Es ist festzustellen, dass im Bundesdurchschnitt – hören Sie bitte her – pro 100 gemeldete Bewerber nur 75 Ausbildungsplätze vorhanden sind. In Bayern haben wir nach wie vor pro 100 Bewerber 103 Ausbildungsplätze. Das heißt, das Angebot ist in Bayern zwar geschrumpft, wir können aber nach wie vor mehr Ausbildungsplätze bieten, wenngleich wir natürlich gerne noch eine bessere Situation gehabt hätten und wir in keiner Weise leugnen, dass wir zurückgefallen sind. Wir heben uns aber von den anderen Bundesländern positiv ab.
Sie haben mit Ihrer Wirtschaftspolitik mit falschen Rahmenbedingungen dazu beigetragen, dass es bundesweit zu einem enormen Rückgang der Zahl der Ausbildungsplätze gekommen ist.
Wir können die Situation in Bayern unter die Lupe nehmen: Wir haben ein Verhältnis von 103 : 100; abgesehen von Baden-Württemberg, Hamburg und dem Saarland ist das Verhältnis überall schlechter. Sie können die Statistik interpretieren, wie Sie wollen: In Bayern entfallen auf 100 gemeldete Bewerber – ich sage es Ihnen noch einmal – 103 gemeldete Stellen.
Sie müssen natürlich auch in die anderen Bundesländer schauen: Nordrhein-Westfalen zum Beispiel hat ein Verhältnis von 83 Stellen zu 100 Bewerbern; es sind natürlich die neuen Bundesländer, die den Schnitt runterziehen.
Es ist heute noch nicht angesprochen worden, dass gerade aus den neuen Bundesländern – wenn ich mir die nordost-bayerischen Arbeitsamtbezirke vergegenwärtige – eine Reihe von Auszubildenden nach Bayern kommt. Wir haben aus den neuen Bundesländern im Schnitt jährlich 4000 bis 5000 Ausbildungsplatzbewerber. Wir haben diese Bewerber bisher gut gebrauchen können, weil wir stets einen Mangel an Auszubildenden hatten. Wir hatten bisher wesentlich mehr Ausbildungsplätze als Bewerber. In der bayerischen Ausbildungsstellenstatistik hatten in den letzten Jahren die Bewerber aus den neuen Bundesländern einen Anteil von fünf bis sieben Prozent eingenommen.
Es darf nicht verkannt werden, dass gerade der oberfränkische Raum von Bewerbern sehr stark frequentiert wird. In diesem Jahr hat er um 9,4 Prozent mehr Bewerber zu verzeichnen, während die Anzahl der Ausbildungsplätze um 22 Prozent zurückgegangen ist. In diesem Zusammenhang ist die Wirkung ganz extrem sichtbar: Oberfranken hat nach wie vor ein Plus an Bewerbern. Kein einziger anderer Arbeitsamtbezirk in Bayern weist diese krassen Unterschiede auf. Hieran sieht man natürlich den Druck aus der Grenzregion durch Bewerber insbesondere aus Thüringen und Sachsen. Diese Tatsache dürfen Sie bei Ihrer Analyse in keiner Weise übersehen. Bayern hat am Ende des Berichtsmonats März – Kollege Dinglreiter hat darauf hingewiesen – 10,2 Prozent mehr unversorgte junge Leute, als das in der Vergangenheit der Fall war.
Positiv hervorzuheben ist der Bezirk Oberbayern, vor allem der Raum München. Er hat nach wie vor ein Plus von 33 Prozent zu verzeichnen. Das Arbeitsamt München ist mit 5 700 im Plus, das heißt nach wie vor 2,3 Ausbildungsplätze pro Bewerber. Es ist bekannt, dass es regionale Unterschiede gibt, dass aber bei der Berufswahl der Blick auf die Fläche gerichtet werden muss. Wenn ich Passau als Beispiel nehme: Dort gibt es nach wie vor einen großen Bedarf in Dienstleistungsberufen wie Koch oder Metzger. Deshalb sind Flexibilität und Mobilität notwendig, und diese müssen durch entsprechende Programme unterstützt werden.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kobler, wenn Bayern wirklich so gut ist, wie Sie das eben dargestellt haben, dann frage ich mich, warum Sie eine Aktuelle Stunde zu diesem Thema beantragt haben und über die Situation auf dem Lehrstellenmarkt und die Perspektiven der Jugendlichen diskutieren wollen. Der Einbruch auf dem Lehrstellenmarkt erfordert mehr Grips als 30 Starthilfen in Oberfranken.
