Protokoll der Sitzung vom 29.01.2003

(Dr. Bernhard (CSU): So eine monokausale Erklärung ist doch ein Unsinn!)

Hier gab es nachgewiesenermaßen eine direkte Einflussnahme durch Herrn Minister Huber, der sich sogar noch darum bemüht hat, private Banken mitzureißen. Die waren aber schlauer und konnten sich der politischen Einflussnahme erwehren; die Landesbank konnte das leider nicht.

Ich komme am Schluss meiner Rede zur Umweltpolitik. – Ihre anhaltende Blockade des Dosenpfandes – auch das hat in Ihren Ausführungen leider keine Rolle gespielt – hat sich gegen die vitalen Interessen der mittelständischen bayerischen Brauereien gerichtet.

(Beifall bei der SPD)

Eine solche Politik ist nicht nur mittelstandsfeindlich, sondern auch im Sinne des Umweltschutzes und der Ökologie erschreckend rückschrittlich.

Wenn in Bayern so genannte Jahrhunderthochwasser im Abstand von drei Jahren auftreten und immer mehr Menschen davon in Mitleidenschaft gezogen werden, dann zeigt dies, dass die Rezepte der Vergangenheit nicht mehr ausreichen. Allein das Sommerhochwasser in Bayern hat Schäden in Höhe von rund einer Milliarde e verursacht. Nur wenige Monate später leiden die Menschen an vielen Orten Bayerns erneut unter dem Hochwasser. Deswegen müssen wir alles in unserer Macht Stehende tun, damit es nicht regelmäßig zu solchen Katastrophen kommt und die Schäden so gut wie möglich vermieden oder abgefedert werden.

Wir haben dazu ein Fünf-Punkte-Programm vorgelegt, das zum Ziel hat, den Flüssen und Bächen mehr Raum zu geben und ihnen ihre natürlichen Überschwemmungsflächen zurückzugeben. Dazu passt es natürlich

nicht, wenn an der Donau noch mehr Staustufen gebaut werden.

(Zurufe von der CSU: Doch!)

Wir wenden uns gegen einen solchen Schritt.

(Beifall bei der SPD)

Wir wollen, dass der Versiegelung des Bodens entgegengetreten wird. In Bayern werden jedes Jahr über 100 Quadratkilometer neu verbraucht. Dem müssen wir mit einem landesweiten Entsiegelungsprogramm begegnen.

Die Schutzmaßnahmen an den Dämmen müssen verstärkt werden, und wir brauchen eine Pflicht-Elementarschadensversicherung. Das ist ein Vorschlag, den wir hier seit Jahren machen, den Sie aber stets, aus welchen Gründen auch immer, abgelehnt haben. Mit Überraschung habe ich gelesen, dass Sie einem solchen Vorschlag doch nähertreten würden. Bitte tun wir das doch gemeinsam! Kündigen Sie das nicht bloß an, sondern lassen Sie uns das gemeinsam umsetzen.

(Schultz (SPD): Das haben die gerade abgelehnt!)

Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass die um diese Jahreszeit nicht zu erwartenden Hochwasser eindeutige Folgen des Klimawandels sind. Deshalb müssen wir jetzt alles unternehmen, um diesen Effekt abzumildern. Dazu gehört an erster Stelle eine Verminderung der Treibhausgase. Hier muss man endlich aktiv werden; denn in Bayern sind die CO2-Emissionen seit 1990 deutlich angestiegen, während sie in Deutschland im gleichen Zeitraum um 19% reduziert werden konnten.

In den letzten Jahren wurden in Deutschland entscheidende Weichen gestellt, um eine Energiewende herbeizuführen. Innerhalb von nur vier Jahren wurden neue Arbeitsplätze geschaffen. Der Anteil erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung hat sich verdoppelt.

