Protokoll der Sitzung vom 03.04.2003

Ich rufe auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Glück, Dr. Bernhard, Herrmann, Welnhofer, Dr. Kempfler, Ach und Fraktion (CSU)

Konnexitätsprinzip auf Bundesebene (Drucksache 14/12053)

Ich eröffne die Aussprache. Nächste Wortmeldung: Kollege Dr. Bernhard.

(Leeb (CSU): Dauerunterhalter!)

Manchmal ergibt sich das so.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben eben über das Konnexitätprinzip und seine Einführung auf Landesebene diskutiert und dessen Wichtigkeit für die Finanzpolitik sowie für die Selbstverwaltung der Kommunen einhellig betont. Wir haben in den interfraktionellen Gesprächen festgestellt, dass die Übertragung von Belastungen durch den Bund oder auch durch die Europäische Gemeinschaft eine weitere offene Flanke in der Finanzsituation der Kommunen darstellt.

Ich habe schon angesprochen – es lässt sich nicht bestreiten, da hat sicher auch das Land gesündigt –, dass die weitaus größeren Belastungen in der Vergangenheit vom Bund kamen. Ich will einige Stichworte erwähnen: Die Grundsicherung belastet die Kommunen in Bayern schätzungsweise mit einem Betrag von 350 Millionen Euro. Die Streichung der originären Arbeitslosenhilfe hat die Kommunen in Bayern 30 bis 35 Millionen Euro gekostet. Die Versteigerung der UMTS-Lizenzen wirkt sich vor allem auf die Kommunen aus, in denen die jeweiligen Unternehmen Abschreibungen tätigen können. Aktuell stellt sich die Frage, wer die im Zusammenhang mit dem Zuwanderungsgesetz die von allen für notwendig gehaltenen zusätzlichen Integrationskurse bezahlen soll. Auch stellt sich die Frage, wie es mit der Riester-Rente etc. aussieht. Eine ganze Reihe von schwerwiegenden Belastungen ist auf die Kommunen zugekommen.

Auf der anderen Seite stehen wir durch die Einführung des Konnexitätsprinzip auf Landesebene zukünftig vor

der Frage, was passiert, wenn der Bund Lasten generiert und künftig nicht mehr bestimmt, wer sie tragen muss. Sprich: ob sie das Land tragen muss oder die Kommunen sie tragen müssen.

Die gemeinsame Diskussion ging dahin, dass dann, wenn das Land einen eigenen Entscheidungsspielraum hat – dieser eigene Entscheidungsspielraum wird schon dann gesehen, wenn eine Zuständigkeitsregelung getroffen wird, wenn wir also sagen, das machen wir nicht selbst, sondern das sollen die Kommunen machen –, das Konnexitätsprinzip auf Landesebene ausgelöst wird. Das zeigt ganz deutlich, dass das Land dieses Risiko auf Dauer nicht tragen kann und nicht tragen will. Deshalb ist es ganz entscheidend, dass das Konnexitätsprinzip auf Landesebene durch eine Verankerung eines Konnexitätsprinzips im Bund verankert wird. Wenn ich das richtig sehe, dann sind wir uns darüber im Hohen Haus Gott sei Dank einig. Um diesen Prozess über den Bundesrat in Gang zu bringen, haben wir heute diesen Dringlichkeitsantrag gestellt.

(Beifall bei der CSU)

Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Schmitt-Bussinger.

Sehr geehrter Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Auch wenn Sie, Kolleginnen und Kollegen von der CSU, es immer wiederholen: Es ist nicht wahr, dass die SPD-geführte Bundesregierung hauptverantwortlich für die Finanznot der Kommunen ist. Es wird nicht richtiger dadurch, dass Sie diesen Vorwurf immer wiederholen.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Auf die Wahrheit kommt es Ihnen dabei aber gar nicht an; Hauptsache, die Menschen glauben, dass wieder einmal die unfähige Bundesregierung versagt hat, –

(Hofmann (CSU): Das wissen die schon lange!)

Hauptsache, Sie können von eigenem Versagen ablenken.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Regensburger (CSU): Fragen Sie einmal Ude!)

