Protokoll der Sitzung vom 13.02.2003

Gestatten sie eine Zwischenfrage von Herrn Kollegen Volkmann?

Nein, ich erläutere meinen Antrag zu Ende. –

Der Landtag fordert die Staatsregierung auf, sich weiterhin intensiv dafür einzusetzen, dass die bayerische Transrapid-Referenzstrecke im Verhältnis zum nordrhein-westfälischen Vorhaben angemessen und ohne Benachteiligung durch den Bund gefördert wird, beim Bund unvermindert darauf hinzuwirken, dass dieser seiner grundgesetzlichen Verpflichtung zum Ausbau einer bedarfsgerechten Schieneninfrastruktur nachkommt, sicherzustellen, dass durch den Einsatz bayerischer Mittel für den Transrapid keine Beeinträchtigung der Leistungen und der geplanten Ausbaumaßnahmen im Schienenpersonennahverkehr in Bayern erfolgt.

Zu diesem Antrag beantrage ich namentliche Abstimmung.

(Beifall bei der CSU)

Sie haben es mitbekommen: Es ist namentliche Abstimmung über den CSU-Antrag beantragt worden. – Als nächster Redner hat das Wort Herr Kollege Dr. Runge.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Wiesheu, ich hätte gerne ihrem Beitrag gelauscht, aber ich war wieder einmal im mittlerweile fast täglichen S-Bahn-Chaos.

(Zuruf des Abgeordneten Willi Müller (CSU))

Das geschah in den letzten Wochen einfach viel zu oft.

(Zustimmung beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich habe es beim letzten Mal schon im Plenum gesagt: Unserer Meinung nach, nach Meinung der Landtagsfraktion der GRÜNEN, findet zur Zeit ein Wettlauf der politischen Dinosaurier statt, und zwar zwischen Stoiber und Wiesheu auf der einen Seite und Clement und Stein

brück auf der anderen Seite. Der Schiedsrichter Stolpe hat eine Augenbinde auf. Der Wettlauf ist bar jeder Vernunft und bar jeden Anstands.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In Nordrhein-Westfalen wird der Metrorapid, der Finanznot gehorchend, immer weiter abgespeckt. Mittlerweile sind wir bei einem Dreispänner angelangt. Er ist nichts anderes mehr als eine schwebende Trambahn mit hauptsächlich Stehplätzen. Und was ist das bayerische Projekt? – Wir sagen: Das bayerische Projekt dient in erster Linie dazu, den Münchner Flughafen mit Steuermilliarden weiter zu mästen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Beide Vorhaben sind verkehrspolitisch höchst zweifelhaft. Sie sind vor allem aber unter umweltpolitischen Gesichtspunkten eine einzige Katastrophe. Ich empfehle meinen Vorrednern sowohl von der SPD als auch von der CSU, die Machbarkeits- studie durchzulesen, wenn hier schon von Energie geredet wird. Das Projekt ist schon deswegen umweltpolitisch eine Katastrophe, weil die Energiebilanzen, die CO2-Bilanzen hundsmiserabel sind. Das ist auch ganz klar: Der Transrapid braucht auf der Kurzstrecke unheimlich viel Energie, weil er ungefähr eine Spitzenlast von 60 oder 70 Megawatt braucht, um hochzuschaukeln und loszudüsen. Das ist da das große Problem.

Unser Hauptargument ist: Wir halten beide Projekte haushalts- und finanzpolitisch für unverantwortlich. Die Milliarden, die hierfür ausgegeben werden sollen, wären anderswo weitaus zielführender einzusetzen, auch im Verkehrsbereich.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Uns war von Anfang an klar, dass der Bau der Magnetschwebebahn zu Lasten des Nahverkehrs in Ballungsräumen sowie zu Lasten des Nahverkehrs in der Region, auf dem flachen Land, gehen soll. Das akzeptieren wir nicht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir befinden uns immer wieder in der Diskussion, auch mit den Transrapid-Befürwortern. Wir werden die wunderschönen Vergleiche auch hier wieder erleben, wie schon letztes Mal im Plenum. Man versucht, die Kritiker zu diffamieren. Da ist einmal der Vorwurf der Technologie- und Innovationsfeindlichkeit, dann kommt der Adler von 1835, die Bedenkenträger von damals werden ins Spiel gebracht. Zum ersten Vorwurf ist zu sagen: Es handelt sich – es heißt immer so wahnsinnig innovativ und Hightech – um ein Reichspatent, angemeldet 1935. Jahr für Jahr schwebte dieser Zug im Emsland – nachdem er nicht ins Donauried gekommen ist – und niemand wollte ihn haben, und zwar einfach deswegen, weil er zu teuer war. Jetzt hat ihn die letzte große Diktatur der Erde abgenommen, aber auch nur deswegen, weil wir ihr Steuergelder in dreistelliger Millionenhöhe nachgeworfen haben, damit sie dieses Teil abnimmt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kaul und meine Herren und Damen von der CSU, es wäre also doch gar nichts Neues – gerade im Verkehrsbereich –, eine interessante technische Idee, aber wirtschaftlich nicht tragfähig: Das ist wie der Wankelmotor, das ist wie der Hovercraft im Ärmelkanal – wunderbar, aber wenn es allen Leuten schlecht wird, dann ist es auch nicht so toll – oder es ist ein Senkrechtstarter; überall tolle Ideen, aber wirtschaftlich nicht tragfähig.

