Protokoll der Sitzung vom 10.12.2002

Sechstens, Umstellungsprogramm für die Landwirtschaft, 150 Millionen DM. Die darin versprochenen Hilfen zur Verbesserung der Lebens- und Aufzuchtbedingungen für alle Tiere wurden inzwischen genauso gestrichen wie die Mittel zur Verfütterung von weitgehend heimischen, möglichst am Hof angebauten Futtermitteln. Die Staatsregierung macht gar nichts mehr. Sie lässt lieber Brüssel und Berlin machen und Brüssel und Berlin zahlen. Nur gut, dass sich die bayerischen Bauern und Verbraucher wenigstens auf Franz Fischler und Renate Künast verlassen können.

Siebtens, Förderung des Regionalmarketings, 25 Millionen DM. Ministerpräsident Stoiber hatte versprochen, Vermarktungskonzepte für gesunde Nahrungsmittel zu

fördern unter dem grünen Motto: Aus der Region – für die Region. Auch dieses Programm wird einfach gestrichen. Minister Sinner unternimmt zur Zeit alle möglichen Werbemaßnahmen. So rät er zum Beispiel Großküchen, leicht und mediterran zu kochen. Nichts gegen eine gute italienische Küche, aber von einem bayerischen Minister erwarte ich doch, dass er sich bei öffentlichen und privaten Großküchen für ökologische und regionale Produkte aus Bayern einsetzt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Frau Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es gibt auch bayerischen Mozzarella!)

Minister Miller wiederum ist ganz stolz darauf, dass er regionale Produkte, zum Beispiel bayerisches Bier, in Brüssel hat schützen können. Was aber nützt uns sein Inventar regionaler bayerischer Spezialitäten, wenn er damit nicht die Herkunft der Rohstoffe vorschreibt?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

„Müller Milch“ verkauft unter dem Siegel der Staatlichen Molkerei Weihenstephan mit der Qualitäts- und Frischegarantie, mit Raute und Löwe auch sächsische Milch. Dafür ist Finanzminister Faltlhauser verantwortlich; denn für eine Auflage, dass unter der blauen Linie nur bayerische Produkte verkauft werden dürfen, hätte er, wie er ehrlicherweise zugibt, erheblich weniger Geld bekommen. In derselben Weise setzt sich die Staatsregierung durchgehend für Regionalvermarktung ein – nämlich überhaupt nicht.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Geschützt sind laut Staatsminister Miller – auch darauf ist er stolz – Nürnberger Bratwürste. Das Schweinefleisch aber kommt aus Dänemark. Das ist Verbrauchertäuschung erster Güte, und das schadet unseren Bauern.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die für Verbraucherschutzfragen zuständige Food Standard Agency in Großbritannien fordert jetzt, dass Schinken, der aus dänischem Schweinefleisch hergestellt wird – die haben offensichtlich das gleiche Problem – künftig nicht mehr als „britisch“ bezeichnet werden dürfe. Mit einer solchen Art von Verbrauchertäuschung sollte endlich auch die Bayerische Staatsregierung aufräumen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Achtens, Förderung des Ökolandbaus, 20 Millionen DM. Minister Miller hat damals großspurig erklärt, Bayern wolle ein Kompetenzzentrum für Ökolandbau werden. Ministerpräsident Stoiber hat das Ziel von 10% Ökobetrieben in den nächsten Jahren ausgegeben. Passiert ist aber nichts.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Seit vier Jahren gibt es einen einzigen Lehrstuhl für Ökoanbau in Bayern, und der ist seit vier Jahren unbesetzt, den gibt es nur virtuell. Wahrscheinlich ist das die virtuelle Hochschule, von der heute schon gesprochen wurde. Minister Miller hatte versprochen, im Zuge der Neuausrichtung der Landesanstalten werde ein eigenes Institut für den ökologischen Landbau eingerichtet werden. Pustekuchen! Aus den Augen der Öffentlichkeit, aus dem Sinn des Ministerpräsidenten – Ökoinstitut gestrichen.

