und dessen Nutzen zu diskutieren, dann gäbe es wahrscheinlich zwei sehr unterschiedliche Lager. Ich erinnere mich, dass das mit Abstand wichtigste Instrument, nämlich das Mittelstandskreditprogramm, in einigen spärlichen Absätzen abgehandelt wurde, während man auf
Interessant und für mich auch amüsant waren Ihre Aussagen zur Notwendigkeit eines Mittelstandsförderungsgesetzes. Sie haben gesagt, es ist ganz klar, wir brauchen das dringend. Wir hören das aus Ihrem Mund seit Jahren. Unser Gesetzentwurf ist ein Jahr alt. Ich habe aber schon ein oder zwei Jahre gewartet und Ihnen gelauscht. Ich bin immer hoffnungsfroh gewesen, dass etwas von Ihnen kommt. Ihre Fraktion und Ihre Minister haben vor zwei oder drei Jahren – das waren mindestens sechs Minister und Staatssekretäre – ein mittelstandspolitisches Aktionsprogramm der Staatsregierung angekündigt. Ministerpräsident Stoiber hat letztes Jahr vom „Sonderklima Mittelstand“ gesprochen und geschrieben und wiederum ein Mittelstandsförderungsgesetz angekündigt; gekommen ist letztlich nichts.
Sie sagen, es muss aus einem Guss und gescheit sein. Interessant ist, dass Sie hier genau umgekehrt verfahren, wie der Bayerische Ministerpräsident Stoiber in der Reformdiskussion auf Bundesebene verfährt. Da kann alles gar nicht schnell genug gehen, da kommt es auf Tage und Wochen an. Hier wird jahrelang, wahrscheinlich schon jahrzehntelang – so lange bin ich noch nicht in diesem Hause – versprochen, dass etwas passiert; passiert ist aber nichts. Deshalb fordern wir Sie noch einmal auf, unsere beiden Gesetzentwürfe wohlwollend zu beraten und dann kluge und gescheite Vorschläge von Ihnen folgen zu lassen, vielleicht sogar aus Ihrer eigenen Feder und Ihrem eigenen Kopf, nicht nur aus der Staatskanzlei und dem bayerischen Wirtschaftsministerium.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Wortmeldungen liegen keine vor. Die Aussprache ist geschlossen. Ich schlage vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Wirtschaft, Verkehr und Technologie als federführendem Ausschuss zu überweisen. Besteht damit Einverständnis? – Widerspruch erhebt sich nicht. Dann ist auch das so beschlossen.
Der Gesetzentwurf wird vonseiten der Antragsteller begründet. Erste Wortmeldung: Herr Kollege Kreuzer.
Frau Präsidentin, Hohes Haus! Der technische Fortschritt gerade im Bereich der Telekommunikation ist atemberaubend. Wir stellen immer wieder fest, dass sich gerade Kriminelle, und noch stärker organisiert Kriminelle, dieses technisches Fortschritts, dieser neuen technischen Möglichkeiten bedienen.
Wir als Verantwortliche für die innere Sicherheit in diesem Land, in diesem Staat sind natürlich aufgefordert, der Polizei gleich gute technische Möglichkeiten zur Verfügung zu stellen, damit unsere Sicherheitskräfte und unsere Strafverfolgungsbehörden nicht aufgrund dieses technischen Fortschritts und der neuen technischen Möglichkeiten ins Hintertreffen geraten. Es ist unsere Aufgabe, jeweils zu prüfen, was bezüglich Änderungen der Sicherheitsgesetze oder der Strafprozessordnung veranlasst ist, um diesen neuen Möglichkeiten gerecht zu werden.
Unser Gesetzentwurf zum PAG enthält ein Bündel von Maßnahmen. Ich will mit dem beginnen, was meines Erachtens unstrittig ist, nämlich den automatisierten Kennzeichenerkennungssystemen. Diese Systeme erkennen Kennzeichen und gleichen diese mit dem Fahndungsdatenbestand ab. Die Daten werden ausgewertet und ansonsten sofort wieder gelöscht, es findet also keine Speicherung über längere Zeit statt. Das ist notwendig, um den grenzüberschreitenden Verkehr oder gewisse Brennpunkte zu kontrollieren. Davon betroffen ist nur derjenige, der im Fahndungscomputer bzw. in den entsprechenden Dateien ausgeschrieben ist.
Darüber hinaus geht es um die Überwachung von Telekommunikation in verschiedenen Bereichen: nämlich zum einen um die Befugnis zur Anforderung von Telekommunikationsverbindungsdaten von den Anbietern, zum Beispiel Beginn und Ende von Verbindungen, Rufund Kartennummern, zum anderen um die Identifikation und Lokalisation von Kommunikationsteilnehmern mittels technischer Geräte wie IMSI-Catchern.
