Protokoll der Sitzung vom 11.12.2002

Nun kommen wir zu den Dringlichkeitsanträgen.

Ich rufe auf:

Tagesordnungspunkt 27

Beratung der zum Plenum eingereichten Dringlichkeitsanträge

Zur gemeinsamen Beratung rufe ich auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Dr. Dürr, Dr. Runge, Paulig, Scharfenberg, Schammann und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bericht über die Einführung des Dosenpfandes (Drucksache 14/11212)

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Glück, Kaul, Deml und anderer und Fraktion (CSU)

Mehrwegförderung (Drucksache 14/11234)

Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Wortmeldungen? – Herr Kollege Dr. Runge.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit unserem Antrag fordern wir einen Bericht der Staatsregierung über deren Aktivitäten bei der Einführung der Bepfandungs- und Rücknahmepflicht. Uns geht es um mehr als um einen Bericht. Wir wollen, dass die Staatsregierung bei der Umsetzung der Verpackungsverordnung zügig vorangeht. Das ist bekanntlich Ländersache. Wir wollen nicht, dass weiter auf Obstruktion gesetzt wird.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bislang haben wir im Wesentlichen die Regelung im § 4 Absatz 1 Punkt 9 der Verordnung zur Übertragung von Zuständigkeiten im Bereich der Abfallentsorgung. Ich lese daraus vor:

Zuständigkeit der Kreisverwaltungsbehörde

Die Kreisverwaltungsbehörde ist zuständige Behörde für den Vollzug der auf das Kreislauf-, Wirtschafts- und Abfallgesetz gestützten Verordnungen, soweit sich aus einer Verordnung nicht eine andere Zuständigkeit ergibt.

Das ist alles. Darüber hinaus hat der Freistaat keine Regelungen getroffen oder Klarheit geschaffen. Wie man so hört und wie man liest, sind Wille und Tatkraft der Staatsregierung hier nicht gerade groß. Ich zitiere einen Artikel aus der „Mainpost“:

„Wir werden nicht umhin kommen, geltendes Recht zu vollziehen“, erklärt Peter Frei, der Pressesprecher des Bayerischen Umweltministeriums mit kaum zu überhörendem Zähneknirschen.

Ich bitte Sie, das Zähneknirschen immer leiser werden zu lassen und zu handeln. In diesem Kontext steht unser heutiger Dringlichkeitsantrag. Wir wollen, dass dem Landtag darüber berichtet wird, wie sich die Staatsregierung auf die Umsetzung der Vorgaben der Verpackungsverordnung vorbereitet hat. Wir wollen wissen, welche Abteilung der Kreisverwaltungsbehörden für die Kontrol

len der Verpackungsverordnung zuständig sein soll bzw. wer sonst mit der Überwachung des Vollzugs betraut wird. Die dritte Frage ist, ob die Staatsregierung Handlungsanleitungen und Vorgaben zur Kontrolle der Einhaltung der Bepfandungs- und Rücknahmepflicht vorsieht. Des Weiteren bitten wir, uns darzulegen, welche Schritte oder Konsequenzen bei Verweigerung des Vollzugs durch den Handel vorgesehen sind und ob und welche Vorgaben zur jeweiligen Festsetzung der Bußgeldhöhe im Rahmen der im Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz vorgegebenen Bußgeldvorschriften geltend gemacht werden.

Schließlich soll dem Landtag berichtet werden, ob und gegebenenfalls wie auf Meldung Dritter zu Verstößen gegen die Verpackungsverordnung reagiert wird und welche Konsequenzen die Staatsregierung aus dem Gespräch zieht, das letzte Woche zwischen dem Bundesumweltminister und den Verbänden des Handels und der Getränkewirtschaft stattgefunden hat. Daran haben auch einige Länder teilgenommen. Wir möchten die Konsequenzen wissen, die sich aus diesem Gespräch ergeben haben.

Nun noch wenige Sätze zur Diskussion der letzten Tage. Es geht um die Verzögerungstaktik einiger Unternehmen und um die Verzögerungstaktik der hessischen Landesregierung. Hier muss man festhalten: Vor gut elf Jahren haben die beteiligten Wirtschaftskreise Zustimmung zur Verpackungsordnung signalisiert und darüber hinaus zugesagt, die vorgegebenen Verwertungs- und Mehrwegquoten einzuhalten. Nun haben wir aber erlebt, dass Discounter und Großbrauereien wortbrüchig geworden sind. Sie haben sogar erkennen lassen – man muss nur die Protokolle des Bundesrates lesen –, dass ihre Zusagen schon zum damaligen Zeitpunkt als Luftnummern gedacht waren.

