Protokoll der Sitzung vom 12.03.2003

Sechstens. Es erfolgt eine Hinzurechnung von 25% der Leasingraten für Mieten und Pachten zum Gewerbeertrag in der Gewerbesteuer.

Allein diese sechs Punkte – ich könnte sie noch um zahlreiche weitere aus diesem Katalog der Steuererhöhungen ergänzen – sind ein Frontalangriff gegen die mittelständische Wirtschaft und damit eine weitere Benachteiligung der kleinen und mittleren Unternehmen. Wollen Sie das? Wie wollen Sie denn Arbeitsplätze in diesem Lande schaffen, wenn Sie einen solchen steuerpolitischen Unsinn machen?

(Zuruf von der CSU: Die haben kein Konzept! – Zahlreiche Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dabei sind die 30 Milliarden DM oder 15,5 Milliarden e, die in diesen Steuererhöhungen stecken, nur ein Teil. Leider ist unsere heutige Zeit so schnelllebig, dass wir kaum noch mitkommen und kaum noch wissen, was gestern oder vorgestern war.

(Volkmann (SPD): Sie wissen selber nicht mehr, was Sie vorgestern gesagt haben! – Weitere Zurufe von der SPD und vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ja, Sie sind natürlich intelligenter, das ist mir klar. Ich wollte aber doch daran erinnern, dass jetzt auf den Schultern der Bürger und der Unternehmen eine weitere Steuerlast aufgrund der Erhöhung der Verbrauchsteuer zum angeblichen Zweck der Terrorbekämpfung und durch die erst kürzlich verabschiedete Verschiebung der nächsten Steuerreform in Höhe von rund 7 Milliarden e liegt.

Außerdem haben wir zu Bewältigung der Flutkatastrophe einen besseren Finanzierungsvorschlag gemacht als weiter an der Ökosteuerschraube zum 01.01. dieses Jahres zu drehen. Da war die fünfte Stufe hintereinander fällig.

Weil Sie das alles so bagatellisieren, habe ich mir einmal die Statistik über die Steuerbelastung im internationalen Vergleich beim Benzin geben lassen. Bei Normalbenzin sind es in Deutschland mittlerweile 65,45 Cent pro Liter. In Österreich sind es 40,77 Cent pro Liter.

(Lachen bei der SPD)

Meine Damen und Herren, Sie lachen. In Mittenwald und an der Grenze zu Österreich bis hinauf nach Passau lacht kein einziger Tankstellenbesitzer, der mit dem Benzinverkauf sein Leben zu finanzieren hat.

(Beifall bei der CSU)

Dort tanken die Autofahrer flächendeckend jenseits der Grenze, ähnlich wie in Luxemburg oder in Frankreich, und Sie lachen. Sie lachen die Leute aus, die dort Pleite gehen und arbeitslos werden.

(Beifall bei der CSU – Buh-Rufe von der CSU – Frau Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Unerträglich! Demagoge! – Lebhafter Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Ich komme nun noch zu der weiteren Energiebesteuerung durch das so genannte Ökosteuerfortentwicklungsgesetz, das ebenfalls zum 01. 01. 2003 in Kraft getreten

ist. Darin ist auch die Erhöhung der Erdgassteuer enthalten.

(Zuruf der Frau Abgeordneten Radermacher (SPD))

Das muss alles auf dieses Steuerpaket von 15,5 Milliarden e draufgepackt werden. Es ist bereits geschehen, und es ist bereits Zusatzbelastung, und diese Regierung maßt sich an zu behaupten, die größte Steuerreform aller Zeiten beschlossen zu haben. Nein, es ist dies der größte Steuerbetrug aller Zeiten. Das ist die Realität.

(Beifall bei der CSU)

Dabei will ich gar nicht von den zusätzlichen Belastungen in der Sozialversicherung reden, wenn die Krankenversicherung von 14,0% auf 14,3% steigt, die Rentenversicherungsbeiträge von 19,1% auf 19,5% steigen und eine drastische Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze erfolgt, die eigentlich zu wenig beachtet wird. Mehr Leute werden höher besteuert und belastet.

(Volkmann (SPD): Wo standen denn vorher die Rentenversicherungsbeiträge?)

Meine Damen und Herren, ich will nun noch etwas Besonderes aus der Steuerpolitik dieser Bundesregierung aufgreifen. Das ist das, was wir gegenwärtig in den Kommunen erleben, wenn wir durchs Land fahren. Aufgrund des Totalwegbruchs des Wachstums können die Kommunen teilweise ihre Haushalte nicht mehr aufstellen. Da wir in der Stagnationsphase sind, kommt keine Gewerbesteuer herein, und die Kommunen sind nicht mehr handlungsfähig. Mir hat vor drei Wochen in Neustadt an der Waldnaab ein 1,90 Meter großer Bürgermeister, 25 Jahre alt und frisch gewählt, seine Programmatik vorgetragen, mit der er seine Gemeinde mit 2500 Einwohnern voranbringen wollte.

