

(Zuruf von der AfD)

Diese Sicherheit steht nicht im Gegensatz zur Freiheit in un serem Land, sie ist vielmehr ihre Voraussetzung.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Nur wer sich sicher fühlt, kann sich frei entfalten. Deshalb tun wir auch weiterhin alles Nötige, um diese Sicherheit zu erhal ten. Wir stärken die Polizei personell und sorgen für eine zeit gemäße Ausstattung. Hinsichtlich der zeitgemäßen Ausstat tung sind wir absolut führend unter allen Bundesländern. Wir führen die große Einstellungsoffensive weiter; in den nächs ten beiden Jahren stellen wir rund 2 700 Anwärterinnen und Anwärter ein und schaffen 600 neue Stellen. Auch technisch bringen wir unsere Polizei auf die Höhe der Zeit. Mit unserer Cybersicherheitsstrategie reagieren wir auf neue und verän derte Herausforderungen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der CDU)

Wir stärken auch den Justizvollzug mit über 270 neuen Stel len.

Eine funktionsfähige und bürgernahe Polizei, eine starke Jus tiz, ein resilienter Rettungsdienst und Katastrophenschutz: Dieser Dreiklang ist für unser Land wichtig. Deshalb stellen wir in allen Bereichen zusätzliche Mittel bereit.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der CDU – Zuruf: Sehr gut!)

Das schafft nicht nur mehr Sicherheit. Ich bin überzeugt, das wird auch mehr Vertrauen in unsicheren Zeiten schaffen.

Fünfter Punkt: aktive Bürgerschaft. Wenn ich hier von Zu kunftsinvestitionen spreche, dann geht es meist um große Summen. Doch unsere größte Stärke und wichtigste Zukunfts kraft sind die Menschen im Land, die nicht zuerst fragen, was der Staat für sie tun kann, sondern die die Ärmel hochkrem peln und anpacken, die Bürgerinnen und Bürger, die bereit sind, Verantwortung für sich und andere zu übernehmen.

Natürlich lassen sich gemeinsames Handeln, freiwilliges En gagement und Gemeinsinn nicht von oben verordnen. Doch machtlos ist die Politik deshalb nicht. Sie kann Engagement ermöglichen und unterstützen. Genau das tun wir in diesem Doppelhaushalt; zuallererst mit unserer Politik des Gehört werdens, die wir auf eine neue Stufe heben. Wir laden die Menschen ein, sich in öffentliche Angelegenheiten einzubrin gen, und zwar nicht nur die lauten, sondern auch die leisen.

Perikles hat vor rund 2 500 Jahren gesagt – ich zitiere –:

Nur bei uns ist ein stiller Bürger kein guter Bürger.

Wir machen die stillen Bürger zu Mitspielern und ermögli chen es dadurch, Konflikte zu lösen und schneller zum Ziel zu kommen. Deshalb wird es in Zukunft bei wichtigen Geset zesvorhaben der Landesregierung ein beratendes Bürgerfo rum mit Zufallsbürgern geben. Damit sind wir Vorreiter nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa. Überall ist man an dieser Strategie hochgradig interessiert.

Kommunen oder Landesbehörden unterstützen wir ganz kon kret mit einer Servicestelle Bürgerbeteiligung, die wir neu ein richten. Aber nicht nur die politische Beteiligung unterstützen wir, sondern auch das bürgerschaftliche Engagement, das bei uns in Baden-Württemberg zur DNA gehört, egal, ob in der Nachbarschaftshilfe, in der Feuerwehr, im Sportverein, in den Kirchengemeinden oder im genossenschaftlichen Dorfladen. Fast die Hälfte aller Menschen in unserem Land engagieren sich ehrenamtlich. Damit liegen wir auf Platz 1 aller Länder.

Dieses Engagement fördern wir. Im kommenden Jahr steigen wir in die baden-württembergische Ehrenamtskarte ein. Durch Vergünstigungen etwa für Kultureinrichtungen wollen wir den engagierten Bürgern ein bisschen zurückgeben und unsere Wertschätzung zeigen.

