Protokoll der Sitzung vom 06.05.2003

Sie ignorieren die berechtigten Interessen und Rechte der Berufsgeheimnisträger und das Zeugnisverweigerungsrecht. In der öffentlichen Diskussion ist momentan vor allem Ihr Angriff auf die Pressefreiheit. Was ist die Pressefreiheit und damit die Kontrollfunktion der vierten Gewalt im Staate noch wert, wenn Journalisten den Informantenschutz nicht mehr gewährleisten können?

Sie starten auch einen Angriff auf das Vertrauensverhältnis zwischen Mandant und Rechtsanwalt, zwischen Patient und Arzt. Auch das Beichtgeheimnis steht bei Ihnen auf dem Spiel. Bei der von Ihnen geplanten Telefonüberwachung gäbe es auch keine Immunität für Abgeordnete. Die Liste der Berufe ließe sich um Richter,

Steuerberater, Notare, Drogenberater, Psychotherapeuten, Sozialarbeiter etc. beliebig erweitern.

Sie, Kolleginnen und Kollegen von der CSU, wollen die Polizei zu einer Geheimorganisation machen. Ist das die Gesamtfraktion, oder sind das nur die 22 Abgeordneten, die den Gesetzentwurf unterschrieben haben? Wie steht eigentlich der Rest Ihrer Fraktion dazu? – Unter dem Gesetzentwurf steht nicht „und Fraktion CSU“. Sie sollten vielleicht einmal erklären, wie sich das verhält. Die Position des Innenministeriums ist zumindest klar; der Gesetzentwurf wird von dort unterstützt und ist wahrscheinlich auch dort geschrieben worden.

Sie wollen Bayern zu einem Überwachungsstaat machen. Ohne ausreichende Begründung und Rechtfertigung soll die Polizei praktisch jeden Bürger und jede Bürgerin mit Abhörmaßnahmen überziehen können. Der Bevölkerung wollen Sie das damit verkaufen, dass Ihr Vorhaben für die Terrorismusbekämpfung und die Bekämpfung der organisierten Kriminalität notwendig ist und dass Sie damit verirrte Wanderer und verloren gegangene Kinder wiederfinden wollen. Das glaubt Ihnen wirklich niemand. Die Instrumente für die Terrorismusbekämpfung und die Bekämpfung der organisierten Kriminalität besitzen Sie bereits, und die verloren gegangenen Kinder, die ein Handy dabeihaben, können Sie im Rahmen des rechtfertigenden Notstands über den IMSICatcher orten. Das funktioniert schon heute.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Hinter Ihrem Gesetzentwurf verbirgt sich eine ganz andere Qualität. Sie treten den Rechtsstaat mit Füßen, und das auf eine perfide Art und Weise.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Regelungen zur Telefonüberwachung bei der Gefahrenabwehr sind sehr weit gefasst. Die Telefonüberwachung auf Verdacht gegenüber potenziellen zukünftigen Straftätern ist nicht einmal an einen bestimmten Verdachtsgrad gekoppelt. Der Straftatenkatalog ist wesentlich umfangreicher als der in § 100 a StPO vorgesehene, auf den Sie, Herr Kreuzer, sich berufen haben, und außerdem ist dieser Katalog nicht abgeschlossen. Dort gibt es auf alle Fälle Abgrenzungsschwierigkeiten. Auch bei möglicherweise drohenden Straftaten, die nichts mit Terrorismus oder organisierter Kriminalität zu tun haben, sollen in Zukunft alle Register der Überwachung gezogen werden. Die Maßnahmen greifen nicht nur gegenüber potenziellen Straftätern, sondern auch vollumfänglich gegenüber potenziellen Kontakt- und Begleitpersonen, die im Verdacht stehen, Kontakt zu potenziellen Straftätern zu haben. Das schönste Beispiel ist, wenn jemand im Verdacht steht, Kontakt zu haben zu jemand, der im Verdacht steht, eine zukünftig geplante Straftat nicht anzuzeigen. Dann können Sie den gesamten Personenkreis vollumfänglich abhören.