Der schöne Vergleich mit dem Adler – die erste Eisenbahnstrecke 1835 – hinkt nicht einmal, dieser Vergleich lahmt. Der Adler ist ausschließlich privat organisiert und im Wesentlichen privat finanziert worden. Ich habe es das letzte Mal schon gebracht: König Ludwig hat seine Verwaltung ermächtigt, zwei Aktien aus dem Bestand des Zentralindustriefonds zu kaufen. Der ganze große Rest war privat finanziert, und das ist der elementare Unterschied: Sie wollen sich hier ausschließlich oder im Wesentlichen aus Steuergeldern bedienen.

Herr Maget, wir haben auch überhaupt nichts gegen diese Technik, nur sagen wir: Wir prüfen vorbehaltlos, und wir wissen dann abzuwägen. Es gab schon ganz andere Destinationen, die gerechnet worden sind, z.B. Rio – Sao Paulo, wirkliche Verkehrsströme, aber man hat gesagt: Nein, es rechnet sich mit Sicherheit nicht. Ganz interessant waren die Anmerkungen von Herrn Dinglreiter, der gemeint hat: 167 Jahre Technik, da müssen wir doch einmal zu einer anderen Technik kommen. Das heißt, Sie wollen tatsächlich Rad-Schiene durch Magnetschweben ersetzen. Da kann ich Ihnen sagen: Das war noch nie im Sinne der Erfinder. Vor 20 Jahren hat man gesagt: Es gibt den Deutschland-Achter, und damit hat es sich, weil man genau gewusst hat, wie teuer das Ganze ist. Sie wollen jetzt auf einmal komplett RadSchiene ersetzen. Das ist schon etwas famos, was Sie machen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In beiden Bundesländern – sowohl in Nordrhein-Westfalen als auch in Bayern – sind die Finanzakrobaten am Werk, um die Finanzierungslücke zwischen den Investitionskosten und den vom Bund zugesagten Mitteln zu schließen. Die Bayerische Staatsregierung hatte hier ganz tolle Ideen. Einmal wollte man die Landesbank – wie so oft – zum Hätscheln befreundeter Unternehmen oder politischer Steckenpferde wieder einschalten. Wir haben klar gesagt: Es kann nicht weiter angehen, hier die Bayerische Landesbank zu missbrauchen; zum ersten Mal sogar im operativen Geschäft Verluste, damit muss jetzt Schluss sein. Eine andere Idee war, die Flughafengesellschaft einzuschalten, und diese Idee ist noch gar nicht gestorben. Da hoffen wir weiterhin auf den Widerstand der Landeshauptstadt. Die Flughafengesellschaft ist in Milliardenhöhe bei ihren Gesellschaftern – Bund, Freistaat und Landeshauptstadt – verschuldet. Sie bedient diese Darlehen nicht, weder Zins noch Tilgung. Hier weitere Investitionen zu tätigen, würde die Situation verschärfen. Das ist auch mit uns nicht zu machen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Man muss anmerken: Die zuletzt gemachten Finanzierungsvorschläge bestätigen unsere Befürchtung, dass Staatsregierung und CSU den Transrapid weitgehend zulasten des Nahverkehrs in ganz Bayern realisieren wollen, und zwar anders als erwartet soll das nicht einmal über Umwege passieren, sondern sie greifen direkt in die Töpfe des Nahverkehrs. Herr Minister Wiesheu, das von Ihnen letzten Freitag vorgelegte Konzept ist zum Teil eine Milchmädchenrechnung und zum Teil ein Raubzug zulasten der Fahrgäste im Nahverkehr in Bayern.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie wollen Ihren Traumzug auf Kosten und zulasten des Schienenpersonennahverkehrs und mittlerweile sogar des allgemeinen ÖPNV realisieren. Deren Fahrgäste sollen weiterhin im Wind oder Regen stehen oder in überfüllten Zügen und Bussen stehen, nur damit Sie sich Ihren Traumzug erfüllen können.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt schauen wir einmal Ihre Vorschläge im Einzelnen an: Sie haben ja bisher immer bestritten, dass es sich beim Transrapid um Nahverkehr handelt. Ihre Fraktionskollegen haben das anders gesehen. Ich habe schriftliche Anfragen gestellt, und in den Antworten darauf heißt es: Es ist kein Nahverkehr. Jetzt sieht es ganz anders aus. Der Freistaat soll Fahrzeugkosten in Höhe von 120 Millionen e übernehmen, wie „üblicherweise im Nahverkehr“. Jetzt muss man wissen – Herr Dinglreiter, hören Sie bitte zu, die Regionalisierungsmittel werden noch für ganz andere Dinge genommen –: Die Fahrzeugförderung wird in Bayern aus dem Haushaltskapitel 07 07 vorgenommen. Dieses Haushaltskapitel speist sich wiederum aus den Regionalisierungsmitteln. Sie wollen für Transrapid-Fahrzeuge 120 Millionen e Regionalisierungsmittel hernehmen – das geht letztlich auch von den Mitteln des Bundes weg – und diese Mittel fehlen dann beispielsweise bei der Busförderung in allen Landkreisen oder bei der Beschaffung von Fahrzeugen für den Schienenpersonennahverkehr.

