Protokoll der Sitzung vom 29.01.2003

weil man den Ursachen von Terrorismus in der Welt so nicht gerecht wird und sie so auch nicht beseitigt werden;

weil allein die Vereinten Nationen die globale Instanz von Politik und Moral sein dürfen, die legitimiert wäre, über den Einsatz militärischer Mittel im zwischenstaatlichen Bereich zu entscheiden, und weil es nicht in Ordnung ist, wenn die Vereinigten Staaten erklären, sie würden auch ohne ein solches UNO-Mandat einen militärischen Einsatz durchführen;

weil ein Krieg gegen den Irak dem Terrorismus als Anlass zu neuen Anschlägen dienen könnte und damit genau das schürt, was er angeblich bekämpft

und weil eine deutsche Beteiligung ein Verstoß gegen das Grundgesetz wäre, das jedwede Beteiligung an einem Angriffskrieg ohne UNO-Mandat aus historischer Verantwortung ausdrücklich rechtlich verbietet.

Aus diesen Gründen muss es das Ziel der Politik sein, alles Erdenkliche zu tun, um einen politische Lösung, um einen Ausweg aus der Spirale der Gewalt zu finden.

Saddam Hussein verfügt mit großer Wahrscheinlichkeit über biologische und chemische Kampfstoffe, die sich besser nicht in der Hand eines Diktators befinden sollten,

(Dr. Bernhard (CSU): Eben!)

mehr noch, die weltweit und nicht nur im Irak geächtet und beseitigt werden müssen. Dieses ist Aufgabe allein der Vereinten Nationen. Und dafür müssen Waffeninspektoren die erforderliche Zeit erhalten.

Ich habe mich deshalb sehr gefreut über das klare Wort der Bischöfe beider christlicher Konfessionen und des Papstes. Es war ein Wort, auf das viele in dieser Eindeutigkeit lange gewartet haben.

(Beifall bei der SPD)

Ich möchte aus der Friedensbotschaft des Papstes nur zwei Sätze zitieren: „Krieg ist niemals ein unabwendbares Schicksal. Krieg ist stets eine Niederlage der Menschen.“

Ein ehemaliger Kollege aus diesem Haus hat zugespitzt formuliert, die CSU müsse sich entscheiden, ob sie dem Papst oder dem amerikanischen Präsidenten folgen will. Ich jedenfalls empfehle Ihnen: Folgen Sie dem Papst! Wir tun es!

(Beifall bei der SPD)

Ich weiß nicht, worauf Herr Ministerpräsident Stoiber hinaus wollte, wenn er Bundeskanzler geworden wäre. Ich habe gesagt, ich fürchte, er hätte unser Land in den Krieg geführt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Widerspruch bei der CSU)

Mehrfach haben Sie Ihre Meinung zu diesem wichtigen Thema gewechselt. Erst haben Sie im Sommer die weltpolitische Situation verschlafen und behauptet, die Kriegsgefahr im Irak sei eine Erfindung der SPD-Wahlkampfzentrale.

(Zuruf von der CSU: Das bezog sich auf die Beteili- gung Deutschlands!)

Dann waren Sie dafür, den USA zu folgen, und zwar bedingungslos. Schließlich haben Sie die Vorbehalte der Menschen in Deutschland gegen einen solchen Krieg

bemerkt und über Nacht eine radikale Gegenposition bezogen. Im RTL-Journal habe ich von Ihnen vernommen, dass Sie den Amerikanern nicht einmal Überflugrechte in Deutschland gewähren wollten.

(Zuruf von der SPD: Genau!)

Von informierten Kreisen wurden Sie dann von dieser Unsinnigkeit zurückgepfiffen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Heute stellen Sie und Ihre Parteifreunde sich wiederum hin und behaupten, Bundeskanzler Schröder missbrauche das Thema Krieg oder Frieden für den Wahlkampf, als ob es hierbei nicht um die zentralste Frage ginge, die Menschen nur bewegen kann.

(Unruhe bei der CSU)

Sie müssen sich fragen lassen, ob Ihr Vorwurf auch für den Papst und für die Bischöfe gilt, die sich in gleicher Weise eindeutig äußern.

(Beifall bei der SPD und der Frau Abgeordneten Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Deutschland wird in schwieriger Zeit eine schwerwiegende Entscheidung abverlangt, wenn es erstmals den Vorsitz im Weltsicherheitsrat führt. Es ist gut, dass die Bundesregierung dann bei ihrer klaren und eindeutigen Haltung bleiben wird.

Diese Haltung hat im Übrigen mit Antiamerikanismus nichts, aber auch gar nichts zu tun, auch nicht mit der Missachtung von Bündnisverpflichtungen.

