Protokoll der Sitzung vom 07.03.2024

Mit dem Fahrrad als Emanzipator konnten sich die Frauen das erste Mal selbstständig und schnell bewegen. Frauen wurden mobil, Frauen gewannen Freiheit.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Zum Glück ist das für uns alle heute völlig normal. Frauen und Männer fahren hierzulande ungefähr gleich viel mit dem Fahrrad, gerade im Alltag. Sie bringen die Kinder mit dem Lastenrad zur Kita und transportieren den Großeinkauf im An hänger.

(Abg. Anton Baron AfD: Legalisierung von Canna bis für Katzenstein!)

Für mich als Kind bedeutete das Fahrrad Freiheit, Selbststän digkeit und Teilhabe. Das ist auch für viele Menschen in un serem Land so. Wir haben mehr Fahrräder im Land als Autos.

(Zuruf von der AfD: Die hängen in der Garage!)

Alle können sich eines leisten, egal, ob arm oder reich, alt oder jung. Deshalb ist die Förderung des Radverkehrs echte Da seinsvorsorge und Sozialpolitik.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Es wundert daher nicht, dass ein Produkt, das in unserer ge samten Gesellschaft beliebt ist, natürlich auch ein leistungs

fähiger Motor für die Wirtschaft in unserem Land ist. Die Fahrradbranche ist eine der ältesten Industrien Deutschlands. Beispielsweise hat sie die Elektrifizierung aus eigener Kraft gestemmt – ohne Kaufprämie – und konnte dadurch den Um satz in kürzester Zeit verdreifachen.

Fahrradparkplätze bringen dem Handel in Großstädten den fünffachen Umsatz wie die gleiche Fläche an Pkw-Parkplät zen. Wenn wir den Radverkehr in den Innenstädten stärken, stützen wir den Einzelhandel.

(Beifall bei den Grünen und des Abg. August Schu ler CDU)

Fast alle touristischen Radwege im Land sind mit Qualitäts siegeln ausgezeichnet – so viele wie in keinem anderen Bun desland. Das macht Baden-Württemberg für Radreisende hoch interessant. Deshalb steigt die Bedeutung des Radtourismus derzeit überproportional. Das hierin bestehende Potenzial ist noch lange nicht ausgeschöpft. Gerade für den ländlichen Raum bietet der Radtourismus eine enorme Chance.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Eine gute Infrastruktur im Land ist also nicht nur Schubkraft für den Alltagsverkehr, sondern auch für den Tourismus in Ba den-Württemberg. Auch hierfür ist das Fahrrad ein Erfolgs garant.

Nicht zuletzt – das ist eine Binsenweisheit –: Das Fahrrad ist natürlich das klima- und umweltfreundlichste Verkehrsmittel; und Radfahren ist gesund und macht Spaß.

Aber wo steht Baden-Württemberg derzeit auf dem Weg zu einer neuen Radkultur?

(Abg. Gabriele Rolland SPD: Schlecht! – Gegenruf des Abg. Daniel Lede Abal GRÜNE: Gut!)

Wir hatten im Jahr 2011 mächtig Nachholbedarf. Aber wir ha ben die Herausforderung angenommen und uns das Ziel ge steckt: Baden-Württemberg soll das Fahrradland Nummer 1 werden.

(Zurufe von der AfD)

In den vergangenen 13 Jahren haben wir die Radverkehrspo litik tatsächlich auf ein ganz anderes Level gehoben,

(Abg. Thomas Marwein GRÜNE: Sehr gut!)

vor allem mit unserer RadSTRATEGIE, die als konzeptionel le Grundlage alle relevanten Teilaspekte der Radverkehrsför derung, natürlich auch die bereits von mir genannten, abdeckt und zusammen denkt. Sie war Grundlage unseres Handelns in allen Koalitionsverträgen der letzten Zeit. Aktuell wollen wir sie konsequent umsetzen und fortschreiben.

Mit den Radschnellwegen im Land haben wir das Level ge hoben. Hier sind wir in Planung und Bau bundesweit führend. Bis 2030 wollen wir 20 Radschnellwege im Land haben.

Wir haben das Level mit dem alltagstauglichen RadNETZ ge hoben, einem Netz von Radwegen ohne Lücken mit einer Län ge von knapp 8 000 km, die ein sicheres Vorankommen er möglichen sollen. Das setzen wir übrigens gemeinsam mit den

Kommunen im Land Schritt für Schritt um, und wir geben ih nen dafür Geld und Wissen.

Herr Abg. Katzenstein, lassen Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Kenner zu?

Selbstverständlich. – Vielleicht könnten Sie die Uhr anhalten.

Das habe ich schon.

Vielen Dank, Herr Kollege Kat zenstein, nichts anderes habe ich erwartet.

