Protokoll der Sitzung vom 11.12.2002

Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Mit dem nun anstehenden Dringlichkeitsantrag wird die Staatsregierung aufgefordert, von ihrer Forderung nach einer Nullrunde für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes Abstand zu nehmen und die Tarifautonomie zu respektieren. Die Verhandlungen der Tarifvertragsparteien sind mit dem Ziel einer gemeinsam getragenen Lösung in beiderseitigem Interesse nicht mit Vorbedingungen zu belasten.

Eigentlich ist es ein Antrag mit selbstverständlichem Inhalt. Trotzdem ist er notwendig geworden. Anlass dafür war die Rede des Herrn Ministerpräsidenten in der letzten Woche hier im Hohen Haus, in der er von der Nullrunde für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst gesprochen hat. Er meinte, es sei sein Ziel, dass alle Bediensteten – Beamte, Angestellte und Arbeiter – einen gleichartigen Sparbeitrag erbringen. Dies ist im Grunde genommen ein erneuter Versuch des Herrn Ministerpräsidenten, in die Tarifautonomie einzugreifen.

(Beifall bei der SPD)

Wir hatten diesen Vorgang bereits im Jahr 1993 gehabt. Ich erinnere daran, dass damals der Herr Ministerpräsident die Verlängerung der Arbeitszeit für die Beamten auf vierzig Stunden mit einem Satz begründet hat, den ich nie vergessen werde; ich kenne ihn zwischenzeitlich auswendig. Die damals von der Staatsregierung erstmals in der Bundesrepublik vorgenommene Erhöhung der Arbeitszeit für eine Berufsgruppe sollte als Signal an die Tarifvertragsparteien verstanden werden, dass „im Staat der Urlaubs- und Freizeitweltmeister wieder mehr gearbeitet werden muss“. Soweit das Zitat von damals.

Der Herr Ministerpräsident hat sich damals getäuscht, und er wird sich auch heute wieder täuschen.

(Beifall bei der SPD)

Wir sollten über die Parteigrenzen hinweg mit den Tarifverträgen sehr vorsichtig umgehen und nicht mittels einer Regierungserklärung oder Haushaltsrede in die Tarifautonomie eingreifen. Wir sollten darüber nachdenken, was wir damit bewirken. Wir nehmen den Menschen, die von diesen Einsparungen betroffen sind, in einer sehr schwierigen Zeit ein Stück Hoffnung. Wir haben seit 31 Monaten im öffentlichen Dienst einen Tarifvertrag. 31 Monate hat dieser Tarifvertrag bisher gegolten. Nunmehr stehen Tarifverhandlungen an. Diese Tarifverhandlungen sind – das sollte man der Fairness halber

zur Kenntnis nehmen – aufgrund der überlangen Laufzeit des letzten Tarifvertrages und aufgrund der gestiegenen Lebenshaltungskosten notwendig geworden. Das gilt für die Feuerwehrleute genauso wie für die Krankenschwestern oder für die Kanalbetriebsarbeiter, die gestiegene Lebenshaltungskosten hinnehmen müssen; das gilt aber auch für die Busfahrer, für die Altenpfleger, die Erzieherinnen oder die Müllwerker, die gerade auch in dieser Winterzeit wieder dafür sorgen, dass unser Alltag reibungslos ablaufen kann.

Gleichzeitig sollten wir bedenken, dass wir mit einer Nullrunde auch eine Schwächung des Staatswesens betreiben. Fest steht – und das wird in jeder Rede auf jeder Veranstaltung auch von Ihnen immer wieder gesagt –, dass gutes Personal auch vernünftig zu bezahlen ist, ansonsten ist es nicht motiviert. Dem ist nichts hinzuzufügen.

Im Widerspruch dazu stehen die Grundsätze, welche die CSU-Fraktion in der letzten Woche erstellt hat und die Sie, Herr Glück, an Ihre Mitglieder verteilen ließen. Demnach soll das Einsparvolumen in Höhe von 200 Millionen e nicht nur mit einer Nullrunde im Jahr 2003, sondern auch – ich bitte, genau zuzuhören – mit einer Nullrunde im Haushaltsjahr 2004 erwirtschaftet werden. Meine Damen und Herren, das ist absolut unrealistisch. Wer so etwas auf Papier schreiben lässt, hat von den Tarifverhältnissen in der Bundesrepublik überhaupt keine Ahnung, oder er will provozieren. Das glauben Sie doch selbst nicht.