Schließlich stehen die Berufschancen vieler Jugendlicher auf dem Spiel. Mittelfristig ist auch – ich sage das ganz deutlich – die duale Berufsausbildung gefährdet, falls die Wirtschaft ihrer Ausbildungsverantwortung nicht nachkommt.
Natürlich sorgt Bayern angesichts der Ausbildungszahlen für Bewegung: allerdings nur bei den Auszubildenden. Kein anderes Bundesland kommt auf die Idee – halt, heute hat Hessen gemeldet, sie tun es auch –, seinen jungen Menschen Mobilitätshilfen zu zahlen, damit diese Ausbildungsplätze in anderen Regionen Bayerns, also im eigenen Bundesland, annehmen.
Man könnte für diese Idee Verständnis haben, ich will das gar nicht leugnen, es ist vielleicht auch gar keine schlechte Idee. Dass aber damit die Ausbildungsplatzsituation in den Regionen verbessert wird, dass damit die wirtschaftliche Entwicklung in den Regionen verbessert wird – Ausbildung und Berufsausbildung sind Teil der Wirtschaftsentwicklung in den Regionen –, das glauben nur Sie, meine Damen und Herren von der CSU, und natürlich die Staatsregierung.
Außerdem möchte ich hier feststellen, dass die Diskrepanzen auf dem Ausbildungsmarkt 2003 nicht nur in Oberfranken bestehen. Sie kennen die Statistiken, und Sie kennen die Statistik genauso gut wie wir: Auch in anderen Regionen Bayerns, außer in Oberbayern, gibt es Defizite bei den Ausbildungsplätzen. Deswegen sagen wir, es muss möglich sein, in Bayern ein Ausbildungsprogramm für alle Regionen in Bayern aufzulegen.
Ein weiteres Problem: Wenn sich die Defizite so weiterentwickeln, wie wir das derzeit erahnen, dann muss man Ausbildung stärker fördern. Dafür kann auch Bayern noch eine Menge tun:
Zweitens. Im Berufsbildungsbericht der Bundesregierung zeigt sich, dass die Landesförderung für zusätzliche Ausbildung im Vergleich zu anderen Bundesländern viel geringer ist. Ich will Ihnen eine Zahl nennen: Im Planjahr 1999/2000 – Sie mögen sagen, 2002 waren es mehr – hat Bayern laut der statistischen Auswertung im Berufsbildungsbericht aus Mitteln des Landes gerade einmal 189 zusätzliche Ausbildungsplätze gefördert. Nur drei Ausbildungsplätze kamen für zusätzliche betriebliche Ausbildungsplätze für Jugendliche ohne Hauptschulabschluss zustande.
Das, was andere Bundesländer tun, machen Ihre Privatisierungserlöse aus dem Arbeitsmarktfonds auch nicht wett.
Ich will Ihnen sagen, was Sie getan haben: Sie haben sich des JUMP-Programms der Bundesregierung bedient. Ich habe es schriftlich vorliegen. In einer Schriftlichen Anfrage haben Sie das selbst ermittelt.
Bei den Berufsvorbereitungsjahren haben Sie im Jahr 1998/1999650 Millionen e an Personalkosten in die Tasche gesteckt; so sieht die Wahrheit aus.
Bildungspolitisch kommt es jetzt darauf an, dass sinnvolle effiziente Strategien auf den Weg gebracht werden. Richtig wäre es jetzt, sich an die Seite der Bundesregierung zu stellen und die Initiativen der Bundesregierung hier in Bayern zu verstärken und – das sage ich als Bildungspolitikerin – auch schulpolitisch vorzusorgen. Schulpolitisch sorgt man vor, indem man dafür sorgt, dass kein Jugendlicher ohne einen Schulabschluss die Schule verlässt.