Wenn daneben unbeteiligte Dritte betroffen werden, dann ist Ihnen das komplett egal. Die gewonnenen Daten dürfen ausgewertet werden und brauchen nicht gelöscht zu werden. Für die Telefonüberwachung fehlt jegliche Hürde. Sie hätten zumindest aufnehmen kön

nen, dass sie nur dann zulässig ist, wenn andere Ermittlungsmethoden nicht zum Erfolg führen. Der Richtervorbehalt kann umgangen werden. Auch wenn die Voraussetzungen für die Telefonüberwachung weggefallen sind, kann weiter munter abgehört werden, weil die Anordnung nicht entfällt.

Also: Wir führen die Debatte morgen weiter. Im Übrigen gibt es auch bei dem Kennzeichenscreening einige Punkte, die zu kritisieren sind. Darüber werden wir im Ausschuss sprechen. Auch hier haben Sie ganz tief in die Kiste dessen gegriffen, was Sie der Polizei unbedingt ermöglichen wollen und was nach unserer Auffassung viel zu weit geht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Die Aussprache ist geschlossen. Im Einvernehmen mit dem Ältestenrat schlage ich vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Kommunale Fragen und Innere Sicherheit als federführendem Ausschuss zu überweisen. Besteht damit Einverständnis? – Das ist so. Dann ist das so beschlossen.

Ich rufe auf:

Tagesordnungspunkt 2 j

Gesetzentwurf der Abgeordneten Glück, Dr. Fickler, Dr. Kempfler und anderer (CSU)

zur Änderung des Bestattungsgesetzes (Druck- sache 14/12262)

Erste Lesung –

Wird der Gesetzentwurf vonseiten der Antragsteller begründet? – Das ist so. Dann bitte ich Frau Dr. Fickler.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit diesem Gesetzentwurf der CSUFraktion wird ein sehr sensibles Thema angesprochen; denn der Tod wird auch heute noch in unserer Gesellschaft vielfach verdrängt. In diesem Gesetzentwurf werden Grundwerte des menschlichen Lebens berührt. Wir diskutieren heute vielfach in politischen Gremien über den Beginn des menschlichen Lebens. Ich nenne als Beispiele nur die Stammzellenforschung, PID oder therapeutisches Klonen. Dieser Gesetzentwurf befasst sich mit der Würde des menschlichen Lebens an seinem Ende. Nach der bisherigen Rechtslage, dem bayerischen Bestattungsgesetz, unterliegen heute weder Fehlgeburten unter 500 g noch Embryonen und Feten – auch aus Schwangerschaftsabbrüchen – der Bestattungspflicht. Das wollen wir ändern. Die Arbeitsgruppe Frauen der CSU-Landtagsfraktion hat sich über viele Monate und in etlichen Sitzungen mit dieser Thematik befasst und eine ganze Reihe von Gesprächen geführt.

Bestattungsrecht ist Landesrecht. Artikel 6 Absatz 3 des Bayerischen Bestattungsgesetzes sieht vor, dass Fehlgeburten, die Eltern nicht zu bestatten wünschen, Feten und Embryonen aus Schwangerschaftsabbrüchen ebenso wie Körper- und Leichenteile unverzüglich in schicklicher und gesundheitlich unbedenklicher Weise

beseitigt werden müssen. Unser Gesetzentwurf sieht vor, dass nun auch in Fällen von Schwangerschaftsabbrüchen die Möglichkeit einer Bestattung eingeräumt wird. Für den Fall, dass sowohl bei Fehlgeburten wie bei Embryonen und Feten aus Schwangerschaftsabbrüchen von der Möglichkeit einer Bestattung kein Gebrauch gemacht wird, wird neu die Verpflichtung eingeführt, Embryonen und Feten unter bestimmten, im Gesetz genannten Voraussetzungen auf einem Grabfeld zur Ruhe zu betten.

Zeitgleich mit diesem Gesetzentwurf, den wir ab 01. 01. 2004 in Kraft treten lassen wollen, um hier den Krankenhäusern eine gewisse Übergangsfrist einzuräumen, wollen wir gegenüber den Krankenhäusern eine Informationskampagne starten; denn auch heute noch müssen Eltern darum kämpfen, eine Fehlgeburt zu beerdigen, obwohl die heutige Rechtslage diese Möglichkeit schon sehr lange vorsieht. Bei Fehlgeburten ist ein Bestattungsrecht, aber keine Bestattungspflicht gegeben. Vielfach wissen Eltern über diese Rechte zu wenig. Wir fordern also, dass zum einen vonseiten der Kliniken gegenüber den Eltern eine Aufklärungskampagne über ihre Rechte gestartet wird und dass zum anderen den Eltern Zeit gelassen wird, Abschied zu nehmen und einen Entschluss zu fassen, wie sie verfahren wollen.