(Dinglreiter (CSU): Was denn sonst?)

Gerade in einem Bündnis von souveränen Partnern muss es möglich sein, abweichende Meinungen zu vertreten. Bündnissolidarität bedeutet nicht, den Verstand auszuschalten.

(Beifall bei der SPD und der Frau Abgeordneten Paulig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Krieg bedeutet nicht nur schreckliche Folgen für die Zivilbevölkerung, Tausende von Toten, Hunger und Elend, sondern – so zynisch es klingen mag, es an dieser Stelle zu erwähnen – auch schwerwiegende wirtschaftliche Folgen für uns alle und für die gesamte Welt.

Niemand darf es sich zu leicht machen und die wirtschaftliche Entwicklung allein mit der Kriegsgefahr im Nahen Osten erklären. Aber schon heute sehen wir, dass der Ölpreis in die Höhe schnellt und die Aktienkurse in den Keller fallen. Die Devisenmärkte gehen weg vom Dollar und setzen zunehmend auf den stabilen Euro. Mit einer weiteren Verteuerung unserer Währung ist aber wiederum eine Gefahr für unseren Export und unsere Exportstärke gegeben, auf die wir uns nach wie vor stützen können. Dies träfe vor allem Bayern mit unseren erfolgreichen Autobauern BMW und Audi und der dazugehörigen Zulieferindustrie.

Dabei hoffen wir doch alle auf einen konjunkturellen, wirtschaftlichen und politischen Frühling, der uns endlich hilft, aus der Arbeitslosigkeit herauszukommen und einen wirtschaftlichen Aufschwung miteinander zu bewerkstelligen.

Meine Damen und Herren, in der heute vorgetragenen Regierungserklärung des Bayerischen Ministerpräsidenten ging es nur vordergründig um die Lage im Freistaat. Vielmehr wollte sich Herr Stoiber wieder einmal und sehr ausführlich gegen die rot-grüne Bundesregierung in Berlin in Stellung bringen, damit ihm Herr Koch in Hessen nicht die ganze Show stiehlt.

(Hofmann (CSU): So ein Schmarrn!)

Es spielt sich langsam ein, dass die Bühne des Bayerischen Landtags für bundespolitische Profilierung herhalten muss.

(Beifall bei der SPD – Hoderlein (SPD): Sehr auffällig!)

Ohne Zweifel haben wir weltweit eine schwierige wirtschaftliche Situation. Dies gilt insbesondere für alle Länder der Europäischen Union, dies gilt auch für Deutschland und dies gilt auch für alle seine Länder. Eine ehrliche und differenzierte Bestandsaufnahme ist aus diesem Grunde gefragt. Jeder konstruktive Lösungsvorschlag zur Verbesserung der Lage ist ausdrücklich erwünscht.

(Loscher-Frühwald (CSU): Dann tut doch was!)

Was uns aber nicht weiterbringt und was wir seit Wochen leider erleben müssen, ist, wie unser Land systematisch und bedenkenlos heruntergeredet wird, schlechtgeredet und heruntergemacht wird, fast schon so, als wären wir ein Armenhaus knapp vor dem Untergang.

Wenn Herr Stoiber heute für Deutschland eine „überbordende Staatsverschuldung, Steuererhöhungen, zu hohe Sozialversicherungsbeiträge und eine Staatsquote von 48%“ lautstark beklagt hat

(Loscher-Frühwald (CSU): Stimmt das nicht?)

so ist das Heuchelei, und zwar aus folgendem Grund: Er unterschlägt nämlich tunlichst dabei, dass die massive Staatsverschuldung das Ergebnis und die drückende Hinterlassenschaft der Regierung Kohl/Waigel gewesen ist

(Beifall bei der SPD und der Frau Abgeordneten Paulig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

mit einem bis dahin noch nie da gewesenen Schuldenstand von 1,5 Billionen DM. Wenn Herr Stoiber beklagt, dass das Land Niedersachsen sage und schreibe 19% seines Steueraufkommens für die Zinslast aufbringen muss, dann hätten Sie dazusagen müssen, dass der Bund am Ende Ihrer Regierungszeit 24% seiner Steuereinnahmen für Zinslast hat aufbringen lassen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Frau Abgeordneten Paulig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN))

Das war das Ergebnis Ihrer Politik.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Frau Abgeordneten Paulig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN))

Herr Stoiber sagt, 19% Zinslast seien für ihn unvorstellbar. Sie selber haben 24% angerichtet.

(Zuruf von der CSU: Machen wir jetzt Bundespoli- tik?)