Protokoll der Sitzung vom 12.03.2003

Sie wissen alle, Herr Dinglreiter – das sind Fakten; das können Sie selbst in statistischen Jahrbüchern nachlesen –: Der Mittelstand besteht fast ausschließlich aus Personengesellschaften. Was ist passiert? – Herr Kollege Strasser hat dies schon gesagt. Die Steuersätze sind massiv abgesenkt worden. Der Spitzensteuersatz von 53% beträgt demnächst 42%. Der Eingangssteuersatz sinkt von fast 26% auf 15%. Gleichzeitig darf die Gewerbesteuerschuld mit der Einkommensteuer verrechnet werden. Dies ist eine massive Entlastung des Mittelstandes. Sie waren bei 53% bzw. 25,9%. Dazu muss man allerdings auch sagen: Die Steuerbelastung ist doch gar nicht das Problem. Zugegebenermaßen gibt es in unserer Wirtschaft große Probleme, aber diese sind nicht die Steuern.

Jetzt zum Antrag der CSU „Die Steuererhöhungslawine stoppen“. Scheinheiliger geht es nicht mehr. Es ist bereits gesagt worden: Sie sind die Partei, deren Spitzenpersonal für die höchsten Steuersätze steht.

Ich nenne nur den Eingangssteuersatz und den Spitzensteuersatz bei der Einkommensteuer. Sie sind aber nicht nur die Partei der höchsten Steuersätze, die einmalig in der Geschichte Deutschlands sind, Sie sind auch die Partei der größten Steuererhöhungen. Da Sie soeben die Öko-Steuer genannt haben, möchte ich Ihnen ein paar Beispiele nennen, wo es um völlig andere Dimensionen geht.

Herr Kollege Dr. Runge, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Dinglreiter?

Gerne, Herr Kollege Dinglreiter.

Herr Kollege Dr. Runge, würden Sie zur Kenntnis nehmen, dass wir im Jahre 1997 ein Steuergesetz globaler Art eingebracht haben, das eine Menge Entlastungen mit sich gebracht hätte, das jedoch von den Regierungen, die von der SPD und Ihnen gestellt werden, abgelehnt worden ist?

Herr Kollege Dinglreiter, ich nehme das immer wieder gern zur Kenntnis, weil es zeigt, wer die Regierungskunst beherrscht und wer nicht. Wir alle kennen die Geschichte, als es Herrn Schröder gelungen ist, im Bundesrat Mehrheiten einzufahren. Sein Vorgänger hat das nicht geschafft.

(Willi Müller (CSU): Weil die derzeitige Opposition zu einer vernünftigen Zusammenarbeit bereit ist!)

Nun zu den Steuererhöhungen, die Ihre Bundesregierung und Ihr Finanzminister Dr. Waigel vorgenommen haben. Am 1. Juli 1991 wurde die Versicherungsteuer von 7 auf 10 Prozentpunkte erhöht. 1993 wurde sie von 10 auf 12 Punkte erhöht. Nicht einmal 1,5 Jahre später war sie bereits bei 15 Prozentpunkten angelangt. Innerhalb von vier Jahren wurde diese Steuer von 7 auf 15 Prozentpunkte angehoben. Die Mineralölsteuer für leichtes Heizöl lag 1989 bei 1,66 Pfennige je Liter. Sie haben diese Mineralölsteuer um mehrere 100% auf 5,66 Pfennige angehoben. Zwei Jahre später wurde die Steuer auf 8 Pfennige je Liter erhöht.

Ich möchte auch auf die Öko-Steuer eingehen, weil sie von Ihnen immer wieder als Beispiel genannt wird, wie sehr wir die Bürgerinnen und Bürger belasten. 1988 lag die Steuer für bleifreien Sprit bei 48 Pfennige. Sie haben diese Steuer zunächst um 9 Pfennige, im Januar 1991 um 2 Pfennige und im Juli 1991 noch einmal um 22 Pfennige und schließlich im Jahre 1994 noch einmal um 16 Pfennige erhöht. Jetzt vergießen Sie Krokodilstränen wegen der Öko-Steuer.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Willi Müller (CSU): Damals hat das Benzin noch nicht über 2 DM gekostet!)