(Beifall bei der SPD)

Die Reaktionen der Verbände sind entsprechend. Der Bayerische Beamtenbund, der sonst eher dazu geneigt ist, selbst kleine Zuckerl dankend anzunehmen, und der auch immer geneigt ist, die Kollegen Ach und Dr. Eykmann zu loben -

(Ach (CSU): Da fehlen Ihnen die Worte!)

Nein, ich hatte Sie gesehen, und da habe ich mir gedacht, wie sehr Sie sich schon haben loben lassen.

(Prof. Dr. Eykmann (CSU): Es gibt gute Gründe, sich loben zu lassen!)

Das gilt insbesondere für die Altersteilzeit, bei der jetzt die Grenze von 56 auf 58 und jetzt sogar noch auf 60 Jahre hinaufgesetzt wird.

Wir sollten mit den Menschen, die von diesen Maßnahmen betroffen sind, vernünftig umgehen.

(Ach (CSU): Der Eykmann wird’s schon richten! – Frau Radermacher (SPD): So ein blödes Gebabbele!)

Der Eykmann wird’s schon richten – darauf bin ich gespannt.

Die Beamten wollen Leistungsbereitschaft zeigen – so jedenfalls die Pressemitteilung des Bayerischen Beamtenbundes. Sie wollen sachgerecht und motiviert ihre

Arbeit für diesen Staat leisten, und dies umso mehr in schwierigen Zeiten. Die Rahmenbedingungen dafür müssen aber stimmen. Durch die jüngsten Maßnahmen wird jegliche Motivation im Keim erstickt und jede Lebensplanung über den Haufen geworfen.

Meine Damen und Herren, ich darf aus der Pressemitteilung zitieren:

Auf die Belange der Beamten wurde keinerlei Rücksicht genommen. Darüber können auch leere Lobhudeleien auf das Berufsbeamtentum nicht hinwegtäuschen, empört sich der Vorsitzende des Bayerischen Beamtenbundes. Dies spricht jeglicher Fürsorgepflicht Hohn.

Dem kann nur zugestimmt werden.

(Beifall bei der SPD)

Der Deutsche Gewerkschaftsbund wendet sich – wahrscheinlich – an den Vorsitzenden des Ausschusses für Fragen des öffentlichen Dienstes und an den stellvertretenden Vorsitzenden und moniert das Verfahren, das zur Zeit abläuft; wie folgt:

Gleichzeitig werden wir es nicht akzeptieren, dass durch Maßnahmen im Beamtenbereich massiver Druck auf die Tarifverhandlungen ausgeübt wird. Umgekehrt wird eher ein Schuh daraus. Die Tarifabschlüsse müssen Grundlagen für gleichwertige Regelungen im Beamtenbereich bleiben. Zweifellos hat sich in der Vergangenheit der Vorrang der Tarifverhandlungen und die zeit- und inhaltsgleiche Übertragung auf die Beamten, gerade auch in schwierigen Zeiten, bewährt.

Auch dem ist nichts hinzuzufügen.

(Beifall bei der SPD)

Wir brauchen auch gar nicht davon zu reden, dass Nullrunden die Kaufkraft schwächen und Konsumverzicht bedeuten. Aber ich meine, wir sollten doch der Ehrlichkeit halber – dies sollte gerade die CSU-Fraktion tun – beide Nullrunden, für die Haushaltsjahre 2003 und 2004, nicht akzeptieren, denn – wir haben es diese Woche im Ausschuss diskutiert – eine Nullrunde berührt auch das Alimentationsprinzip.

Darum hätte zuvor mit den Spitzenverbänden – weil das Alimentationsprinzip berührt wird – geredet werden müssen. Auch dieses ist in diesem Fall nicht geschehen. Sie von der Staatsregierung verletzen stetig die Beteiligungsrechte nach Art. 104 des Bayerischen Beamtengesetzes. Wenn Sie das weiterhin machen, brauchen Sie sich nicht zu wundern, wenn Motivation verloren geht.