Dann hat er mir seine Zahlen genannt. Ich habe gesagt: Dieser Haushalt wäre nicht genehmigungsfähig – das weiß ich heute schon. Daraufhin standen diesem „Prügel von Bürgermeister“ Tränen in den Augen. Das geht einem unter die Haut. Der Mann will handeln, kann aber nicht handeln, weil die Grundlagen für sein Handeln durch die dramatische Wachstumsschwäche und das dramatische Versagen dieser Bundesregierung nicht mehr weggefallen sind. Das ist die eigentliche Problematik.

(Beifall bei der CSU)

Die Bundesregierung hat ihrerseits bereits 1998 – jetzt gehe ich einmal ein bisschen in die Geschichte – in ihrer Koalitionsvereinbarung angekündigt, dass sie eine Gemeindefinanzreform vornimmt. Dann hat sie drei Jahre und neun Monate geschlafen, und dann hat sie eine Kommission mit vielen Arbeits- und Unterarbeitsgruppen eingesetzt.

(Frau Schieder (SPD): Sie haben 16 Jahre geschlafen und nichts gemacht!)

Da kreißt der Berg, meine Damen und Herren. Wir sind bis jetzt noch keinen Schritt vorangekommen. Das heißt,

dass der Bürgermeister, von dem ich gerade gesprochen habe, in derselben beklagenswerten Situation ist wie der Bürgermeister von Regensburg, der einen Gewerbesteuereinbruch von 30% zu beklagen hat, oder die Bürgermeisterin von Würzburg, die bei der Gewerbeertragsteuer einen Einbruch von ebenfalls mehr als 30% zu beklagen hat. Sie sind weiterhin auf das Prinzip Hoffnung angewiesen, weil diese Bundesregierung nichts gemäß ihrer Versprechungen vorangebracht hat.

Dann haben wir gesagt: Helfen wir wenigstens kurzfristig. Im Bundesrat haben wir einen Antrag eingebracht, dass der – ich nenne es bewusst so – Betrug an den Kommunen mit der Erhöhung der Gewerbesteuerumlage rückgängig gemacht wird. Dies wurde im Bundesrat mit der damaligen Mehrheit abgelehnt. Dann ist dieses Thema zweimal in den Bundestag gekommen, zuletzt in diesem Jahr. Die Bundesregierung und ihre Kollegen und Freunde in den Bundestagsfraktionen haben aber diese Sofortmaßnahme für die Kommunen abgelehnt. Meine Damen und Herren, das zeigt: Ihr habt die Kommunen mit ihrer Not nicht im Auge.

Jetzt besteht wiederum eine Möglichkeit, die wir beim nächsten Tagesordnungspunkt betrachten werden. Sie haben die zweite Stufe der Steuerentlastung um ein Jahr verschoben und gesagt: Damit finanzieren wir die Flut, die im letzten Sommer insbesondere die neuen Bundesländer heimgesucht hat. Dies war meiner Ansicht nach auch ein Täuschen der Steuerbürger. Jetzt wird dieses Geld erkennbar nicht vollständig verbraucht. Die Bundesregierung will dieses Geld – wir sind gespannt auf die Rede im Bundestag am Freitag um 9 Uhr – erkennbar nach Gutdünken und Gutsbesitzerart über Investitionen verteilen. Ich sage: Dieses Geld gehört den Kommunen, denen es weggenommen wurde – also wieder zurück an die Kommunen! Wir, die Länder, sind unsererseits auch bereit, unseren Beitrag, den wir bezahlt haben, an die Kommunen weiterzugeben. Ich fordere den Bund auf, das Gleiche zu tun. Das ist auch ein Stück Soforthilfe, meine Damen und Herren. Das hilft den Kommunen jetzt und hilft dem 1,90 Meter großen Bürgermeister genauso wie den Oberbürgermeistern in den Großstädten.

(Beifall bei der CSU)

Wir werden an einem Punkt sicherlich konstruktiv mitwirken, nämlich bei der Körperschaftsteuer. Ich sage: Es ist dokumentierbar, dass der hier stehende Finanzminister schon vor zweieinhalb Jahren gesagt hat: Herr Eichel, lassen Sie die Finger von der Systemänderung bei der Körperschaftsteuer; das wird schief gehen; das ist nicht kalkulierbar.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Hoderlein? –

In dieser Zeit haben Herr Eichel und seine Staatssekretäre immer wieder gesagt: Das kommt überhaupt nicht in Frage; wir bleiben bei der Systemänderung, weil das europapolitisch – so behaupteten sie – notwendig ist. Das Ergebnis war – ich wiederhole das in aller Ruhe –, dass im ersten Jahr der Reform von einem Aufkom

men von 23,6 Milliarden e nicht nur kein Euro oder damals keine D-Mark übrig blieb, sondern eine Auszahlung in Höhe von 400 Millionen e an die Betriebe erfolgte. Im zweiten Jahr der Reform – welche Sensation! – war der Betrag des Aufkommens bundesweit 2,8 Milliarden e.