Schon während der letzten Plenarsitzung ging es anlässlich der Behandlung unseres Dringlichkeitsantrags und Ihres nachgezogenen Dringlichkeitsantrags um das Thema „Subventionsabbau“. Wir haben gefordert, in Bayern mit gutem Beispiel voranzugehen. Diesen Antrag wollten Sie nicht unterstützen. Wir haben dagegen Ihren allgemein gehaltenen Antrag unterstützt. Sie fordern immer wieder niedrigere Steuern, eine niedrigere Staatsquote und einen Subventionsabbau.

(Dinglreiter (CSU): Wir fordern mehr Arbeitsplätze!)

Gleichzeitig jammern Sie jedesmal, wenn angedacht wird, Steuervergünstigungen abzubauen. Herr Ministerpräsident Dr. Stoiber ist vorhin kurz in diesem Plenarsaal erschienen und danach wieder weggeschwebt. Der Ministerpräsident schafft es tatsächlich, in einem Satz

niedrigere Steuern zu fordern und gleichzeitig zu jammern, wenn Steuervergünstigungen abgebaut werden sollen. Zwei Sätze später fordert er Milliardenausgaben des Staates, die der Steuerzahler finanzieren soll. Das passt nicht zusammen. Ihre Äußerungen sind nichts anderes als scheinheilig und doppelzüngig. Das bringt niemanden weiter, hoffentlich nicht einmal Sie.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Ich erteile Herrn Kollegen Strasser das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Herr Finanzminister Prof. Dr. Faltlhauser, Sie wissen, dass ich Sie schätze. Was Sie heute jedoch gemacht haben, halte ich für unredlich. Sie haben hier mit weinerlicher Stimme erklärt, dass ein Bürgermeister große Schwierigkeiten hätte und nichts mehr tun könnte. Sie haben bei diesen Worten fast geweint. Herr Prof. Dr. Faltlhauser, Sie hätten die Möglichkeit, diesem Bürgermeister zu helfen, damit er nicht mehr weinen muss.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Minister, wenn Sie heute die Schuld auf die Bundesregierung schieben, befinden Sie sich in der völlig falschen Straßenbahn. Sie sollten die Bevölkerung sachlich darüber informieren, dass Sie die Möglichkeit hätten. Die Gewerbesteuerumlage führt im Haushalt des Freistaates Bayern zu Mehreinnahmen von 173 Millionen e in diesem Jahr.

(Willi Müller (CSU): Und beim Bund?)

Lieber Kollege Müller, ein bayerischer Bürgermeister hat geklagt, dass er Schwierigkeiten hätte. Wir sollten diesem Bürgermeister helfen. Die Erhöhung der Gewerbesteuerumlage hat zu Mehreinnahmen in Höhe von 173 Millionen e im Haushalt des Freistaates Bayern geführt. Geben Sie diesem Bürgermeister einen Teil dieses Geldes.

Herr Staatsminister Prof. Dr. Faltlhauser, wenn Sie jetzt mit dem Kopf schütteln, sagen Sie die Unwahrheit. Wir können in diesem Landtag beschließen, dass wir diese 173 Millionen e weitergeben. Herr Staatsminister, ich halte es außerdem für unredlich, wenn ein Minister an dieses Pult tritt, demagogisch argumentiert und nicht zugibt, dass er dem Bayerischen Städtetag geschrieben hat, dass er eine Rücknahme der Erhöhung der Gewerbesteuerumlage für nicht sinnvoll erachtet. Das haben Sie dem Städtetag geschrieben. Wenn diese Aussage des Städtetages falsch sein sollte, sagt irgendjemand die Unwahrheit. Sie haben gegenüber dem Städtetag erklärt, dass die Rücknahme der Erhöhung nicht sinnvoll ist.

(Beifall bei der SPD)

Nun zur Körperschaftsteuer: Herr Minister, Sie wollen die Betriebe um 400 Millionen e entlasten. 400 Millionen e Körperschaftsteuer wurden zurückgezahlt. Sie müssten jedoch auch sagen, dass dieses Geld bei den Betrieben liegt. Was haben die Betriebe, was hat die Wirtschaft mit diesem Geld gemacht, das sie von den Finanzbehörden bekommen hat? – Das müsste klargestellt werden.

