Protokoll der Sitzung vom 12.03.2003

Herr Strasser, zu Ihrer Aufforderung, konstruktiv im Bundesrat mitzuwirken,

(Strasser (SPD): Darum bitten wir!)

kann ich Ihnen nur sagen: Das Konstruktivste wird sein, dass wir dieses Gesetz, so wie es ist, in toto ablehnen, und das wird geschehen.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Das ist im Grunde ein Schutz der Bürger, ein Schutz der Wirtschaft vor zusätzlichen Steuerbelastungen.

Ich habe schon gesagt, das Gesetz heißt euphemistisch Steuervergünstigungsabbaugesetz. Frau Kellner hat sich bemüht, unter Hinweis auf den Charakter von Steuersubventionen zu sagen: Da werden ja nur Steuersubventionen abgebaut. Meine Damen und Herren, dieser Begriff ist nichts anderes als eine dreiste Verschleierung der tatsächlichen Zustände.

(Frau Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist ja nun wirklich unverschämt!)

Da ich es nicht im Allgemeinen belassen will wie Sie, werde ich konkreter. Ich habe hier die Liste all der Maßnahmen, mehr als 40, die in diesem Gesetz stehen, und beginne einfach von oben mit der Prüfung, ob das Steuersubventionen sind.

Da steht zum ersten als Maßnahme: Erhöhung der Pauschalierung für die private Pkw-Nutzung von bisher monatlich 1% auf 1,5% des Listenpreises. Fragen wir uns zuerst ganz ruhig: Hat dieser Prozentsatz irgendetwas mit Subventionen zu tun? Nein.

(Frau Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Aber natürlich!)

Im Ergebnis ist das nichts anderes als eine Erhöhung. 1% war schon viel, 1,5% führt dazu, dass nach allen Berechnungen 100000 Autos pro Jahr weniger gebaut werden. Es führt dazu, dass Zehntausende von Arbeitsplätzen auch in der Autoindustrie verloren gehen, nicht nur bei BMW und VW, nein, bei den kleinen Zulieferbetrieben, die mittelständischen Betriebe werden daran zu beißen haben.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU – Frau Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ist das jetzt eine Subvention oder nicht?)

Dabei ist das eine der wenigen Branchen der Nation, die noch gut laufen aufgrund ihrer hervorragenden Qualität und eines guten Standings dieser Branche in der Welt. Diese Branche wird ohne Not hart attackiert werden, und das hat mit irgendwelchem Subventionsabbau weiß Gott nichts zu tun.

(Frau Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was denn sonst?)

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Dr. Runge?

Aber natürlich.

Bitte, Herr Kollege.

Herr Minister Faltlhauser, ist es Ihnen ernst, wenn Sie sagen: Wenn ein geldwerter Vorteil auch nicht ansatzweise in Höhe dieses geldwerten Vorteils versteuert werden müsste, dann handelt es sich dabei nicht um eine Steuervergünstigung? Ist es Ihnen mit dieser Aussage wirklich ernst?

Es ist mir mit allen Aussagen, die ich treffe, sehr ernst. Diese technische Regelung hat mit Subventionen absolut nichts zu tun.

(Unruhe bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Frau Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Damit haben Sie sich selber disqualifiziert!)

Meine Damen und Herren, es gibt eine lange Liste der so genannten Steuervergünstigungen und Subventionen. Das ist die alte Horrorliste, die es seit 20 Jahren in diesem Lande gibt. Ich war in mehreren Kommissionen, die versucht haben, diese Liste abzuarbeiten. Da steht Derartiges mit Sicherheit nicht drin.

(Zuruf der Frau Abgeordneten Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ja gut, ich bin nicht so qualifiziert wie Sie. Deswegen erlaube ich mir fortzufahren mit dem Punkt 2 dieser Liste. Da heißt es zum Beispiel: Vereinheitlichung, sprich Senkung der linearen Gebäudeabschreibung. Meine Damen und Herren, es ist eines der Grundprinzipien betriebswirtschaftlichen Vorgehens, dass man eine Abschreibung vornimmt. Das hat etwas mit der Dynamik der Wirtschaft zu tun und nichts mit Subventionen.

(Dr. Runge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Aber doch nicht Privatleute!)

Wenn willkürlich die Gebäudeabschreibung auf 2% gesenkt wird mit einem Aufkommen von 200 Millionen, ist das schlicht und einfach eine Steuererhöhung. Das hat mit Subventionen nichts zu tun.

Oder lassen Sie mich den Punkt 5 nehmen. Darin geht es um die Besteuerung von Wertpapierveräußerungsgewinnen mit einem Steuersatz von 15%. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist ein klassischer Fall einer neuen Steuer, wenn man es genau besieht.

(Breitschwert (CSU): Ja!)

Es handelt sich da um einen Systemwechsel; es ist eine allgemeine Wertzuwachssteuer. Das heißt, es wird in diesem Land eine neue Steuer geschaffen, und die Regierung und die sie tragenden Fraktionen wagen es, der Bevölkerung vorzugaukeln, dies sei der Abbau von Steuersubventionen. Das ist der Gipfel der Dreistigkeit.