Ich bitte um Verweisung unseres Gesetzentwurfs an den federführenden Innenausschuss und um Zustimmung zu unserem Gesetzentwurf.

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Das Wort hat Frau Hirschmann.

Frau Präsidentin, Kollegen und Kolleginnen! Ich finde die Wortwahl und auch die Redewendungen in diesem Gesetzentwurf erschreckend technokratisch. Ich zitiere dazu aus dem ersten Absatz, was die Fehlgeburten und deren Bestattung angeht: Für eine solche Beseitigung ist lediglich gefordert, dass sie „unverzüglich in schicklicher und gesundheitlich unbedenklicher Weise“ erfolgt.

Das macht meine Aussage, die ich am Anfang getroffen habe, noch einmal ganz deutlich. Daraus sollen Sie, Kollegen und Kolleginnen, auch ersehen, dass uns eine Zustimmung sehr schwer fällt. Auf der einen Seite sind Frauen betroffen, die, aus welchen Gründen auch immer, eine Fehlgeburt hatten. Auf der anderen Seite gibt es eine große Gruppe von Frauen auch bei uns in Bayern, die eine Schwangerschaft aus Gründen sozialer Indikation nicht austragen können. Diese Diskussion hatten wir hier in einem anderen Zusammenhang schon einige Male.

Mit diesem Gesetzentwurf soll die Menschenwürde auch über den Tod hinausgehen. Das ist etwas, was auch ich sehr begrüße. Ich denke, dass das auch notwendig ist. Ergänzend soll aber auch eine bindende Möglichkeit für die Frauen geschaffen werden, die sich aus der sozialen Indikation zu einem Schwangerschaftsabbruch entschieden haben. Dies, Kollegen und Kolleginnen, macht uns die Zustimmung auch so sehr schwer. Das ist der eine Punkt.

Der zweite Punkt ist – und darauf weisen Sie in dem Gesetzentwurf noch einmal ausdrücklich hin –, dass es hierbei auch um zusätzliche Kosten geht, die letztlich, wenn es zum Beispiel um ein städtisches Krankenhaus geht, auf die Kommunen zurückfallen. Das ist ein weiterer Problembereich. Auf der einen Seite sagen Sie in vielen Diskussionen immer wieder, dass die Selbstbeteiligung gefordert sei. In diesem Falle sagen Sie auf einmal, das sei noch nicht ganz absehbar. Warum sage ich das hier vor Ihnen? – Ich will Ihnen damit signalisieren, dass wir ganz große Probleme damit haben und die Schwierigkeiten noch einmal in einzelnen Forderungen deutlich machen werden.

Und ein Letztes: Es ist nicht so, dass ich den Kollegen Kreuzer so sehr liebe, aber er hat in einem anderen Zusammenhang eben etwas gesagt, was die Anhörung angeht. Warum, Kollegen und Kolleginnen von der CSU, kam es bei einem so sensiblen Thema vorher nicht zu einer Anhörung, um das zu erörtern? – Das sind unsere Bedenken, und jetzt sind Sie auch weiterhin gefordert.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Vielen Dank, Frau Hirschmann. Das Wort hat Frau Stahl.

Frau Präsidentin, meine Herren und Damen! Der Gesetzentwurf muss tatsächlich ernsthaft diskutiert werden; denn das Anliegen, dass Föten aus Fehlgeburten, Totgeburten und Schwangerschaftsabbrüchen nicht einfach in der Müllverbrennung des Klinikums landen, sondern entweder bestattet oder in einem Grabfeld gebettet werden, ist nachvollziehbar. Wir haben zu dem vorliegenden Gesetzentwurf jedoch noch Fragen, die wir dringend im Ausschuss beraten haben wollen.