Seit Jahren sind die Quoten stark rückläufig und liegen unter den Vorgaben. Anstatt sich aber auf die Bepfandungs- und Rücknahmepflicht vorzubereiten, wird eine Lawine von Prozessen losgetreten, und es wird weiterhin auf Verhinderung und Verzögerung gesetzt. Das darf sich der Staat, das darf sich die Gesellschaft nicht gefallen lassen. Bis auf das Urteil von Düsseldorf, das aber mittlerweile durch das Urteil von Münster obsolet ist, richten sich alle Urteile gegen die Verhinderer im Geiste der Bepfandungs- und Rücknahmepflicht. Seit Jahren, spätestens aber seit April dieses Jahres ist somit klar, dass das Pfand kommt.

Ein weiteres Nachgeben wäre ein Schlag in das Gesicht der kleinen und mittleren Brauereien, der kleinen und mittleren Getränkeabfüller und des Getränkefachhandels. Sie alle haben stets auf Mehrweg gesetzt und sich auf geltendes Recht verlassen. Ein Nachgeben hätte noch eine zweite Konsequenz: Gerade hier in Bayern erleben wir – der Umweltminister ist leider nicht da -,

(Frau Radermacher (SPD): Er ist sicher im Stimmkreis!)

dass das Instrument des kooperativen Umweltschutzes, das Instrument der freiwilligen Vereinbarungen hochgelobt wird. Wenn Sie hier nachgeben, wird das von Ihnen,

Herr Minister, so hochgelobte Instrument endgültig diskreditiert.

Zu den Hessen und zu dem nachgereichten Antrag der CSU möchte ich noch zwei oder drei Bemerkungen anfügen. Die Bundesregierung wollte die Verpackungsverordnung novellieren und die Regelung transparenter und praktikabler machen. Die Ergebnisse der letzten Ökobilanzen aus den Umweltbundesamt wären eingeflossen. Die Unterscheidung zwischen Einweg und Mehrweg wäre durch die Unterscheidung „ökologisch vorteilhaft“ und „ökologisch nicht vorteilhaft“ ersetzt worden. Nur für letztere wäre die Bepfandungs- und Rücknahmepflicht gekommen. Folge wäre gewesen, dass die Kartonverpackungen von der Verordnung nicht mehr betroffen gewesen wären.

Wir kennen die Geschichte. Es gab eine unselige Koalition, zu der unter anderem auch Bayern und das unselige Nordrhein-Westfalen gehörten. Diese Koalition hat die Novellierung zum Scheitern gebracht. Nun erleben wir, dass genau diejenigen, die damals sagten, sie stimmen der Novelle von Bundesumweltminister Trittin nicht zu, exakt die gleichen Forderungen stellen, die im damaligen Novellierungsentwurf enthalten waren. Was machen die Hessen? – Die sind noch eine Spur dreister. Sie wollen Verwirrung pur stiften, indem sie sagen: Die Tetrapacks werden bepfandet. Dann haben wir untragbare Zustände. Letztlich steht nichts anderes dahinter, als die Umsetzung der Verpackungsverordnung noch weiter zu blockieren.

In unseren Augen ist das eine Dummheit; denn die Bürgerinnen und Bürger werden das nicht mitmachen. Sie durchschauen, was läuft; sie durchschauen derart billige Spiele. Wir in Bayern haben das nicht nötig. Wir haben zumindest bisher noch keine derartigen Signale von Ihnen bekommen. Wir bitten deshalb um Zustimmung zu unserem Antrag und werden dem Antrag der CSU-Fraktion zustimmen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Wörner (SPD): Was, dieser Luftnummer?)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Das Wort hat Herr Meißner.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Kollege Runge hat von Obstruktion gesprochen. Das zeigt schon das eigentliche Ziel des Antrags.

(Lachen des Abgeordneten Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Wir freuen uns selbstverständlich, dass Sie unserem Antrag zustimmen. Warten Sie aber ab, was wir mit Ihrem machen.

(Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Das ist eine Drohung!)

Weil Sie schon so fröhlich lachen – –

(Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Das ist eine Drohung! Das allein ist schon interessant!)

Warten Sie doch erst einmal, was wir machen. Sie wissen das doch noch gar nicht. Wenn man den Antrag liest, weiß man nicht, ob man lachen oder weinen soll. Tatsache aber ist, unser aller Kollege, der Bundestagsabgeordnete Stiegler, hat in diesen Tagen den frühzeitigen Samenerguss durch seine Ausführungen populär gemacht. Wenn ich lese, was Sie hier schreiben, drängt sich mir das Gefühl auf, dass es auch einen vorzeitigen Antragserguss gibt. Allerdings gibt es einen Unterschied: Beim Samenerguss wende ich mich an die männlichen Kollegen. Das kann passieren, weil er nicht vernunftgesteuert ist. Wenn man aber im Bayerischen Landtag Anträge stellt, dann sollte das vernunftgesteuert sein.

