Protokoll der Sitzung vom 03.04.2003

Die Menschen in Bayern wollen die Energiewende. Zentraler Bestandteil der Klimastrategie ist eine nachhaltige Energiepolitik. Sie belastet das Klima nicht, sie schont Ressourcen und erhält Energieträger für die Zukunft.

Die SPD-geführte Bundesregierung hat die entscheidenden Weichen für diese Energiewende gestellt, Herr Minister Schnappauf. Innerhalb von nur vier Jahren wurden weit mehr als 100000 neue Arbeitsplätze geschaffen. Der Anteil erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung hat sich verdoppelt, und der Export von Technologien steigt sprunghaft an. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist ein großer Erfolg dank unserer SPDgeführten Bundesregierung.

(Beifall bei der SPD – Kaul (CSU): Oh Jesses!)

Die Förderprogramme und Markanreizprogramme des Bundes haben gerade in Bayern – und darüber freuen wir uns, aber es zeigt auch den Handlungsbedarf und die Defizite in Bayern auf – einen Boom bei Photovoltaik, bei Solaranlagen, bei Biomasse und bei Biogas ausgelöst. Jeweils deutlich mehr als 40% der bundesweiten Anträge für die Nutzung der Sonnenenergie kommen aus dem Freistaat. Bei den Biomasseanlagen sind es sogar 51% und bei Biogas 56% Anträge aus Bayern für die Bundesprogramme.

(Kaul (CSU): Sehr gut! Das ist das umweltbewusste bayerische Bürgerengagement!)

Sie loben sich heute für Ihre Arbeit. Wo wäre Bayern im Bereich der regenerativen Energien ohne diese Politik, die von der Bundesebene kommt.

(Beifall bei der SPD – Widerspruch von der CSU)

Es kommen immer neue zusätzliche Programme in Richtung CO2-Einsparung, in Richtung Ausbau erneuerbarer Energien. Zum Beispiel für alle Maßnahmen zur energetischen Sanierung von Altbauten wird die Bundesregierung noch im April ein neues Förderprogramm mit einem Umfang von 160 Millionen e auflegen. Mit diesem neuen Programm können nun auch Energie einsparende Maßnahmen an Gebäuden, die vor 1978 errichtet wurden, gefördert werden. Darunter fällt zum Beispiel der Austausch alter Öfen zugunsten hocheffizienter Heizungssysteme. Das wird ein wesentlicher zusätzlicher Beitrag zur Minderung der Kohlendioxidbelastung. Zusammen mit dem bereits seit September 2000 bestehenden Gebäudesanierungsprogramm stehen nun über 360 Millionen e für umweltfreundliche Altbausanierung aus Bundesmitteln zur Verfügung. Das ist wirklich eine umweltfreundliche, eine nachhaltige Energiepolitik.

Von dieser positiven Entwicklung – dazu kann ich nur aufrufen – darf sich die bayerische Landespolitik, darf sich die bayerische Energiepolitik nicht länger abkoppeln. Wir fordern: Auf der Ebene der Landkreise und kreisfreien Städte müssen Energieagenturen bzw. Projektmanager angesiedelt werden. Was für Aufgaben sollen sie übernehmen? Wir haben hier klare Vorstellungen. Sie sollen informieren und beraten, sollen Informationen an Bauwillige geben, an Bausanierer und an Investoren. Sie sollen auch die Kommunen bei ihren Klimaprojekten unterstützen. Es reicht nicht, irgendwo auf Bezirksebene abzuwarten, dass freiwillig und ehrenamtlich eine Energieagentur entsteht, wie wir sie zum Beispiel in Oberfranken haben.

Sie kann die anfallenden Aufgaben, den Beratungsbedarf, die Information und die notwendige Aufklärung nicht mehr bewältigen. Wir brauchen derartige Einrichtungen auf der Ebene der Landkreise und der kreisfreien Städte.

Zweitens. Wir brauchen entsprechende Förderschwerpunkte für die Geothermie. Bayern hat gerade bei dieser Energiesparte natürliche Standortvorteile. Das trifft auch für die Biomasse zu. Auch hier gibt es natürliche Standortvorteile in Bayern. Diese Potentiale werden nicht ausgeschöpft. Hier wollen wir Förderschwerpunkte haben.

Drittens. Wir wollen bürokratische Hemmnisse bei der Genehmigung von Windkraftanlagen, Biogasprojekten und Wärmepumpanlagen beseitigt und durch klare, unmissverständliche landeseinheitliche Regelungen ersetzt wissen. Für die Investoren wäre dies enorm wichtig, weil es jetzt keine Planungs- und Investitionssicherheit gibt. Wir brauchen also landeseinheitliche Regelungen, die die bürokratischen Hemmnisse ablösen.