(Beifall bei den Grünen und der CDU)

Ein weiteres Beispiel ist die Förderung der Freiwilligendiens te wie dem Freiwilligen Sozialen Jahr. Etwa 13 000 junge Menschen nutzen dieses Angebot Jahr für Jahr, so viele wie sonst nirgendwo in Deutschland. Diese Stärke des Landes wollen wir weiter stärken. Wir verdoppeln im kommenden Jahr die Plätze für ein freiwilliges pädagogisches Jahr an un seren Schulen. Auch an vielen anderen Stellen unterstützen wir das Ehrenamt: von der Übungsleiterpauschale bis zum Ab bau der Bürokratie für Vereine. – Das ist übrigens eine Initi ative des Normenkontrollrats. Niemand beabsichtigt, ihn ab zuschaffen; vielmehr entwickeln wir ihn weiter, genau so, wie es im Koalitionsvertrag steht.

(Beifall bei den Grünen und der CDU – Abg. Manu el Hagel CDU: Sehr gut!)

Nur, weil wir ihn neu aufstellen und organisieren, weiß ich nicht, wieso alle den Eindruck erwecken, wir wollten ihn ab schaffen. Davon kann überhaupt keine Rede sein.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU – Abg. Anton Baron AfD: Wie viele Maßnahmen ha ben Sie umgesetzt, Herr Kretschmann?)

Dafür braucht es keine Riesensummen. Aber das sind dennoch wichtige Investitionen in die Zukunft unseres Landes,

(Abg. Anton Baron AfD: Dank der Steuerzahler!)

denn gerade mit Blick auf die große Transformation brauchen wir die Bürgerinnen und Bürger nicht als passive Konsumen ten, sondern als aktive Mitgestalter unseres gemeinsamen Schicksals. Genau so macht meine Landesregierung Politik.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Baden-Württemberg steht finanziell auf einem verlässlichen Fundament. Wir packen die

Herausforderungen der gegenwärtigen Krisen kraftvoll an. Wir stützen die Bürger, und wir stützen die Wirtschaft in un serem Land. Wir sind solidarisch mit der Ukraine und geben den Ukrainerinnen und Ukrainern ein Zuhause.

Wir setzen die richtigen Schwerpunkte und legen die Grund lagen für den wirtschaftlichen Erfolg und den Wohlstand in der Zukunft, einen handlungsfähigen, agilen Staat, der den Krisen unserer Zeit gewachsen ist, konsequenten Klimaschutz, um die Erhitzung des Planeten zu stoppen, eine starke Inno vationspolitik, um die Leitmärkte der Zukunft bei uns in Ba den-Württemberg aufzubauen, und eine Politik des Zusam menhalts, die zu einer aktiven Bürgerschaft ermutigt.

Das Dringende und das Wichtige tun, Krisenmanagement und Zukunftsinvestitionen – so legen wir mit diesem Doppelhaus halt ein Fundament für Zuversicht und Zukunft. Das ist, glau be ich, die Realität – nicht das Zerrbild, das die Opposition gezeichnet hat.

(Beifall bei den Grünen und der CDU)

Es passt einfach. Dieser Haushalt passt zu unserem Land. Es ist ein starker Haushalt für ein starkes Land, aber auch für ein mutiges Land, ein solidarisches Land, für ein Land des gro ßen Engagements.

Ich will noch einmal allen danken, die das möglich gemacht haben, insbesondere den fleißigen Bürgerinnen und Bürgern, den innovativen Unternehmen und den treuen Steuerzahlern, die uns ermöglichen, so etwas auch in schweren Zeiten auf die Beine zu stellen und dieses Land in der Krise zu stützen und für die Zukunft aufzustellen. Das tut dieser Haushalt. Wir werden nun alle Kraft dafür einsetzen, ihn in den nächsten zwei Jahren umzusetzen.

Vielen Dank.

(Anhaltender Beifall bei den Grünen und der CDU)

Unsere Geschäftsordnung sieht nach § 82 Absatz 4 eine Runde der Fraktionsvorsitzen den vor. Ich darf zunächst dem Vorsitzenden der SPD-Frakti on, Herrn Abg. Andreas Stoch, das Wort erteilen.

Sehr geehrter Herr Präsident, lie be Kolleginnen, liebe Kollegen! Herr Ministerpräsident, Sie sind in Ihre Rede mit einem Dank eingestiegen, einem Dank an die Menschen in diesem Land, an die Beschäftigten im öf fentlichen Dienst, an alle diejenigen, die in den vergangenen Jahren – gerade auch während der Krisen – alles dafür getan haben, dass unsere Gesellschaft funktioniert, dass unser Staat funktioniert und dass die Menschen trotz Krisen in Sicherheit leben können. Wir finden das richtig, und wir schließen uns natürlich diesem Dank an.

