Protokoll der Sitzung vom 29.01.2003

Meine Damen, meine Herren! Die Lebensqualität in Bayern wird aber nicht nur bestimmt durch die wirtschaftliche Entwicklung, durch den attraktiven Arbeitsmarkt oder die technologische Leistungsfähigkeit. Sie beruht in hohem Maße auf gemeinsamen Werten, gelebten Traditionen und auf der engen Verbundenheit der Menschen. Sie ist undenkbar ohne die Städte und Dörfer, die Kirchen und Schlösser, die Berge und Seen. Sie ist untrennbar von dem Stolz auf unser Land, dem Zusammenhalt in unserer Heimat und dem Engagement der Bürgerinnen und Bürger.

Erstes Ziel der Staatsregierung ist die Bewahrung dieser Lebensqualität. Wir wollen die besondere Identität Bayerns erhalten.

(Beifall bei der CSU – Zuruf von der SPD: Und Fran- kens!)

Dazu brauchen wir die Unterstützung durch die Bürgerinnen und Bürger. Wir wollen eine Verantwortungsgemeinschaft von Bürger und Staat.

(Zurufe von der SPD)

Sie soll die bessere Alternative sein zum rot-grünen Weg zu immer mehr Staat und immer stärkerer Entmündigung der Bürger.

Wir wollen die Kräfte der Bürger nutzen. Denn nur wer gemeinsam mit anderen Verantwortung übernimmt, wer für sich selbst einsteht, der gewinnt an Selbstvertrauen. Wer Vertrauen in sich und seine Kräfte hat und sich auf die Solidarität der Gemeinschaft verlassen kann, der blickt zuversichtlich in die Zukunft, der sieht für sich und sein Land Perspektiven.

Das gilt nicht nur für ganz Bayern, sondern auch für ganz Deutschland. Für die Menschen sollte das Wort „Zukunft“ nicht mit Angst verbunden sein, denn Zukunft ist zugleich Chance und Herausforderung, die gemeinsam gemeistert werden kann.

Wenn heute die Frankfurter Allgemeine eine große Untersuchung über die Befindlichkeit der Deutschen veröffentlicht und zum Ergebnis kommt – Sie können das nachlesen –,

(Zuruf von der SPD: Erfüllen sich Ihre Vorhersagen!)

wir hätten heute die depressivste Stimmung in Deutschland, die eigentlich bisher nur viermal in Deutschland in dieser Weise zu registrieren war, dann zeigt das, dass wir heute die Aufgabe haben, neben all den kritischen Bemerkungen den Menschen Hoffnung auf die Zukunft zu geben und damit auch bereit zu sein, entsprechende Entscheidungen zu treffen und nicht nur ewig herumzudiskutieren.

(Beifall bei der CSU – Zurufe von der SPD)

Ich habe eingangs gesagt, dass wir in Bayern die geringste Depression gegenüber anderen Teilen Deutschlands haben.

(Zurufe von der SPD)

Deshalb muss sich in Deutschland Entscheidendes tun, damit es auch in Bayern wieder aufwärts gehen kann. Mut zur Zukunft entsteht nur, wenn die Menschen Wege aus dieser Depression sehen. Die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland brauchen Ziele, auf die sie mit all ihrer Kraft hinarbeiten können, die ihr Selbstvertrauen herausfordern und ihre Fähigkeiten beanspruchen. Sie brauchen Perspektiven für die Zukunft, die aus den überholten Denkstrukturen ausbrechen.

Wenn Sie mit den Menschen reden, spüren Sie das. Das ist unsere primäre Aufgabe. Wenn wir das nicht schaffen, wird die Politik das Vertrauen der Bevölkerung verlieren. Die Menschen sagen dann immer häufiger, hier werden keine Perspektiven aufgezeigt, sondern es werden nur Löcher gestopft. Diese Perspektiven werde ich zu unserem bayerischen, aber auch zu dem bundespolitischen Schwerpunkt 2003 machen und für den kommenden bayerischen Vorsitz in der Ministerpräsidentenkonferenz.

Zuversicht aktiviert und entfesselt die Kräfte der Menschen. Pessimismus lähmt sie. Lassen Sie uns die Kräfte der Menschen aktivieren; denn das ist die beste Grundlage für eine gute Zukunft für Bayern.

Für diese Zukunft haben wir in der Vergangenheit alles getan. Wir haben uns nach oben gearbeitet. Jetzt haben wir die Aufgabe, uns oben zu halten und in schwierigen Zeiten weiter nach vorn zu kommen. Ich glaube, wir sind gut gerüstet. In diesem Sinne bitte ich Sie sehr herzlich um Ihre Unterstützung.

(Lang anhaltender Beifall bei der CSU)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Vielen Dank, Herr Ministerpräsident. Ich gebe bekannt, dass sich die Redezeiten der Fraktionen nach § 4 Absatz 1 der Geschäftsordnung um jeweils 23 Minuten verlängern.

(Glück (CSU): Sehr gut! – Zurufe von der SPD)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Maget.