Die Förderprogramme und Marktanreizprogramme des Bundes haben gerade in Bayern einen Boom bei Fotovoltaik, Solaranlagen, Biomasse und Biogas ausgelöst. Jeweils deutlich mehr als 40% der bundesweiten Anträge kommen aus unserem Land. Die Menschen in Bayern setzen also erfreulicherweise auf Energiesparen, höhere Energieeffizienz und den Einsatz erneuerbarer Energien. Von dieser positiven Einstellung der Menschen darf sich die bayerische Landespolitik nicht länger abkoppeln.

Vor allem gilt: Verlassen Sie endlich die Sackgasse der Atomenergie und der Atomkraft!

(Beifall bei der SPD)

Die Bundesregierung hat mit der Energiewirtschaft den Ausstieg aus der Atomkraft in Deutschland vereinbart – mit klaren Fristen und ohne Entschädigung. Mit dem Atomkonsens ist ein Ende der Atomnutzung in Deutschland erreicht. Wir wollen, dass die Hypotheken strahlenden Atommülls, die viele Generationen belasten werden, nicht weiter anwachsen. Die Bayerische Staatsregierung

hat es bisher nicht geschafft, sich von der nicht verantwortbaren Technologie Atomkraft loszusagen. Sie hält sich immer noch Hintertürchen in neue atomare Sackgassen offen und versündigt sich damit an der Bewahrung der Schöpfung.

Die zentralen Weichenstellungen für die nächsten Generationen werden dadurch gestellt, in welchem Zustand wir die Natur und in welchen friedlichen und stabilen nachbarschaftlichen Beziehungen wir unser Land hinterlassen. Dazu gehört auch die Einbeziehung und Einbindung Bayerns in die Europäische Union. Am 1. Mai des kommenden Jahres wird die Europäische Union zehn neue Mitglieder aufnehmen, darunter unsere Nachbarn in Tschechien, in Ungarn, in Slowenien und in der Slowakei. Mit dieser Entwicklung rückt Bayern ins Zentrum des weltgrößten Binnenmarktes, und die Grenzregionen werden zu Nahtstellen des Zusammenwachsens. Dieser Integrationsprozess bringt deutlich mehr Chancen als Risiken mit sich. Wir haben versucht, die Risiken abzumildern, indem wir Übergangsfristen bei der Niederlassungsfreiheit und bei der Arbeitnehmerfreizügigkeit durchgesetzt haben, nicht Sie, sondern wir. Es war die Bundesregierung, die das auf europäischer Ebene erreicht hat. Jetzt kommt es darauf an, die Chancen Bayerns für eine friedliche Welt und für einen wirtschaftlichen Erfolg zu nutzen. Meine Damen und Herren, das muss ein modernes Bayern werden, ein Bayern, das sich den Zukunftsfragen öffnet.

(Dr. Bernhard (CSU): So wie ihr hier? – Hofmann (CSU): Wie in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen?)

Das muss ein Bayern werden, das nicht rückwärts gewandt an überkommenen gesellschaftlichen Strukturen und Ideologien festhält.

(Lang anhaltender Beifall bei der SPD)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Das Wort hat nun Herr Glück. Bitte.

Frau Präsidentin, wir haben heute Nachmittag eine Debatte über die vorliegenden Entschließungen zum Irak-Krieg. Gleichwohl will ich mit diesem Thema beginnen, da es vom Herrn Kollegen Maget und vorher vom Herrn Ministerpräsidenten angesprochen wurde.

Es ist keine Frage, dass das die Thematik ist, die uns alle gegenwärtig am meisten beschäftigt und bedrückt, und dass wohl alle Menschen in Deutschland die Hoffnung verbindet, dass eine Lösung ohne kriegerische Mittel und ohne Militäreinsatz gefunden werden kann. Es ist aber auch entscheidend, dass wir dabei eine Politik gestalten, die die Wahrscheinlichkeit für eine friedliche Lösung steigert, und dass nicht von Deutschland aus eine Politik vertreten wird, die die Wahrscheinlichkeit für eine friedliche Lösung in der Wirkung – ich sage nicht „in bewußter Absicht“, weil ich fairer sein möchte als Herr Maget mit seinen Unterstellungen gegenüber dem Ministerpräsidenten – beeinträchtigt.