Zum Abschluss haben Sie gesagt, die Opposition zeichne im Rahmen dieser Haushaltsberatungen ein Zerrbild der Wirk lichkeit. Da möchte ich Ihnen widersprechen.

Wir haben – ich habe das für meine Fraktion, für die SPDFraktion, deutlich gemacht – gerade in der aktuell schwieri gen Situation ausdrücklich großen Wert gelegt auf die Beto nung, dass wir diese aktuellen Herausforderungen auch ge meinsam bewältigen können. Wir haben die Gemeinsamkeit

in den Mittelpunkt gestellt. Denn wir brauchen jeden Einzel nen, wir brauchen die kommunale Ebene, wir brauchen star ke Länder und den Bund, um diese Gesellschaft, alle Men schen, auch unsere Wirtschaft gut durch diese Krise zu be kommen.

Deswegen ist es an uns, auf das hinzuweisen, was aus unse rer Sicht in diesem Doppelhaushalt fehlt, der für die beiden kommenden Jahre 2023 und 2024 eine wichtige Wegmarke in die Zukunft unseres Landes ist. Deswegen, Herr Ministerprä sident, müssen Sie sich von uns schon anhören, ob das, was Sie in blumigen Worten als modernen, agilen Staat bezeich nen, tatsächlich durch Ihre Politik, insbesondere Ihre Finanz- und Haushaltspolitik, auch erfüllt wird.

Sie haben vorhin – das war auch schon bei Ihrer Regierungs erklärung vor einigen Wochen zu beobachten – fleißig aufge zählt, welche Maßnahmen die Politik zur Entlastung der Men schen, zur Entlastung der Unternehmen in Deutschland be schlossen hat. Sie sprachen von Steuererleichterungen, Sie sprachen von den Energiepreisbremsen, die in dieser Woche im Bundestag endgültig beschlossen werden. Sie sprachen auch von den Entlastungsmaßnahmen.

Ja, die sozialdemokratisch geführte Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP hat gezeigt, dass es gerade in einer solch schwierigen Situation besonders wichtig ist, dass sich ein Staat zu seiner Verantwortung bekennt. Die drei Entlastungs pakete über insgesamt 95 Milliarden € waren sicherlich in den letzten Monaten wichtig, damit wir heute sagen können: Un sere Gesellschaft ist bisher einigermaßen gut durch die Krise gekommen. Wir haben es geschafft, dass nicht, wie in ande ren Ländern, große Arbeitslosigkeit entstanden ist – das hat Corona gezeigt, das zeigt auch die aktuelle Energiepreiskrise –, wo auf einmal Unternehmen viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entlassen haben. Das ist bei uns in Deutschland bisher nicht der Fall.

Wir müssen alles dafür tun – denn es ist ein Teil des gesell schaftlichen Friedens, den wir erhalten wollen –, dass die Menschen auch Arbeitsplatzsicherheit haben. Deswegen geht es jetzt um die richtigen Entscheidungen. Aber, Herr Minis terpräsident, dann kann es nicht dabei bleiben, nur darauf zu verweisen, dass sich das Land mit der von Ihnen genannten Summe von 6 Milliarden € an den vom Bund beschlossenen Maßnahmen beteiligt.

Denn die Betroffenheit der Menschen und auch der Unterneh men in diesem Land, was die aktuelle Situation angeht, ist durchaus sehr unterschiedlich. Nach Angaben des Sparkas senpräsidenten konnten in unserem reichen Land Baden-Würt temberg schon vor der Coronakrise 40 % der Privathaushalte am Ende des Monats kein Geld ansparen und keine Rückla gen bilden, sind also jeden Monat nur so einigermaßen über die Runden gekommen – nicht 5 % oder 10 % der Privathaus halte, sondern 40 %. Während der Krisen, der Coronakrise und auch der aktuellen Energiepreiskrise mit gestiegenen Le benshaltungskosten, ist diese Zahl inzwischen auf über 60 % der Privathaushalte angestiegen.