Genauso gestrichen wurden die Mittel für die bessere Vermarktung von Ökoprodukten. Die Förderung für die Ökobetriebe werde ins KuLaP übernommen, hat Minister Miller die Kritik meiner Kollegin Emma Kellner im Haushaltsausschuss zurückgewiesen. Daran beteilige sich die EU – so hat er auch noch erklärt – mit 50% an der Finanzierung. Jetzt kürzt er die KuLaP-Mittel um 5 Millionen und verzichtet zusätzlich zu Lasten der bayerischen Bäuerinnen und Bauern auf mehr als 4 Millionen EU-Mittel.

Ministerpräsident Stoiber hat Anfang Oktober noch beteuert, er werde die Mittel des Kulturlandschaftsprogramms auf keinen Fall kürzen. Er sagte, Bayern werde das mit Sicherheit nicht machen. So viel ist das Wort eines Ministerpräsidenten wert! Er hat ausgeführt:

Die Pflege der Landschaft ist ein ganz wichtiges Anliegen. Das sehe ich nicht als Kürzungsmasse an.

Jetzt werden die Mittel für das Kulturlandschaftsprogramm schon zum zweiten Mal innerhalb weniger Wochen gekürzt. Sind das die verlässlichen und kalkulierbaren Rahmenbedingungen, die Ministerpräsident Stoiber beständig fordert?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Neuntens, DNA-Rinderdatenbank, 15 Millionen DM. Kernstück des bayerischen Qualitätssiegels für Rindfleisch ist die Herkunftssicherung. Dafür muss jetzt offenbar die in Verruf gekommene HI-Tierdatenbank ausreichen. Im Dezember 2000, also mitten in der BSEKrise, hat sich Minister Miller – der hat damals ja viel gesagt – noch dessen gerühmt, wie gut Erfassung und Kontrolle der Rinder funktioniere. Als Anfang dieses Jahres dann die EU erhebliche Mängel feststellte, stritt Miller alles ab. Wenige Tage später frohlockte Minister Sinner, man habe mittlerweile alle Voraussetzungen für ordnungsgemäße Kontrollen geschaffen. Dafür habe man Stellen für 79 Veterinärassistenten geschaffen, die staatliche Kontrollaufgaben übernehmen sollten. Das sind, wohlgemerkt, die gleichen 71 Assistenten, die man zur Zeit gerade ausbildet.

Aber Minister Sinner hat ja alles im Griff. Deswegen braucht er jetzt auch die DNA-Datenbank nicht mehr, die Ministerpräsident Stoiber und er selbst mehrfach als neueste Errungenschaft angekündigt haben. Erst kürzlich hat er ihre Vorzüge im Haushaltsausschuss betont. Aber Geld gibt es keines mehr. Damit, Herr Minister Sinner, ist auch das Herzstück Ihrer stets propagierten gläsernen Produktion gestrichen. Der lückenlose Herkunfts

nachweis, den Sie den Verbrauchern stets versprochen haben – von der Ladentheke in den Stall – fällt damit aus.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zehntens, BSE-Hilfen, 245 Millionen DM. Diese Mittel haben offensichtlich im Gegensatz zu den anderen davor wirklich ihren Zweck erfüllt. Sie sind eine wertvolle Unterstützung für die Futtermittel- und Fleischindustrie, für die Industrie, die im Verein mit dem Bauernverband und der Staatsregierung für den BSE-Skandal verantwortlich war. Das ist das Verursacherprinzip auf bayerisch.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist alles in allem eine ziemlich trostlose Bilanz für so eine großartig angekündigte Initiative. Überall dort, wo es um Verbraucherschutz und gesunde Landwirtschaft geht, gibt es nur leere Sprüche. Außer Spesen nichts gewesen! So lautet auch die Bilanz des Verbraucherschutzministeriums. Es vergeht keine Woche, in der Minister Sinner nicht der überraschten Öffentlichkeit irgendeine einmalige Maßnahme verkauft, eine Maßnahme, von der die Öffentlichkeit schon längst geglaubt hat, sie wäre umgesetzt. Es kommt immer wieder etwas Neues, das eigentlich schon umgesetzt sein sollte.