(Beifall bei der CSU)

Ich will niemand unterstellen, dass er bewusst durch seine Politik zu einer größeren Wahrscheinlichkeit eines Krieges beitragen will.

Was sind die Fakten? – Herr Maget, zu keinem Zeitpunkt hat der Ministerpräsident seinerzeit als Kanzlerkandidat die Kriegsgefahr im Irak als eine Erfindung der SPDWahlkampfzentrale gesehen. Aber dass von Ihrer Seite suggeriert wurde, dass Deutschland mit Bodentruppen beteiligt wäre, war zu jedem Zeitpunkt ein Produkt der Phantasie und nie realer Gegenstand.

(Beifall bei der CSU)

Wenn Sie jetzt wieder apodiktisch formulieren, „keine militärische Beteiligung“, das sei die Position der Bundesregierung, dann darf ich Sie fragen: Wie ist das mit den Awacs-Flugzeugen? Warum widerspricht die Bundesregierung der Position der Union und der Opposition, dass über einen möglichen Einsatz von Awacs-Flugzeugen im Deutschen Bundestag entschieden werden muss, wie damals beim Einsatz auf dem Balkan? Der Bundeskanzler hat ausdrücklich erklärt, dass er sich dem nicht entziehen will. Aber Sie wagen es nicht, in eine Abstimmung im Deutschen Bundestag zu gehen, weil es Sie dann zerreißt und weil dann Ihre Wischiwaschi-Position und Ihre Irreführung der Bevölkerung in diesem Punkt offenkundig wird.

(Beifall bei der CSU)

Ihren Entschließungsantrag von heue Nachmittag leiten Sie ein mit der interessanten Formulierung, dass derzeit ein Krieg gegen den Irak nicht gerechtfertigt wäre. Diese Auffassung teilen wir. Aber die Bundesregierung sagt, unabhängig von der Sachlage und allen Erkenntnissen – UNO-Berichte, Berichte von Inspekteuren, da kann kommen, was mag, – sind wir in jedem Fall dagegen. Für was sind Sie denn nun? Sind Sie für die Position von Herrn Schröder, oder haben Sie eine neue Position? Darüber müssen wir heute Nachmittag noch reden. Es ist wieder der Versuch, zu taktieren, es jedem recht zu machen und zu suggerieren: „Wir sind die großen Friedensapostel.“ Das ist aber keine verantwortliche Politik für Deutschland.

(Beifall bei der CSU)

Es ist völlig klar, die Gefahr geht von Saddam Hussein aus. Ich denke, soweit sind wir uns einig. Es ist auch klar, dass die Entscheidungsebene nur die UNO sein kann. Wir müssen immer wieder deutlich machen, der Konflikt kann morgen beendet sein, wenn Saddam Hussein die Bedingungen der UNO – nicht die Bedingungen der Amerikaner oder von irgendjemandem, sondern die Bedingungen der Resolutionen des UN-Sicherheitsrats – erfüllt.

(Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist naiv!)

Meine Damen und Herren, wir sind gegen Alleingänge der USA und gegen deutsche Alleingänge. Dabei gibt es

ein Problem. Es geht um eine schwierige Gratwanderung, auf die es entscheidend ankommt und bei der sich unsere Wege trennen. Ein Einlenken von Saddam Hussein ist nach allen Erfahrungen wenn überhaupt dann nur zu erwarten, wenn es eine glaubwürdige Drohung und Bedrohung für ihn gibt. Nun ist die Frage, wie betreibt man Politik, damit diese Bedrohung für ihn so real ist, dass er hoffentlich zum Einlenken kommt.