Nun zu den Kommunen: Sie nennen häufig die Gemeinden Würzburg oder Regensburg und tun so, als ob ein Staatsminister Prof. Dr. Faltlhauser oder die CSU-Fraktion nichts tun könnten. Das ist schlichtweg falsch. Selbstverständlich könnten Sie etwas tun. Ich nenne nur die Übernahme der Lehrpersonalkosten. Damit könnten Sie Würzburg und Regensburg, München und Augsburg helfen.

(Beifall bei der SPD)

Sie versuchen immer, die Schuld nach Berlin wegzuschieben. Das ist ein großer Fehler. Der Freistaat Bayern, die CSU und die Staatsregierung müssen zunächst ihre Hausaufgaben machen. Ich habe Presseerklärungen von den Finanzministern Erwin Huber und Prof. Dr. Faltlhauser. Darin wurde immer wieder erklärt, dass wir auch in Bayern eine Reform der Gemeindefinanzen bräuchten. Sie haben dazu Kommissionen eingesetzt. Ich habe aber noch nicht gehört, dass etwas getan worden wäre. Ergebnisse sind mir nicht bekannt. Der bayerische Finanzausgleich müsste dringend reformiert werden. Die bayerische Staatsregierung tut jedoch nichts und schiebt die Schuld einfach nach Berlin.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Minister, ich komme jetzt auf die Rücknahme der Gewerbesteuerumlage. Ich gestehe Ihnen zu, dass Sie ein Fachmann sind. Deshalb wissen Sie, dass eine Stadt wie Starnberg, die hohe Gewerbesteuereinnahmen hat, von der Rücknahme der Gewerbesteuerumlage profitieren würde. Städte, die aufgrund der Struktur nur geringe Steuereinnahmen haben, würden davon jedoch nicht profitieren. Deshalb haben unsere Kolleginnen und Kollegen vorgeschlagen, die Gelder aus der Erhöhung der Gewerbesteuerumlage über die Schlüsselzuweisungen den Kommunen zurückzugeben. Das wäre der richtige Weg, weil das gerecht und solidarisch wäre. Sie lehnen das jedoch ab.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir drängen auf eine bayernweite Finanzreform und einen bayernweiten Finanzausgleich, weil die Steuerkraft in den einzelnen Regionen sehr unterschiedlich ist. Herr Minister, wenn das falsch sein sollte, kommen Sie hierher und erklären es. Eigentlich dürfte es nicht sein, dass die Bürgerinnen und Bürger in Niederbayern hinsichtlich der Steuerkraft schwächer sind.

Die Bürgerinnen und Bürger dort arbeiten doch genauso wie jene in Oberbayern. Es kann doch im Freistaat nicht so sein, dass die Steuerkraft von Niederbayern nur noch 56% der Steuerkraft von Oberbayern ausmacht. Es

kann nicht sein, dass die Niederbayern auf mehr Finanzhilfe angewiesen sind als die Oberbayern. Hier ist dringender Handlungsbedarf gegeben.

(Beifall bei der SPD)

Sie sprachen die Kommunen an. Es war doch die Staatsregierung, die über Jahre hinweg, auch bei guten Steuereinnahmen, die Kommunen auf Zuschüsse warten ließ. 1998/1999 und 2000/2001 haben wir insgesamt 2789 Millionen e mehr eingenommen als geplant. Wenn die Zahl falsch ist, Herr Minister, dann sagen Sie das bitte. Bereits in dieser Zeit haben die Kommen Schwierigkeiten gehabt. Über Jahre hinweg haben sie auf Zuschüsse beim FAG warten müssen. Die Wartezeit wurde immer länger. All diese Probleme liegen im System. Die Bayerische Staatsregierung aber hat die Kommunalpolitik über Jahre hinweg vernachlässigt. Folge war, dass sie die Zuschüsse immer wieder reduziert hat. Es kann nicht angehen, dass sie immer nur Berlin die Schuld zuweisen. Sie müssen hier im Freistaat in Bezug auf die Kommunen erst einmal Ihre Hausaufgaben machen, bevor sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, die Bundesregierung angreifen.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt hat noch Herr Kollege Dinglreiter das Wort erbeten. Bitte, Herr Kollege.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Strasser, dass Sie beim Steuervergünstigungsabbaugesetz ein schlechtes Gewissen haben, zeigt die Tatsache, dass Sie in ihrer Rede ständig auf Nebenkriegschauplätze ausgewichen sind. Nicht einmal haben Sie konkret zu den Punkten Stellung genommen, die ich angesprochen habe und die auch der Finanzminister Prof. Dr. Faltlhauser angesprochen hat.