Schulpolitisch sorgt man vor, indem man dafür sorgt, dass alle berufsbildenden Schulen Aufnahmekapazitäten haben. Schulpolitisch sorgt man vor, indem man dafür sorgt, dass alle Berufsfachschulen und Fachschulen zur Vollausbildung führen. Eine Schulausbildung ist immer noch besser als keine Ausbildung.
Wir fordern ein Lehrstellenprogramm für Bayern – damit komme ich zum Schluss –, das seinen Namen verdient, das Ausbildungsbereitschaft fördert und zusätzliche Ausbildungsplätze in den Betrieben betriebsnah schafft und mehr als ein Mobilitätsprogramm für Auszubildende und ein Animationsprogramm für Betriebe ist.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Zweifelsohne ist in Bayern die Ausbildungslage nicht so, wie wir sie uns wünschen würden. In anderen Bundesländern sieht es aber noch ganz anders aus, auch wenn Sie das nicht hören wollen.
Zweifelsohne ist auch die wirtschaftliche Lage ein Hauptproblem. 80% der Ausbildungsplätze stellt der Mittelstand. Von den über 47 Steuererhöhungen, die Rot-Grün den Bürgern in den Jahren 2003 bis 2006 zumuten will, werden diese Unternehmen in erheblichem Maße betroffen sein. Das ist nicht nur Gift für die Konjunktur, sondern das ist auch Gift für die Ausbildungsfähigkeit. Ein Betrieb muss zur Ausbildung nicht nur bereit sein, sondern auch dazu fähig sein.
Ratings und steigende Anforderungen der Banken verschärfen die Lage; das will ich nicht außer Acht lassen.
Um Ausbildung für Betriebe attraktiver zu machen, müssen wir diese Krise als Chance nutzen und darüber nachdenken, wie wir die Schüler besser auf die Praxis vorbereiten können und wie Schule besser mit der Wirtschaft verzahnt werden kann. Nicht zuletzt zeigt der große Erfolg der Abgängerinnen und Abgänger der Wirtschaftsschulen, dass Menschen mit guter praxisbezogener Ausbildung attraktiv für den Arbeitsmarkt sind und gut in Ausbildungsstätten unterkommen.
Besonders schlägt sich die Lage auf dem Ausbildungsmarkt natürlich auch bei den Fachoberschulen nieder, die mit einem Zuwachs von 25% zeigen, dass viele dann, wenn die Wunschausbildungsstelle nicht zur Verfügung steht, dort ein weiteres Qualifikationsmerkmal, das von der Wirtschaft sehr positiv honoriert wird, erwerben wollen.
Herr Kollege Wahnschaffe, das Programm für die Absolventen der P-Klassen halte ich für sehr positiv. Junge Menschen, die bislang kaum Chancen auf dem Arbeitsmarkt hatten, erhalten damit wirklich eine Perspektive.
(Lachen und Widerspruch bei der SPD – Zuruf des Abgeordneten Wahnschaffe (SPD) – Frau Steiger (SPD): Keine Ahnung!)
Vor allem dürfen wir uns keine Denkverbote auferlegen. Das heißt, dass wir uns fragen müssen, ob die immer stärkere Differenzierung bei den Berufsbildern weiter vorangetrieben werden soll. Das führt zu einer immer stärkeren Konzentration auf berufliche Kompetenzzentren und mutet auch der Wirtschaft eine immer schwierigere Ausbilderausbildung zu. Nicht zuletzt hoffe ich,
dass das Programm, das Existenzgründern und Betrieben mit bis zu 20 Mitarbeitern Unterstützung bei der Ausbildung von Ausbildern von bis zu 600 e gewährt, in Zukunft weitere Ausbildungsplätze schaffen wird.
Gerade bei der Ausbildung sollten wir uns den Schweizer Denkmodellen nähern. Dort gibt es eine relativ geringe Zahl von Ausbildungsgängen, gleichzeitig aber eine hohe betriebliche Weiterqualifizierung. Wir müssen auch denen Perspektiven eröffnen, die bislang in ungelernten oder in angelernten Tätigkeiten ein Auskommen gefunden haben, deren Begabungsstruktur den Anforderungen der klassischen Berufsausbildung aber nicht entspricht. Wir müssen ernsthaft darüber nachdenken, wie wir mit differenzierten theoretischen Anforderungen im beruflichen Bereich neue Perspektiven eröffnen können.