Natürlich darf daraus kein Automatismus zum Krieg führen. Aber wer jetzt vorweg erklärt, Saddam Hussein soll abrüsten und alle friedlichen Möglichkeiten sind auszuschöpfen, die dafür denkbar sind, aber in keinem Fall wird es ein militärisches Eingreifen geben, egal wie Saddam Hussein sich verhält, der nützt Saddam Hussein und schadet der friedlichen Welt, der UNO und allen, die einen friedlichen Weg wollen.

(Beifall bei der CSU)

Dass diese Drohungen eine Wirkung haben können, zeigt, dass Saddam Hussein gestern in einer Rede in einer Mischung von Appell und Drohung an seine Generäle appelliert hat, loyal zu bleiben und nicht in Gedanken mit einer inneren Revolution zu spielen. In meinen Augen ist das ein Anzeichen dafür, dass er unsicher wird.

Meine Damen und Herren von der Opposition, diese mögliche Perspektive gibt es doch nur, weil die UNO, die Amerikaner, die Franzosen und andere keine Politik gemacht haben wie die deutsche Bundesregierung. In der entscheidenden Frage gibt es keine Übereinstimmung zwischen Frankreich und Deutschland. Ich fühle mich vom französischen Präsidenten – wenn ich das so sagen darf – gut vertreten. Er sagt, zuerst sind alle friedlichen Mittel auszureizen, kein vorschneller Weg in eine kriegerische Auseinandersetzung. Er sagt, den Inspekteuren muss länger Zeit gegeben werden, aber er sagt nie und hat nie gesagt, wenn das nicht greift, werden wir nicht weiter handeln. Die französische Regierung hat gegenüber Saddam Hussein auf jeden Fall die Unsicherheit offen gelassen, welche Konsequenzen er zu tragen hat, wenn nichts passiert. Genau das ist das Problem.

Ich zitiere aus der „Süddeutschen Zeitung“ vom 25. Januar. Dort schreibt der Autor Stefan Cornelius, nachdem er sich sehr kritisch mit Bush auseinander gesetzt hat:

Jeder außenpolitische Berater wird Schröder gesagt haben, dass der amerikanische Präsident am Ende die Unterstützung der Partner braucht, und sei es zur Befriedung der amerikanischen Wähler. Schröder entschied, sein Urteil über den Bündnispartner zu einem innenpolitisch passenden, aber außenpolitisch ungelegenen Zeitpunkt abzugeben, während des Wahlkampfes und mitten in der Drohphase gegenüber Saddam Hussein. Zeitpunkt und Wortwahl waren falsch. Sie stehen für eine grandiose Unverhältnismäßigkeit. Im Ergebnis hat Schröder dazu beigetragen, die Glaubwürdigkeit der Drohkulisse zu zerstören.

(Beifall bei der CSU)

Es geht weiter:

Saddam reibt sich die Hände, während sich Washington und Berlin zerfleischen. Ein Urteil über die Bedrohung durch den Irak war aus Schröders Mund nicht zu hören. Er hat mit seinem Verhalten mehr zu einem Krieg beigetragen, als dass er die Gefahr reduziert hätte.

(Beifall bei der CSU)

Meine Damen und Herren, das ist ein vernichtendes Urteil, das nicht aus der Sicht – wie Sie vielleicht vermuten oder sagen wollen – unserer parteipolitischen Brille gefällt wurde, sondern aus der Warte unabhängiger Beobachter. Das ist unsere tiefgreifende Meinungsverschiedenheit im Hinblick auf das Verhalten der Bundesregierung. Ein Bundeskanzler, der so weitreichende Fragen für die Zukunft unseres Landes auch in einer Sicherheitspartnerschaft und eine so weitreichende Frage für die Weltgemeinschaft dem Wahlkampfkalkül unterordnet, handelt verantwortungslos. Ich sage, er handelt skrupellos.