(Beifall bei der SPD)

Sie müssen sich einmal überlegen; Sie wissen das nicht alle: Wir haben am Dienstag im Ausschuss eine Petition des Bayerischen Beamtenbundes behandelt, in dem sich der Bayerische Beamtenbund an den Landtag mit der Bitte um Hilfe wendet, damit die Beteiligungsrechte

in Zukunft eingehalten werden, weil krasse Verletzungen stattgefunden haben. Trotz der Mehrheitsverhältnisse, die im Hause bekannt sind, gab es eine Mehrheit für diese Petition, weil stetige Verletzungen von Beteiligungsrechten betroffener Gemeinschaften erfolgen. Dies ist ebenfalls nicht hinnehmbar.

Deswegen wollen wir – das ist die Überschrift unseres Antrages – einen fairen Umgang mit den Beschäftigten des öffentlichen Dienstes. Dafür stehen wir, und dafür wollen wir werben.

Ich möchte Ihnen zwei Zitate nicht vorenthalten:

Sparen ja, aber doch nicht einseitig zu Lasten einer Berufsgruppe. In diesem Fall zu Lasten des öffentlichen Dienstes. Es kann doch nicht sein, dass hier nach dem Motto verfahren wird: Bezüge je nach Kassenlage.

Dem ist nichts hinzuzufügen. Wissen Sie, wer das gesagt hat? Das hat Herr Staatsminister Huber in einer Rede am 1. Juli 1999 gesagt. Hochinteressant, ich bin gespannt, was heute dazu gesagt werden wird.

Ich darf noch ein Zitat vom 09.12.02 bringen: Herr Glück wird in einem Artikel mit dem Titel „Glück will öffentlichen Dienst grundsätzlich überprüfen“ zitiert, es könne nicht angehen, dass die Beamten in Zeiten knapper Kassen immer als eine Art Sparbüchse herhalten müssten.

(Glück (CSU): Ich habe gesagt, für die nächsten Jahre! Das hat nichts mit dem jetzigen Haushalt zu tun!)

Jetzt sagt Herr Glück, das habe nichts mit diesem Haushalt zu tun, hat es aber am 09.12. so der Presse gegeben. Am 06.12. hat der Ministerpräsident in seiner Rede hier von einer Nullrunde für den öffentlichen Dienst gesprochen. Also, Herr Glück, Vorsicht!

(Glück (CSU): Ich habe es auf die kommenden Haushalte bezogen!)

Dann sollte man vielleicht die Veröffentlichung erst danach kundtun, dann würde es nicht missverstanden werden können. Diejenigen, die das lesen – das lese nicht nur ich, das lesen auch andere –, fühlen sich in gewisser Weise vergackeiert. Bei Ihnen klafft Reden und Handeln sehr stark auseinander. Ich hoffe jedoch, dass Sie nicht nur Lippenbekenntnisse zum öffentlichen Dienst abgeben und deswegen unserem Antrag zustimmen werden.

(Beifall bei der SPD)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Prof. Dr. Eykmann.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der eben aufgerufene Dringlichkeitsantrag hat den Titel „Fairer Umgang mit den Beschäftigten des öffentlichen Dienstes“. Ich würde gerne die Opposition fragen, ob das so ist. Zum Beispiel:

Welche Bundesregierung hat die erarbeiteten Versorgungsansprüche für Beamte um 3,25% gesenkt? – Antwort: Kabinett Schröder. Zweite Frage: Welche Bundesregierung hat für die aktiven Beamten Deutschlands im Jahre 2000 eine Nullrunde beschlossen? – Antwort: Kabinett Schröder. Ist das fair? – Dritte Frage: Welche Bundesregierung empfiehlt eine Nullrunde? – Im Moment Ulla Schmidt – Regierung Schröder.

(Gartzke (SPD): Da geht es um die Ärzte!)

Es gibt ja auch verbeamtete Ärzte. Daran sieht man zunächst einmal, dass die Formulierung „fairer Umgang“ offensichtlich an dieser Stelle eindeutig in eine falsche Richtung zielt.

Ich möchte mich als Abschluss dieser Bemerkung über den fairen Umgang einer rhetorischen Methode bedienen, die ich beim gegenwärtigen Bundespräsidenten gelernt habe, nämlich dass man manche Dinge mit einem Zitat aus der Bibel belegt. Ich bitte Sie, einmal in die Bergpredigt hineinzuschauen, bei Matthäus 7,3. Da Sie diese sicherlich nicht alle im Kopf haben – bei der SPD kann ich mir das gar nicht vorstellen – –

(Frau Radermacher (SPD): Das kann ich mir auch bei der CSU nicht vorstellen!)