Entspringt der Gesetzentwurf tatsächlich dem ethischen Unbehagen angesichts von Embryonen und Föten in Plastikmüllsäcken, oder soll die nunmehr in dem Änderungsgesetz vorgesehene Verpflichtung zur Zur-RuheBettung oder Einäscherung Frauen und Ärzte, die einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen wollen, schikanieren? So müssen Verfügungsberechtigte, das heißt Eltern oder Frauen, demnach zukünftig für eine würdige Zur-Ruhe-Bettung sorgen. Diese Verpflichtung trifft nach diesem Gesetz auch die Frau, die abgetrieben hat, es sei denn, die Pflicht zu übernehmen ist dem Verfügungsberechtigten nicht möglich oder unzumutbar.

Und hier komme ich zu dem ersten Punkt, über den wir, glaube ich, noch einmal reden müssen. Hier gibt es Klärungsbedarf. Es handelt sich um zwei unbestimmte Rechtsbegriffe, die auch in der Begründung des Gesetzes nicht erklärt werden. Was heißt denn „unzumutbar“ und „nicht möglich“? Ab wann fallen Verfügungsberechtigte darunter, sodass dann die Klinik oder der behandelnde Arzt in die Pflicht genommen wird? Wer entscheidet zum Beispiel, dass bei einem Verfügungsberechtigten diese Situation gegeben ist?

Weniger problematisch sehen wir eine Verpflichtung von Kliniken und niedergelassenen Ärzten; denn zumindest die Ersteren handeln ja in vielen Fällen bereits nach der Empfehlung der deutschen Krankenhausgesellschaft von 1999. Ähnliche Vorschriften gibt es in anderen Bundesländern.

Auch wenn die Kosten für Bestattung und Zur-Ruhe-Bettung im Grabfeld zwischen 50 und 100 e in der Diskussion nicht im Vordergrund stehen sollten, muss man trotzdem klären, wer die Kosten dann übernehmen muss. Sind es auch die Frauen mit einer sozialen Indikation, oder fallen diese dann unter die Unzumutbarkeitsund Unmöglichkeitsbegriffe? Das, denke ich, muss einfach deutlicher beschrieben werden. Oder zahlt das dann das Sozialamt? Hier ergibt sich aus dem Gesetzeswortlaut für uns leider keine Klarheit.

Nicht konsequent erscheint uns in einer doch ethisch angelegten Diskussion dann auch der Satz, dass diese Verpflichtung nur dann besteht, soweit nicht für medizinische und wissenschaftliche Zwecke Bedarf an den Embryonen besteht. Auch in dieser Hinsicht habe ich ein Problem, muss ich Ihnen sagen. Entweder ist man aus ethischen Gründen konsequent für eine Bestattungsoder Ruhe-Bettungspflicht in einem Grabfeld oder als dritte Möglichkeit für die Einäscherung, oder man lässt es bleiben. Ich halte es für schwierig, einerseits eine Pflicht auszusprechen, Krankenhäuser, Ärzte, unter Umständen auch Hebammen und Eltern oder allein stehende Frauen zu zwingen, gleichzeitig aber zu sagen: Na ja, wenn ihr es für andere Zwecke braucht, ist es in Ordnung, wenn ihr an den Embryonen und Föten rumschnippelt. Damit habe ich ein Problem. Ich hoffe, wir können das im Ausschuss noch zur Genüge klären.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Vielen Dank, Frau Stahl. Die Aussprache ist geschlossen. Ich schlage vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Kommunale Fragen und Innere Sicherheit als federführendem Ausschuss zu überweisen. Erhebt sich Widerspruch? – Das ist nicht der Fall. Dann ist so beschlossen.

Ich rufe gemeinsam auf die Tagesordnungspunkte 2 k und 2 l:

Tagesordnungspunkt 2 k

Antrag der Staatsregierung

Staatsvertrag zwischen dem Freistaat Bayern und dem Land Hessen über die Zugehörigkeit der kammerangehörigen Ingenieure des Landes Hessen zur Bayerischen Ingenieurversorgung-Bau (Drucksache 14/12176)

Erste Lesung –

Tagesordnungspunkt 2 l

Antrag der Staatsregierung

Staatsvertrag zwischen dem Freistaat Bayern und dem Freistaat Thüringen über die Zugehörigkeit der

kammerangehörigen Ingenieure des Freistaats Thüringen zur Bayerischen Ingenieurversorgung-Bau (Drucksache 14/12177)

Erste Lesung –