Herr Präsident! Ich warte vielleicht, bis sich die Situation beruhigt hat.

(Unruhe – einige Abgeordnete unterhalten sich mit den Ministern auf der Regierungsbank)

Störe ich Sie? Ich will Sie nicht stören. Ich kann auch warten.

(Anhaltende Unruhe – Zuruf von der SPD: Das ist doch unglaublich!)

Ich will Ihre Kollegen nicht stören.

(Glocke der Präsidentin)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Liebe Kollegen, ich bitte die Gespräche zu beenden.

Es liegt mir fern, Sie zu stören, aber nachdem das auch im Fernsehen übertragen wird, ist es vielleicht angezeigt, nach außen ein vernünftiges Bild zu bieten.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Ministerpräsident! Zu den wichtigsten Hoffnungen der Menschen gehört die auf mehr Frieden in der Welt, auf größere Gerechtigkeit zwischen den reichen und den ärmeren Nationen und auf weniger militärische Konflikte auf dieser Welt. Wir alle miteinander – so hoffe ich – haben diese Hoffnung nicht aufgegeben.

Umso mehr beunruhigt und bedrückt die Menschen in unserem Land die drohende Kriegsgefahr im Irak und damit im gesamten Nahen und Mittleren Osten.

Auch der Bayerische Landtag sollte in dieser existenziellen Frage eine klare Position einnehmen. Wir können heute nicht über die Zukunftsfragen unseres Landes und die Anliegen unserer Bürgerinnen und Bürger sprechen, ohne auch über das wichtigste und aktuellste Thema zu reden.

Ich begrüße die Haltung der deutschen Bundesregierung, die von Anfang an klar und unmissverständlich deutlich gemacht hat, dass es keine militärische Beteiligung Deutschlands an einem solchen Krieg geben wird

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

und ebenso wenig eine Zustimmung dazu im UNO-Sicherheitsrat.

Diese klare Position, Herr Ministerpräsident, ist nicht auf einer Wahlkampfveranstaltung so formuliert worden, sondern diese Position wurde von Anfang an immer wieder bezogen und stets erneuert.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der CSU)

Es ist gut, dass sich in diesen Tagen immer mehr europäische Staaten und auch Mitglieder des UN-Sicherheitsrates mit Vetorecht dieser Position annähern.

Wir lehnen militärisches Eingreifen nicht immer und nicht grundsätzlich ab. Auf dem Balkan, in Bosnien und im Kosovo, hat der Einsatz auch der Bundeswehr zur Befriedung beigetragen. In Afghanistan hat der militärische Einsatz, in dessen Rahmen Deutschland und seine Bundeswehr jetzt eine führende Rolle übernommen hat, dazu geführt, dass die Gewaltherrschaft der Taliban zumindest vorerst beendet und der Kampf gegen den internationalen Terrorismus entschlossen aufgenommen werden konnte.

Ich begrüße es sehr, dass Sie, Herr Ministerpräsident, am Beginn Ihrer Rede an den 70. Jahrestag der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler und den damit verbundenen Untergang der Weimarer Republik erinnert haben. Ebenfalls vor 70 Jahren, im April 1933, folgte der Tag, an dem der Bayerische Landtag dem Ermächtigungsgesetz der Nationalsozialisten zugestimmt hat.

Lediglich die sozialdemokratischen Abgeordneten haben den Mut aufgebracht, in dieser historischen Stunde gegen die Abschaffung der Demokratie in Bayern zu stimmen.

(Beifall bei der SPD)

Ich schätze mich glücklich, an diese stolze und selbstbewusste Geschichte der ältesten bayerischen Partei, nämlich der SPD, erinnern zu dürfen, die in ihrer 120-jährigen Geschichte im Gegensatz zu allen anderen Parteien stets auf der Seite der Demokratie, der Freiheit und des Friedens gestanden ist.

(Beifall bei der SPD)

Ich sage das deshalb, weil wir nicht vergessen sollten, dass Deutschland 1945 nur durch militärische Gewalt von Hitler und den Nationalsozialisten befreit werden konnte. Erst das militärische Eingreifen der USA und ihrer Alliierten beendeten das Völkersterben und den Holocaust und zu Recht verstehen wir den 8. Mai spätestens seit der Rede von Bundespräsident Richard von Weizsäcker als einen Tag der Befreiung.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Durch die Rede des amerikanischen Präsidenten heute Nacht ist die Kriegsgefahr alles andere als geringer geworden. Ein militärischer Angriff auf den Irak wäre aus unserer Sicht aber ein falscher und verhängnisvoller Schritt,

weil er hauptsächlich die Bevölkerung treffen würde, die unter der Diktatur Saddam Husseins und dem angeblich nur gegen ihn gerichteten Wirtschaftsembargo seit vielen Jahren unerträglich leidet;

weil bisher keine Beweise für die Verflechtung irakischer Politik mit Terrornetzwerken der islamistischen Fundamentalisten und deren politischen Unterstützern vorliegen;

weil man den Ursachen von Terrorismus in der Welt so nicht gerecht wird und sie so auch nicht beseitigt werden;