Meine Damen und Herren, eine Reform, die den Gegenstand der Reform, nämlich die Körperschaftsteuer, kaputtmacht, ist ein Dokument der Fehlleistung, wie es ein solches in der Bundesrepublik in der Nachkriegszeit noch kein einziges Mal gegeben hat. Das akzeptieren Sie. Wir akzeptieren das nicht, meine Damen und Herren.

Dieses Land braucht jetzt Kontinuität auch in der Steuerpolitik. Nur so kann man Vertrauen wiederherstellen. Deshalb sind wir nicht für eine Rückkehr zum vernünftigeren Anrechnungssystem. Wir wollen die Grundlagen dieser Körperschaftsteuer wiederherstellen helfen. Dazu sind wir konstruktiv bereit – das haben wir immer gesagt. Dies kann im weiteren Verfahren so geschehen. Eines werden wir aber nicht tun: Die übrigen Steuererhöhungen, die Sie in diesem Gesetz in Massen haben, werden wir nicht mittragen. Deshalb wird das Votum auch Bayerns im Bundesrat am Freitag klar sein: Ablehnung dieses Gesetzes.

(Beifall bei der CSU – Dr. Bernhard (CSU): Sehr gut!)

Ich nehme den Rednerwechsel zum Anlass, Ihnen eine traurige Nachricht zur Kenntnis zu bringen. Wie die Nachrichtenagenturen melden, ist heute Nachmittag der serbische Ministerpräsident Zoran Djindjic einem Attentat zum Opfer gefallen. Er wurde von mehreren Schüssen in Bauch und Rücken getroffen, als er sein Regierungsgebäude betreten wollte. Kurz danach erlag er im Krankenhaus seinen schweren Verletzungen. Die Polizei hat zwei Verdächtige festgenommen. Soweit die Meldungen, wie sie bisher vorliegen.

Herr Ministerpräsident Djindjic war Ende November 2001 bei uns im Bayerischen Landtag zu Gast. Er hat der bayerischen Volksvertretung seine Referenz erwiesen. Er spielte eine maßgebliche Rolle bei dem Volksaufstand, der zur Entmachtung Milosevics im Jahre 2000 führte, und zählte seitdem zu den wichtigsten Reformpolitikern in seinem Land.

Im Namen des Hohen Hauses und persönlich spreche ich der Republik Serbien sowie der Witwe des Verstorbenen und seinen Kindern mein aufrichtiges Beileid aus.

(Die Anwesenden erheben sich)

Ich danke Ihnen.

Wir fahren in der Aussprache fort. Um das Wort hat Kollege Dr. Runge gebeten.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die eben vorgetragene Meldung hat mir jetzt mit Sicherheit den Dampf

genommen. Auch auf unserer Seite herrscht große Trauer. Ich persönlich war noch im letzten Sommer in Belgrad politisch tätig.

Jetzt aber zu dem Dringlichkeitsantrag der CSU „Die Steuererhöhungslawine stoppen“. Herr Minister Faltlhauser, wir, die Fraktion der GRÜNEN, haben Sie immer so eingeschätzt: von der Ideologie her zwar verquer, aber doch einigermaßen sachkundig. Das, was Sie eben abgeliefert haben, kann ich nur noch als absurd bezeichnen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Herr Minister, Sie stellen sich hin und sagen, es sei keine Steuervergünstigung, wenn ein geldwerter Vorteil eben nicht in Höhe dieses geldwerten Vorteils versteuert werden muss, sondern zu einem erheblich geringeren Teil. Erklären Sie mir doch bitte, was denn eine Steuervergünstigung ist, wenn dies keine Steuervergünstigung sein soll.

Zu dem Gerede „Benachteiligung des Mittelstandes“ gilt es, an dieser Stelle festzuhalten: Durch Rot-Grün ist unser Mittelstand steuerlich massiv entlastet worden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Sie wissen alle, Herr Dinglreiter – das sind Fakten; das können Sie selbst in statistischen Jahrbüchern nachlesen –: Der Mittelstand besteht fast ausschließlich aus Personengesellschaften. Was ist passiert? – Herr Kollege Strasser hat dies schon gesagt. Die Steuersätze sind massiv abgesenkt worden. Der Spitzensteuersatz von 53% beträgt demnächst 42%. Der Eingangssteuersatz sinkt von fast 26% auf 15%. Gleichzeitig darf die Gewerbesteuerschuld mit der Einkommensteuer verrechnet werden. Dies ist eine massive Entlastung des Mittelstandes. Sie waren bei 53% bzw. 25,9%. Dazu muss man allerdings auch sagen: Die Steuerbelastung ist doch gar nicht das Problem. Zugegebenermaßen gibt es in unserer Wirtschaft große Probleme, aber diese sind nicht die Steuern.