(Strasser (SPD): Das habe ich sehr wohl!)

Was die Gewerbesteuerumlage betrifft, so hätten Sie für Bayern wirklich etwas tun können, wenn sie mit uns gestimmt hätten, dass der Bund das wieder rückgängig macht.

(Beifall bei der CSU)

Sie haben das nicht getan. Jetzt werden Sie aber ohnehin massiv in Schwierigkeiten kommen; denn den Kommunen in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen geht es noch erheblich schlechter. Diese Kommunen werden Druck machen, dass sich etwas ändert, darauf können Sie sich einrichten.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Dr. Scholz?

Herr Kollege Dinglreiter als alter Fahrensmann in Sachen Wirtschaftspolitik: Ist Ihnen nicht bewußt, dass schon der damalige Finanzminister Waigel davon gesprochen hat, dass es bei der Verbreiterung der Steuergrundlage Heulen und Zähneklappern geben wird? – Sie haben gerade angeführt, dass die damalige Bundesregierung auch eine Steuerreform vorhatte. Die hatte genau das zum Inhalt gehabt, und Präsident Reagan in den USA hat genau dasselbe gemacht.

Herr Kollege Dr. Scholz, ihre Frage war schon bei den Worten „Heulen und Zähneklappern“ zu Ende.

Dinglreiter (CSU) : Herr Kollege Dr. Scholz, ich betrachte Ihren Beitrag als Frage, und ich gebe Ihnen darauf folgende Antwort: Die damalige Bundesregierung hatte ein Konzept aus einem Guss. Sie aber erhöhen die Steuern in der Hoffnung, dass irgendwann einmal Verbesserungen kommen, die das Defizit ausgleichen sollen. Hier liegt der große Unterschied.

Lassen Sie mich zum Schluß aber noch eines sagen: Wir lehnen diese über vierzig Steuererhöhungen ab, weil wir in einer Zeit leben, in der die Wirtschaft nicht nur stagniert, sondern im Hinblick auf die Inlandsaufträge sogar rückläufig ist. Jeden Tag brechen mehr als 100 Betriebe weg. Sie beklagen, dass es keine Ausbildungsplätze gibt. Wo es keine Betriebe gibt, kann keine Ausbildung durchgeführt werden.

(Zuruf von der CSU: So ist es!)

Die Inlandsnachfrage ist massiv rückläufig. Die Arbeitslosigkeit steigt weiter. Jeden Tag werden 6000 bis 7000 Menschen zusätzlich arbeitslos. Da kann man doch keine Steuern erhöhen. Man kann doch keine Maßnahmen ergreifen, die die Konjunktur weiter abschwächen. Die Finanzierung unserer Sozialsysteme ist ernsthaft in Gefahr, daran gibt es überhaupt keinen Zweifel. Was wir aber brauchen, sind Reformen und keine Überbrückung durch höhere Steuern, die uns nur wenige Monate Luft lässt. Besserung ist nirgendwo in Sicht. Deshalb siecht Deutschland dahin. Das wollen wir so nicht weiter hinnehmen. Wir wollen nicht, dass Deutschland dauerhaft zum kranken Mann Europas wird. Deshalb können wir Ihren Steuererhöhungen nicht zustimmen. Wir wollen, dass Wohlstand und soziale Sicherheit auch in Zukunft in Deutschland wieder ein Markenzeichen sind.