Auch die Befugnis, Verbindungen im Ernstfall zu unterbrechen, ist im Gesetz enthalten und schließlich die Überwachung des netzgebundenen und des netzungebundenen Fernsprech- sowie sonstigen Telekommunikationsverkehrs.
Meine Damen und Herren, ich möchte ausdrücklich betonen, dass der Bundesgesetzgeber unter der rotgrünen Koalition alle diese Möglichkeiten in der Strafprozessordnung eröffnet hat. Alles das, was ich angesprochen habe, ist nach der Strafprozessordnung bei repressiven Maßnahmen, also bei der Verfolgung von Straftaten, heute schon möglich, und zwar nach einem Beschluss von Rot-Grün. Man soll also heute nicht so tun, als seien dies alles Maßnahmen, die völlig undenkbar sind.
Wir haben keine Möglichkeit, die von mir aufgezählten Maßnahmen zu ergreifen, um drohende Straftaten zu verhindern, um also zum Beispiel eine Explosion auf einem Marktplatz zu verhindern, um Gefahr für Leib und Leben abzuwenden. Wir können diese Maßnahmen nur
Meine Damen und Herren, wir müssten uns einig darüber sein, dass wir diese Maßnahmen zur Gefahrenabwehr brauchen. Wir müssen diese Maßnahmen auch anwenden können, um Gefahr von Leib und Leben – zum Beispiel bei einer Geiselnahme – abzuwenden. Um das geht es bei diesem Gesetzentwurf. Worüber wir uns unterhalten müssen, ist der Rahmen, wann dies geschehen kann. Wir haben in diesem Gesetzentwurf einen Vorschlag gemacht, in dem die Abwehr einer Gefahr für den Bestand der Sicherheit des Bundes oder des Landes, der Gesundheit und Freiheit einer Person und der Verdacht der Ausführung von Straftaten nach Artikel 30 Absatz 5 PAG aufgeführt sind. In der Gesetzesberatung kann man selbstverständlich darüber reden, welcher Katalog insgesamt angemessen ist.
Es gibt die Diskussion, ob man Geheimnisträger, also zum Beispiel Journalisten, von den Überwachungsmaßnahmen ausnehmen soll. Auch hierüber können wir selbstverständlich diskutieren. Ich sage Ihnen aber, dass die Ausnahme dieser Personen in der Strafprozessordnung ein Ausfluss aus dem Zeugnisverweigerungsrecht, einem typischen Recht der Strafverfolgung, ist. Dieses Recht ist in der Prävention in den Gesetzen des Bundes und der Länder bisher nicht vorgesehen. Es ist ein der Prävention völlig fremdes Element. Bei der Gefahrenabwehr haben Zeugnisverweigerungsrechte und ähnliche Schutzrechte weder in den einschlägigen Bestimmungen des Landes noch in den Gesetzen der Länder eine Rolle gespielt.
Wir werden darüber sprechen. Die Konsequenz wird sein, dass Sie die Maßnahme abbrechen und die Gefahr eintreten lassen müssen. Dass diese Regelungen zur Strafverfolgung nicht herangezogen werden dürfen, ist selbstverständlich und ergibt sich aus der Strafprozessordnung. Dass wir uns richtig verstehen: Es geht nur darum, die Maßnahmen zur Gefahrenabwehr einzubringen.
Das ist unser Vorschlag. Wir müssen darüber ausführlich diskutieren. Es handelt sich um ein wichtiges Gesetz für die innere Sicherheit; es geht um ein Eingriffsgesetz, das die Freiheiten des Einzelnen beschränkt. Deshalb werden wir die Anhörung, die Sie fordern, durchführen. Wir wollen die Sache keineswegs übers Knie brechen; wir sehen die Problematik sehr wohl. Auch im Bund ist über das Gesetz im Rahmen der Repression lang und ausführlich beraten worden. Das wollen wir auch hier tun.
Meine Damen und Herren, das ist der Sachverhalt. Hier will niemand unnötig die Rechte Dritter beschneiden, aber wir wollen eine wirksame Gefahrenabwehr. Wir sind verantwortlich für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger in diesem Staat. Es geht nicht an, dass neue technische Möglichkeiten nur zur Strafverfolgung, aber nicht zur Abwehr von Gefahren genutzt werden können. Das ist eine wesentliche Regelungslücke. Wir werden diesen Gesetzentwurf diskutieren und eine Anhörung
durchführen, und wir werden diese Gesetzeslücke, die die Anwendung neuer technischer Möglichkeiten zur Abwehr von Gefahren für Leib und Leben betrifft, schließen. Wir brauchen dieses Instrument, und wir werden uns einer ausführlichen Diskussion in den Ausschüssen und in der Anhörung nicht verschließen.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Herr Kreuzer, gehe ich recht in der Annahme, dass Sie bereits in der Aussprache gesprochen haben?