(Dinglreiter (CSU): Das hat damit nichts zu tun!)

Natürlich nehmen Sie die aus den Regionalisierungsmitteln. Sie bedienen sich ja eh immer schamlos aus 07 07. Lesen Sie doch einmal den Haushalt und kapieren das endlich einmal.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Mittel fehlen da dann ganz eindeutig.

Der nächste Punkt: Bundesschienenwegeausbaugesetz – BSchWAG-Mittel -. Sie jammern immer; wir haben jede Woche Anträge im Verkehrsausschuss – letzte Sitzung: Landshut-Plattling geht nicht, weil wir vom Bund zu wenig BSchWAG-Mittel bekommen. Man muss ganz klar sagen: Wir bekommen die gar nicht, sondern die bekommt die Bahn für Projekte in Bayern. Jetzt wollen Sie da 100 Millionen e herausnehmen. Wir haben nachgesehen: Die letzten vier Jahre gab es für Bayern 120 Millionen e BSchWAG-Mittel für den Nahverkehr. Sie meinen, Sie können jetzt der Bahn einfach so noch

einmal 100 Millionen e wegnehmen. Auch das – so sagen wir – ist nicht zu machen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weitere dreistellige Millionenbeträge fordern Sie vom Bund, wobei Stolpe ganz klar gesagt hat: Wenn beide Länder einen Zuschlag bekommen, dann geht das zu Lasten der sonstigen Verkehrsinvestitionen, die in diesen Ländern zu tätigen sind. Also auch hier nehmen Sie das Geld dem Verkehr weg. In diesem Fall sind wir nicht nur bei den Bussen und bei den Bahnen, sondern da kann es dann auch die Umgehungsstraßen treffen.

Interessant ist im Übrigen – da frage ich noch einmal: Was ist denn der Transrapid? Ist er Nahverkehr, oder ist er irgendetwas anderes? – Sie wollen sich zahlreicher Nahverkehrskassen bedienen, und gleichzeitig reklamieren Sie und Herr Stolpe bei der Europäischen Union TEN-Mittel – das sind Mittel für die Transeuropäischen Netze –, also Nahverkehrsmittel und Mittel für die Transeuropäischen Netze. Was soll eigentlich noch alles her für dieses Projekt? Man muss auch eines sagen, weil wir vorhin über die Regionalisierungsmittel gesprochen haben – den Kollegen Maget sehe ich gerade nicht –: Es ist jetzt schon so, dass in die ersten Planungen – Raumordnungsverfahren und das, was die Vorbereitungsgesellschaft kostet – Gelder geflossen sind und dass sie auch weiterhin Gelder aus den Regionalisierungsmitteln nehmen wollen.