Vielleicht ist dieser Antrag tatsächlich triebgesteuert. Bei dem Antrag der Kollegen des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN habe ich schon diesen Eindruck. Ich sage Ihnen auch warum, wenn ich mich Ihnen zuwenden darf. Sie haben sich meiner Auffassung nach von Ihrem Abstimmungssieg über das Dosenpfand hier im Plenum bis zum heutigen Tag nicht erholt – positiv gesprochen. Sie haben sich darüber so gefreut, dass Sie den Jahrestag wahrscheinlich feierlich begehen wollen. Wenn es vielleicht auch nicht ihr Stil ist: Ich empfehle eine Dankwallfahrt nach Altötting – oder: Als Franke würde ich Vierzehnheiligen empfehlen; Sie brauchen eine ganze Menge Nothelfer.

(Zuruf der Frau Abgeordneten Biedefeld (SPD))

Aus dem Ganzen resultiert bei Ihnen ein tief katholisches Verhalten, nämlich die Mirakelgläubigkeit.

(Frau Marianne Schieder (SPD): Das ist nicht katholisch!)

Das Wunder dieses Abstimmungssieges hat Ihnen so gefallen, dass Sie es ständig wiederholen wollen. Frau Paulig sitzt auch so schön da. Wir werden im Umweltausschuss seit dieser Abstimmung regelmäßig mit derartigen Anträgen bedient – und diskutieren die auch freudig mit Ihnen –, weil Sie möchten, dass sich dieses Wunder wiederholt.

Die Frage ist doch: Wie sind die Fakten in Sachen Dosenpfand? Der große Chef Trittin hatte am 5. Dezember dieses famose Spitzengespräch im Bundesumweltministerium mit den Einzelhandelsverbänden. Ich denke, in Deutschland ist noch nie so viel Blech geredet worden, aber ganz bestimmt nicht von den Einzelhändlern. Blech geredet hat nach meiner Auffassung der dauernd lächelnde Herr Trittin.

(Zuruf des Abgeordneten Gartzke (SPD))

Blech wird bepfandet. Ich hoffe, Sie wollen nicht Ihren eigenen Umweltminister bepfanden. Herr Kollege Gartzke macht das. Blech geredet hat unser Schnauzbart Trittin. Er ist Schuld an der unklaren Rechtslage. Er trägt dafür die Verantwortung. Der Bundesumweltminister Trittin hat aus meiner Sicht nichts unternommen, um die Umsetzung der Bepfandung zu unterstützen. Wahr

scheinlich muss man auch noch froh sein, dass keine Dosenkommission eingesetzt worden ist, die nach einem halben Jahr Ergebnisse vorlegt. Hier soll es aber schneller gehen, nämlich bis zum 1. Januar 2003, sonst wäre mit Sicherheit eine Dosenkommission eingesetzt worden.

Jetzt komme ich auf die Obstruktion zurück, Herr Kollege Dr. Runge. Ich sage Ihnen gern, warum ich den Antrag der GRÜNEN als Unterstellung ansehe, warum mir seine Stoßrichtung persönlich nicht gefällt: Sie unterstellen damit nämlich letztlich, dass der Freistaat Bayern nicht willens ist, geltendes Recht anzuwenden. Deshalb wollen Sie das gleich genau wissen. Das geht die ganze Zeit schon so, auch in den Diskussionen im Umweltausschuss: Sie starren wie das Karnickel auf die Schlange Einwegbepfandung. Sie wollen die Bepfandung haben – wie viele hier im Haus. Deshalb hatten Sie auch Ihren Sieg hier im Haus. Viele hier im Haus wollen, dass Einwegverpackungen bepfandet werden. Was uns immer wieder und nach wie vor stört: Sie sagen nichts über den Mehrweganteil. Ich denke, dass sie nicht damit durchkommen, die Bundesländer – in unserem Fall den Freistaat Bayern – in dieser Angelegenheit zu Buhmännern zu machen. Ich glaube, dass wir durchaus das Recht anwenden werden, und davon werden Sie sich letztlich überzeugen dürfen.

Aus dem Bundesumweltministerium – da werden Sie mir Recht geben, Herr Kollege – st wenig zu hören, wie diese Umsetzung geschehen soll.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Runge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Es gibt auch sonst keinen Mangel an Empfehlungen, aber es ist wenig zu hören, wie diese Umsetzung geschehen soll.