Herr Minister, Sie haben vorher von der atmenden Verwaltung gesprochen. Ich habe eher das Gefühl, es handelt sich um eine hyperventilierende Verwaltung. Es ist bezeichnend, dass Sie vier Monate brauchen, um unsere Interpellation betreffend BSE-Bilanz für Bayern zu beantworten, das heißt, wenn wir sie demnächst überhaupt bekommen. Dass Sie keine Auskunft geben können über die Erfüllung der Aufgaben, für die Ihr Ministerium gegründet wurde, bestätigt alle Kritiker, die Ihr Ministerium für überflüssig halten. Der ohnehin kaum vorhandene Gestaltungsspielraum Ihres Ministeriums wird mit dem heutigen Haushalt noch weiter eingeengt. Sie wurden finanziell in wenigen Wochen zum zweiten Mal ordentlich gerupft.

Ihr Kollege Zehetmair sagte laut „Münchner Merkur“ vom 9. Oktober, Ihr Budget würde auf ein reales Maß zurückgeführt. Das ist, wie so oft, nur eine Halbwahrheit; denn das reale Maß wäre tatsächlich null. Es ist auffällig, wie Sie ständig neue Rechtfertigungen für die Existenz Ihres Ministeriums suchen. Ihre ganze Rede war eigentlich nichts anderes als der Versuch einer Legitimation.

(Zuruf des Abgeordneten Kobler (CSU))

Die Legitimation dafür war bisher schon immer weit hergeholt. Sie besteht hauptsächlich in Versprechungen. Heute haben Sie die Belege für die Existenzberechtigung Ihres Ministeriums von noch weiter hergeholt, nämlich von der Zukunftsforschung. Die CSU hat plötzlich die Zukunftsforschung entdeckt. Mit diesem Begriff werden wir zurzeit in Zitaten immer wieder beglückt. Es ist ja toll, dass Sie jetzt auch wissen, dass es eine Zukunft gibt. Offenbar handeln Sie nun nach dem Motto: Die Verbraucherinitiative ist tot, es lebe die Gesundheitsinitiative.

Irgendeine Initiative findet sich schon.

Zu Ihrem Kerngeschäft, für das Ihr Ministerium gegründet wurde, zur Lebenmittelsicherheit und Lebensmittelqualität fiel in Ihrer Rede heute kaum ein Wort. Das nehmen wir als Eingeständnis und Bankrotterklärung. Sie haben keinerlei Gestaltungsmöglichkeiten, um auf die Landwirtschaft und die Lebensmittelproduktion tatsächlich einzuwirken. Sie haben keine Möglichkeiten, eine risikomindernde, vorbeugende Lebensmittel- und Verbraucherschutzpolitik einzuleiten. Es fehlt Ihnen und Ihrer Aufgabe der Rückhalt von ganz oben. Weder der Ministerpräsident noch die CSU-Fraktion lassen Sie und Ihr Ministerium ihre Arbeit so machen, wie es im Sinne von Gesundheitsvorsorge und besserer Lebensmittelqualität nötig wäre.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Verbraucherschutzpolitik ist – wie gesagt – Chefsache in Bayern und seitdem extrem konjunkturabhängig – abhängig von der Medienkonjunktur. Ministerium und Verbraucherinitiative wurden in höchster BSE-Not vom Chef persönlich ins Leben gerufen, und genauso schnell wurde wieder abgebaut, als die Verbrauchersicherheit aus dem Focus der Medien geriet. Heute wird jegliche Initiative eingestellt. Die Show ist vorbei.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Das Wort hat Herr Kollege Kobler.

(Zurufe von der CSU: Frau Hirschmann!)

Bei mir auf der Liste heißt es: Herr Kobler. Wenn aber eine andere Absprache besteht – –

(Unruhe)

Herr Kobler, bitte.

Frau Präsidentin, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Zu den Ausführungen von Herrn Dr. Dürr möchte ich nur folgende Anmerkung machen: Wenn er meint, die Show sei vorbei, möchte ich nur sagen, dass wir vor zwei Jahren in der Tat in einer sehr schwierigen Situation waren. Es gab massive Turbulenzen aufgrund der Herausforderung BSE, die ein neues Phänomen in ganz Deutschland war, doch konnten wir durch die Umressortierung und die Berufung von Minister Sinner wieder in ruhige Gewässer steuern. Es ist sehr viel geschehen.