(Beifall bei der CSU – Zahlreiche Zurufe von der SPD und vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dabei kann ich nur sagen: Man muss die Folgen bedenken. Wenn Sie das machen, beschädigen Sie zum Beispiel die Altersvorsorge. Hat sich diese Regierung nicht gerühmt und beweihräuchert, dass sie durch die RiesterRente die eigenständige Altersvorsorge stärken wollte? – Durch diese Maßnahme wird die private Altersvorsorge, die gesund ist, in ihren Wurzeln angegriffen.

Ein Weiteres: Sie werden den Immobilienmarkt damit zusätzlich massiv schädigen. Wir sind in einer Stagnationsphase. Viele schauen ängstlich nach Japan. Wird Deutschland ein Japan inmitten Europas werden? – Die Ökonomen, die die Lage analysieren und genau kennen wie etwa Prof. Sinn, sagen, bei uns fehlt nur noch eines, bis wir japanähnliche Verhältnisse bekommen, nämlich dass der Immobilienmarkt zusammenbricht. Sie setzen mit einer solchen Maßnahme die Axt auch am Immobilienmarkt an. Wollen wir japanische Verhältnisse? – Wir wollen sie nicht, und deshalb werden wir dieses Gesetz ablehnen.

(Zuruf des Abgeordneten Hoderlein (SPD))

Ich fahre mit meiner Aufzählung fort, auch wenn es Sie vielleicht langweilt. In Punkt 6 dieses Gesetzes ist von der Verifikation der Kapitalerträge für die Besteuerung von Kontrollmitteilungen die Rede. Wissen Sie, was das ist? – Das ist mehr Bürokratie und mehr Gängelung anstatt Bürokratieabbau.

(Beifall des Abgeordneten Breitschwert (CSU))

Im Vorwort zum Gesetz heißt es, dieses Gesetz sei ein Beitrag zum Bürokratieabbau. Das Gegenteil ist der Fall. Sie schaffen eine Menge zusätzlicher Bürokratie. Wir sagen Ihnen – und dies nicht erst seit heute –: Führen Sie eine pauschale Besteuerung von 20 oder 25%, eine Abgeltungssteuer, ein, dann brauchen Sie keine Kontrollmitteilungen.

(Beifall bei der CSU)

Ich höre, dass die Bundesregierung derartige Überlegungen ebenfalls angestellt hat. Aber gleichwohl wollen Sie die Kontrollmitteilungen aufrechterhalten. Warum dieser Bürokratismus? – Also auch hier keinerlei Ansatz von Subventionsabbau. Mit der Überschrift belügen Sie die Bevölkerung, und das ist eines der schlimmsten Dinge.

Was für ein Problem haben wir denn gegenwärtig im Land? – Wir haben das Problem grundsätzlichen Misstrauens. Die Bürger haben das Vertrauen in die Regierung und in die Regierenden verloren.

(Zustimmung bei der CSU)

Die Investitionen in diesem Land würden wieder verstärkt werden, wenn das Vertrauen wieder hergestellt wäre. Meinen Sie, dass durch eine derartige Benennung von Steuererhöhungen und durch eine derartige Irreführung schon in der Überschrift das Vertrauen in der Bevölkerung wieder belebt wird? – Mit Sicherheit nicht!

Das Gesamtpaket, das für Freitag zur Abstimmung vorliegt, hat nach einigen Abschmelzungen in den zuständigen Ausschüssen jetzt einen Umfang von 15,5 Milliarden e Steuererhöhungen. Das sind – um das im Vergleich zu vergangenen Zeiten gewichten zu können – Steuererhöhungen von rund 30 Millionen DM.

(Zuruf von der CSU: Milliarden!)

Ja, Milliarden. Und das soll ein Abbau von Steuervergünstigungen sein? – Da schaue ich auf die mittelständische Wirtschaft, meine Damen und Herren, die in besonderer Weise darniederliegt. Sie wurde in der so genannten Steuerreformstufe Nummer 1 massiv benachteiligt. Während die Kapitalgesellschaften Geld nachgeschmissen bekamen, wurden die mittelständischen Unternehmen nicht entlastet. Sie sind also im Wettbewerb benachteiligt worden.

(Zuruf von der SPD: Das wird doch jetzt korrigiert!)

Ich nenne jetzt ganz kurz sechs Maßnahmen aus dem Gesetz, die gerade die Kleinen treffen.

Erstens. Die Verlustverrechnung wird eingeschränkt.

Zweitens. Die Abschreibung der Betriebsgebäude habe ich schon genannt.

Drittens. Die AfA beweglicher Wirtschaftsgüter wird verschlechtert.

Viertens. Die Betriebsausgaben für Werbegeschenke werden begrenzt.

Fünftens. Jubiläumsrückstellungen sollen steuerlich nicht mehr anerkannt werden.

Sechstens. Es erfolgt eine Hinzurechnung von 25% der Leasingraten für Mieten und Pachten zum Gewerbeertrag in der Gewerbesteuer.