(Beifall bei der SPD)

Bayern stünde es gut an, mit gutem Beispiel voranzugehen. Bayern muss 8000 seiner eigenen Liegenschaften energetisch sanieren. Die Staatsregierung darf nicht nur Private auffordern, etwas zur CO2-Reduzierung, zur Energieeinsparung und Energieeffizienz beizutragen. Bayern darf nicht nur mit dem Finger auf andere zeigen, sondern sollte mit gutem Beispiel vorangehen. Die 8000 Liegenschaften des Freistaates Bayern müssen energetisch saniert werden.

(Zuruf des Abgeordneten Kaul (CSU))

Der Bayerische Oberste Rechnungshof hat Ihnen das schon oft aufgeschrieben. Sie sind dieser Vorgabe nie gefolgt. Sie müssten dem endlich im Interesse der Umwelt und der Arbeitsplätze in Bayern Rechnung tragen.

Neben der energetischen Sanierung der staatseigenen Liegenschaften wollen wir die privaten Haushalte unterstützen. Wir wollen, dass an Privathaushalte zur Unterstützung der Eigeninitiative zinsverbilligte bayerische Ökokredite ausgereicht werden.

Energiesparen, Energieeffizienz und der Einsatz erneuerbarer Energien müssen bei Forschung und Entwicklung sowie in der Ausbildung besser berücksichtigt und ein noch größerer Schwerpunkt werden.

Auch beim Verkehr müsste der Freistaat endlich mit gutem Beispiel vorangehen. Durch die Umstellung der eigenen Verkehrsflotte und der Seenschifffahrt auf Ökodiesel kann der CO2-Ausstoß vermindert werden. Gleichzeitig würde die Staatsregierung die Energie aus Biodiesel fördern. Eine weitere alte Forderung der SPDLandtagsfraktion ist die Förderung der Wasserstofftechnologie und der Verkehrsleitsysteme.

Viertens. Die SPD ist der Meinung, dass es keine neue Sackgassen in die Atomkraft geben darf. Die SPD-geführte Bundesregierung hat mit der Atomwirtschaft den

Ausstieg aus der Atomkraft mit klaren Fristen und ohne Entschädigungen fest vereinbart. Mit dem Atomkonsens ist das Ende der Atomnutzung abzusehen. Wir wollen, dass die Hypotheken des strahlenden Atommülls, die Tausende von Generationen belasten werden, nicht weiter anwachsen. Herr Minister Dr. Schnappauf, Sie sprachen von Ideologien. Ich sage Ihnen, mit ideologischer Atommüllproduktion arbeitet man nicht nachhaltig und auch nicht im Sinne der nachkommenden Generationen.

(Beifall bei der SPD)

Wir fordern deshalb erstens keine Abstriche bei der Sicherheit und Gewährleistung der Atomaufsicht, zweitens keine Leistungssteigerungen von bayerischen Reaktoren, drittens keine überdimensionierten und unnötig großen Zwischenlager in den bayerischen Atomkraftwerken, wie sie beantragt worden sind, und viertens – das ist uns und der bayerischen Bevölkerung ein besonderes Anliegen – fordern wir, dass die Option des Energiebeirats bei der Staatsregierung, ein weiteres Atomkraftwerk in Bayern zu errichten, aufgehoben wird. Wir wollen kein weiteres Atomkraftwerk in Bayern haben.

(Beifall bei der SPD)

Die Bayerische Staatsregierung hat es bisher nicht geschafft, sich von der nicht verantwortbaren Technologie Atomkraft loszusagen. Sie hält sich nach wie vor ein Hintertürchen in neue atomare Sackgassen offen. Das ist enttäuschend. Herr Minister Dr. Schnappauf, Sie sind der Atomminister von Bayern, der Minister der Atomlobby. Sie sind kein Umweltminister; denn als solcher ist es nicht ihre Aufgabe, immer wenn es notwendig wird, für die Atomlobby in die Bresche zu springen. Dafür werden Sie nicht bezahlt.

Der vorbeugende Hochwasserschutz, das Flussgebietsmanagement und der Erhalt der Ökosysteme sind sehr wichtig. Die konkreten Forderungen der SPD-Landtagsfraktion gebe ich zu Protokoll,

(siehe Anlage 2 a)

und Kollege Wörner wird unter dem Tagesordnungspunkt 23 eingehend auf unsere Vorstellungen eines wirksamen Hochwasserschutzes für Bayern eingehen. Wir haben ein Fünfpunkteprogramm vorgelegt. Dieser Antrag wird in der heutigen oder morgigen Vollsitzung behandelt werden. Deshalb gehe ich nicht näher darauf ein.