Ich sage Ihnen: Das ist eine verantwortungslose Politik, das ist Populismus pur, und nichts anderes.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Sie schieben jegliche Verantwortung ab, obwohl Sie genau wissen, dass beim bayerischen Parlament und bei der Bayerischen Staatsregierung ein hohes Maß an Verantwortung für die bayerischen Kommunen liegt.

In seinem neuesten Informationsbrief hat der Bayerische Städtetag mit der Aussage „Heute noch Schlusslicht,

bald vorne dran“ die unglaubliche Entwicklung in Sachen Konnexität in Bayern beschrieben.

Dieser Satz beschreibt übrigens auch treffend die Vorgehensweise der CSU. Wenn Sie eine Entwicklung nicht mehr aufhalten können, setzen Sie sich an die Spitze der Bewegung – so auch hier.

Kolleginnen und Kollegen, die SPD-Fraktion wird sehr genau darauf achten, dass die kommende Verfassungsänderung die Interessen der bayerischen Kommunen auch tatsächlich berücksichtigt. Keinesfalls darf es so kommen, wie es Ministerin Hohlmeier in einem Interview in der „Süddeutschen Zeitung“ bereits angekündigt hat, dass nämlich Kosten aus dem Konnexitätsprinzip einfach vom allgemeinen Finanzausgleich abgezogen werden. So kann es keinesfalls gehen.

(Beifall bei der SPD)

Die Einführung des Konnexitätsprinzips – übrigens sind wir neben dem Saarland eines der letzten Bundesländer, die dies tun – war vor einem Jahr noch undenkbar. Sowohl CSU-Fraktion als auch Bayerische Staatsregierung haben diese Forderungen von unserer Seite stets weit von sich gewiesen und keinen Handlungsbedarf erkennen lassen. Der erfreuliche Sinneswandel, der nicht ganz freiwillig war, wie wir wissen, darf allerdings nicht bloß ein Lippenbekenntnis sein. Anlass, etwas anderes anzunehmen, haben wir bisher allerdings auch nicht.

Als Beispiele will ich die Einführung der R 6, die Einführung der Ganztagsschule sowie die kommunalen Schulen ansprechen. Die R 6 sollte – auch dies war eine Aussage von Ministerin Hohlmeier – für die Kommunen kostenneutral sein. Das war die Ankündigung, die Beruhigungspille für die Kommunen. Wie sieht es dagegen in Wirklichkeit aus? – Die R 6 kostet rund 1 Milliarde e. Millionen davon, zusätzliche Kosten für Neubauten, Schulbücher, andere Schulmittel, Schülerbeförderung usw., fallen bei den Kommunen an, und dies, obwohl die zuständige Ministerin genau das Gegenteil behauptet hat, nämlich: Die Einführung der R 6 ist für die Kommunen kostenneutral. Sehr glaubwürdig ist diese Politik nicht.

Was Sie bei der Einführung der Ganztagsschule vorhaben, weist auch nicht gerade darauf hin, dass Sie das Konnexitätsprinzip ernst nehmen. Sie wollen Ganztagesschulen nur als Halbtagesschulen plus Betreuung anstatt eines pädagogischen Gesamtkonzeptes. Warum? – Sie wollen nur deshalb kein pädagogisches Gesamtkonzept, weil in einem solchen Fall der Staat in der Finanzierungspflicht stünde, beim bloßen Betreuungsmodell jedoch die Kommunen. Auch hier treten Sie das Konnexitätsprinzip mit Füßen; auch hier schieben Sie die finanzielle Last auf die Kommunen ab. Sie nennen sich dann auch noch das kommunalfreundlichste Land der Welt, wie es gestern Herr Innenminister Beckstein getan hat.

(Dr. Bernhard (CSU): Recht hat er!)

Auch die permanente Ablehnung, kommunale Schulen bzw. einen höheren Anteil der Lehrpersonalkosten zu übernehmen zeigt, dass, wenn es um konkrete Finanzhilfen geht, nichts, aber auch rein gar nichts zu erwarten ist. 184 Millionen e bezahlen die bayerischen Kommunen für solche Lehrkräfte, die eigentlich vom Freistaat zu bezahlen wären.

(Dr. Bernhard (CSU): Die Kommunen haben das doch freiwillig gemacht! Das hat damit überhaupt nichts zu tun!)