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Gesetzentwurf hat im Grunde zwei große Komplexe zum Inhalt. Der eine Komplex ist bereits erwähnt worden; es handelt sich um den schönen bürokratischen Begriff der Einführung von automatisierten Kennzeichen-Erkennungssystemen. Um es kurz zu sagen: Es handelt sich um das Kennzeichen-Scanning vor allem an den Grenzen. Wir haben im Ausschuss für Kommunale Fragen und Innere Sicherheit schon erklärt, dass wir damit einverstanden sind, wenn dazu eine gesetzliche Grundlage geschaffen wird. Das hat auch der Datenschutzbeauftragte gefordert. Ich freue mich, dass Sie dieser Forderung nachkommen.
Ich bedaure es aber, dass Sie diese unstrittige Sache verbinden wollen mit – ich sage es einmal so – einer vorsorglichen Telefonabhörung der gesamten Bevölkerung.
Ich würde gern auf den Beitrag von Herrn Kreuzer eingehen, habe aber nur fünf Minuten Zeit. Deshalb haben wir einen Dringlichkeitsantrag gestellt, der morgen als Erstes behandelt werden wird. Wir werden unsere Argumente morgen ausführlich darlegen.
Lassen Sie mich deshalb nur kurz sagen, dass die Rede von Herrn Kreuzer etwas überraschend kam. Die Insider hier wissen, dass die im Antragstext fettgedruckten Abgeordneten die Hardliner sind, die den Antrag erarbeitet haben – hier also Dr. Kempfler, Welnhofer, Herrmann, Hölzl und Peterke –, während die dünngedruckten Abgeordneten – nicht, dass ich Sie für einen Dünngedruckten halten würde, Herr Kreuzer – normalerweise keine Rede halten. Dass man also Sie, Herr Kreuzer, nach vorn geschickt hat, sieht nach ersten Anzeichen für ein Rückrudern aus. Nachdem Sie auch noch der Anhörung zustimmen wollen, hoffe ich, dass Sie bereits Bedenken bekommen haben.
Herr Kollege Herrmann, wenn Sie heute schon die Presseerklärung des Deutschen Anwaltsvereins gelesen haben, sollten Sie sich wirklich Gedanken machen. Sie bringen hier nicht nur eine kleine gesellschaftliche
Gruppe gegen sich auf. Wenn ich das richtig sehe, sind alle wichtigen gesellschaftlichen Kräfte gegen das Gesetz, vor allem diejenigen, die ein Amts- oder Berufsgeheimnis zu wahren haben und über ein Zeugnisverweigerungsrecht verfügen.
Lassen Sie mich noch eines sagen: Heute Morgen haben wir hier der Bücherverbrennung vor 70 Jahren gedacht. Wir geben sogar eine Broschüre über die Bücherverbrennung heraus und bedauern das, was damals passiert ist. Also: Wir befassen uns heute Morgen mit der Verbrennung des geschriebenen Wortes, und heute Nachmittag haben Sie keine Bedenken, einen Gesetzentwurf zur Verbrennung des gesprochenen Wortes einzubringen.
Meine Damen und Herren, das kann ich nicht fassen. Ich kann Ihnen nur sagen, es wird nicht nur einen entschiedenen Widerstand unserer Partei geben, sondern auch einen entschiedenen Widerstand aller maßgeblichen Institutionen und Verbände. Darauf sollten Sie sich einstellen. Eigentlich sollten Sie vernünftig sein und heute Abend darüber sprechen, dass Sie den Gesetzentwurf morgen zurücknehmen.
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Wäre das Thema nicht so ernst und wären die geplanten Grundrechtseingriffe nicht so gravierend, könnten wir uns bei der CSU für die Wahlkampfmunition bedanken; denn diesmal haben Sie die Schamgrenze überschritten.
Sie haben so weit überzogen, dass nicht nur die Opposition und die Bürgerrechtsorganisationen auf die Barrikaden gehen; denn – ich spreche zunächst zur Telefonüberwachung – der Inhalt Ihres Gesetzentwurfes ist eine Katastrophe für unseren Rechtsstaat, und die Wellen der Empörung schlagen Ihnen bereits sehr hoch entgegen.
Sie ignorieren die berechtigten Interessen und Rechte der Berufsgeheimnisträger und das Zeugnisverweigerungsrecht. In der öffentlichen Diskussion ist momentan vor allem Ihr Angriff auf die Pressefreiheit. Was ist die Pressefreiheit und damit die Kontrollfunktion der vierten Gewalt im Staate noch wert, wenn Journalisten den Informantenschutz nicht mehr gewährleisten können?