Nochmals sei gesagt: Diese Mittel gibt uns der Bund aus seinem Mineralölsteueraufkommen in erster Linie, um Zugkilometer im Schienenpersonennahverkehr zu kaufen. Daneben können wir diese Mittel auch – Herr Dinglreiter, hören Sie bitte zu – zur Bezuschussung investiver Maßnahmen im Schienenpersonennahverkehr und im allgemein öffentlichen Personennahverkehr einsetzen und die werden auch so eingesetzt. So speist sich nämlich auch unsere Busförderung aus Kapitel 07 07.

Sie nehmen diese Gelder jetzt schon für den Transrapid her. Herr Minister Wiesheu hat in einem Interview gesagt, er will jetzt wieder 40 Millionen haben, bis die ganzen Planungen bis zum Planfeststellungsverfahren fertig sind. Der Minister sagt, er nimmt die Gelder aus nicht beanspruchten Mitteln des Nahverkehrsetats. Da sagen wir: Eine solche Behauptung ist eine Unverschämtheit, weil die Mittel nicht „nicht beansprucht“ sind, sondern Sie lehnen reihenweise Anträge von Fahrgastverbänden, von Kommunen oder von uns ab, zusätzliche Kilometer einzukaufen, z.B. den 20-40-MinutenStolpertakt zu beenden oder mehr Nahverkehrsleistungen in den Abendstunden nach Augsburg vorzusehen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Da sagen Sie einfach, es sei kein Geld da. Nein, Sie stecken es in die Tasche, um Ihre Lieblingsprojekte damit zu finanzieren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nun komme ich zu dem Stichwort „Milchmädchenrechnung“. Sie wollen 300 Millionen e aus Betriebsgewinnen finanzieren. Das ist nichts anderes als eine Luftnummer. Schauen Sie sich doch einmal die betriebswirtschaftliche „Erfolgsrechnung“ des bayerischen Transrapidprojekts an. Da sind Gewinne unter völliger Ausblendung der Kapitalkosten errechnet worden; es wurden weder die Verzinsung noch die Abschreibungen berücksichtigt. So geht das nicht. Außerdem ist zu sagen, dass selbstverständlich das Betriebsergebnis von den tatsächlichen Kosten und den tatsächlichen Erlösen abhängt. Das Ganze ist aber hoch spekulativ, sodass die 300 Millionen e beispielsweise durch das schöne Instrument der Landesbürgschaft oder Ähnliches abgesichert werden müssten.

Völlig krumm wird Ihre Idee, Herr Minister Wiesheu, wenn Sie die Finanzierungslücke durch andere Bausteine, beispielsweise Darlehen, schließen wollen und meinen, dabei überhaupt nichts kapitalisieren zu müssen. Auch das ist nichts anderes als eine Luftnummer, eine Milchmädchenrechnung, was Gott sei Dank auch vom Fraktionsvorsitzenden der CSU inzwischen akzeptiert worden ist.

Bei Nordrhein-Westfalen wird immer gesagt, es werde dort schöngerechnet, manipuliert und gezinkt. Aber auch hier in Bayern gibt es reihenweise Beispiele, wie das bayerische Projekt schöngerechnet wird, so die Machbarkeitsstudie, die zwar der Bund in Auftrag gegeben hat, die von Bayern aber zur Hälfte mitfinanziert worden ist und die im Wesentlichen auf Untersuchungen der Magnetschwebebahnvorbereitungsgesellschaft fußt. Hier wurde reihenweise getürkt und getrickst, um dieses Projekt schönzurechnen. Ich spare mir und Ihnen jetzt die einzelnen Beispiele; wir haben sie bereits in extenso durchgehechelt.

Ich möchte nun auf einen anderen Punkt zu sprechen kommen, nämlich auf die Drohung von Minister Wiesheu, Ministerpräsident Stoiber und von der CSU insgesamt bezüglich der Express-S-Bahn. Ich sage hier bewusst „Drohung“, denn Sie gehen ja zu den Anwohnern und sagen denen: Wenn der Transrapid nicht komme, sondern diese Express-S-Bahn auf der gleichen Trassierung, dann sei dies wesentlich lauter. Zu dieser Luxus-Express-S-Bahn, die hier als Alternative zum Transrapid propagiert wird, ist Folgendes zu sagen: Interessanterweise haben sich die Kostenansätze innerhalb von eineinhalb Jahren verdoppelt. Ich habe ein Zitat von Minister Wiesheu aus dem November 2000 gefunden. Damals hat er gesagt, diese Luxus-Express-S-Bahn auf einer neuen Trasse koste etwa eine halbe Milliarde DM. Mittlerweile ist er auf eine Milliarde Euro gekommen.