Herr Dr. Dürr, ich habe schon Angst gehabt, dass Sie sich nicht dazu bereit finden, in Ihrem Vortrag auf die bayerische Verbraucherschutzinitiative und die Zahlen einzugehen. Es war gut, dass Sie die Zahlen vorgetragen haben. Damit wurde dem gesamten Parlament in Erinnerung gebracht, welch großartige Leistungen erbracht wurden. Meine Bedenken gingen nur dahin, dass die von Ihnen vorgetragenen Zahlen, die für uns

sprechen, auf mein Zeitkonto angerechnet würden. Das war die große Angst, die ich hatte.

Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, zurück zur Sache. Wir müssen feststellen, seitdem die Verbraucherschutzinitiative und die Gesundheitsinitiative bestehen, ist eine Sensibilisierung eingetreten. Der wirksame Schutz der Verbrauchergesundheit ist ein neuer Schwerpunkt, nicht nur der bayerischen Politik, sondern bundesweit und darüber hinaus. Zwischenzeitlich gab es große Bemühungen, die Sicherheit der Verbraucher und ihr Vertrauen in die Nahrungsmittel wieder herzustellen.

Dass man hier flexibel sein muss und auch Mittel streichen muss, wenn sie nicht mehr erforderlich sind, zeigt zum Beispiel die Tiermehlbeseitigung. Es ist gut, wenn wir hier kostengünstiger arbeiten können. Wir müssen sehen, dass wir zu energetischen Verfahren kommen, damit die Beseitigung noch billiger wird. Das ist eine der großen Alternativen, die wir realisieren müssen. Damit kann Geld gespart werden, das für wichtige Dinge verwendet werden kann.

Herr Kollege Dr. Dürr, es hat mich gewundert, dass Sie nicht das Fleischhygienegesetz angesprochen haben, das in dieser Woche noch diskutiert werden wird. Auch hier wird es durch rationellere Verfahren, Ausschreibungen und konzentrierteres Vorgehen dazu kommen, dass wir einige Millionen einsparen können. Ich meine, da kann man nicht sagen, dass das schlecht wäre und dass nur der Riemen angezogen würde. Das ist in keiner Weise der Fall.

Ein anderer Aspekt ist die Prävention. Auch wenn Sie das kritisieren, werden wir uns in Zukunft stärker darauf konzentrieren müssen, die Dinge präventiv anzugehen, weil das wichtig ist. Der Verbraucherschutzminister hat das heute ganz klar herausgestellt. Die Prävention ist in der Vergangenheit nicht nur in Bayern, sondern auf breiter Ebene in Deutschland und darüber hinaus ein wenig vernachlässigt worden. Ich darf nur an die Problematik der Fehlernährung erinnern. Man spricht davon, dass 50 Milliarden e Gesundheitskosten im Jahr allein durch die Fehlernährung zustande kommen. Ich meine, dass es richtig ist, in Bayern einen Schwerpunkt auf gesunde Ernährung und Prävention zu legen.

Die Gesundheit ist heutzutage ein wichtiger Bereich. Es geht darum, dass der Einzelne mehr Verantwortung übernimmt und dass man nicht meint, man kann sich alles erlauben, bis das Kind in den Brunnen gefallen ist, weil dann eine gesetzliche Krankenkasse die Kosten übernimmt. Wir können es uns nicht mehr leisten, alles den gesetzlichen Systemen unterzujubeln. Ich meine sogar, dass es eine Art von „Rehabilitation“ für die von Ihnen strapazierte gesetzliche Krankenversicherung darstellt, wenn die Kosten reduziert werden und die Krankenversicherung sozusagen ein wenig Luft holen kann.

Wir brauchen eine größere Eigenverantwortung. Ich sehe gerade in dem, was der Verbraucherschutzminister und seine Staatssekretärin leisten, den richtigen Weg, um mittels eines Paradigmenwechsels viel für eine bessere Gesundheit in unserem Land zu tun. Ich sage noch

einmal, die Sozialsysteme werden es nicht verkraften, wenn ihnen alle Kosten aufgebürdet werden. Auch wenn Sie es nicht glauben wollen und Ihre Freunde von RotGrün in Berlin andere Wege gehen, wird es nicht möglich sein, ständig an der Beitragsspirale zu drehen. Das ist Gift für unsere Arbeitsplätze; das ist Gift für die Sicherung unseres Sozialsystems. Deshalb ist es wichtig, mehr Prävention zu betreiben. Das sind hochrentable Investitionsprogramme.