Unser Lebensmittel Nummer 1, das Trinkwasser, müssen wir schützen und sichern. Ich gebe die Forderungen der SPD-Landtagsfraktion zu Protokoll,

(siehe Anlage 2 b)

und Kollege Wörner wird zum Tagesordnungspunkt 4 e – Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des bayerischen Wassergesetzes und des bayerischen Gesetzes zur Ausführung des Abwasserabgabengesetzes ausführlich Stellung nehmen und die Position der SPD-Landtagsfraktion darstellen.

Die Abfallwirtschaft muss eine Kreislaufwirtschaft werden. Auch das ist ein wichtiges Anliegen der SPD-Landtagsfraktion. Der Grundsatz „Vermeiden und Verwerten vor sicherer Ablagerung“ muss konsequent durchgeführt werden.

(Beifall bei der SPD)

Wir fordern eine ökologische Schadstoffwirtschaft, die nach folgenden Grundsätzen funktionieren soll: Die Abfallwirtschaft muss in kommunaler Verantwortung stehen. Dabei sind kommunale Kooperationen sinnvoll. Auch für den Gewerbeabfall muss es wieder eine klare kommunale Zuständigkeit geben. Die privaten Abfallverwerter müssen konsequent kontrolliert werden.

Ein Pakt der besonderen Art ist der von Staatsminister Dr. Schnappauf initiierte „Dosen-Pakt“, den er mit Aldi und Metro geschlossen hat und der zu Recht vor zwei Jahren sang- und klanglos verschwunden ist. Die Folgen erfahren jetzt die Verbraucherinnen und Verbraucher. Damals verbündeten Sie sich, Herr Minister Dr. Schnappauf, mit der Einweg-Lobby gegen die Interessen der bayerischen Brauereien, der Kommunen und der Umwelt.

(Beifall bei der SPD)

Zusammen mit der Einweg-Lobby ging es Ihnen um die Forcierung des Ausbaus des Dosenangebots gegen das erfolgreiche Pfandsystem. Sie haben sich lange gegen das Pfandsystem gewehrt und tragen maßgebliche Schuld am jahrelangen freien Fall der Mehrwegquote. Das haben viele vergessen. Deshalb will ich es in Erinnerung rufen.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt plötzlich sitzt Herr Dr. Schnappauf ganz vorne in der Lokomotive des Dosenpfand-Zuges, den er jahrelang zu bremsen versucht hat. Trotzdem wurde das Dosenpfand eingeführt. Das ist gut so. Glücklicherweise sind Sie mit Ihrer Blockade gescheitert.

Wir haben Ministerpräsident Dr. Stoiber und Umweltminister Dr. Schnappauf eine besondere Auszeichnung als Dank für dieses Dosen-Chaos zuerkannt. Wie sieht es aus? – Sie und Herr Ministerpräsident Dr. Stoiber erhalten den großen Blechorden mit Plastikrand, hergestellt aus einer Getränkedose und einer PET-Einwegflasche, verziert mit dem berechtigten Zorn der Verbraucherinnen und Verbraucher, die sich jetzt mit einer gewaltigen Zettelwirtschaft und dem Fehlen eines einheitlichen Rücknahmesystems herumschlagen müssen. Das sind die Tatsachen, Herr Minister Schnappauf.

Im nächsten Punkt geht es um den vernetzten Naturschutz statt der Insellösungen. Der Naturschutz ist in der bayerischen Regierungspolitik ein Stiefkind. Anders kann man es nicht bezeichnen.

Naturschutz – ich habe es schon einmal angeführt – wird nur erlaubt, wo er keine anderen Interessen stört, und das wollen wir als SPD-Landtagsfraktion ändern. Das neue Bundesnaturschutzgesetz fordert, 10% der Lan

desfläche zu schützen; das gehört zu unseren Vorstellungen und Forderungen. Es ist dringend erforderlich, dass dieses Bundesgesetz auf bayerischer Ebene endlich umgesetzt wird. Dazu sind Sie scheinbar nicht in der Lage oder Sie wollen es trotz des Titels „Umweltminister“ wirklich nicht.