Herr Bernhard, Sie wissen genau, dass die finanzielle Situation der Kommunen zu der Zeit, als kommunale Schulen eingerichtet wurden, noch eine ganz andere war und dass man sich in Zeiten finanzieller Not auf seine eigentlichen Aufgaben zu besinnen hat. Die eigentliche Aufgabe des Staates ist es nun mal, für die Schulen zu sorgen.

(Dr. Bernhard (CSU): Das hat doch mit dem Konnexitätsprinzip nichts zu tun!)

Auch die permanente Ablehnung zeigt, wie Sie zu den Kommunen stehen. Sie lassen diese auch hier mit ihren Sorgen und Nöten alleine.

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Glück?

(Zuruf der Frau Abgeordneten Werner-Muggendor- fer (SPD))

Ich werde mich an meine Fraktions-Kollegen halten und dies nicht tun. So wie es Herr Kollege Hofmann vorhin getan hat, mache ich das auch.

Ihr Antrag, insbesondere sein erster Teil, wird von uns begrüßt. Handeln Sie aber bitte auch danach. Wir haben niemals einen Zweifel daran gelassen und haben dies gegenüber der Bundesregierung auch zum Ausdruck gebracht, dass wir es für wichtig halten, das Konnexitätsprinzip auf Bundesebene ebenfalls verfassungsmäßig zu verankern. Im Gegensatz zum Freistaat und im Gegensatz zu der Meinung, die Sie soeben vertreten haben, Herr Bernhard, handelt die Bundesregierung bereits nach dem Konnexitätsprinzip, ohne dass es in der Verfassung steht. In Bayern ist genau das Gegenteil der Fall.

(Beifall der Frau Abgeordneten Werner-Muggendor- fer (SPD))

Die Grundsicherung ist ein gutes Beispiel dafür. Ohne gesetzliche Verankerung hat der Bund 409 Millionen e zur Umsetzung des Grundsicherungsgesetzes zur Verfügung gestellt, und er hat sich per Gesetz dazu verpflichtet, weitere Mittel auszureichen, wenn die eingeplanten 409 Millionen e nicht reichen sollten. Ich meine, so funktioniert Konnexität in der Praxis. Nehmen Sie sich ein Beispiel. Ihre genannten 350 Millionen e, die nach Schätzungen fehlen, sind reine Spekulation. Dafür gibt

es keinerlei Nachweis. Sie werden sehen: Das ist eine Rechnung, die nicht stimmt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich fordere Sie abschließend auf, Kolleginnen und Kollegen der CSU: Nehmen Sie Ihre Verantwortung, Ihre Gestaltungsmöglichkeiten im Bayerischen Landtag wahr und helfen Sie endlich den bayerischen Kommunen mit den Möglichkeiten, die Sie haben. Wir von der SPDFraktion stimmen Ihrem Antrag zu.

(Beifall bei der SPD)

Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Tausendfreund. Bitte schön.

Frau Tausendfreund (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) : Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Um es gleich vorwegzunehmen: Wir werden dem Antrag der CSU zur Konnexität zustimmen, aber natürlich nicht mit der Begründung, die Dr. Bernhard vorgetragen hat, sondern deshalb, weil er von der Formulierung her in Ordnung ist und unseren Forderungen entspricht.

Genauso wie das Konnexitätsprinzip auf Landesebene überfällig ist, muss es auch für den Bund Gültigkeit erhalten. Das ist eine langjährige Forderung der GRÜNEN; damit rennen Sie offene Türen ein. Das entspricht auch dem Inhalt des rot-grünen Koalitionsvertrages von Berlin. Ich musste aber schon schmunzeln, als ich gestern den Antrag gesehen habe; denn der Antrag ist von folgendem Prinzip geprägt: Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist ja sehr löblich, dass sich die CSU-Fraktion endlich dem Druck der Opposition, der kommunalen Spitzenverbände und auch dem Druck der Straße gebeugt hat und bei der Festschreibung des Konnexitätsprinzips in der Bayerischen Verfassung klein beigegeben hat. Ob dafür die inzwischen gewachsene Einsicht verantwortlich war oder die Angst vor dem drohenden Volksbegehren, kann sich jeder selbst ausmalen. Der Zeitpunkt des Meinungsumschwungs war jedenfalls allzu offensichtlich.