(Vereinzelt Heiterkeit)

Meine Frage betrifft die Radschnellwege. Ich habe Ihnen sehr aufmerksam zugehört. Vieles von dem, was Sie gesagt haben, ist richtig. Zu mir hat mal jemand gesagt: „Dass die Grünen Radschnellwege planen, heißt nicht, dass die schnell gebaut werden.“ Was sagen Sie zu dieser These?

(Beifall des Abg. Rudi Fischer FDP/DVP)

Und: Kann ich irgendwann einmal den Radschnellweg in mei nem Wahlkreis, der seit zwölf Jahren geplant wird – der Ver kehrsminister weiß, wovon ich spreche –, befahren?

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Mit mir zusam men!)

Okay. Aber ich möchte gern die Antwort des Kollegen Kat zenstein hören, Kollege Schwarz.

Danke.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Radschnellwege sind besondere Radwege. Sie sind im Prinzip genauso wie eine Straße zu planen und umzusetzen. Das heißt, es braucht ein umfangreiches Verfahren, ein Bebauungsplanverfahren, es braucht aufwendige Verhandlungen mit den Grundstücksei gentümern. Daher braucht es leider auch eine gewisse Zeit. Ja, wir möchten da gern schneller werden, aber da sind wir auf einem gutem Weg, insbesondere durch unsere drei Pilot strecken. Doch da müssen wir noch einen Gang hochschalten.

(Vereinzelt Beifall)

Wir haben das Level gehoben mit unserer Kampagne Rad KULTUR, zu der z. B. auch das STADTRADELN gehört, das erfolgreichste Bewegungsprojekt des Landes, und mit vielem anderen mehr.

(Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

Durch all dies haben wir Baden-Württemberg zum bundes weiten Vorbild für gelungene Radverkehrspolitik gemacht. Wir radeln im Gelben Trikot vorneweg.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU – Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

Aber ja, ich habe es gerade angedeutet: Es ist noch immer Luft nach oben. Wir sind noch nicht am Ziel, aber die Marke ist das Jahr 2030. Bis dahin werden wir unsere ehrgeizigen Zie le immer weiter verfolgen.

(Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

Was brauchen wir? Wir brauchen primär den konsequenten Ausbau der Fahrradinfrastruktur auf allen Ebenen. Das brau chen wir, um das Radfahren attraktiver zu machen, damit das Auto auch mal stehen gelassen werden kann, damit unsere Klimaschutzziele auch im Sektor Verkehr erreicht werden. So wollen wir z. B., dass bis 2030 jeder zweite Weg selbstaktiv zu Fuß oder mit dem Rad zurückgelegt wird. Der Umstieg er folgt aber nur, wenn wir mit qualitativ hochwertigem Ausbau der Infrastruktur das Fahrradfahren sicherer machen.

Glücklicherweise ist die Zahl der mit dem Rad tödlich Verun glückten bundesweit im letzten Jahr um 7 bis 8 % zurückge gangen. Ich bin gespannt auf die baden-württembergischen Zahlen, die in drei Wochen veröffentlicht werden. Aber jede und jeder Einzelne ist eine, einer zu viel. Ein ganz Besonde rer war der Radaktivist und Blogger Andreas Mandalka alias Natenom, der am 30. Januar 2024 auf der Landesstraße 547 bei Pforzheim von einem Autofahrer angefahren und getötet wurde. Immer wieder hat er auf zu geringen Überholabstand hingewiesen.

Dieser tragische Unfall zeigt daher exemplarisch: Wir haben nicht nur in Sachen Radinfrastruktur Handlungsbedarf, son dern auch im Ordnungsrecht. Wir alle wissen natürlich nicht, ob dieser eine tödliche Unfall hätte vermieden werden kön nen, gäbe es im Zuge der L 547 einen komfortablen sicheren Radweg oder ein allgemeines Tempolimit von 80 km/h oder eine wirkungsvolle Überwachung des vorgeschriebenen Über holabstands von 2 m außerorts. Was wir aber sicher wissen, ist: Die Wahrscheinlichkeit für Unfälle und für schwere Un fallfolgen sinkt enorm, wenn wir das Geschwindigkeitsniveau auf unseren Straßen senken und wenn wir die Einhaltung der Regeln effektiver überwachen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen sowie der Abg. Thomas Dörflinger und August Schuler CDU)

Ich werbe deshalb hier für Ihre Unterstützung. Lassen Sie uns gemeinsam, das ganze Haus, für ein vernünftiges Geschwin digkeitsniveau auf unseren Straßen kämpfen, innerorts und außerorts, damit die von uns allen geteilte „Vision Zero – Null Verkehrstote“ auch erreicht wird. Geben wir den Kommunen mehr Handlungsspielräume für die Einrichtung von Tempo 30 durch ein modernes Straßengesetz, wie es inzwischen 1 051 Kommunen der Initiative „Lebenswerte Städte und Gemein den durch angemessene Geschwindigkeiten“ wünschen.