Naturschutz wird in Bayern oft auf „Inseln“ betrieben. Biotope und andere geschützte Flächen müssen endlich miteinander vernetzt werden, wie es auch das EU-Recht verlangt. Die bereits vorliegenden Arten- und Biotopschutzprogramme auf der Ebene der Landkreise und der kreisfreien Städte müssen endlich umgesetzt werden. Diesen Halbsatz aus Ihrer Rede, dass Sie das mit den Menschen und den Kommunen umsetzen wollen, haben Sie weggelassen. Die Realisierung und Umsetzung, genau das haben Sie in Ihrer Rede weggelassen. Es reicht nicht, Erhebungen und Karten in irgendwelchen Schubladen in unseren Städten und Landkreisen zu haben, sondern wir müssen die Programme endlich umsetzen, und dafür müssen den Kommunen endlich Mittel zur Verfügung gestellt werden.

(Beifall bei der SPD)

Die zögerlichen Meldungen von wertvollen Schutzgebieten in FFH-Gebieten an die Europäische Union sind ebenso ein Armutszeugnis für Bayern wie die Defizite bei der Umsetzung der Natura 2000. Besonderen Schutz verdient das wertvolle Ökosystem Alpen. Dieses muss vor weiterem Raubbau insbesondere durch die steigende Belastung durch den die Alpen querenden Verkehr und intensiven Sport sowie Tourismusnutzung bewahrt werden. Was fordern wir dazu? Wir kritisieren nicht nur, sondern wir arbeiten auch daran, und wir haben hier im Hohen Hause genug parlamentarische Initiativen auf den Weg gebracht, die immer wieder abgelehnt wurden. Wir wollen wirklich zum besonderen Schutz unserer Alpen, dass in Bayern endlich die Alpenkonvention und ihre Protokolle parlamentarisch umgesetzt werden. – Auch hier gibt es wieder nur Reden, keine Taten, Herr Minister Dr. Schnappauf.

(Beifall bei der SPD)

Sie arbeiten nach dem Show-Prinzip. Sie lösen nicht die Probleme, sondern Sie blenden. Umweltpolitik dient, so scheint es, allein Ihrer persönlichen Darstellung. Hier ein paar Beispiele, warum ich dies so massiv zum Ausdruck bringe. Herr Minister Dr. Schnappauf, der Besetzer der Nachhaltigkeit. Herr Kollege Kaul, hören Sie zu, jetzt komme ich zum Landesentwicklungsprogramm, das Sie angesprochen haben. Minister Dr. Schnappauf hat in seinem Entwurf zum Landesentwicklungsprogramm das Wort „Nachhaltigkeit“ wirklich nachhaltig besetzt. Allein die Streichung dieses Wortes „Nachhaltigkeit“ würde das Werk wohl um 20 Seiten kürzen. Wir haben durchgezählt und es überschlagen: Wenn man das Wort „Nachhaltigkeit“ streichen würde, würde dieses Landesentwicklungsprogramm wirklich 20 Seiten kürzer. Allerdings hat sich der Herr Minister – das ist das Schlimme an der Geschichte – offensichtlich nicht kundig gemacht, was „nachhaltig“ bedeutet. „Nachhaltig“ bedeutet: Verzahnung von Wirtschaft, von Sozialem und Ökologie. Wenn es zum Konfliktfall zwischen Sozialem und Ökologie

oder gerade zwischen Ökonomie und Ökologie kommt, muss wirklich im Interesse der Sicherung unserer natürlichen Lebensgrundlagen die Ökologie Vorrang haben; dies schreibt übrigens auch der CSU-Bundestagsabgeordnete Göppel in seinem 55-seitigen Programm. Nehmen Sie es einfach auf, beschließen Sie es, dann kommen wir voran. „Nachhaltigkeit“ heißt nicht „unverbindlich“, wie Sie, Herr Minister Dr. Schnappauf und die CSU dies auch noch unterstützen.

Das Landesentwicklungsprogramm gibt keine Antwort auf die immer größer werdende Schere bei der wirtschaftlichen Entwicklung, in Bezug auf die Arbeitsplätze innerhalb Bayerns, auf das Einkommen, den Verkehr, die Bildung, die Gesundheit und viele andere Parameter. Wenn man sich die Landesentwicklungspolitik in Bayern anschaut, wird das Gefälle immer größer und klafft die Schere immer mehr auseinander.

Sie führen an, der Klimaschutz sei ein eigenes Kapitel. Gut, doch im Plan sind keine klaren Vorgaben und Ziele zu lesen. Es wird kein klares Klimaschutzziel und keine klare Vorgabe genannt und auch nicht gesagt, in welchem Zeitrahmen man welches Ziel erreichen will. Das findet man im Landesentwicklungsprogramm nicht.